wer durch Corona und die daraus folgende Quarantäne Verdienstausfälle hat, bekommt sie vom Staat erstattet. Das soll künftig anders gehandhabt werden, zumindest in zwei Bundesländern. Auch wegen der Kosten. Eine epd-Umfrage in den Ländern ergab, dass die öffentliche Hand seit Beginn der Pandemie für die Entschädigungen bereits über eine halbe Milliarde Euro ausgab.
Das Problem ist seit Jahren bekannt, von der Politik gelöst wurde es nicht. Es geht um Menschen ohne Krankenversicherung. Ihnen steht nur ein eng begrenztes Feld medizinischer Versorgung zur Verfügung. Jetzt hilft den Betroffenen in Neumünster die „Praxis ohne Grenzen“, die, und das ist ein Novum, zugleich eine Sozialberatung anbietet. Dort soll geklärt werden, warum die Menschen aus der Krankenversicherung herausgefallen sind und wie eine Rückkehr gelingen kann.
Das Altenheim Brigittenstift in Hannover ist bisher ohne einen einzigen Corona-Fall durch die Pandemie gekommen. Und das soll auch so bleiben, betont die Diakonie als Trägerin des Hauses. Aber wie ist es möglich, das Virus erfolgreich auszusperren? Die Lösung liegt in der überaus peniblen Umsetzung von Hygieneplänen. Der Erfolg gibt dem Heim recht, doch der Aufwand per Personal und Bewohner ist groß.
Als die gewaltige Flut im Ahrtal wütete, hatte Ute Remshagen enormes Glück. Das Wasser erreichte ihren Pflegestützpunkt Bad Neuenahr-Ahrweiler nicht, berichtet die Leiterin im epd sozial-Interview. Die Einrichtung unterstützt Menschen, die Hilfe zur Pflege benötigen. Das Ziel: Die Menschen sollen so lange wie möglich in ihrer Häuslichkeit leben können. Doch nach der Flut ist alles anders. Ein Gespräch über andere Fragen, die jetzt im Pflegestützpunkt gestellt werden, mutige Pflegedienstmitarbeitende und verschwundene Klienten.
Lesen Sie täglich auf dem Twitteraccount von epd sozial Nachrichten aus der Sozialpolitik und der Sozialbranche. Auf diesem Kanal können Sie mitreden, Ihren Kommentar abgeben und über Neuigkeiten Ihrer Einrichtung berichten. Gern lese ich auch Ihre E-Mail.
Dirk Baas
Berlin (epd). Die Bundesländer haben seit Beginn der Corona-Pandemie mehr als eine halbe Milliarde Euro an Entschädigungen für Verdienstausfälle durch eine Quarantäne gezahlt. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den zuständigen Ministerien der Länder ergab, wurden mehr als 520 Millionen Euro dafür ausgegeben. Die höchste Summe an Entschädigungszahlungen kam in Nordrhein-Westfalen zusammen: 120 Millionen Euro. Zumindest zwei Länder wollen den Entschädigungsanspruch für Ungeimpfte künftig streichen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) findet das grundsätzlich richtig.
Die Summen, die für Entschädigungen aufgewendet wurden, variieren von Land zu Land: Bremen entschädigte betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beispielsweise in Höhe von rund 4,7 Millionen Euro, Sachsen zahlte 25,1 Millionen Euro, Thüringen 68,8 Millionen Euro, Bayern 83 Millionen Euro. Die Summe aus insgesamt 14 Bundesländern liegt bei rund 526 Millionen Euro. Niedersachsen und das Saarland machten keine Angaben dazu. Brandenburg machte auch Angaben über die Höhe der Entschädigung: Im Schnitt wurden für einen bewilligten Antrag 812 Euro ausgezahlt.
Wenn eine Quarantäne zum Verdienstausfall führt, haben die Betroffenen nach dem Infektionsschutzgesetz ein Anrecht auf Entschädigung. Die Regelung sieht zugleich vor, dass der Anspruch entfallen kann, wenn die Quarantäne durch eine Schutzimpfung hätte vermieden werden können. Darauf beruft sich als erstes Bundesland Baden-Württemberg. Dort wurde in der vergangenen Woche bekannt gegeben, dass ab dem 15. September keine Entschädigung mehr für Ungeimpfte im Fall einer Quarantäne gezahlt werden soll. Bis dahin hätte jeder die Chance auf eine Corona-Schutzimpfung gehabt, hieß es zur Begründung.
Spahn stellte sich hinter die Entscheidung der Landesregierung. Es seien immerhin die Steuerzahler, die die Entschädigung finanzieren, sagte er am Mittwoch in Berlin. Er sehe nicht ein, „warum auf Dauer andere zahlen sollen, wenn sich jemand nicht für die kostenlose Impfung entscheidet, obwohl er könnte“, ergänzte er.
Das Gesundheitsministerium in Rheinland-Pfalz teilte auf epd-Anfrage mit, ab dem 1. Oktober wie Baden-Württemberg verfahren zu wollen. Aus Hessen hieß es, nicht geimpfte Personen müssten damit rechnen, dass Anträge auf Entschädigung für Quarantäne-Verdienstausfälle künftig abgelehnt werden. Ein konkreter Zeitpunkt wurde aber nicht genannt.
Berlin hält dagegen an der Entschädigung fest. Dort sieht man die Bedingung - dass durch Impfung eine Quarantäne vermieden wird - nicht erfüllt. Quarantänepflichten könnten derzeit auch für Geimpfte gelten, beispielsweise bei Vorliegen von Symptomen oder bei Kontaktpersonen von mit Virusvarianten infizierten Menschen, erklärte ein Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen. Bayern will weiter in jedem Einzelfall über eine Entschädigung entscheiden, um die zu berücksichtigen, die gegebenenfalls von der Impfempfehlung nicht erfasst sind.
Aus vielen Landesregierungen heißt es aber derzeit, über solch eine Regelung sei noch nicht entschieden. Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein dringen auf eine einheitliche Regelung in ganz Deutschland. Man setze sich für einen möglichst einheitlichen Zeitpunkt ein, hieß es aus Kiel. Auch in Schwerin plädiert man für eine politische Entscheidung auf Bundesebene, will mit einem Streichen des Anspruchs aber auf jeden Fall noch warten. Gerade werde noch einmal für Impfungen geworben, erklärte das Sozialministerium. Nach Abschluss dieser Impfkampagne müsse es „eine Übergangsfrist von mindestens zwei Monaten geben“, in der es bei der bisherigen Entschädigungsregelung bleiben solle.
München (epd). Weniger strenge Quarantäne-Regeln für Schulen und Kitas sowie frühere Corona-Auffrischungsimpfungen für ältere Menschen und Pflegepersonal haben die Gesundheitsminister der Länder am 6. September in München beschlossen. Der bayerische Gesundheitsminister und Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der Länder, Klaus Holetschek (CSU), sagte nach einer Videokonferenz einer Mitteilung zufolge: „Unser gemeinsames Ziel ist, im neuen Schuljahr so viel Präsenzunterricht wie möglich zu garantieren - bei bestmöglichem Infektionsschutz für alle.“
Konkret bedeutet dies für Schulen und Kitas, dass Quarantäne-Maßnahmen nach einem Infektionsfall in der Einrichtung nur noch „mit höchstem Augenmaß“ angeordnet werden. Demnach müssten nicht mehr ganze Schulklassen oder Kitagruppen in die Isolation. „Eine zentrale Rolle spielen dabei unsere sehr vielfältigen und verlässlichen Testmöglichkeiten“, sagte Holetschek laut Mitteilung. Schülerinnen und Schüler ohne Symptome, die als enge Kontaktpersonen eingestuft wurden, könnten sich künftig nach frühestens fünf Tagen „freitesten“. Geimpfte und genesene Schüler seien von den Test- und Quarantänepflichten komplett ausgenommen. Die Regelungen gelten analog auch für Kitas.
Darüber hinaus haben die Gesundheitsminister und -senatoren der Länder das Angebot für Auffrischungsimpfungen für Menschen über 60 Jahre erweitert. Nach ärztlicher Beratung und individueller Entscheidung sollten diese eine Drittimpfung mit einem mRNA-Impfstoff wahrnehmen können. Dies sei allerdings frühestens sechs Monate nach der ersten vollständigen Impfserie möglich. Das gleiche Angebot mache man Pflegekräften in Alten- und Pflegeheimen und in weiteren Einrichtungen für gefährdete Gruppen - etwa Heimen für Menschen mit einer Behinderung. „Wir wollen gut vorbereitet in Herbst und Winter gehen“, betonte Holetschek.
Hamburg (epd). Die Corona-Pandemie hat viele Kinder und Jugendliche krank gemacht. So wurden 2020 deutschlandweit in den Krankenhäusern 60 Prozent mehr Mädchen und Jungen wegen Übergewicht behandelt als im Vorjahr, heißt es im Kinder- und Jugendreport der Krankenkasse DAK, der am 9. September in Hamburg vorgestellt wurde. Die Zahl junger Patienten mit Bulimie oder Magersucht nahm um fast zehn Prozent zu. DAK-Vorstandschef Andreas Storm forderte, dass die neue Bundesregierung noch im ersten Halbjahr 2022 einen „Aktionsplan Kindergesundheit“ erarbeiten müsse.
Während die Zahl übergewichtiger Kinder und Jugendlicher im ersten Frühjahrs-Lockdown 66 Prozent unter den Wert des Vorjahres sank, stieg sie danach auf Rekordniveau. Gleichzeitig wuchs die Zahl der stark Untergewichtigen um 35 Prozent. Nach einem Rückgang im ersten Lockdown um minus 19 Prozent, verdoppelten sich die Fälle danach.
Bei den psychischen Erkrankungen blieb die Zahl der Klinikbehandlungen 2020 auf dem Niveau von 2019. Dabei wurden im Frühjahrs-Lockdown über 30 Prozent weniger junge Menschen aufgrund einer Verhaltensstörung behandelt, wogegen die Zahl im Winter-Lockdown um vier Prozent anstieg.
Die Corona-Maßnahmen hätten deutlich negative Effekte auf die Kinder- und Jugendgesundheit, sagte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Dies gelte vor allem in den Bereichen Körpergewicht und psychische Gesundheit. „Es wird noch lange dauern, bis wir zu einer Normalität zurückkehren können.“
Allgemein ging die Zahl der Krankenhausfälle von Kindern und Jugendlichen im Corona-Jahr 2020 um fünf Prozent zurück. Am deutlichsten war der Rückgang im ersten Lockdown mit einem Minus von 41 Prozent. Weniger stark war er im zweiten Lockdown mit einem Minus von zehn Prozent.
Für den DAK-Report wurden die Krankenhausdaten von knapp 800.000 Kindern und Jugendlichen untersucht, die bei der DAK versichert waren.
Neumünster (epd). Der Raum ist klein: Ein Schreibtisch, eine Liege, ein Schrank und ein EKG-Gerät passen gerade so hinein. „Das hat uns ein befreundeter Arzt geschenkt“, erzählt Johannes Kandzora, niedergelassener Kinder- und Jugendarzt und Mitglied im Praxisnetz Neumünster. Er steht in der neuen „Praxis ohne Grenzen“ im Familienzentrum der Diakonie Altholstein. Jeden Mittwoch von 15 bis 17 Uhr werden hier Menschen versorgt, die keinen ausreichenden Krankenversicherungsschutz haben. „Wir haben zwar ein ultrahohes Niveau der medizinischen Versorgung in Deutschland, aber wir erreichen nicht alle“, sagt Kandzora, der von rund 20 Kolleginnen und Kollegen unterstützt wird.
„Es gibt vielfältige Gründe aus der Krankenversicherung rauszufallen“, erläutert Carsten Hillgruber (SPD), Erster Stadtrat von Neumünster. Das passiere beispielsweise Selbstständigen, die ihre Krankenkassenbeiträge aus wirtschaftlicher Not nicht mehr zahlen könnten. Es gebe aber auch ganz andere Gründe. „Wir gehen davon aus, dass ein relevanter Anteil der Bevölkerung in Neumünster nicht versichert ist“, sagt Hillgruber. Das treffe neben Menschen in wirtschaftlicher Not auch Arme und Menschen mit geringer Bildung, ergänzt Kandzora.
Um auch die Ursachen einer fehlenden Krankenversicherung zu bekämpfen, wurde entschieden, während der Sprechzeiten auch eine Sozialberatung anzubieten - im Zimmer schräg gegenüber des kleinen Praxisraums. „Eine gut vernetzte Mitarbeiterin von uns wird versuchen, die Menschen wieder in eine Krankenversicherung zu bringen oder sie wenn nötig auch an die Schuldner- oder Migrationsberatung weiterzuleiten“, erläutert Diakonie-Bereichsleiterin Andrea Dobin.
Diese begleitende Sozialberatung unterscheidet die neue „Praxis ohne Grenzen“ von den anderen in Schleswig-Holstein. 2010 gründete Uwe Denker, Facharzt für Allgemeinmedizin und Kinderheilkunde im Ruhestand, als Pilotprojekt die erste „Praxis ohne Grenzen“ in Bad Segeberg. 2020 erhielt er das Bundesverdienstkreuz für seine Arbeit. Mittlerweile gibt es in Schleswig-Holstein weitere Praxen in Stockelsdorf, Preetz, Husum, Rendsburg und Flensburg. Bundesweit sind sie auch in Hamburg, Wiesbaden, Solingen oder Remscheid zu finden.
Die Patienten von Uwe Denker in Bad Segeberg sind oft ehemalige Selbstständige und Kleinunternehmer, die pleite gegangen sind. Die Liste der Berufe ist lang: Stahlbauingenieurin, Bauzeichnerin, Tischlermeister, Friseurin, Schausteller oder Modellschneiderin. Wenn jemand seine Versicherungsbeiträge nicht mehr bezahlen kann, übernimmt die Kasse die Kosten nur noch in akuten Notfällen, bei starken Schmerzen oder für eine Geburt. Denker: „Wenn jemand aber Diabetes oder Bluthochdruck hat, werden die notwendigen Medikamente nicht bezahlt.“
Alle Ärzte der „Praxen ohne Grenzen“ arbeiten ehrenamtlich, die Kosten für Facharztbehandlungen, Krankenhausaufenthalte oder Medikamente werden durch Kooperationen mit anderen Ärzten oder Kliniken getragen oder durch Spenden finanziert. In Neumünster beteiligt sich die Stadt mit 20 Prozent an den Kosten der Praxis, das Sozialministerium trägt die restlichen 80 Prozent. Für Medikamente oder weiterführende Behandlungen ist die Praxis jedoch auch auf Spenden angewiesen.
„Unser Ziel ist es, alle Menschen in Deutschland in eine Krankengrundversicherung zu bringen“, erläutert Denker. Da die Chance der Umsetzung aber derzeit seien, konzentriere man sich jetzt auf eine bedingungslose Krankenversicherung für Kinder. Sie müssten unabhängig vom Status ihrer Eltern krankenversichert sein, fordern Denker und die anderen „Praxen ohne Grenzen“ in Schleswig-Holstein schon seit Jahren.
Berlin (epd). Gesundheitsexperten haben flächendeckende und dauerhaft finanzierte Hilfsangebote zur Suizidprävention gefordert. Es gebe immer noch zu wenig Wissen über Hilfsmöglichkeiten und zu wenig spezielle Hilfsangebote in Krisen, heißt es in einem am 3. September in Berlin vorgestellten Bericht des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (Naspro). Gefordert wird unter anderem eine bundesweite Informations- und Koordinationsstelle.
Jedes Jahr sterben demnach in Deutschland mehr als 9.000 Menschen durch Suizid. „Das sind mehr Todesfälle als durch Verkehrsunfälle, Mord und illegale Drogen zusammen“, erklärte Hannah Müller-Pein, Medienbeauftragte des Naspro. Menschen, die ihrem Leben selbst ein Ende setzen wollen, seien meist in existentiellen Notlagen. Verständnis, Unterstützung und Hilfe könnten dazu beitragen, dass sie wieder Hoffnung schöpfen.
Das Naspro-Netzwerk aus Experten verschiedener Disziplinen hat zum Abschluss einer dreijährigen Förderperiode für das Bundesgesundheitsministerium einen Bericht über Projekte zur Suizidprävention in Deutschland verfasst. Anlass ist der Welttag der Suizidprävention am 10. September. Er steht in diesem Jahr unter dem Motto „Aktiv werden und Hoffnung schaffen“.
So gibt es in Deutschland dem Bericht zufolge rund 300 spezialisierte Beratungsstellen. Aber häufig seien diese Einrichtungen zur Suizidprävention nicht dauerhaft finanziert, betonte die Kölner Psychiatrieprofessorin Barbara Schneider, eine der Leiterinnen des Naspro. Zudem erreichten die Hilfsangebote noch lange nicht alle Risikogruppen wie etwa ältere Männer oder Menschen mit Migrationshintergrund. Lücken gebe es auch bei der Nachsorge Betroffener und Hinterbliebener sowie bei der Aus- und Fortbildung und bei digitalen Versorgungsangeboten. Naspro ist nach eigenen Angaben ein Netzwerk aus mehr als 90 Institutionen.
Die Berliner Psychologieprofessorin Birgit Wagner bemängelte fehlendes Wissen über die psychische und soziale Situation suizidaler Menschen auch bei Fachleuten. Dies werde gerade in der Diskussion über den assistierten Suizid deutlich. Es sei noch nicht genug bekannt, „wie ambivalent ein Großteil suizidaler Menschen ist“ und wie stark zwischenmenschliche Konflikte „Teil des suizidalen Erlebens sein können“. Gezielte Hilfe fördere dagegen die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen zu bewältigen.
Der Kasseler Neurologe und Psychiater Reinhard Lindner sprach sich für eine bundesweite Anlaufstelle der Suizidprävention mit eigenem Internetauftritt und einer bundesweit einheitlichen Rufnummer aus. Diese Informations- und Koordinationsstelle sollte jederzeit gebührenfrei erreichbar sein.
Bonn (epd). Das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk (DPNW) erweitert seine Hilfe für Opfer der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Der Verband starte derzeit ein Angebot für Betroffene, die in Hotels untergekommen sind, sagte der Verbandsvorsitzende Dieter Adler dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Es geht darum, dass Betroffene vor Ort unkompliziert in die therapeutische Sprechstunde gehen können.“ Derzeit liefen die Vorbereitungen für Sprechstunden in zwei Hotels in Bonn und Köln, in denen Flutopfer untergebracht sind, die ihr Zuhause verloren haben. Weitere Hotels sollten folgen. Sie stellten für die Akutbehandlung kostenlos Räume zur Verfügung.
Nach Schätzungen leben derzeit rund 1.500 Flutopfer in Hotels. Oft reagierten Opfer von Katastrophen zunächst mit Rückzug auf ihre Erlebnisse. „Die Hürde, Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist für die Betroffenen leichter zu überwinden, wenn sie nicht erst bei einem Therapeuten einen Termin machen müssen,“ erklärte Adler.
Das Netzwerk hatte kurz nach der Flut bereits eine telefonische Notfallhilfe eingerichtet. Außerdem stellten rund 100 niedergelassene Therapeuten zusätzliche Beratungstermine zur Verfügung. „Man kann damit rechnen, dass die Nachfrage in den nächsten ein bis zwei Monaten ansteigt“, sagte Adler. Viele Menschen befänden sich in einem Dilemma. „Bei den Betroffenen gibt es zum Teil Unsicherheit, ob sie ihr Zuhause wiederaufbauen, weil die Angst besteht, dass es in ein paar Jahren wieder von einer Flut zerstört werden könnte.“ Der Wiederaufbau erfordere nicht nur Geld, sondern auch psychische Energie. Gerade für ältere Menschen bestehe oft die Frage, ob sie dazu noch die Kraft aufbrächten.
Die Katastrophe habe auch gezeigt, dass für solche Fälle ein psychologisches Versorgungskonzept fehle, gab Adler zu bedenken. Das DPNW arbeite deshalb an einem Katastrophenplan, der in Zukunft in entsprechenden Situationen greifen solle. Dazu gehöre auch die Ausbildung von psychologischen Ersthelfern, die künftig in akuten Fällen zum Einsatz kommen könnten. Am 1. Oktober starte in Zusammenarbeit mit einem psychotherapeutischen Ausbildungsinstitut in Andernach ein erster Lehrgang mit 16 Teilnehmern.
Berlin (epd). Einer neuen Umfrage zufolge haben viele Schulen weiter Unterstützungsbedarf beim Vorantreiben der Digitalisierung. Zwar habe die Mehrheit der Schulträger bereits in Endgeräte, W-LAN und Präsentationstechnik investiert, doch Hemmnisse für Fortschritte in der Digitalisierung seien vor allem die mangelnde Finanzausstattung und fehlendes Fachpersonal, teilte das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) am 9. September in Berlin mit.
Wie eine aktuelle Sonderumfrage des Instituts bei rund 550 Kommunen ergab, nennen sieben von zehn Kommunen einen großen Bedarf an Investitionen in Digitalisierungsmaßnahmen in Schulgebäuden. Nur vier Prozent der Kommunen gehen den Angaben nach dabei davon aus, dass dieser Investitionsbedarf einmaliger Natur ist und in Zukunft wieder abnehmen wird, 96 Prozent erwarten hingegen einen dauerhaften Bedarf.
Zudem stimmen 93 Prozent der Aussage zu, dass die Ausgaben in Zukunft sogar steigen werden. Investitionen in die Digitalisierung bilden damit zusammen mit baulichen Maßnahmen an den Schulgebäuden (ebenfalls 72 Prozent) die Bereiche im Schulsektor, in denen die Kommunen den höchsten Investitionsbedarf sehen. Zugleich fehlt es an Geld, weil die Kommunen solche Investitionen schwerlich alleine stemmen können: „Angesichts dieser finanziellen Zwickmühle verwundert es nicht, dass neun von zehn Kommunen die Ansicht vertreten, dass Investitionen in die Schuldigitalisierung nur über zusätzliche Fördermittel oder Zuweisungen finanziert werden können“, sagt Christian Raffer, Projektleiter am Deutschen Institut für Urbanistik.
Viele Digitalisierungsmaßnahmen haben Schulträger zu Beginn des neuen Schuljahrs 2021/22 bereits initiiert oder umgesetzt: Ganz vorn liegt dabei die Beschaffung von Endgeräten, wie Tablets und Notebooks (78 Prozent), gefolgt von der Installation von W-LAN (73 Prozent) und der Anschaffung von Präsentationstechnik wie Beamer, White- oder Smartboards (67 Prozent).
Der größte Handlungsbedarf bestehe aktuell bei Lernplattformen und Cloudlösungen, um den digitalen Unterricht zu erleichtern. „Hier sind bisher 46 Prozent der Kommunen aktiv geworden, rund 38 Prozent haben weitere Maßnahmen geplant und rund 17 Prozent der Befragten sehen den Bedarf, haben jedoch noch nicht mit der Planung begonnen“, so das Difu.
Neben der Finanzierung seien vor allem die begrenzten personellen Kapazitäten ein wesentliches Hindernis für eine schnelle Digitalisierung, hieß es. Der Mangel an qualifiziertem Personal für die Verwaltung wird in der Befragung von 74 Prozent der Kommunen als einer der zentralen Gründe genannt, der sich hemmend bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen in den Schulen auswirkt.
Berlin (epd). Viele Bürgerinnen und Bürger, die bald in den Ruhestand gehen, schätzen die Dauer ihres Rentenbezuges falsch ein. Das zeigt eine am 6. September veröffentlichte Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Demnach unterschätzt die Gruppe der über 57-Jährigen in ihren Rentenbezug um vier Jahre. Demnach nehmen die Befragten, deren Renteneintrittsalter aktuell bei 67 Jahren liegt, an, ihre Lebensdauer liege bei 83,4 Jahren, während sie statistisch bei 87,5 Jahren liege.
Mit einer durchschnittlichen Abweichung von 5,8 Jahren unterschätzen Frauen ihre Lebenserwartung stärker als Männer. Bei ihnen liege die Diskrepanz im Schnitt bei 2,8 Jahren. Rund 19 Prozent aller Befragten setzen ihre Lebenserwartung und somit auch ihre Rentendauer mehr als zehn Jahr zu niedrig an.
Dass Befragte ihre Lebenserwartung unterschätzen, liege laut GDV an falschen Referenzpunkten der jeweiligen Schätzung. So orientiere sich mehr als die Hälfte der Befragten am Alter der Großeltern oder Eltern. Hierbei berücksichtigten sie nicht, dass die Lebenserwartung weiter steige. „Jede Generation lebt ungefähr fünf Jahre länger als die vorangegangene“, sagte Peter Schwark, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des GDV.
Für eine solide Planung des Ruhestandes sei eine bessere Aufklärung über die statistische Lebenserwartung wichtig. „Wer die Rentendauer unterschätzt, sorgt möglicherweise unzureichend vor“, warnte Schwark. Einen Überblick dazu solle künftig ein Online-Rentenportal des GDV geben.
Hannover (epd). Corona? Brigitte von Cube zieht ihre Augenbrauen hoch. „Wenn Sie mich fragen, wird da zu viel Gewese drum gemacht“, sagt die 96-Jährige. Ihre Tochter Ada Schröter lacht. „So ist meine Mutter“, sagt sie. „Sie hadert nicht mit Corona. Sie hat die neue Situation auch mit den nötigen Einschränkungen gut angenommen.“
Von Cubes Einstellung teilen viele Bewohnerinnen und Bewohner und Pflegekräfte im Brigittenstift in Barsinghausen (Region Hannover). „Ich würde zwar noch nicht sagen, dass Corona zum Alltag geworden ist“, sagt Heimleiter Dirk Hartfield. „Doch wir sind auf dem Weg zur Normalität.“
Zu dieser Normalität gehören etliche neue Regeln und Abläufe. Besucher dürfen Ihre Angehörigen in dem Heim des Evangelischen Hilfsvereins nur noch allein und nach vorheriger Anmeldung besuchen. Die Besuchszeiten sind auf vier Stunden am Nachmittag beschränkt. Personal und Besucher tragen Maske, es wird auf Abstand geachtet, der Veranstaltungssaal ist jetzt ein zweites Speisezimmer, damit alle weiter zusammen essen können, sich aber nicht zu nah kommen.
Die Bewohner werden einmal wöchentlich getestet, das nicht geimpfte Personal täglich und die geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwei- bis dreimal wöchentlich. „Wir sind Weltmeister im Testen“, sagt Hartfield. Er schätzt, dass im Brigittenstift bisher rund 30.000 Tests zum Einsatz gekommen sind, und auch über die Impfquote freut er sich. Bei den Bewohnern liege sie bei 96 Prozent, bei den 70 Mitarbeiterinnen bei etwa 85 Prozent. „Während die Bewohner pragmatisch die Ärmel hochgekrempelt haben, war beim Personal vor allem anfangs leider Zurückhaltung zu spüren“, sagt der Heimleiter.
81 vollstationäre Plätze sowie 24 Apartments für betreutes Wohnen bietet das 1952 gegründete Brigittenstift. Bisher gab es keinen einzigen Corona-Fall, kein Bewohner musste isoliert werden. „Das ist natürlich auch ein Quäntchen Glück “, sagt Hartfield, „aber wir haben auch vieles richtig gemacht.“
Einfach sei das nicht gewesen - vor allem nicht am Anfang der Pandemie. „Das Ministerium hat uns da ganz schön allein gelassen“, sagt Hartfield. Zum Teil seien am späten Freitagabend Erlasse gekommen, die am Montag umgesetzt sein sollten. „Man wusste kaum selbst, was zu tun ist - und schon fragten Angehörige, wie es denn nun weitergehe“, berichtet Pflegedienstleiterin Sarina Behling.
Dass die Heime eigene Corona-Vorsichtsmaßnahmen ausarbeiten sollten und die genauen Regelungen im Ermessen der Heime liege, habe zwar Freiheit für kreative Lösungen eröffnet. „Und davon brauchten wir eine Menge“, sagt Hartfield. Es habe aber auch zu kritischem Hinterfragen und Zweifeln bei Angehörigen geführt. „Da wäre ein handfester Erlass aus dem Ministerium, auf den ich hätte verweisen könne, besser gewesen.“
Der Anteil der Angehörigen, die die Corona-Regeln im Brigittenstift kritisieren, sei jedoch gering, betont Hartfield. „Die meisten lassen sich überzeugen, wenn man es ihnen erklärt“, ergänzt Behling. Insgesamt hätten die vergangenen anderthalb Jahre Bewohner und Pfleger gestärkt. „Wir haben viel zusammen geschafft, das schweißt zusammen“, ist Hartfield überzeugt.
Das empfindet auch Antje Bartels so. Die 61-Jährige arbeitet seit 2007 im Brigittenstift. Sie ist froh, „dass wir bisher so gut durch diese schwierige Zeit gekommen sind.“ Ihr Ehrgeiz und auch der ihrer Kollegen sei es nun, an einem Strang zu ziehen und „auf keinen Fall das Virus doch noch einzuschleppen.“ Die Vorstellung, dass man selbst der- oder diejenige sein könnte, der dafür verantwortlich ist, sei der „größte Horror“, sagt Bartels.
Sich unterzuordnen, Solidarität mit anderen üben - das ist auch Jürgen Reinecke ein Anliegen. Der 85-Jährige lebt seit sechs Jahren im Brigittenstift. Er engagiert sich im Heimbeirat, liest viel und liebt es, sich im Garten des Stifts um die Hochbeete und Rosen zu kümmern. Angst, sich mit Corona anzustecken, hat er nicht. „In meinem Alter verliert das an Schrecken“, sagt er. Eigentlich habe er sich deshalb auch nicht impfen lassen wollen. „Aber ich wollte auch nicht aus der Reihe tanzen. Es muss ja sein“, sagt er.
Frankfurt a.M. (epd). Die Diakonie und der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) begrüßten indes die Möglichkeit zur Abfrage des Impfstatus ihrer Beschäftigten. Nicht erst seit dem Beschluss des Bundestages am 7. September, für bestimmte Berufsgruppen das Abfragen des Impfstatus zu gestatten, gelte für Personal in Einrichtungen der Caritas: „Wer nicht geimpft ist, muss regelmäßig getestet werden“. Erst ein an den Impfstauts angepasster Testrhythmus ermögliche es, ungeimpftes Pflegepersonal weiterhin in der Pflege und Betreuung einsetzen zu können, so der katholische Wohlfahrtsverband.
Der DBfK sieht in der Änderung des Auskunftsrechts jedoch keinen Nutzen für die Pflegebranche. „Weil sich die Regeln für geimpfte oder genesene und nicht geimpfte Mitarbeitende insbesondere bei den vorgeschriebenen Testrhythmen deutlich unterscheiden, geben die Kollegen und Kolleginnen schon längst Auskunft, wenn sie geimpft sind“, sagte Präsidentin Christel Bienstein. Um das Infektionsrisiko zu senken, sei ein einfacher Zugang zu Impfungen sowie die Aufklärung darüber weitaus wirksamer.
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) hingegen begrüßte die Möglichkeit zur Abfrage des Impfstauts seiner Beschäftigten. Sie sei ein „wichtiger Baustein für anhaltende Sicherheit und einen funktionierenden Infektionsschutz“, so der bpa-Präsident Bernd Meurer. Nun gelte es, von Seiten der Politik weitere Schlüsse aus den abgefragten Daten zu ziehen und Maßnahmen für die Praxis folgen zu lassen.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie beurteilte die Änderungen während der Pandemielage als sach- und verhältnismäßig. Für funktionierende Hygienekonzepte und die Verringerung von Infektionsrisiken sei die Kenntnis relevant, ob Mitarbeitende geimpft sind oder nicht. Die Arbeiterwohlfahrt prüft nach eigenen Angaben derzeit die Folgen und Umsetzbarkeit der jetzt geltenden Änderungen.
Die jetzige Auskunftspflicht gilt solange die „epidemische Lage“ andauert. Zuletzt wurde sie vom Bundestag bis zum 24. November verlängert. Zuvor hatte der Haushaltsausschuss des Parlaments am Freitag eine Vorlage von Union und SPD gebilligt
Berlin, Bielefeld (epd). Mit dem Gedenkort solle an die Opfer in aller Welt, in Deutschland und in den Einrichtungen Bethels erinnert werden, erklärte der Vorstandsvorsitzende der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, Ulrich Pohl. Das Herz-Kunstwerk solle ein Zeichen des Mitgefühls und des Trostes sein, sagte Pohl.
Zugleich sei es auch ein Zeichen des Dankes an die vielen Menschen, die sich um andere gekümmert hätten. „Es gab nicht nur Corona-Wellen, sondern auch Wellen von Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe“, betonte Pohl. In den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethels starben seinen Angaben zufolge 170 Menschen im Zusammenhang mit Corona.
Die westfälische Präses Annette Kurschus rief zu einer größeren Wertschätzung der Menschen auf, die sich in der Corona-Pandemie für andere eingesetzt haben. In der Öffentlichkeit werde überwiegend nach Verantwortlichen und nach Versäumnissen im Zusammenhang mit Corona geschaut, sagte Kurschus, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, in ihrer Predigt.
Viel wichtiger sei es jedoch, „denen zu danken und diejenigen zu würdigen, die an je ihrem Platz mit all ihrer Kraft und oft weit darüber hinaus in die Bresche getreten sind für andere“. Wichtig sei es, danach zu fragen, „wie diese Menschen künftig den Respekt und das Auskommen haben können, die sie verdienen“.
Die Künstlerin Gabriele von Lutzau war im Jahr 1977 als Flugbegleiterin eine der Geiseln an Bord der durch ein palästinensisches Terrorkommando entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“. Trotz Todesangst und Erschöpfung habe die damals 23-Jährige Mut und Menschlichkeit bewiesen, erklärte Bethel. Die als „Engel von Mogadischu“ bekannt gewordene Flugbegleiterin sei für die Passagiere eine wichtige Stütze gewesen. Sie erhielt dafür den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Beim Festakt wirkten auch Mitarbeitende Bethels sowie Angehörige mit. Weitere Skulpturen will Bethel unter anderem in Bielefeld und im Ruhrgebiet aufstellen.
Ahrweiler (epd). Viele ehemalige Klienten, die im Pflegestützpunkt Ahrweiler im Flutgebiet Hilfe und Beratung suchten, sind schlicht nicht mehr da. Sie wurden evakuiert, leben in anderen Einrichtungen, wohnen bei Nachbarn oder Verwandten - mal im Nachkreis oder auch weit weg. Für die Leiterin Ute Remshagen hat das unterschiedliche Folgen. Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Frau Remshagen, wie ist die Lage der Menschen, die auf ambulante Pflege angewiesen sind, sechs Wochen nach dem Hochwasser in Ihrer Region?
Ute Remshagen: Von Normalität wie vor der Flut sind wir in sämtlichen Lebensbereichen noch sehr weit entfernt. Aber man muss anerkennend sagen, dass es echt voran geht. Schlamm und Müll sind weitgehend weg. In vielen Gebäuden sind die ersten Handwerker aktiv, um den Putz von den Wänden zu schlagen und den Estrich zu entfernen, um die Häuser zu trocknen. Es gibt auch Häuser die schwer beschädigt sind und abgerissen werden müssen, dort sind keine Pflegebedürftigen mehr zu versorgen. Und Fakt ist auch, dass Mitarbeitende der Pflegedienste, Heime und Kliniken selbst schwer betroffen waren. Jetzt sind die großen Verwüstungen beseitigt dennoch ist die Lage immer noch schwierig.
epd: Sind die Pflegedienste denn wieder voll arbeitsfähig?
Remshagen: Ja. Ein Dienst hat zwar die Arbeit eingestellt, Anbieter, deren Büros überflutet waren, sind in andere Räume umgezogen. Die Betreuung der Klienten funktioniert also wieder. Das sind Menschen, die packen an und laufen los, auch wenn es in den ersten Tagen manchmal gefährlich war. Es ist wirklich unfassbar, welchen Einsatz sie zeigen. Das ist eine große Leistung, die viel Menschlichkeit zeigt. Aber die Bedingungen sind natürlich ganz anders als vor der Katastrophe. Brücken sind zerstört, das verlängert die Anfahrten, Strom gibt es auch noch nicht überall und Kontaktaufnahme geht oft nur über Handy. Der Aufwand ist groß, die Dienste müssen weiter fahren. Sie müssen ihre Logistik und Einsatzplanung völlig umstellen. Inzwischen wissen wir, viele Klientinnen und Klienten sind nicht mehr vor Ort, weil sie woanders unterkommen mussten.
epd: Wo sind sie jetzt untergebracht und wer kümmert sich um sie?
Remshagen: Das ist sehr unterschiedlich, denn das Ausmaß der Schäden hier im Ahrtal ist auch nicht überall gleich. Wir mit unserer Beratungsstelle hatten Glück, das Wasser erreichte uns nicht. Unzählige Menschen mussten aber evakuiert werden, leben jetzt bei Nachbarn, in Nachbarkreisen bei Verwandten oder in anderen Betreuungseinrichtungen, wo sie einen Platz finden konnten. Andere ambulante Dienste haben dort die Versorgung übernommen. Aber ob diese Situation eine Dauerlösung wird, ist völlig offen. Viele Betroffene leben derzeit doch sehr beengt bei Angehörigen Und dass die Seniorinnen und Senioren oft professionelle Pflege brauchen, macht die Sache im Zusammenleben auf wenig Platz nicht einfacher.
epd: Was bedeutet das für Ihre Beratungen?
Remshagen: Nach meinen Beobachtungen sind viele Menschen, darunter auch die Senioren, noch sehr verunsichert, wie es weitergeht. Möglicherweise hat noch nicht jeder realisiert, was hier im Ahrtal geschehen ist und welche gravierenden Folgen diese Flut hat. Viele der früheren Klienten sind gar nicht mehr vor Ort. Sie wurden noch in der Nacht des Hochwassers evakuiert und woanders untergebracht. Die Klienten werden auch dort möglicherweise erst mal bleiben. Die Menschen die vor Ort, in Häusern geblieben sind wo das Erdgeschoß überflutet wurde und sie in den oberen Geschossen leben, sind tagtäglich den Belastungen wie den Krach der Renovierungsarbeiten ausgesetzt.
epd: Also hat sich Ihre Arbeit schon verändert?
Remshagen: Ja. Ein Stück weit. Wir registrieren viele neue Klienten. Auch mit ganz unterschiedlichen Anliegen. Wir können meist schnell helfen, auch weil wir ein Netzwerk mit vielen guten Partnern haben. Etwa bei Flutopfern, die jetzt schnell psychologische Hilfe brauchen. Viele Betroffene rufen an, weil sie von einem entfernteren Pflegeheim wieder in eine Einrichtung vor Ort umziehen wollen, etwa, um näher bei der Familie zu sein. Doch das ist momentan schwierig. Einige Heime sind selbst beschädigt worden und werden erst saniert. Andere sind voll belegt. Auch Kurzzeitpflegeplätze werden gesucht. Die findet man schon, aber nicht hier im Landkreis. Es kommen jetzt auch erste Anrufe von Personen, die gerne zurückkommen wollen. Doch das ist noch schwierig. Viele haben das ganze Ausmaß der Verwüstung noch gar nicht mit eigenen Augen gesehen. Deshalb fehlt ihnen jegliche Vorstellung, wie die Situation vor Ort ist.
epd: Aber macht da eine Rückkehr überhaupt Sinn?
Remshagen: Das ist schwer zu beurteilen. Es kommt da sicher auf den Einzelfall an. Ich würde aber schon raten, sich persönlich ein Bild zu machen, wenn die Seniorinnen und Senioren dazu körperlich und psychisch in der Lage sind. Die Familien können da mithelfen. Die Leute müssen sehen, dass die Infrastruktur komplett zerstört ist, müssen sehen, dass ihre Nachbarn derzeit nicht mehr da sind. Da werden viele Betroffene, die auch mit Hilfe der Familie, Freunden, Pflegediensten im Alltag zurechtkamen, jetzt ohne jede Unterstützung dastehen, weil die Versorgungsstrukturen noch fehlen. Und sie werden dann sehen, dass eine Rückkehr schwierig ist.
epd: Wie wird es jetzt weitergehen?
Remshagen: Ich versuche positiv in die Zukunft zu schauen. Alles wieder aufzubauen, wird viel Zeit brauchen. Aber es gibt schon jetzt viele Hilfen, auch improvisierte Angebote zur Unterstützung etwa durch die Hilfsorganisationen, Vereine und Mitbürger. Betroffen sind auch Menschen, deren Wohnungen nicht direkt unter Wasser standen, weil sie im Obergeschoss gewohnt haben. Aber auch die können noch nicht zurückkehren, etwa weil der Strom und warmes Wasser noch nicht wieder fließt. Ich freue mich über jeden Menschen, der wieder zurückkommt. Aber das sollte überlegt sein. Einige Menschen zieht es zurück, sie sind hier verwurzelt, wollen wieder hier leben, auch wenn sie einen Teil ihrer Heimat verloren haben. Und das verstehe ich.
Berlin (epd). Wie Brigitte Döcker weiter erläuterte, mache sich nicht nur der Wohnraummangel, sondern auch eine Wechselwirkung aus zu teuren Miete und zu niedrigen Mindestlöhnen negativ bemerkbar.
Durch das Raster der gesetzlich vorgesehenen Hilfen fallen nach Ansicht des Deutschen Caritasverbandes oft junge Wohnungslose im Alter zwischen 18 und 27 Jahren. Schätzungen zufolge machen sie jedoch bis zu einem Fünftel aller Wohnungslosen aus. „Oft stecken sie in einem Bermudadreieck der Hilfesysteme - Jugendhilfe, Wohnungslosenhilfe, Sozialhilfe - und bleiben auf der Strecke. Das darf nicht sein“, so Präsident Peter Neher. Deshalb sei der Ausbau eines individuellen und altersspezifischen Angebots für jene Zielgruppe zukünftig wichtig.
Auf Menschen, die es auf dem Wohnungsmarkt schwer haben und somit in besonderem Maße von Wohnungslosigkeit betroffen sind, richtet der AWO-Landesverband Bayern anlässlich des Aktionstags seinen Blick. „Wir fordern ein Menschenrecht auf Wohnen und Existenzsicherung für jede und jeden“, sagte die Landesvorsitzende Nicole Schley. Ohne adäquaten und bezahlbaren Wohnraum sei soziale Teilhabe nicht möglich. Alleinlebende, Ältere oder Menschen mit Migrationshintergrund müssten von Entscheidungsträgern der Wohnungspolitik verstärkt berücksichtigt werden, fordert der Verband.
Auch die Diakonie Hessen beteiligt sich an dem Aktionstag. Mit Spaziergängen in Begleitung von ehemals Obdachlosen und Gesprächen mit Experten und Expertinnen ermöglicht sie einen Einblick in das Leben von Obdachlosen. „Es ist nicht für alle genug Wohnraum da, obwohl jeder Mensch eigentlich mietrechtlich abgesichert wohnen können sollte“, sagte Stefan Gillich, Sprecher der Diakonie Hessen. Ziel sei es, auch auf die Wichtigkeit der Präventionsarbeit aufmerksam zu machen. „Die Anfragen in unseren Einrichtungen steigen, dafür hat auch Corona gesorgt. Wir müssen also präventiv handeln, damit Menschen gar nicht erst in die Wohnungslosigkeit geraten“, fordert Gillich weiter.
Eine bessere Ausstattung und zumutbare Hygienebedingungen in Erstunterbringungen fordert der baden-württembergische Landesverband der Diakonie. „Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum, auch bei einer kurzfristigen Unterbringung in einem Obdach“, sagte Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Landesverbandes. Die Unterbringen in den einzelnen Landkreisen müssten flächendeckend menschenwürdig gestaltet werden.
Wie viele Menschen in Deutschland von Wohnungslosigkeit betroffen sind, wird von der Bundesregierung statistisch bislang nicht erhoben. 2022 erhebt der Bund erstmals eine Wohnungslosenberichterstattung.
Berlin (epd). Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hat ein Positionspapier veröffentlicht, in dem notwendige Reformen der Krankenhausfinanzierung gefordert werden. Diese seien dringend notwendig, um in Zukunft die pflegerische Versorgung sicherzustellen, heißt es in einer Mitteilung vom 7. September. „Die pflegerische Versorgung in den Krankenhäusern ist prekär und das nicht erst seit der Pandemie. Ein Grund dafür liegt in den Fehlsteuerungen der Krankenhausfinanzierung“, sagte die Präsidentin des DBfK, Christel Bienstein.
Sie rügte, dass eine dringend erforderliche Reform der Versorgungsstrukturen seit langem nur halbherzig angegangen oder verschoben werde. „Dass wirtschaftlicher Druck und Wettbewerb die Probleme nicht lösen, ist doch mittlerweile klar. Wir brauchen jetzt Reformen, um eine qualitätvolle und zukunftsfähige Versorgung sicherzustellen“, forderte Bienstein.
Die Expertengruppe Krankenhausfinanzierung des Verbandes hat ein Positionspapier mit zwölf Forderungen zur Reform der Klinikfinanzierung veröffentlicht. Darin werden unter anderem eine fördernde Pflege und gute Arbeitsbedingungen als Maßstab für eine Finanzierung der Pflege im Krankenhaus gefordert. Die notwendige Basis dafür sei eine pflegewissenschaftlich fundierte Personalbedarfsermittlung und als Interimsmaßnahme müsse sofort die PPR 2.0 eingeführt werden, hieß es.
„Gesundheits- und Pflegepolitik kommen trotz der Pandemie im Wahlkampf kaum zur Sprache. Für die Wählerinnen und Wähler ist das Thema aber weiterhin zentral. Deshalb haben wir dazu aufgerufen, die Bundestagswahl zur #PflegeWahl zu machen“, so die Präsidentin. „Mit unserem Positionspapier zeigen wir einen Weg auf, wie die pflegerische Versorgung im Krankenhaus in unserem Land sichergestellt werden kann.“
Kassel (epd). Sozialhilfeträger müssen bei älteren mittellosen Menschen nicht generell von einem erhöhten Wärmebedarf ausgehen. Ihnen steht wegen fehlender gesetzlicher Regelungen daher auch keine pauschale Übernahme höherer Heizkosten zu, urteilte am 2. September das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Nur wenn im Einzelfall tatsächlich ein konkreter erhöhter Heizbedarf vorliegt, könne der Sozialhilfeträger zur Übernahme der angemessenen Kosten verpflichtet sein, befand das Gericht.
Im konkreten Rechtsstreit war ein Berliner Rentner-Ehepaar wegen ihrer geringen Rente auf Sozialhilfeleistungen angewiesen. Es bewohnt seit 1974 eine 76 Quadratmeter große Zweieinhalbzimmerwohnung. Bis 2005 waren die Eheleute auch Eigentümer der Wohnung. Danach übernahm der Lebensgefährte ihrer Tochter die Unterkunft. Seitdem zahlen sie Miete, für die das Sozialamt aufkommen sollte. Die Behörde übernahm im Streitzeitraum Dezember 2011 bis Mai 2013 jedoch nur einen Teil der Unterkunftskosten. Die Wohnungsgröße sei nicht angemessen, so die Begründung.
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg sprach ihnen die volle Übernahme der Unterkunftskosten von zuletzt 536 Euro monatlich noch zu. Zum einen habe der Sozialhilfeträger kein schlüssiges Konzept gehabt, um die angemessene Miete überhaupt festlegen zu können. Zum anderen hätte dieser einen erhöhten Wärmebedarf bei älteren Menschen und damit pauschal höhere Heizkosten berücksichtigen müssen. Ältere Menschen würden sich länger in ihrer Wohnung aufhalten als etwa Erwerbstätige. Eine Überschreitung des Heizkostenspiegels um bis zu 20 Prozent sei daher noch angemessen, so die Begründung.
Doch bei älteren Menschen kann nicht pauschal von einem höheren Heizbedarf ausgegangen werden, urteilte das BSG. So sei schon nicht klar, wer als „älter“ gelte und ob ältere Menschen generell schneller frieren. Die pauschale Erhöhung des zu übernehmenden Heizkostenbedarfs sehe das Gesetz nicht vor. Allerdings könnten ältere Menschen besondere Bedarfe geltend machen, wenn diese tatsächlich angefallen und angemessen sind.
Den Streitfall verwies das BSG an die Vorinstanz zurück. Sie habe versäumt, dem Land Berlin die Möglichkeit zur Nachbesserung eines schlüssigen Konzeptes bei den Unterkunftskosten zu geben. Auch fehlten Feststellungen, ob die Miete an den nahen Angehörigen tatsächlich entrichtet wurde.
Doch selbst wenn mittellose Menschen die Heizung immer voll aufdrehen, darf ihnen wegen eines „unwirtschaftlichen Heizverhaltens“ nicht sofort die volle Übernahme der Heizkosten verweigert werden. Das entschied das BSG am 19. Mai 2021 im Fall einer auf Hartz IV angewiesenen alleinerziehenden Mutter von drei Kindern, die vom Vermieter eine Heizkostennachforderung in Höhe von 690 Euro erhalten hatte.
Das Jobcenter wollte nur „angemessene“ 148,58 Euro übernehmen. Dies entspreche dem bundesweiten Heizspiegels. Die Frau habe unwirtschaftlich geheizt. Doch bevor die Behörde die Übernahme unangemessen hoher Heizkosten ablehnen könne, müsse Arbeitslosengeld-II-Empfängern zuvor die Chance gegeben werden, selbst Heizkosten zu sparen. Das Jobcenter sei bei unangemessenen Unterkunfts- und damit auch Heizkosten grundsätzlich verpflichtet, ein Kostensenkungsverfahrens zu starten. Das sei hier unterblieben.
Zudem dürfe das Jobcenter wegen zu hoher Heizkosten nicht immer einen Umzug fordern, so die Kasseler Richter in einem weiteren Urteil vom 12. Juni 2013. Denn der Umzug müsse auch wirtschaftlich sein und sich rechnen. Seien etwa die Heizkosten wegen einer schlechten Isolierung des Hauses unangemessen hoch, die Kaltmiete aber sehr günstig, könne dennoch die volle Übernahme der Unterkunftskosten gerechtfertigt sein. Im Einzelfall könnten Hartz-IV-Bezieher auch einen erhöhten Heizbedarf geltend machen, beispielsweise wegen einer Krankheit.
Erhalten Hartz-IV-Empfänger von ihrem Vermieter eine Heizkostennachforderung, muss das Jobcenter diese auch dann übernehmen, wenn es um Zeiträume geht, in denen der Arbeitslose noch keine Hilfeleistung erhalten hat, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am 19. Januar 2012. Die vom Vermieter geforderte Heizkostennachzahlung seien auch keine Schulden, für die das Jobcenter nicht aufkommen müsse. Dies sei erst dann der Fall, wenn im strittigen Zeitraum die monatlichen Heizkostenvorauszahlungen nicht geleistet wurden.
Az.: B 8 SO 13/19 R (Wärmebedarf)
Az.: B 14 AS 57/19 R (Unwirtschaftliches Heizen)
Az.: B 14 AS 60/12 R (Umzug)
Az.: B 14 AS 121/10 R (Heizkostennachforderung)
Kassel (epd). Schließen Sozialhilfebezieher den Verkauf ihrer erst in Jahren fälligen privaten Lebensversicherung vertraglich aus, darf das Sozialamt dies bei der Bewilligung von Sozialhilfe berücksichtigen. Nur wenn eine private Rentenversicherung innerhalb von zwölf Monaten verwertet werden kann, darf der Sozialhilfeträger die Leistungen als Darlehen statt als Zuschuss gewähren, urteilte am 2. September das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.
Im Streitfall ging es um einen unter Betreuung stehenden psychisch kranken Mann aus Dresden. Der studierte Gemälderestaurator hatte wegen seiner Schizophrenie nie gearbeitet. Bis Ende Januar 2011 erhielt er Arbeitslosengeld II. Danach bezog er eine befristete volle Erwerbsminderungsrente und aufstockende Sozialhilfeleistungen.
Die Stadt Dresden zahlte die „Hilfe zum Lebensunterhalt“ jedoch nur als Darlehen. Der Mann verfüge über eine private Lebensversicherung. Auch wenn er mit dem Versicherer einen Verwertungsausschluss vereinbart hatte, könne die Sozialhilfe als Darlehen gezahlt werden. Der Versicherungsvertrag sah allerdings eine Auszahlung in Höhe von gut 18.000 Euro erst ab 2025 vor. Vor Gericht verlangte der Kläger, dass die Stadt ihm Sozialhilfe als Zuschuss und nicht als Darlehen gewährt, das er später zurückzahlen muss.
Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hielt das Vorgehen der Stadt für rechtmäßig. Werde eine private Rentenversicherung innerhalb von 15 Jahren fällig, könne Sozialhilfe darlehensweise gewährt werden.
Dem widersprach jedoch das BSG. Sozialhilfebezieher müssten zwar erst einmal selbst ihr Vermögen für den Lebensunterhalt einsetzen. Dies müsse aber innerhalb einer angemessenen Zeit auch verwertbar sein. Dabei würden in der Regel maximal zwölf Kalendermonate als angemessen gelten. Bei einem längeren Zeitraum müsse Sozialhilfe aber als Zuschuss gezahlt werden. Den konkreten Streit verwies das BSG wegen fehlender Feststellungen an die Vorinstanz zurück.
Az.: B 8 SO 4/20 R und weitere
Erfurt (epd). Arbeitgeber müssen einer gleichzeitig mit einer Kündigung eingereichten Krankschreibung nicht immer glauben. Umfasst die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genau den Zeitraum der Kündigungsfrist, ist der Beweiswert der Krankschreibung erschüttert, urteilte am 8. September das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. Kann eine Beschäftigte ihr tatsächliches Kranksein nicht weiter belegen - etwa durch die Bestätigung des Arztes - steht ihr keine Entgeltfortzahlung zu, befanden die obersten Arbeitsrichter.
Vor Gericht wurde der Fall einer bei einer Personalvermittlung beschäftigten kaufmännische Angestellten verhandelt. Sie hatte am 8. Februar 2019 selbst ihren Job gekündigt. Das Arbeitsverhältnis sollte zwei Wochen später enden. Mit der Kündigung meldete die Frau sich krank und reichte auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Diese umfasste genau den Zeitraum der zweiwöchigen Kündigungsfrist.
Der Arbeitgeber zweifelte die Arbeitsunfähigkeit daraufhin an und lehnte die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall einschließlich Fahrgeld ab. Die erste Diagnose habe lediglich „sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen“ festgestellt. Am Tag der Kündigung und Krankschreibung habe die Frau gegenüber einem Mitarbeiter zudem telefonisch erklärt, dass die Weiterarbeit aus ihrer Sicht keinen Sinn mehr mache. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen sprach ihr noch die gewünschte Entgeltfortzahlung zu.
Das BAG urteilte nun, dass der Arbeitgeber den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert habe. Insbesondere sei von „ernstlichen Zweifeln“ der an der Erkrankung auszugehen, wenn diese passgenau den Zeitraum der Kündigungsfrist umfasst. Die Arbeitnehmerin könne dann nur ihrerseits weitere Belege für ihre Arbeitsunfähigkeit vorbringen. Dazu könne etwa die Aussage des behandelnden Arztes nach dessen Entbindung von der Schweigepflicht gehören. Da die Klägerin die Zweifel an ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht ausgeräumt habe, stehe ihr auch keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu, entschied das BAG.
Az.: 5 AZR 149/21
Berlin (epd). Angehörige aus Drittstaaten, die mit dem Impfstoff Coronavac des chinesischen Herstellers Sinovac vollständig geimpft sind, dürfen trotzdem an den deutschen Schengen-Außengrenzen abgewiesen werden. Das entschied das Verwaltungsgericht Berlin in einem am 7. September veröffentlichten Beschluss und wies damit einen Eilantrag einer iranischen Staatsangehörigen und ihrer Familie zurück.
Die Frau, die in Teheran lebt, wollte nach Angaben des Gerichts ihre in Deutschland lebende Tochter und ihre Enkelkinder besuchen. Sie ist im Besitz eines Schengen-Visums zum Familienbesuch und verfügt über vollständigen Impfschutz. Allerdings ist der chinesische Impfstoff nicht auf der Webseite des Paul-Ehrlich-Instituts gelistet. Die Beschränkung auf die durch das Paul-Ehrlich-Institut gelisteten Impfstoffe verletze dabei die Antragsteller nicht in ihrem Gleichheitsrecht, entschied das Gericht. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erhoben werden.
Laut Verwaltungsgericht hatte das Bundesinnenministerium zur Eindämmung der Infektionsgefahren durch das neuartige Coronavirus am 17. März 2020 Einreisebeschränkungen an den deutschen Schengen-Außengrenzen angeordnet. Demnach werden Drittstaatenangehörige an den Grenzen zurückgewiesen, wenn kein dringender Einreisegrund, wie etwa ein Besuch bei der sogenannten Kernfamilie vorliegt. Etwas anderes gelte im Falle vollständigen Impfschutzes durch einen auf der Webseite des Paul-Ehrlich-Instituts gelisteten Impfstoff.
Az.: VG 6 L 229/21
Luxemburg (epd). EU-Länder dürfen Geburtsbeihilfe und Mutterschaftsbeihilfe für Bürger aus Drittstaaten mit Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis nicht an die Länge von deren Aufenthaltstitel knüpfen. Das urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am 2. September. Italienische Behörden hatten zuvor die Unterstützung für mehrere Drittstaatsangehörige verweigert.
Die Weigerung wurde laut EuGH damit begründet, dass die Betroffenen keine langfristig Aufenthaltsberechtigten seien. Das müssten sie aber auch nicht, urteilte der EuGH. Es handele sich um Sozialleistungen, die gemäß EU-Recht und dem Grundsatz der Gleichbehandlung auch den Betroffenen zustehe.
Mit der Finanzleistung der Geburtsbeihilfe will Italien laut EuGH die Kosten für den Unterhalt eines Neugeborenen oder eines adoptierten Kindes verringern.
Az.: C-350/20
Berlin (epd). Yvonne Bovermann ist vom Kuratorium der Stiftung einstimmig zur Nachfolgerin von Anne Schilling gewählt worden. Sie wird zum 1. Oktober die Geschäftsführung in der Berliner Geschäftsstelle übernehmen. Sie war die letzten Jahre hauptamtlich im Präsidium des Deutschen Hebammenverbandes tätig.
Bovermann ist gelernte Hebamme, hat einen Bachelor in Health Care Education sowie Master im Management sozialer Einrichtungen. Zeitweilig gehörte sie auch dem Präsidium des Deutschen Pflegerates an. Zunächst arbeitete sie in Berlin als Hebamme. Ab 2007 war Bovermann geschäftsführende Gesellschafterin, ab 2009 hauptamtliche Geschäftsführerin im Geburtshaus Charlottenburg. Später war sie Lehrerin im Hebammenwesen am Vivantes Institut für berufliche Bildung im Fachbereich Hebammenkunde, dessen Leitung sie vier Jahre lang innehatte. Ab 2016 war Bovermann hauptamtlich als Präsidiumsmitglied des Deutschen Hebammenverbandes tätig und wurde 2019 wiedergewählt.
„Wir freuen uns, dass wir mit Yvonne Bovermann eine fachkompetente Nachfolgerin gefunden haben und so einen nahtlosen Übergang für die wichtigen Aufgaben des Müttergenesungswerks sicherstellen können“, sagte Kuratoriumsvorsitzende Svenja Stadler.
Anne Schilling, Politikwissenschaftlerin, führte die Geschäfte der Stiftung seit 2001 und hat sich stets für Frauenpolitik stark gemacht. „Sie hat mit viel Engagement die politische und strukturelle Arbeit nachhaltig verbessert. Sie hat maßgeblich zu einem modernen Bild der Traditionsorganisation beigetragen und die Ausweitung des Stiftungszwecks auf Väter und Pflegende befördert“, sagte Stadler die Verdienste von Schilling. Das habe unter anderem dazu geführt, dass heute Mütter-Kuren und Mutter-Kind-Kuren mit allgemeinen Vorsorge- und Reha-Kuren in Deutschland gleichgestellt und gesetzlich verankert sind. Das sei weltweit einzigartig.
Christel Bienstein, Pflege-Pionierin, ist von der Universität Witten/Herdecke (UW/H) mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet worden. Sie leitete das dortige Institut für Pflegewissenschaft von seiner Gründung 1994 bis zum Jahr 2017. Bienstein gilt als herausragende Persönlichkeit der Pflege und der Pflegewissenschaft in Deutschland. „Die sprühende Tatkraft von Professorin Bienstein, verbunden mit politischem Geschick und geradezu ansteckendem Gestaltungswillen, haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Pflegewissenschaft in Deutschland zu einer wichtigen und anerkannten Disziplin entwickeln konnte“, sagte Martin Butzlaff, Präsident der Uni. Nach der Ausbildung zur Krankenschwester studierte Bienstein Pädagogik. Nach Abschluss des Studiums übernahm sie die Leitung des Bildungszentrums des deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe in Essen. 2003 erhielt die Forscherin außerdem eine Honorarprofessur an der Universität Bremen. Für ihre Verdienste um die Pflegewissenschaft wurde sie 2004 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Hildegard Wolf (64) ist nach zwölf Jahren Einsatz zunächst im Beirat und dann im Aufsichtsrat der BBT-Gruppe aus Altersgründen dem Aufsichtsgremium ausgeschieden. „Ihre Offenheit galt dem Dienst an der Sache, die sie als Mitglied des Aufsichtsrates gerne kritisch hinterfragt und mutig im Sinne der BBT-Gruppe vertreten haben“, sagte Albert-Peter Rethmann, Sprecher der Geschäftsführung. Wolf ist Diplom-Betriebswirtin und Unternehmensberaterin und war über 40 Jahre in und für Unternehmen der Gesundheitsindustrie tätig. Ihre Nachfolgerim Aufsichtsrat ist die Sozialwissenschaftlerin und Germanistin Tanja Baum (52). Sie ist seit 1999 Geschäftsführerin der Agentur für Freundlichkeit Tanja Baum GmbH. Die BBT-Gruppe ist mit rund 100 Einrichtungen, über 14.000 Mitarbeitenden und ca. 900 Auszubildenden einer der großen christlichen Träger von Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen in Deutschland.
Rainer Wirth ist neuer Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Die kommenden zwei Jahre wird der Lehrstuhlinhaber an der Ruhr-Universität Bochum und Direktor der Klinik für Altersmedizin und Frührehabilitation am Marien Hospital Herne die Fachgesellschaft führen.
Frank Bockholdt ist mit Wirkung zum 1. September zum Richter am Bundessozialgericht (BSG) ernannt worden. Bockholdt wurde 1975 in Nauen (Land Brandenburg, Landkreis Havelland) geboren und studierte nach seinem Abitur Rechtswissenschaften an der Universität Potsdam.Er war bis 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Lehrstühlen der Universität Potsdam für Deutsches und Europäisches Zivil- und Zivilprozessrecht und für Bürgerliches Recht, Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht. Ab 2007 war er beim Sozialgericht Berlin tätig. Von 2012 bis 2014 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin und im Anschluss bis 2015 an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg abgeordnet. Von 2020 bis zu seiner Ernennung zum Richter am Bundessozialgericht war der promovierte Jurist als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das BSG abgeordnet. Das Präsidium des Gerichts hat Bockholdt dem für gesetzliche Krankenversicherung zuständigen 1. Senat zugewiesen.
Edith Gräfl ist als Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht (BAG) in den Ruhestand getreten. Gräfl wurde im Februar 1998 zur BAG-Richterin berufen und war zunächst dem Sechsten Senat zugeteilt. Nach einem Wechsel in den Siebten Senat als stellvertretende Vorsitzende wurde sie im Juli 2010 zur Vorsitzenden Richterin ernannt und dem für die betriebliche Altersversorgung zuständigen Dritten Senat zugeteilt. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2014 übernahm Gräfl den Vorsitz im Siebten Senat, der im Wesentlichen zuständig ist für das formelle Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht sowie für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen aufgrund einer Befristung. Das Bundesarbeitsgericht würdigt die Juristin, die am 31. August in Pension ging, mit als „eine außergewöhnliche Richterpersönlichkeit, die sich um das Arbeitsrecht und das Bundesarbeitsgericht sehr große Verdienste erworben hat“.
Gerald Kolb (68) hat für seine herausragenden Leistungen in der Altersmedizin den erstmals ausgelobten DGG-Preis für das Lebenswerk erhalten. „Unser interdisziplinär überaus wertgeschätzter Kollege hat in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich dafür gesorgt, dass unser Fachgebiet der Geriatrie jetzt im Mittelpunkt vieler Behandlungen von älteren Patienten steht“, sagte Laudator Professor Hans Jürgen Heppner in seiner Funktion als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Professor Kolb war fast 30 Jahre lang Chefarzt der Geriatrie am Bonifatius Hospital Lingen (Ems). Er habe die Onkologie und Geriatrie näher zusammengebracht und durch seine intensive wissenschaftliche Arbeit viele neue Erkenntnisse hervorgebracht. Kolb hat mehr als 600 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht - darunter auch zahlreiche Lehrbücher, Studien und Leitlinien.
Peter Friedrich (41) wird zum 1. Januar 2022 Geschäftsführer des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) in Deutschland. Er ist Nachfolger von Stephan Klinghardt, der nach 32 Jahren in den Ruhestand tritt. Friedrich leitet bislang das Referat für Grundsatzfragen in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. „Stephan Klinghardt hat den Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer über drei Jahrzehnte und über sein gesetzliches Renteneintrittsalter hinaus maßgeblich geprägt“, sagte der Vorsitzende Friedhelm Wachs.
Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, das zu beachten.
15.9.:
Online-Fortbildung „Digitalisierung in der Sozialen Arbeit - ein Überblick“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/2758282-12
15.9.-26.11. Nethpen:
Fortbildung „Wenn Gespräche schwieriger werden“
Tel.: 030/26309-139
20.9-1.11.:
Online-Fortbildung „Rechtliche Beratung in der Wohnungslosenhilfe Mehr GeRECHTigkeit auf der Straße“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0173/5105498
20.-21.9.:
Online-Seminar „Aktuelle Herausforderungen im Jobcenter - Qualifizierte Beratung im SGB II - Präsenz und Aktivitäten von Jobcentern in Sozialräumen“
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/62980606
21.-24.9. Eisenach:
„36. Bundesweite Streetworktagung - Selbstbemächtigung marginalisierter Personengruppen“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0173/5105498
24.9.:
Online-Seminar „Wirtschaftlichkeit ambulanter Pflegedienste“
der Solidaris Unternehmensberatung
Tel.: 02203/8997-221
27.-29.9. Netphen:
Seminar „Gesunde Führung - Fehlzeiten reduzieren und Mitarbeiter/Innen motivieren“
Tel.: 030/26309-139
29.9. Köln:
Seminar „Vergütungsverhandlungen in der stationären Altenhilfe - Vorbereitung, Strategie und Verhandlungsführung“
der Solidaris Unternehmensberatung
Tel.: 02203/8997-221