sozial-Thema

Teilhabe

Hintergrund

Aberkennung des aktiven Wahlrechts



Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, heißt es im Grundgesetz. Das bedeutet aber nicht, dass die Staatsgewalt von jeder Person der Bevölkerung ausgeht. Es gibt Fälle, in denen straffällig gewordenen Menschen ihr Wahlrecht entzogen werden kann.

Nach Paragraf 13 Bundeswahlgesetz ist vom Wahlrecht ausgeschlossen, "wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt". Dies ist dem Bundeswahlleiter zufolge aber beim aktiven Wahlrecht nur in bestimmten im Strafgesetzbuch und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz festgelegten Fällen möglich und gilt für zwei bis maximal fünf Jahre. Demnach können Menschen ihr Wahlrecht kurzzeitig verlieren, wenn sie zu Haftstrafen von mindestens sechs Monate beziehungsweise mindestens einem Jahr wegen Straftaten wie Hochverrat gegen den Bund, der Offenbarung von Staatsgeheimnissen, der Fälschung von Wahlunterlagen oder Abgeordnetenbestechung verurteilt wurden.

Ausschluss vom Wahlrecht

Allerdings bedeutet eine Verurteilung wegen solcher Straftaten demnach nicht automatisch, dass der Person ihr Wahlrecht aberkannt wird. Vielmehr liege es im Ermessen des Gerichts, ob die Straftäterin oder der Straftäter weiter ihre Stimme abgeben dürfen. Außerdem könne das Bundesverfassungsgericht eine Person wegen des Verwirkens von Grundrechten vom Wahlrecht ausschließen. Das ist nach Artikel 18 Grundgesetz dann möglich, wenn jemand die Freiheit der Meinungsäußerung, die Versammlung- und Vereinigungsfreiheit, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, das Eigentum oder das Asylrecht "im Kampfe gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht".

Ein solcher Ausschluss ist dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags zufolge aber noch nie vorgekommen. In allen vier Verwirkungsverfahren seit Gründung der Bundesrepublik habe das Gericht die Anträge bereits im Vorverfahren abgelehnt. Wie viele Menschen jährlich nach Paragraf 45 Absatz 5 Strafgesetzbuch ihr aktives Wahlrecht kurzzeitig verlieren, ist nach Angaben der Bundesregierung nicht bekannt.

Viel häufiger als ihr aktives verlieren Straftäterinnen und Straftäter ihr passives Wahlrecht. Dies ist der Fall, wenn ein Gericht eine Person wegen eines Verbrechens verurteilt. Ein Verbrechen ist eine rechtswidrige Tat, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet wird. Somit unterscheidet es sich von einem Vergehen, auf das im Mindestmaß eine geringere Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe steht. Hat jemand ein Verbrechen begangen, verliert er für fünf Jahre das Recht, öffentliche Ämter auszuüben und für ein politisches Amt gewählt zu werden.

Verlust des passiven Wahlrechts

Darüber hinaus können Menschen nach Paragraf 45 Absatz 2 Strafgesetzbuch ihr passives Wahlrecht verlieren, wenn das Gesetz dies besonders vorsieht. Ein Beispiel ist das Gesetz zum Subventionsbetrug (Paragraf 264 Strafgesetzbuch). In Absatz 7 des Paragrafen ist festgelegt, dass das Gericht im Urteil den Verlust des passiven Wahlrechts aussprechen kann.

Kritik an der Praxis kommt von der Gefangenen-Gewerkschaft / Bundesweite Organisation (GG/BO). Es sei nicht transparent, warum zwischen Vergehen und Verbrechen unterschieden werde. Es ergebe außerdem keinen Sinn, dass die fünf Jahre ohne passives Wahlrecht erst mit der Entlassung der Betroffenen aus der Einrichtung beginnen.

In einer Analyse beschreiben die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundtestages verschiedene kritische Äußerungen dazu, ob die Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen beim Entzug des passiven Wahlrechts verfassungsmäßig ist. Gegnerinnen und Gegner sehen darin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz.

Jana-Sophie Brüntjen


Weiterführende Links

Artikel 18 Grundgesetz


Artikel 20 Grundgesetz


Bundeswahlgesetz, Paragraf 13


Strafgesetzbuch, Paragraf 45


Bundesregierung, Zahlen zur Aberkennung des aktiven Wahlrechts (PDF)


Der Bundeswahlleiter, Aberkennung des Wahlrechts


Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages zum Wahlrechtausschluss (PDF)


Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Verwirkung von Grundrechten (PDF)


Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Regelungen zum Ausschluss des Wahlrechts (PDF)

Mehr zum Thema

Auch Häftlinge und Wohnungslose wählen den Bundestag

Vor jeder Wahl dasselbe: Die Wahlbenachrichtigung flattert ein, dann wird per Brief oder per Urne gewählt, der Aufwand hält sich in Grenzen. Bei Bürgern ohne festes Zuhause wie Strafgefangenen oder Wohnungslosen ist das jedoch nicht ganz so einfach.

» Hier weiterlesen

"Unter Wohnungslosen ist der Frust über die Politik groß"

Im Superwahljahr 2021 können Millionen Menschen ihre Stimme abgeben – auch solche, denen die Politik eher wenig Beachtung schenkt. Dazu gehören Bürgerinnen und Bürger ohne feste Meldeadresse, sofern sie sich ins Wählerverzeichnis eintragen lassen. Von diesem Recht machen aber nicht viele Gebrauch, sagt Thomas Rutschmann, Sozialpädagoge und Referatsleiter Wohnungslosenhilfe beim AGJ Fachverband in Freiburg. Bei der politischen Teilhabe hapere es aber auch in anderen Bereichen.

» Hier weiterlesen