

Berlin (epd). Kinder in schwierigen Lebensverhältnissen, im Heim und in Pflegefamilien sollen mehr Unterstützung, Schutz und Rechte erhalten. Der Bundestag hat am 22. April in Berlin eine umfassende Reform der Kinder- und Jugendhilfe beschlossen. Sie hat zum Ziel, den Kinderschutz zu verbessern, Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien zu stärken und allen Beteiligten mehr Mitspracherechte zu geben.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte, es komme jetzt darauf an, dass auch der Bundesrat zustimme. Viele Praktikerinnen und Praktiker warteten auf die Verbesserungen. Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Nadine Schön (CDU), sagte im Bundestag, die Reform werde das Leben Zehntausender Kinder und Jugendlicher im Land verändern. Norbert Müller, Obmann der Linksfraktion im Familienausschuss, kritisierte hingegen, die Reformen drohten am eklatanten Personalmangel in den Jugendämtern zu scheitern.
Das Gesetz sieht stärkere Kontrollen von Heimen im Inland und von Jugendprojekten im Ausland vor, von denen etliche in Verruf geraten waren. Kinder und Jugendliche, die in Heimen oder in Pflegefamilien leben, sollen sich künftig an unabhängige Beschwerdestellen wenden können. Dem Schutz der Kinder soll auch eine engere Kooperation zwischen Jugendämtern, Familiengerichten, den Strafverfolgungsbehörden und Ärzten dienen. So sollen beispielsweise Ärzte, die sich wegen eines Verdachts auf Misshandlungen an das Jugendamt wenden, künftig eine Rückmeldung erhalten, wie der Fall eingeschätzt wird.
Die Rechte von Pflegeeltern und leiblichen Eltern eines Kindes werden neu austariert. Wenn das Kind bei den Pflegeltern besser aufgehoben ist, soll es dort unter bestimmten Umständen dauerhaft und nicht nur befristet bleiben können. Gleichzeitig sollen leibliche Eltern, die einen guten Kontakt zu ihren Kindern behalten wollen, stärker unterstützt werden.
Zu den zahlreichen Änderungen in der Jugendhilfe zählt auch, dass Kinder in Heimen und Pflegefamilien künftig mehr vom selbst verdienten Geld behalten können. Bisher müssen sie 75 Prozent abgeben, um zu den Kosten ihrer Unterbringung beizutragen. Künftig können sie 75 Prozent behalten und haben einen Freibetrag von 150 Euro. Die bisherige Regelung war als besonders demotivierend für junge Menschen kritisiert worden, die es ohnehin schwer haben, auf eigenen Füßen zu stehen.
Das unter der Federführung von Familienministerin Giffey erarbeitete Kinder- und Jugendstärkungsgesetz sieht außerdem vor, bis 2028 die staatlichen Leistungen für behinderte und nicht behinderte Kinder zusammenzuführen. Deutschland kommt damit auch seiner Pflicht zur Inklusion von behinderten Menschen nach. Die Koalitionsfraktionen und die Grünen stimmten für die Reform, die Linke, die einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht hatte, und AfD stimmten dagegen, die FDP enthielt sich der Stimme.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), erklärte, durch die Reform erhielten auch Kinder suchtkranker Eltern endlich mehr Unterstützung. Sie können sich künftig ohne Wissen und Zustimmung ihrer Eltern an eine Beratungsstelle wenden und in Notsituationen schnell und unbürokratisch Hilfe bekommen. Die Diakonie begrüßte das Gesetz, bemängelte aber, die inklusive Kinder- und Jugendhilfe komme zu langsam voran.
In Deutschland leben knapp 22 Millionen Kinder und Jugendliche bis 27 Jahre. 1,1 Millionen sind auf die Unterstützung der Jugendämter angewiesen. Weitere 360.000 Kinder und Jugendliche brauchen wegen einer seelischen, körperlichen oder geistigen Behinderung Hilfen. Die Reform stand schon in der vorigen Legislaturperiode auf der politischen Agenda, war aber am Widerstand der Länder gescheitert, die sich nicht genug eingebunden fühlten.