sozial-Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,




Dirk Baas
epd-bild/Heike Lyding

genaue Daten gibt es nicht, doch dass es unzählige Menschen in Deutschland gibt, die keine Krankenversicherung haben, ist Fakt. Obwohl es das rein rechtlich gar nicht geben dürfte. Mittellose Künstler, Soloselbstständige oder Flüchtlinge - in Corona-Zeiten verlieren viele ihren Schutz, weil Versicherungen "ruhend" gestellt werden. Was eher hamrlos klingt, hat existenzielle Folgen.

Die großen deutschen Städte sehen sich für den kommenden Winter gut gerüstet, auch während der Corona-Pandemie ausreichend Schlafplätze für Obdachlose bereitzuhalten. Das hat eine Umfrage von epd sozial ergeben. Den Hygienevorschriften in der Pandemie müssen sich auch die Notunterkünfte anpassen. So werden in vielen Kommunen die Zahlen verfügbarer Plätze je Einrichtung reduziert und nach Möglichkeit Einzelzimmer angeboten.

Wegen Corona fand der Deutsche Pflegetag digital statt, auch Angela Merkel (CDU) und mehrere Minister wurden zugeschaltet. Ein beherrschendes Thema war die Pandemie und deren Folgen für die Pflegebranche. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe forderte, Einrichtungen und Personal stärker zu unterstützen - auch finanziell, etwa bei den Kosten für die Schnelltests in Heimen. Merkel (CDU) drückte den Pflegekräften ihren Dank für die geleistete Arbeit in der Krise aus.

"Wie will man eine Disziplin hochschulisch-akademisch entwickeln, wenn nicht geforscht wird?", fragt Frank Weidner, Professor an Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar und Vorstandschef des Deutschen Instituts für Pflegeforschung (dip). Die Einrichtung besteht seit 20 Jahren. Und doch fehle es hierzulande weiter an Grundlagenforschung, sagte Weidner im Interview mit epd sozial: "Da muss erheblich mehr passieren mit dem Ziel systematischer, staatlich finanzierter Pflegeforschung." Deutschland sei auf diesem Feld noch immer ein Entwicklungsland.

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Hier geht es zur Gesamtausgabe von epd sozial 46/2020. Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen

Dirk Baas




sozial-Politik

Gesundheit

Leben ohne den Schutz einer Krankenversicherung




In Corona-Zeiten wächst die Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung.
epd-bild/Heike Lyding
Menschen ohne Krankenversicherung - das dürfte es in Deutschland eigentlich gar nicht geben. Und doch kommt es tausendfach vor. Ob mittellose Künstler, Soloselbstständige oder Flüchtlinge - in Corona-Zeiten geraten viele in existenzielle Not.

"Ich bin Musiker, und dieser Beruf lebt von der Jugend", sagt Peter Kaufmann (Name geändert). Der 60-Jährige bekommt keine Engagements mehr. "Mein Geschäft, das ich neben der Musik betrieben habe, ist bankrott, es hat sich eine Schuldenlast von über 100.000 Euro angehäuft." Die Folge: Kaufmann konnte keine Beiträge mehr für seine Krankenkasse aufbringen. Seither gehört er zu jenen Menschen, die nicht einfach zum Arzt gehen können, wenn sie erkranken. Im Jahr 2019 hatten rund 143.000 Menschen in Deutschland keinen Krankenversicherungsschutz.

Versicherung "ruhend" gestellt

Die Zahl hat sich seit 2015 verdoppelt, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht. Durch Corona, und jetzt in der zweiten Welle, dürfte diese Zahl weiter gestiegen sein. Betroffen sind Obdachlose, Drogenkranke und Flüchtlinge, die über keine Aufenthaltserlaubnis verfügen.

Auch bei Migranten aus EU-Ländern, die sich länger als 90 Tage in Deutschland aufhalten, erlischt der Versicherungsschutz. Seit Beginn der Pandemie hat zudem die Zahl der Langzeitstudenten zugenommen, die nach Jobverlust kein Geld mehr für ihre Versicherung haben. In diesen Fällen stellt die Krankenkasse die Versicherung "ruhend". Rasant gestiegen ist auch die Zahl der (Solo-)Selbstständigen, die keine Regelleistungen mehr erhalten.

Laut Gesetz dürfte es dieses Phänomen nicht geben, denn jedem Bürger muss Zugang zur Krankenversicherung gewährt werden. Seit 2009 besteht eine gesetzliche Versicherungspflicht.

Doch die Praxis sieht vielfach anders aus. Peter Kaufmann gehört zu jenen, die sich keine Versicherung leisten können. "Ich musste mich zweimal einer Operation unterziehen." In seiner Not wandte er sich an die Münchner Hilfsorganisation "Ärzte der Welt", hierzulande eine der wenigen Anlaufstellen für Menschen, die sonst von Arztpraxen oder Krankenhäusern abgewiesen werden.

"Sie haben mir das Leben gerettet"

Bereits bei einem Zahlungsrückstand von mehr als einem Monatsbeitrag können Krankenkassen oder Privatversicherer ihre Regelleistungen verweigern: "Wir sehen in unseren Anlaufstellen viele Menschen, deren Leistungen ruhend gestellt sind und setzen uns dafür ein, dass alle Menschen Zugang zu medizinischer Versorgung bekommen", sagt die Referentin für Grundsatzfragen von "Ärzte der Welt", Johanna Offe.

Immer öfter kämen auch Kleinunternehmer und Freiberufler in die teils mobilen Arztpraxen in München, Stuttgart, Hamburg und Berlin. "Ärzte der Welt" bietet nicht nur eine allgemeinmedizinische Versorgung an. Auch spezielle Sprechstunden für Kinder, Frauen oder psychisch Erkrankte gehören zum Hilfsangebot. Wenn nötig, werden notleidende Patienten an Fachärzte oder Beratungsstellen weiterverwiesen und Hilfen zum (Wieder-)Einstieg in das reguläre Gesundheitssystem angeboten. "Ohne sie wäre ich sicher schon seit fünf oder sechs Jahren tot. Sie haben mir das Leben gerettet", sagt Kaufmann über "Ärzte der Welt".

Vollständige Daten darüber, bei wie vielen Versicherten die Policen derzeit "ruhend" gestellt wurden, sind kaum zu bekommen. Auf eine Anfrage bei 24 Krankenkassen antworteten nur vier: Die DAK nannte rund 50.000 ruhende Versicherungen, die IKK-classic 38.522, die KKH etwa 17.000 und die HKK 3.052.

Auch die Malteser kümmern sich seit Jahren um Patienten ohne Krankenkassenkarte. Seit 2001 finden sie bundesweit Ärzte und medizinische Fachkräfte, die die Erstuntersuchung und Notfallversorgung bei plötzlicher Erkrankung, Verletzung und Schwangerschaft vornehmen. Heute, so ist auf der Homepage zu lesen, lebt der größte Teil der Patienten legal in Deutschland: Bürger aus den neuen EU-Mitgliedsländern, Besucher aus anderen Ländern, Studenten, die die Regelstudienzeit überschritten haben, auch Selbstständige, die ihre private Krankenversicherung nicht mehr bezahlen konnten. Die Malteser unterhalten 20 Standorte, an denen unter strikter Wahrung der Anonymität beraten und behandelt wird.

Mahnungen und Ruhensbescheide

Auch Solo-Selbstständige, die nach dem Künstlersozialgesetz versichert sind, müssen in der Corona-Krise um ihren Versicherungsschutz fürchten. Denn auch die zuständige Künstlersozialkasse (KSK) verschickt Mahnungen und dann folgend auch sogenannte Ruhensbescheide, durch die der Versicherungsschutz wegen vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten "ruhend" gestellt wird. Von März bis September gab es in diesem Jahr 6.244 Mahnungen (2019: 5.431). Bei den Ruhensbescheiden gab es im selben Vergleichszeitraum eine Steigerung von 1.892 Bescheiden im Jahr 2019 auf 1.990 im laufenden Jahr, wie die KSK auf epd-Anfrage mitteilte.

Knapp 200.000 Künstler, Publizisten und Journalisten sind über die KSK krankenversichert. Schuldet etwa ein freischaffender Sänger, Grafiker oder Artist der KSK mehr als einen Monatsbeitrag, droht ihm die Versicherungssperre. Geregelt ist das in § 16 Abs. 2 des "Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten" (KSVG). Erfolgt nach der Mahnung keine Zahlung, muss das Ruhen der Leistungen festgestellt werden.

Der medienpolitische Sprecher der FDP, Thomas Hacker, zeigt in der Pandemie wenig Verständnis für einen Ausschluss in Not geratener Künstler und Publizisten von der medizinischen Versorgung: "Gerade in der aktuellen Corona-Krise ist die Gesundheit des Einzelnen von herausgehobener Bedeutung. Ein Aussetzen des Versicherungsschutzes würde diesen Grundgedanken unterlaufen", sagt Hacker.

Ermessensspielraum ist eng

Das Bundessozialministerium weist auf die Möglichkeit einer Stundung von Versicherungsbeiträgen hin, auf die Künstler und Publizisten bei "unbilligen Härten im Einzelfall" hoffen dürften. "Die KSK besitzt bei diesen Entscheidungen ein Ermessen", sagte Ministeriumssprecher Dominik Ehrentraut auf Nachfrage.

"Im Zusammenhang mit dem Ruhen führt aber lediglich eine Stundung mit Ratenzahlung zur Beendigung des Ruhens. In diesem Rahmen übt die Künstlersozialkasse ein Ermessen aus", teilte die KSK mit. In jedem Fall muss der Versicherte also zumindest einen Teil seiner Rückstände begleichen, wenn der mit dem "Ruhen" entfallene "Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung wieder aufleben" soll. Wer auch die im "Ermessen" der KSK liegenden Teilzahlungen nicht aufbringen kann, erhält folglich keine Leistungen mehr. Gleiches gilt für abgelehnte Stundungsanträge.

Uwe Herzog


Behinderung

Bundesrat berät über Assistenzen für behinderte Menschen in Kliniken




Experten werben dafür, dass behinderte Menschen im Krankenhaus von Assistenzen begleitet werden können.
epd-bild/Werner Krüper
Experten fordern seit Jahren die Kostenübernahme für Assistenzen von behinderten Menschen, die ins Krankenhaus müssen. Jetzt kommt Bewegung in das Anliegen, denn der Bundesrat berät in seinen Ausschüssen über die Kostenübernahme seitens der Krankenkassen.

Menschen mit Behinderungen sollen künftig bei Behandlungen in Krankenhäusern einen kassenfinanzierten Anspruch auf Assistenzen bekommen. Dieser Ziel verfolgt Bremen, das dazu einen Antrag in den Bundesrat eingebracht hat. Der wurde am 6. November an die Ausschüsse für Gesundheit sowie Arbeit, Integration, Sozialpolitik überwiesen. Eine Endscheidung wurde noch nicht getroffen, weil Bremen hat keine Sofortabstimmung beantragt hat. Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik der Grünen, sagte, der Antrag sei sehr zu begrüßen: "Damit kommt hoffentlich Dynamik in diese Debatte."

Der Bundestag hatte bereits im Frühsommer eine Petition mit einstimmigem Votum "zur Berücksichtigung" an die Bundesregierung überwiesen und das Anliegen damit unterstützt. Gefordert wird eine Klarstellung, dass und von wem bei einem Krankenhausaufenthalt von Menschen mit Behinderungen die Kosten für die begleitende Assistenzperson übernommen werden müssen.

Es sei unrealistisch, den Bedarf einer Assistenzleistung unter Berufung auf den Nachranggrundsatz durch die Krankenhäuser decken zu lassen, befand der Petitionsausschuss. Der Bedarf für die Teilhabeleistung Assistenz ende weder an der Krankenhaustür, noch wandle er sich dort in einen medizinischen oder pflegerischen Bedarf um. Die Weitergewährung von Assistenzleistungen bei einem Krankenhausaufenthalt müsse daher in der Bewilligungspraxis der Leistungsträger verlässlich verankert werden, "sei es durch eine entsprechende Auslegung des derzeitigen Leistungskatalogs oder aber durch eine ausdrückliche Ergänzung desselben".

Grüne: Es geht in Ministerien nicht voran

"Doch die Umsetzung dieses Beschlusses dümpelt vor sich hin, weil Bundesgesundheits- und Bundessozialministerium die Verantwortung hin und her schieben", rügte Rüffer. Dabei sei das Problem seit vielen Jahren bekannt. Auch der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung und Behindertenverbände drängten auf eine Lösung im Sinne der Menschen mit Behinderungen.

Rüffer verwies auf die Corona-Pandemie, die erneut deutlich gemacht habe, wie dringend der Handlungsbedarf ist. "Es muss gewährleistet sein, dass behinderte Menschen bei einem Klinik- oder Rehaaufenthalt ihre persönliche Assistenz oder eine vertraute Bezugsperson mitnehmen können." Deshalb sei es nötig, die Finanzierung dafür für alle verlässlich und eindeutig zu regeln.

Behinderte Menschen brauchen ihre Assistenzen, um die klinische Behandlung zum Erfolg zu führen. Denn eine vertraute Assistenzperson ist oft nötig, um etwa mit dem Krankenhauspersonal zu kommunizieren oder den Betroffenen emotional zu stabilisieren und Sicherheit zu vermitteln. Oftmals wird seitens der Kliniken eine Begleitung sogar zur Voraussetzung für eine stationäre Aufnahme gemacht.

Eindeutige Regelung fehlt

Die Finanzierung der Assistenz im Krankenhaus ist jedoch nicht eindeutig geregelt. Menschen mit Behinderungen, die ihre Assistenz daheim im Arbeitgeber/innenmodell organisieren, bekommen die Kosten auch bei Krankenhausaufenthalten erstattet. Bei allen anderen ist unklar, ob Krankenkassen oder die Eingliederungshilfe die Kosten übernehmen. Prüfer: "Das ist absurd und gefährlich." Zusätzliches Problem: Menschen mit geistiger Behinderung ist es häufig nicht möglich, als Arbeitgeber ihre Pflege selbst zu organisieren.

Die Lebenshilfe befasst sich schon seit Jahren mit diesem Thema und hatte im Februar gemeinsam mit den anderen Fachverbänden für Menschen mit Behinderung einen Fachtag dazu organisiert. Sie verweist darauf, dass ein gesetzlicher Anspruch auf Begleitung derzeit nur bei medizinischer Notwendigkeit besteht. Das ist geregelt in § 11 Absatz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V. Ob das der Fall ist, bestätigen die Krankenhausärzte gegebenenfalls auf Anregung der Hausärzte. Dann würden in diesem Zusammenhang die Kosten der Unterkunft und Verpflegung für die Begleitperson übernommen. Die Vereinbarung zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen sieht hierfür eine Pauschale von 45 Euro pro Tag vor.

Die Lebenshilfe Bayern hat das Thema der Assistenz im Krankenhaus auch in einer Petition an den Bayerischen Landtag aufgegriffen. "Es ist wirklich erschreckend und besorgniserregend, was uns Eltern und Angehörige über Krankenhaus-Aufenthalte berichten", erklärte Barbara Stamm. Sie sieht dringend Handlungsbedarf, denn die meisten Krankenhäuser seien nicht oder kaum auf die stationäre Behandlung von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung eingestellt. Darum sei allein schon die Verständigung äußerst schwierig. Oft müssten die Kranken stundenlang warten und es gebe kaum Informationen zur nötigen Behandlung.

Dirk Baas


Bundesregierung

Kinder- und Jugendbericht sieht Defizite bei politischer Bildung




Aktion zur Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz im Jahr 2009
epd-bild/Rolf Zöllner
Der 16. Kinder- und Jugendbericht fordert mehr politische Bildung für Minderjährige und junge Erwachsene. Innerhalb und außerhalb der Schule müssten die Jüngsten auch selbst mehr erfahren können, was Mitbestimmung bedeutet, fordern die Autoren.

Der im Auftrag der Bundesregierung entstandene Kinder- und Jugendbericht bescheinigt der politischen Bildung in der Schule "in allen Bereichen" Defizite. Der am 11. November in Berlin vorgestellte Bericht beklagt zu wenig Platz dafür im Lehrplan, einen oft zu späten Start und zu viel fachfremdes Personal. "Wir haben festgestellt, dass wir gerade im Fach Politik Lehrer haben, die nicht Politik studiert haben", sagte der Vorsitzende der Berichtskommission, Christian Palentien, Erziehungswissenschaftler aus Bremen. Die Autoren fordern zudem mehr Möglichkeiten praktischer Demokratieerfahrungen inner- und außerhalb der Schule.

Palentien sagte, man müsse politische Bildung zum Bildungsprinzip machen. Dazu gehörten auch mehr Möglichkeiten zur Mitbestimmung durch Schülerinnen und Schüler. Der Bericht beklagt zudem Defizite im Bereich der Grundschule. Der Sachkundeunterricht, der Platz für politische Bildung bieten soll, konzentriere sich oft auf die naturwissenschaftlichen Inhalte, sagte Palentien, der den Lehrstuhl "Bildung und Sozialisation" der Universität Bremen innehat. Der Bericht fordert, dass in allen Schulformen zwischen Klasse fünf und zehn mindestens zwei Stunden pro Woche für politische Bildung zur Verfügung stehen sollten.

Augenmerk auf demokratiegefährdende Inhalte

Der inzwischen 16. Kinder- und Jugendbericht fordert insgesamt eine Stärkung der politischen Bildung bei Kinder und Jugendlichen. Demokratiegefährdende Inhalte wie Nationalismus und Rechtsextremismus kämen auch durch soziale Medien früh auf Minderjährige zu, sagte Palentien. Der Bericht beleuchtet verschiedene Räume politische Bildung auch außerhalb der Schule, beispielsweise in Parteien, Protestbewegungen und Freiwilligendienste.

Der Bericht fordert auch eine generelle Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre, um Jugendliche stärker zu beteiligen. Der Kasseler Politikdidaktiker und Kommissionsmitglied Andreas Eis appellierte zudem an Parteien, sich attraktiver für Jugendliche zu machen. Sie suchten Verbündete in Nichtregierungsorganisationen, fänden Unterstützung in lokalen Vereinen und erarbeiteten sich mit deren Hilfe Expertise in Workshops, Sommercamps oder politische Aktionstrainings, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Viele dieser Formate entwickeln und moderieren Jugendliche selbst", erklärte Eis und ergänzte: "In Parteien treffen sie hingegen vor allem auf feste Strukturen, auf etablierte Rollen von anerkannten Sprecherinnen oder Sprechern und andere Ausschlussmechanismen."

Giffey will "guten Rechtsrahmen"

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) unterstützte die Forderung der Berichtsautoren nach mehr politischer Bildung. Für politische Bildung brauche es auch einen guten Rechtsrahmen, sagte Giffey und verwies dabei unter anderem auf die von ihr vorgelegte Reform des Jugendmedienschutzes, über die der Bundestag noch entscheiden muss.

Giffey sagte, sie wolle sich zudem auch weiter für ein Demokratiefördergesetz innerhalb der Bundesregierung einsetzen, das Initiativen dauerhafte Finanzierung sichern soll. Sie sind derzeit von befristeten Projektgeldern abhängig. In der Koalition ist das Gesetz umstritten. Giffey betonte, sie wolle bis zur letzten Möglichkeit dafür eintreten. In der kommenden Woche soll nach ihren Worten der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus auch darüber erneut beraten.

Diakonie: Bildungsangebote absichern

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, erklärte, demokratische Bildungsangebote seien ein zentraler Baustein zur politischen Teilhabe junger Menschen und zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. "Angebote demokratischer Bildung müssen zukünftig noch stärker auf benachteiligte junge Menschen ausgerichtet sein." Nur so könne es gelingen, die Teilhabemöglichkeiten aller Kinder und Jugendlichen zu stärken und damit auch das Vertrauen in die demokratischen Strukturen unserer Gesellschaft erfahrbar werden lassen." Damit das gelinge, bedürfe es einer institutionellen Absicherung der Angebote und entsprechend qualifizierter Fachkräfte. "Andernfalls, und auch das zeigt die Studie eindrucksvoll, droht bei großen Teilen der nachwachsenden Generationen die Akzeptanz für das demokratische System verloren zu gehen."

Die Grünen Ekin Deligöz, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik, und Beate Walter-Rosenheimer, Sprecherin für Jugendpolitik, sagten, die Bundesregierung solle endlich Kinderrechte im Grundgesetz verankern und vor allem das Wahlalter auf 16 Jahre absenken. "Das bleibt ärgerlicherweise eine große Leerstelle der großen Koalition." Das gelte ebenso für ein Demokratiefördergesetz, das die Bundesfamilienministerin seit Jahren in Aussicht stellt – bisher ohne Erfolg. "Dabei braucht es für die Demokratiebildung und zivilgesellschaftliche Präventionsarbeit gegen Extremismus mehr denn je eine fundierte gesetzliche Grundlage", mahnten die Grünen.

Corinna Buschow


Kirchen

Missbrauch: Holprige Aufarbeitung




Digitale Synodentagung der EKD
epd-bild/Jonathan Haase/EKN
Seit zwei Jahren forciert die evangelische Kirche die Aufarbeitung von Missbrauch in ihren Reihen. Betroffene kritisieren unübersichtliche Strukturen und fehlende Unabhängigkeit. Ein Betroffenenbeirat soll der EKD bei der Aufklärung helfen.

Als Katharina Kracht in einer Nacht im August 2015 im Internet einen Hinweis auf eine Ansprechstelle für Opfer sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche findet, ist sie erleichtert. Sie habe nicht gezögert, eine Mail an die angegebene Adresse zu senden und sich damit als Opfer zu offenbaren, schildert Kracht heute. "Ich glaubte, hier bin ich in sicheren Händen, ich hab es doch mit der evangelischen Kirche zu tun." Heute empfindet sie diese Annahme als "naiv".

Stattdessen sei sie auf einen Flickenteppich an zuständigen Stellen gestoßen, der intransparent und verwirrend sei. Sie sei in den 90er Jahren von einem Pfarrer ihrer Gemeinde über mehrere Jahre missbraucht worden, berichtet Kracht in einem von Betroffenen organisierten Pressegespräch, kurz bevor das Kirchenparlament der evangelischen auch über das Thema Missbrauch berät.

Kracht ist eine von rund 881 Betroffenen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und in der Diakonie, die sich an die Kirche gewandt haben. Wie groß die Dunkelziffer ist, ist unklar.

"Flickenteppich" beklagt

Nicht nur Kracht, sondern auch weitere Betroffene kritisieren die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und ihre 20 Landeskirchen für den Umgang mit den Opfern. Die Zentraleanlaufstelle "help", im vergangenen Jahr gegründet, verweise die Hilfesuchenden nur weiter an die bestehenden Ansprechstellen der Gliedkirchen. Es ist der "Flickenteppich", von dem Kracht spricht.

Die zentrale Anlaufstelle ist ein Punkt im Elf-Punkte-Handlungsplan, den die EKD auf ihrer Synode 2018 beschlossen hat und von dem der zuständige Beauftragtenrat zum Schutz vor sexualisierter Gewalt am Montag auf der Synode sagte, alle Punkte seien entweder bereits umgesetzt oder befänden sich in der Umsetzung. Dazu zählt auch eine große Aufarbeitungsstudie eines unabhängigen Forschungsverbunds, mit der im Dezember begonnen werden soll.

"Nicht überzeugt"

"Die Betroffenen sind nicht überzeugt", heißt es aber in einer Presseerklärung von Montag, die vier Betroffene, darunter auch Kracht, veröffentlicht haben. Die EKD bestimme nämlich weitgehend selbst darüber, wann ein Punkt abgearbeitet sei. Kracht und ihre Mitstreiter fordern daher Unabhängige Aufklärungskommissionen nach dem Modell des Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig, damit die Aufklärungsarbeit der Kirche von staatlichen Stellen begleitet wird. Die EKD steht laut der bisherigen Sprecherin des Beauftragtenrates, Kirsten Fehrs, mit dem UBSKM in Verhandlungen. Die katholische Kirche etwa unterzeichnete eine Vereinbarung über unabhängige Aufarbeitung bereits im Juni.

Auch an den sogenannten Unabhängigen Kommissionen zur Anerkennung erlittenen Leids, die über materielle Leistungen für Missbrauchsopfer entscheiden sollen, üben die Betroffenen Kritik. Für ein einheitliches Verfahren ist auf EKD-Ebene eine Musterordnung erarbeitet worden, die Vergleichbarkeit und Transparenz über alle Landeskirchen hinweg garantieren soll. Um Mittel zu erhalten, sollen die Betroffenen nachweisen, dass ein institutionelles Versagen der Kirche mitursächlich für das erlittene Leid war, so steht es in Paragraf 3 der Musterordnung, die dem epd vorliegt.

Das sei absurd, sagen die Betroffenen. Ein im September neu gegründeter Betroffenenbeirat hatte dem Entwurf der Musterordnung nach Aussage von Detlev Zander, Mitglied des Beirats, nicht zugestimmt. Fehrs sagte dem epd am 9. November, unter Nachweis sei lediglich zu verstehen, dass die sexualisierte Gewalt im Raum der evangelischen Kirche stattgefunden habe und nicht zum Beispiel in einer katholischen oder anderen Einrichtung. Ansonsten gelte wie eh und je, dass es in den Unabhängigen Kommissionen vollkommen reiche, plausibel zu machen, dass ein Übergriff und sexualisierte Gewalt stattgefunden hat. Darüber seien die Mitglieder des Betroffenenbeirats im September auch informiert worden.

Fehrs zeigte sich offen dafür, die eventuell missverständliche Formulierung abzuändern. Von Anfang an sei geplant gewesen, diesen Entwurf einer Musterverordnung in aller Ruhe mit dem Betroffenenbeirat zu beraten und zu bearbeiten.

Nicht zur Synode eingeladen

Auf Betroffenenseite erzürnt war man auch darüber, dass keiner ihrer Vertreter zur Synode eingeladen wurde. Synodenpräses Irmgard Schwaetzer verwies auf die wegen der Pandemie verkürzte und rein digital tagende Synode, zu der keinerlei Gäste geladen worden seien. Im kommenden Jahr sollten die Betroffenen aber wieder beteiligt werden, so ihre Empfehlung.

Für Kracht ist wichtig, dass in Zukunft alle Betroffenen auf transparente und verständliche Strukturen treffen, gerade für diejenigen, die Schwierigkeiten im Umgang mit bürokratischen Institutionen hätten. Sonst würden gerade die Schwächsten weiter benachteiligt. Sie hat sich entschieden, im Betroffenenbeirat der EKD für die Belange der Opfer sexualisierter Gewalt einzutreten.

Franziska Hein


Corona

Großstädte sehen sich im Winter für Obdachlose gut vorbereitet




Kältebus im nächtlichen Einsatz in Berlin
epd-bild/Rolf Zöllner
Die Corona-Pandemie hat Folgen für die Winter-Programme der Kommunen für Wohnungslose. Um die Abstandsregeln einhalten zu können, mieten manche Städte zusätzliche Zimmer in Hotels. Eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) bei Kommunen.

In Deutschland sehen sich große Städte im Winter offenbar gut gerüstet, auch während der Corona-Pandemie ausreichend Schlafplätze für Obdachlose bereitzuhalten. Den Hygienevorschriften in der Corona-Pandemie müssen sich auch die Notunterkünfte anpassen. So wurde in vielen Kommunen wegen der Schutzauflagen die Zahl verfügbarer Plätze je Einrichtung reduziert. Daher buchen einige Städte zusätzliche Zimmer in Hotels, wie eine bundesweite Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) zeigt.

In Düsseldorf bemüht man sich um eine Entzerrung: Insgesamt wurden nach Angaben der Stadt sechs Hotels angemietet und dort knapp 200 Menschen untergebracht. Die Stadt Bielefeld teilte ebenfalls mit, aus Infektionsschutzgründen würden zusätzliche Gebäude bereitgestellt. "Dadurch kann die vorhandene Platzkapazität aufrechterhalten werden", heißt es weiter.

U-Bahn-Station geöffnet

Die großen Städte in Hessen, Frankfurt am Main, Darmstadt, Wiesbaden und Kassel rechnen trotz der Corona-Beschränkungen damit, dass die Betten reichen und niemand auf der Straße seine Isomatte ausrollen muss. Frankfurt hat bereits die B-Ebene einer U-Bahn-Station im Stadtzentrum für Obdachlose geöffnet. Dort stünden 150 Notübernachtungsplätze bereit. Um Corona-Ansteckungen entgegenzuwirken, sei der Platz in einer früheren unterirdischen Ladengalerie auf 1.500 Quadratmeter Fläche ausgeweitet worden. Die Schlafplätze seien mindestens 1,50 Meter voneinander entfernt. Vier Luftfilter sowie CO2-Ampeln seien angeschafft worden, teilte die Stadt mit.

Die Berliner Kältehilfe hat die Zahl der Übernachtungsplätze für die Wintermonate auf etwa 1.000 erhöht. Um die Abstandsregeln einhalten zu können, seien in diesem Winter zusätzlich drei Hostels angemietet worden. Laut einem Sprecher des Senats reicht die Kapazität derzeit aus. "Wir veröffentlichen jede Woche die Zahl der Auslastung per Twitter, um mitzuteilen, wann die Auslastung steigt." Bei Bedarf stünden weitere Unterkünfte zur Verfügung.

Übernachtung in Einzelzimmern geplant

In Rostock werden nach Auskunft der Pressestelle der Stadt insgesamt 274 Plätze angeboten. In einzelnen Einrichtungen werde versucht, jedem Bewohner ein eigenes Zimmer zur Übernachtung zur Verfügung zu stellen. Küche und Bad würden indes gemeinschaftlich genutzt. Die Bewohner würden täglich über die Corona-Regeln belehrt, die Angestellten achteten auf deren Einhaltung.

Die Stadt Dresden stellt nach Angaben der Pressestelle 20 Notschlafplätze zur Verfügung. Bei Bedarf sei eine Aufstockung der Platzkapazität möglich.

Hannover hat in den Notschlafstellen die Bettplätze reduziert, um die Hygiene-Empfehlungen des Robert Koch-Instituts einhalten zu können. In allen Unterkünften gelten nach Auskunft der Stadt die allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln. Bei Verdachtsfällen oder einer diagnostizierten Corona-Infektion in den städtischen Obdachlosenunterkünften sollen die Bewohnerinnen und Bewohner zur Quarantäne in einem hierfür angemieteten Hotel untergebracht werden.

Neue Matratzen und Bettzeug

In Braunschweig wurden nach den Angaben die Schlafplätze in den Notunterkünften so angelegt, dass die Mindestabstände gewahrt werden können. "Zusätzlich zur jeweils eigenen neuen Matratze und zum Bettzeug erhält jeder Bewohner einen Mund-Nasen-Schutz und Seife", teilte die Stadt mit.

Das Winternotprogramm in Hamburg soll in diesem Jahr deutlich ausgeweitet werden. Insgesamt sollen bis zu 1.020 Betten für obdachlose Menschen bereitstehen, kündigte die Sozialbehörde an. Außerdem werde eine zusätzliche Tagesaufenthaltsstätte mit rund 200 Plätzen eingerichtet. Die Kosten werden auf rund zehn Millionen Euro beziffert.

Bei einem Verdacht auf eine Corona-Infektion könnten Betroffene bis zur Klärung "unverzüglich" isoliert untergebracht werden, teilte die Hansestadt mit. Gegebenenfalls würden sie in separate Quarantäne-Standorte verlegt, in denen bestätigte Infektionsfälle für die Dauer der Erkrankung bleiben können.

In Augsburg wurde die Wärmestube, in der sich Obdachlose tagsüber aufhalten, um ein beheiztes Zelt erweitert, "was den Betrieb auch unter Corona-Bedingungen ermöglicht", erläutert die Stadt. Die Hygienevorschriften könnten auch bei Maximalbelegung innerhalb der bestehenden städtischen Unterbringungsmöglichkeiten eingehalten werden.

Aufgrund der Corona-Bedingungen werden in Stuttgart Mehrbettzimmer nur noch mit höchstens zwei Personen belegt, wie die Stadt mitteilte. Karlsruhe will Menschen mit Erkältungssymptomen in separaten Zimmern unterbringen.

Markus Jantzer


Corona

Trotz Pandemie weniger Menschen überschuldet



Die Neusser Wirtschaftsauskunftei Creditreform sieht angesichts der Auswirkungen der Corona-Pandemie eine "Ruhe vor dem Sturm". Deutlich mehr Leute als heute würden in naher Zukunft überschuldet sein.

Die Überschuldung der Menschen in Deutschland ist 2020 trotz Corona-Krise und deren Folgen für den Arbeitsmarkt erneut leicht gesunken. Im laufenden Jahr konnten bislang 6,85 Millionen Personen ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Das waren 69.000 oder rund ein Prozent weniger als noch 2019, wie aus dem am 10. November vorgestellten Schuldneratlas 2020 der Neusser Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervorgeht.

Die Überschuldungsquote - der Anteil der Überschuldeten im Verhältnis zur Gesamtzahl der Erwachsenen in Deutschland - sank damit geringfügig von genau 10 auf 9,87 Prozent. Einen Grund zur Entwarnung sehen die Experten der Creditreform in dieser Entwicklung dennoch nicht. Sie befürchten vielmehr eine "Ruhe vor dem Sturm". Die staatlichen Hilfen hätten die schlimmsten sozialen Wirkungen abgemildert. Zugleich hätten die Bürger im bisherigen Verlauf der Corona-Krise mehr gespart und weniger ausgegeben.

Keine Ende der Krisenlage abzusehen

Wegen der weiter steigenden Infektionszahlen sei ein Ende der gesundheitspolitischen und ökonomischen Krisenlage aber noch lange nicht absehbar. "Die Folgewirkungen werden für Wirtschaft, Gesellschaft und Verbraucher gravierender sein als die der Weltfinanzkrise 2008 und 2009", sagte der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch.

Vor diesem Hintergrund sprechen die Creditreform-Experten von einer "verschleierten Überschuldungslage". So hätten im bisherigen Verlauf der Krise zwischenzeitlich bis zu 700.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Zudem seien bis zu 7,3 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit gewesen oder seien es weiterhin. Auch kämpften rund zwei Millionen Soloselbstständige um ihre Existenz und stünden am Rande einer Überschuldung. Die erneut verschärften Corona-Maßnahmen in diesem Monat würden die Lage weiter verschärfen.

Corona verschärft Lage

"Die langfristigen Perspektiven für die Überschuldungsentwicklung sind besorgniserregend, da die Corona-Pandemie auch eine weitere Polarisierung von Einkommen und Vermögen bewirkt", warnte Hantzsch. Gutverdiener könnten Einkommensausfälle besser abfedern als die unteren sozialen Schichten, die keine finanziellen Rücklagen hätten und sich weiter verschulden müssten.

Der VdK wies darauf hin, dass bei den über 70-Jährigen die Zahl überschuldeter Senioren im Jahresvergleich um 23 Prozent auf 470.000 gestiegen sei. Demnach vervierfachte sich in den letzten sieben Jahren die Überschuldungsquote bei Menschen über 70 Jahren.

VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte dazu: "Diese Entwicklung ist dramatisch. Wir sehen ein deutliches Warnsignal." Altersarmut sei in Deutschland ein Massenphänomen. Weit vor dem Monatsende stündenn viele Senioren vor der Frage, von welchem Geld sie ihre Lebensmittel bezahlen sollen. "An Rücklagen für unvorhergesehene Ereignisse ist gar nicht zu denken. So sieht kein Altern in Würde aus."

Gabriele Fritz


Corona

Stiko-Empfehlung: Wer wird zuerst geimpft?



Die Entwicklung von Corona-Impfstoffen kommt voran. Wenn sie zugelassen sind, werden sie aber zunächst wohl nicht für alle reichen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat deshalb zusammen mit dem Deutschen Ethikrat und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina Empfehlungen erarbeitet, die Gruppen vorsieht, die zuerst geimpft werden. Nachfolgend die Eckpunkte des Papiers:

+ Hochriskikogruppen: Sie sollen zu den ersten gehören, die geimpft werden. Es geht um Menschen, die wegen ihres Alters oder anderer Erkrankungen "ein signifikant erhöhtes Risiko" haben, wegen eines schweren Verlaufs von Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert zu werden oder gar zu sterben. Außerdem sollen Personen zuerst geimpft werden, die zum Beispiel in Altenheimen leben und damit auf besonders engem Raum mit anderen Menschen.

+ Gesundheitswesen: Hier ist eine weitere Gruppe tätig, die bevorzugt geimpft werden soll. Es handelt sich um solche, "die den an Covid-19 Erkrankten beistehen" und dadurch selbst ein höheres Infektionsrisiko haben. Umgekehrt könnten Ärzte oder Pflegekräfte das Virus in Kliniken und Pflegeheime hineintragen und dort die Patienten anstecken. Auch deshalb wäre eine Impfung wichtig.

+ Grundversorgung: Menschen, die eine wichtige Rolle dabei spielen, den Staat am Laufen zu halten, sollen ebenfalls Impfungen erhalten, sobald Impfstoffe zur Verfügung stehen. Genannt werden hierbei die Polizei- und Sicherheitsbehörden, die Feuerwehr, Lehrerinnen und Lehrer.

+ Impfzentren: Geimpft werden soll nicht beim Hausarzt, sondern in dafür eigens eingerichteten Impfzentren. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass dort die Impfdosen sachgerecht gelagert werden können. Außerdem kann in staatlich mandatierten Impfzentren am ehesten sichergestellt werden, dass der Impfstoff auch wirklich zu den Zielgruppen gelangt. Im Übrigen muss am Ende auch hier von Person zu Person beurteilt werden, wer tatsächlich die Impfung zu einem frühen Zeitpunkt bekommt und wer nicht. Es soll auch mobile Impftrupps geben, die etwa zu den Pflegeheimen kommen, um die Menschen dort zu impfen.

+ Auswahlprinzipien: Die Auswahl dieser Gruppen erfolgte auf Grundlage medizinischer, ethischer und rechtlicher Prinzipien. Hierbei gilt zunächst die Selbstbestimmung, weshalb es eine allgemeine Impfpflicht nicht geben soll. Ferner wird der ethische Grundsatz der Gerechtigkeit herangezogen. Hieraus folgt laut Papier auch, dass eine Bevorzugung von Menschen angemessen ist, die durch ihren persönlichen Zustand oder durch ihren Beruf deutlich höher gefährdet sind als die übrige Bevölkerung, schwerwiegend oder sogar tödlich zu erkranken. Hier kommt auch der Grundsatz der Solidarität zum tragen.

+ Stiko: Die Stiko am Robert-Koch-Institut ist zuständig für Impfempfehlungen in Deutschland. Bei den Überlegungen zu einer Covid-19-Impfstrategie hat sie sich mit dem Ethikrat und der in Halle ansässigen Leopoldina zusammengetan. Bis Ende des Jahres soll es eine detailliertere Empfehlung geben. Hierzu werden noch Ergebnisse aus den laufenden klinischen Studien zu den Eigenschaften der Impfstoffe abgewartet. Weil es in der Corona-Pandemie ständig neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, soll die Impfempfehlung der Stiko "fortlaufend aktualisiert" werden.



Arbeit

Niedriglohn-Sektor in Deutschland ungleich verteilt



Die Arbeit im Niedriglohn-Sektor ist in Deutschland ungleich verteilt. Die Spanne liege zwischen einem Beschäftigtenanteil von 10,7 Prozent in Hamburg und 34,1 Prozent in Thüringen, ergibt ein am 11. November veröffentlichter Bericht des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Deutlich unter dem Durchschnitt lagen zudem das Saarland (14,3 Prozent) und Baden-Württemberg (15,4 Prozent). In Nordrhein-Westfalen lag der Anteil der Geringverdiener unter allen Beschäftigten bei 22,8 Prozent und damit einen Prozentpunkt über dem Bundesdurchschnitt von 21,8 Prozent. Die ostdeutschen Bundesländer verzeichneten eine Quote von mehr als 30 Prozent.

Als Niedriglöhne gelten Stundensätze, die geringer als zwei Drittel des mittleren Bruttolohns sind. In Deutschland lag die Schwelle im Jahr 2018 auf Basis des Sozio-oekonomisches Panels (SOEP) bei 11,21 Euro brutto pro Stunde. Der Niedriglohnsektor in Deutschland ist laut IAQ einer der größten in der EU. Höhere Anteile von Geringverdienern gebe es nur in Lettland, Rumänien, Litauen, Polen und Estland. Der gesetzliche Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde in Deutschland sei besonders niedrig.

Qualifizierung verbessern

Laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in NRW arbeiteten 2018 in dem Bundesland 1,7 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnsektor. Auffällig sei, dass vor allem Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund ein höheres Niedriglohnrisiko hätten. Auch Geringqualifizierte seien überdurchschnittlich häufig betroffen. Rund 44 Prozent der Beschäftigten ohne Berufsausbildung arbeiten dem DGB zufolge unter der Niedriglohngrenze. "Das zeigt, wie wichtig eine gute berufliche Qualifizierung ist."

Einen wichtigen Ansatzpunkt für eine Verringerung des Niedriglohnanteils sehen IAQ und DGB in einer Stärkung der Tarifbindung. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende in NRW, Sabine Graf, forderte die Politik zum Handeln auf: "Tarifverträge müssen leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können, damit möglichst viele Menschen tatsächlich von ihrer Arbeit leben können und sie der Niedriglohn nicht direkt ins Jobcenter führt." Zudem müsse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auf eine Tarifbindung der jeweiligen Unternehmen geachtet werden.

Die EU-Kommission strebt an, die Mindestlöhne in der EU bis 2024 auf 60 Prozent des jeweiligen nationalen Medians anzuheben. In Deutschland entspräche dies laut IAQ aktuell etwa zwölf Euro brutto pro Stunde.



Gesundheit

Studie fordert neues Vergütungssytem für Krankenhäuser



Eine von der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie empfiehlt die Abschaffung des Systems der Fallpauschalen bei der Finanzierung von Krankenhaus-Behandlungen. Dieses System habe "sehr problematische Entwicklungen ausgelöst oder verstärkt wie etwa eine dramatische Unterbesetzung in der stationären Krankenpflege", heißt es in der am 12. November in Düsseldorf veröffentlichten Untersuchung. Ein neues Vergütungssystem solle von einer qualitätsorientierten staatlichen Krankenhausplanung ausgehen und die wirtschaftliche Sicherheit aller als bedarfsgerecht eingestuften Krankenhäuser gewährleisten.

In der stationären Krankenpflege fehlten mindestens 100.000 Vollzeitstellen, sagte der Autor der Studie, Gesundheitswissenschaftler Michael Simon. Die negativen Konsequenzen für Patienten und Patientinnen seien dokumentiert. Außerdem habe das seit gut 15 Jahren angewendete Fallpauschalen-System eine Privatisierungswelle angeschoben.

Mehr privat betriebene Kliniken

Dadurch gebe es erstmals in der Bundesrepublik weniger Allgemeinkrankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft als Kliniken, die zu privaten gewinnorientierten Konzernen gehörten. Dieser Trend könne sich verschärfen, wenn Einnahmeausfälle durch die Corona-Pandemie nicht ausreichend ausgeglichen würden, warnte Simon.

Das Fallgruppen-System fasse Patienten mit teilweise sehr unterschiedlichen Diagnosen und Behandlungsarten zu gleichen Gruppen zusammen. So entstünden Kostenunterschiede, "die es für Krankenhäuser lukrativ machen, selektiv nur wenig kostenaufwändige Patientengruppen zu behandeln und die anderen entweder abzuweisen oder an andere Krankenhäuser weiterzuleiten", kritisierte der Gesundheitswissenschaftler.

Schritte gegen Personalmangel

Der Forscher begrüßte die in diesem Jahr erfolgte Ausgliederung der Pflegebudgets aus dem System der Fallpauschalen, um den "eklatanten Personalmangel" zu mildern. Nach diesem ersten Schritt solle die Gesundheitspolitik nach Worten Simons "jetzt konsequent umsteuern und das System vollständig abschaffen".

Laut der Analyse machen die sogenannten DRG-Fallpauschalen gegenwärtig rund 70 bis 90 Prozent der Klinikbudgets aus. Die Höhe der Pauschalen wird jährlich neu kalkuliert auf Basis der durchschnittlichen Behandlungskosten, die in 250 bis 300 Kliniken erhoben werden. Aktuell gibt es einen Katalog von rund 1.300 Fallpauschalen.



Baden-Württemberg

Land investiert in mobile Beratungsprojekte gegen häusliche Gewalt



Das Land Baden-Württemberg fördert innovative Beratungsprojekte gegen häusliche und sexuelle Gewalt mit 1,4 Millionen Euro. Damit wolle das Land den Ausbau von Beratung und Hilfe auch während der Corona-Pandemie sicherstellen, sagte Staatssekretärin Bärbl Mielich am 6. November in Stuttgart.

Die neue Förderlinie "Mobile Teams der Fachberatungsstellen gegen häusliche und sexuelle Gewalt sowie Prostitution und Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung während der Corona-Pandemie" soll neue Möglichkeiten schaffen. Die meisten der 23 neuen Beratungsprojekte sollen noch im November starten.

Probleme bei Neugründung von Beratungsstellen

In der ersten Phase der Pandemie habe sich als schwierig erweisen, neue Beratungsstellen zu gründen und zu etablieren in Regionen, die bisher weder über einen Runden Tisch gegen Gewalt an Frauen noch über eine kommunale Ansprechperson verfügten. Deshalb habe sich das Land für einen neuen Ansatz entschieden, hieß es.

Die Arbeit von mobilen Teams könne beispielsweise Beratung im Freien bei einem gemeinsamen Spaziergang, in Außenstellen in Form von angemieteten Räumlichkeiten oder im mobilen Kleinbus bedeuten. "Mit unserem neuen Förderkonzept unterstützen wir niederschwellig und schnell die Beratung Hilfesuchender in ganz Baden-Württemberg", sagte Mielich.

In Baden-Württemberg gibt es 43 Frauen- und Kinderschutzhäuser und 164 Fachberatungsstellen zur häuslichen oder sexuellen Gewalt sowie Interventionsstellen bei häuslicher Gewalt.




sozial-Branche

Pflege

Berufsverband fordert Erstattung von Kosten für Corona-Tests




Corona-Schutz im Pflegezentrum in Eichenau
epd-bild/Klaus Honigschnabel
Pflegekräfte fordern für ihre Arbeit mehr Unterstützung auf allen Ebenen: mehr Personal, höhere Löhne sowie in der Corona-Krise die volle Finanzierung von Tests. Die Bundeskanzlerin bezeichnete beim 7. Pflegetag gute Pflege als "Ausdruck gelebter Menschlichkeit". Die Linke warb für die Einführung einer Pflege-Vollversicherung.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe hat die Politik aufgefordert, Pflegeeinrichtungen und -personal in der Corona-Pandemie stärker zu unterstützen. Beim 7. Deutschen Pflegetag verlangte Bundesgeschäftsführer Franz Wagner am 11. November unter anderem, die Kosten für den zusätzlichen Personalaufwand zur Durchführung von Corona-Schnelltests voll zu refinanzieren. "Das ist bisher nicht so geplant", sagte er. Zudem forderte er, dass PCR-Tests bei Pflegefachkräften von Laboren innerhalb von maximal 24 Stunden ausgewertet werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drückte den Pflegekräften ihren Dank für die geleistete Arbeit in der Corona-Krise aus.

Die Herausforderungen seien für Pflegekräfte in der Pandemie besonders groß, erklärte die Kanzlerin in einem Grußwort. Sie müssten sich nicht allein um den Gesundheitsschutz der Pflegebedürftigen kümmern, zugleich müssten sie "alle Spielräume für Besuche und Kontakte ausschöpfen". Merkel betonte auch die psychischen Belastungen, die die Pandemie für die Beschäftigten in den Krankenhäusern, den Pflegeeinrichtungen und den Hospizen habe.

Gutachten rügt Einschränkungen in Heimen

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) kritisierte die wegen Corona verhängten Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen in Pflegeheimen als in weiten Teilen grundgesetzwidrig. "Gutachter Friedhelm Hufen hat begründete Zweifel daran, dass das Infektionsschutzgesetz eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die gravierenden Eingriffe in die Grundrechte von Menschen in Pflegeeinrichtungen darstellt", teilte BAGSO als Auftraggeber der Untersuchung in Bonn mit.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft forderte Politik, Behörden sowie Heimleitungen auf, die Grundrechte der Betroffenen zu wahren. Sie tue das mit "besonderer Dringlichkeit, weil vielerorts Pflegeeinrichtungen Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen angesichts gestiegener Infektionszahlen wieder verschärfen".

Dem Gutachten zufolge müssten die negativen Auswirkungen der Maßnahmen auf die Gesundheit der Heiminsassen bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung viel stärker in den Blick genommen werden. Eine niemals zu rechtfertigende Verletzung der Menschenwürde liege in jedem Fall vor, wenn Menschen aufgrund von Besuchsverboten einsam sterben müssten, hieß es.

Die Organisation rief dazu auf, die Ermessens- und Beurteilungsspielräume für Behörden, Heimträger und Heimleitungen deutlich stärker zu beschränken als das bislang der Fall ist. "Andere Heimbewohner müssen regelmäßig und in angemessener Form Besuch erhalten können - notfalls hinter Plexiglas."

"Viele Defizite offengelegt"

Patricia Drube, Präsidiumsmitglied der Bundespflegekammer, sagte, die Corona-Pandemie habe viele Defizite in der Pflege schonungslos offengelegt. Eine sichere Versorgung könne nicht immer gewährleistet werden. "Gute Pflege ist ein Menschenrecht", erklärte sie auf dem Pflegetag. Der akute Personalmangel sei "der Belastungsfaktor Nummer eins". Altenpflegerinnen und Altenpfleger seien pro Jahr 28 Tage krankgeschrieben, das sei ein Drittel mehr als im Durchschnitt aller Berufe.

Der Geschäftsführer des Pflege-Berufsverbands Wagner forderte, planbare Operationen in Krankenhäusern zu verschieben, wenn dies medizinisch vertretbar sei, um Betten und Personal für Covid-19-Patienten freizuhalten. Die Sorge, dass nicht genügend Pflegefachkräfte auf Intensivstationen seien, sei begründet, sagte Wagner.

Laut einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verringert ein steigendes gesetzliches Renteneintrittsalter das Angebot häuslicher Pflege durch Angehörige. "Angesichts wachsender Pflegebedarfe und steigendem Renteneintrittsalter muss die Politik die Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und informeller Pflege verbessern", heißt es in der am 11. November veröffentlichten DIW-Studie.

Linke wirbt für grundlegende Reformen

Die Linkspartei mahnte zur Verbesserung der Personalsituation in der Pflege grundlegende Reformen an. Die Regierungsmitglieder wollten in ihren Videobotschaften beim Pflegetag glänzen, sagte Pia Zimmermann, Sprecherin für Pflegepolitik: "Das gelingt nicht mit leeren Händen: nicht ohne Tariflöhne und bessere Arbeitsbedingungen." Die Pflegepolitik der Bundesregierung in den letzten Monaten führe sogar erneut zu Arbeitszeiten von 60 Wochenstunden, nicht nur in Niedersachsen: "Und bundesweit fehlen intensivmedizinisch geschulte Pflegekräfte in den Krankenhäusern. Schöne Worte sorgen nicht für bessere Bezahlung und mehr Personal in der Pflege", kritisierte die Expertin.

Man brauche endlich eine Basis, auf der dauerhaft mehr und zugleich besser bezahltes Personal möglich wird. "Eine wirklich gute Nachricht für die Pflege wären sofort Regelungen für eine solidarische Pflegevollversicherung. Darauf kann die Pflege nicht mehr länger warten. Denn eine gute Versorgung ist für viele Menschen längst gefährdet", sagte Zimmermann.

Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) mahnte an, bei Reformen in der Pflege die Finanzierungsseite mit zu beachten. "Nur so kann das von der Politik selbstgesetzte Ziel der Zukunftsfestigkeit erreicht werden", sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. Wer schon heute keine Antwort darauf hat, wie die Pflegeleistungen dauerhaft finanziert werden können, sollte nicht noch höhere Leistungen fordern. Er vermisse in den Pläne der Bundesregierung die ausgabendämpfenden Ansätze, eine wirksame Investitionskostensicherung und mutige Ansätze zur Kapitalbildung angesichts der starken Leistungsausweitung.

Dirk Baas, Markus Jantzer


Pflege

Interview

Experte: "Bei der Grundlagenforschung sind wir Entwicklungsland"




Frank Weidner
epd-bild/privat
Das Deutsche Institut für Pflegeforschung besteht seit 20 Jahren. Es habe sich mit "anwenderorientierter Forschung" etabliert, sagt Vorstandschef Frank Weider im Interview mit epd sozial. Doch zugleich bemängelt der Experte das Fehlen einer staatlich finanzierten Grundlagenforschung: "Da hat sich in 20 Jahren leider nicht viel getan." Obwohl die Liste der zu untersuchenden Themenbereiche lang sei.

"Wie will man eine Disziplin hochschulisch-akademisch entwickeln, wenn nicht geforscht wird?", fragt Frank Weidner, Professor an Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. Es fehle in Deutschland noch immer an Grundlagenforschung: "Da muss erheblich mehr passieren mit dem Ziel, systematischer, staatlich finanzierter Pflegeforschung." Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Herr Professor Weidner, Ihr Institut hat in den 20 Jahren seines Bestehens 150 Forschungsprojekte abgeschlossen. Können Sie sich noch erinnern, was die erste offizielle Publikation war?

Frank Weidner: Ja, selbstverständlich. Die Untersuchung "Ansätze zur Pflegeprävention". Heute klingt das im Rückblick beinahe komisch, denn die Idee dahinter lautete: Machen Sie mal was gegen Pflegebedürftigkeit, bevor sie losgeht. Mir passte das ganz gut, denn ich hatte mich schon lange mit dem Thema Prävention beschäftigt. Diese erste Studie hat der Deutsche Caritasverband finanziert. Die Resultate waren dann auch Basis für eine ganze Reihe von Studien zum Thema präventive Hausbesuche bei Senioren, die es nach vielen Jahren ja als Begriff und als Vorhaben sogar in den aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung geschafft haben. Umgesetzt hat die Regierung davon jedoch noch nichts.

epd: Welches Projekt haben Sie rückblickend als besonders erfolgreich und richtungweisend für die Pflegepraxis in Erinnerung?

Weidner: Da ist eine Antwort wirklich schwierig. Denn es gibt eine Reihe von Studien, die die Politik zumindest beeinflusst haben. Aber eine Gewichtung vorzunehmen, ist nicht einfach. Ich zögere etwas, weil die Verbindung von Forschung und praktischer Pflegearbeit selten eins zu eins nachzuzeichnen ist.

epd: Welchen Grund hat das?

Weidner: Das liegt an der Komplexität des Themas Pflege. Häufig fokussieren sich unsere Projekte auf Bildungsfragen. Oder auf Datenerhebungen, die für die Einrichtungen und Träger sehr wichtig sind, aber manchmal auch nur auf Umwegen die Politik berühren und die Praxis verändern. Sehr hohen praktischen Nutzen hatten zum Beispiel die Arbeiten zu den Pflege-Thermometern.

epd: Wie lange liegt das zurück?

Weidner: Für das Pflege-Thermometer 2007 haben wir eine der größten Studien gemacht, an der sich über 10.000 Pflegekräfte beteiligt haben. Und es gibt noch eine markante Zahl aus dieser Untersuchung, die in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit erzeugt hat: Wir haben damals als erste darauf hingewiesen, dass rund 50.000 Stellen in der Pflege im Krankenhausbereich zwischen 1995 und 2005 abgebaut wurden. Diese Zahl hat damals mittelbar das erste Pflegestellenförderprogramm der Regierung ausgelöst. Dieser radikale Personalabbau mit all seinen negativen Folgen war bis dahin weitgehend unter dem Radar geblieben.

epd: Was hat zur Gründung des DIP geführt? Wurde einst schlicht nicht genug oder nicht tief genug geforscht?

Weidner: Damals gab es viel zu wenig Forschungsmöglichkeiten zum Thema Pflege. Es fehlte an grundlegendem Wissen. Zwar gab es bereits etliche Studiengänge für Pflegemanagement oder Pflegepädagogik vor allem an den Fachhochschulen, aber das reichte längst nicht aus. Wie will man eine Disziplin hochschulisch-akademisch entwickeln, wenn nicht geforscht wird? Weil es kaum systematische Pflegeforschung gab, haben wir das Institut gegründet.

epd: Hat sich 20 Jahre später was zum Besseren entwickelt?

Weidner: Leider nicht, das muss man in aller Klarheit sagen. Auch deshalb muss es das DIP heute immer noch geben. Es kann immer noch wichtige Forschungsbeiträge leisten. Für mich ist das ein klarer Fingerzeig, auch weil es hierzulande, anders als in vielen vergleichbaren Ländern, noch immer keine grundlegende Pflegeforschung gibt. Deutschland tut viel zu wenig für die Innovation und Entwicklung der Pflege mittels Wissenschaft und Forschung. Da muss erheblich mehr passieren mit dem Ziel, systematischer, staatlich finanzierter Pflegeforschung. Wenn man sieht, wie viel Geld in andere Bereiche der Forschung fließt, dann mutet es schon merkwürdig an, dass die Politik nicht begreift, wie wichtig eine besser ausgestattete Forschungslandschaft in der Pflege ist.

epd: Gelingt es bei Ihrer Arbeitsweise immer, den Elfenbeinturm der Wissenschaft zu verlassen und die Ebene der praktischen Anwendung zu erreichen?

Weidner: Das würde ich schon sagen. Wir sind eine anwenderorientierte Forschungseinrichtung, mit diesem Ansatz haben wir uns gut etabliert. Das hängt auch damit zusammen, dass unsere Auftraggeber und Projektförderer, etwa Bundes- und Landesministerien, Stiftungen, Verbände oder Einrichtungen, recht konkrete Fragestellungen vor Augen haben, auf die wir eine Antwort geben sollen. Daraus resultiert aber ein anderes Problem: Es ist schwierig, organisatorisch wie finanziell, parallel dazu Vorhaben der Grundlagenforschung umzusetzen. Um das zu leisten, bräuchte es eine institutionelle Förderung etwa von öffentlicher Seite, und die fehlt uns. Wenn man eine feste Summe, 500.000 Euro oder eine Million im Jahr zur Verfügung hätte, könnte man anfangen, einen eigenen Forschungsplan zu erstellen. Das ist ein Grundproblem, das bundesweit fortbesteht.

epd: Was müsste denn alles näher untersucht werden?

Weidner: Die Liste der zu klärenden Fragen ist lang. Ich nenne mal einige Probleme, auf die die Politik längst eine wissenschaftlich fundierte Antwort gefunden haben müsste: Personalbemessung, Pflegequalität oder viele Aspekte der Entstehung und Auswirkungen von Pflegebedürftigkeit. Für all das gibt es so gut wie keine unabhängige Pflegeforschung. Das ist ein Riesenmanko. Eigentlich ist das eine fortgesetzte Anklage des bundesweiten Mangels an ausreichender Pflegeforschung. Im Grunde genommen stehen wir immer noch am ganz am Anfang. Wir sind in dieser Sache noch ein Entwicklungsland. Es bestehen weder an den Hochschulen nennenswerte Strukturen zur Pflegeforschung noch gibt es etwa ein Pflegeforschungsinstitut, das von Bundesmitteln getragen würde.

epd: Was würde sich dadurch verbessern?

Weidner: Dann hätte man genügend Ressourcen, um all die Themenbereiche, die ich schon genannt habe, wissenschaftlich ergründen zu können. Es geht um die systematische und kontinuierliche Arbeit daran, das ist wichtig. Dann könnte man zeigen, mit welchen Interventionen, mit welchen Pflegemaßnahmen man Menschen pflegerisch effektiv helfen kann. So könnte man besser und schneller auch auf besondere Herausforderungen in der Pflege reagieren. Das wäre jetzt auch in Zeiten der Pandemie besonders wichtig. Hier müsste man ermitteln, wo der pflegerische Beitrag bei der Krisenbewältigung liegt und wie man den stärken und ausbauen kann. Eine Antwort auf die Frage, wie viel Personal braucht man eigentlich für wie viele Patienten im Krankenhaus, kann man nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Dazu braucht man eine grundlegende Forschung. Das gleiche gilt auch für das Dauerthema Qualität in der Pflege in den Altenheimen.

epd: Da fallen mir zuerst die damaligen Pflegenoten ein.

Weidner: Genau. Auch die sind damals mehr oder weniger übers Knie gebrochen worden. Und sie sind genau daran gescheitert, dass sie keine nachvollziehbare Grundlagen der Pflegeforschung hatten. Leider lernt die Politik aus solchen Fehlern nicht. Sie macht immer diese Ad-hoc-Übungen und wünscht sich möglichst schnelle Lösungen von Problemen. Doch das funktioniert leider oft nicht, wie man sieht. Wenn sich da nichts Grundsätzliches ändert, werden wir in 20 Jahren auch nicht viel weiter sein.

epd: Können Sie im DIP überhaupt unabhängig agieren? Geldgeber erwarten von Ihnen doch bestimmte Resultate. Wie passt das zusammen?

Weidner: Da ist was dran, aber das muss man auch relativieren. Wir sind, das kann ich sicher sagen, von den Auftraggebern geschätzt als unabhängiges Institut, das einer wissenschaftlichen Arbeitsweise verpflichtet ist. Wir legen viel Wert auf Transparenz. Und wir legen in jedem Projekt offen, wer es finanziert und was wir methodisch gemacht haben. Diese Form der Transparenz haben wir, und die nehmen wir auch für uns in Anspruch. Gutachten nur im Lichte dessen, was der Auftraggeber gerne lesen will, machen wir nicht. Aber klar ist auch: Die Unabhängigkeit hängt ja auch damit zusammen, dass man die notwendigen Mittel für Forschungen hat. Die losgelöst sind von einem bestimmten Zweck, unabhängig von zeitlichen Vorgaben oder von inhaltlichen Schwerpunkten, die die Politik gerade setzt. Diese Form von Unabhängigkeit ist äußerst schwierig ohne institutionelle Förderung herzustellen. Die haben wir hier zumeist nicht und die gibt es aber auch an anderer Stelle in der bundesdeutschen Forschungslandschaft leider nicht.

epd: Ihre Ergebnisse habe immer auch eine politische Brisanz. Ist Ihnen das bewusst?

Weidner: Ja, sicher. Wir wissen, dass wir den Finger oftmals in die Wunden legen. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Ich erinnere an unsere Reihe zu den Pflege-Thermometern seit den Jahren 2002/2003, die der Politik ja den Zusammenhang von Versorgungsqualität und Personalsituation deutlich gemacht hat. Wir haben immer wieder mit unseren Daten auf diese Nöte hingewiesen, doch die Grundproblematik ist bis heute von der Politik nicht gelöst. Weil die Sache nicht mit den richtigen politischen Mitteln angegangen wird. Es gab ja zig Vorschläge, nicht nur von uns, sondern auch von den Sozialverbänden, aber die wurden nur in den seltensten Fällen ernsthaft aufgegriffen. Auch, weil die Lösungen etwa zur besseren Bezahlung richtig teuer werden, denn die Pflege ist eine riesige Berufsgruppe. Gut zu sehen ist das auch aktuell an der Corona-Prämie für Pflegekräfte. Die Politik hat sich richtig schwergetan, denn sie weiß, das geht gleich in die Milliarden.

epd: Mischen Sie sich bewusst ein in die politischen Debatten, auch in heikle Themen wie zum Beispiel den Streit über die Notwendigkeit von Pflegekammern?

Weidner: Ja. Wir haben oft unsere Positionen deutlich gemacht. Zurückhaltung ist nicht angebracht, wenn man etwas zum Besseren wenden will und Fakten und Daten dazu auch vorliegen hat. Zu den Pflegekammern haben wir immer gesagt, dass wir sie für richtig halten, weil die Pflegekräfte generell berufsständisch schlecht organisiert sind. Auch die erste Grundabstimmung über eine Pflegekammer hat unser Institut mitorganisiert. Aufgrund unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse haben wir hier einen klaren Standpunkt, und der muss anderen nicht unbedingt gefallen.

epd: Die Reform der Pflegeausbildung hin zur Generalistik haben Sie sich schon vor Jahren auf die Fahnen geschrieben und maßgeblich beeinflusst. Sind Sie mit dem jetzigen Ergebnis vollauf zufrieden?

Weidner: Nein, damit ist wirklich niemand völlig zufrieden. Es ist letztlich nach langen Debatten ein Kompromiss geworden mit etlichen offenen Fragen. Wir haben unter anderem unsere Ergebnisse aus dem Projekt "Pflegeausbildung in Bewegung" für die Entwicklungen zur Verfügung gestellt. Da hatten wir schon gesehen, dass bei der Generalistik durchaus etwas zusammenwachsen kann, was zusammengehört. Man muss das künftig genau mit wissenschaftlichem Interesse beobachten und sehen, wie die Umsetzung der Generalistik und der Wahlmöglichkeiten im dritten Ausbildungsjahr zur Altenpflege oder Kinderkrankenpflege funktionieren. Wir haben jetzt schon ganz gute Einblicke ins Feld, denn wir haben in diesem Jahr schon Hunderte Schulen vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz beraten, wie sie sich künftig für die Generalistik aufstellen müssen. Insgesamt kann man sagen, dass die Umstellung trotz Corona nicht aus dem Ruder läuft.

epd: Personal in der Pflege fehlt allerorten. Ist die Generalistik nun das Allheilmittel für alle Probleme?

Weidner: Sicher nicht. Es gibt aber mehr Interesse an der Ausbildung und in manchen Regionen ist die Nachfrage nach Schulplätzen größer als das Angebot. Hier müssen die Träger sicher reagieren. Man muss auch sehen, dass es eine weitere Schiene der Ausbildung im Pflegeberufegesetz gibt, nämlich die akademische. Es geht um primärqualifizierende Studiengänge in der Pflege, um Höherqualifizierungen und neue Aufgaben für Pflegeberufe. Hier passiert aber einfach noch zu wenig. Die Finanzierung der Hochschulen ist nicht klar. Hier werden Chancen vergeben, den Pflegeberuf aufzuwerten, interessanter zu machen und weitere Bewerbergruppen anzusprechen. Viele Ressourcen werden immer noch nicht konsequent genutzt, um mehr Fachkräfte zu finden und im Beruf zu binden. Man hatte in den vergangenen Jahren eher den Blick auf den unteren Rand des Ausbildungsspektrums gelegt und das scheint mir heute auch noch so zu sein.



Pflege

Wenn Heimbewohner Advent und Chanukka zusammen feiern




Rabbiner Andrew Steiman mit Bewohnerinnen der Senioren-Wohnanlage "Henry und Emma Budge-Stiftung" in Frankfurt am Main
epd-bild/Heike Lyding
Im Altenheim der Budge-Stiftung in Frankfurt verbringen Juden und Nichtjuden gemeinsam ihren Lebensabend. So verfügte es der jüdische Stifter vor 100 Jahren. Nach den Schrecken des Holocaust wurde das Zusammenleben ein gewagtes Experiment.

Im Garten des Alten- und Pflegeheims der Budge-Stiftung im Frankfurter Stadtteil Seckbach beratschlagen der Geschäftsführer, mehrere Mitarbeiter und der Rabbiner des Hauses. Ein Bewohner kommt mit dem Rollator vorbei, grüßt jeden höflich, vor dem Rabbiner sagt er: "Heil Hitler!". Was die anderen schockiert, bringt den Rabbiner zum Lachen. Rabbi Andrew Steiman, der über die Begebenheit mit Kurt Sebald vor wenigen Wochen berichtet, kennt die Geschichte hinter dem Zitat. Der Vater des 91-Jährigen sei Apotheker gewesen, erzählt er. Als ein Nazifunktionär dessen Geschäft betreten und "Heil Hitler!" gerufen habe, habe der Apotheker geantwortet: "Heil du ihn selber!". Sein Vater habe auch kranken Juden kostenlos Medikamente zukommen lassen und die Kritik von Mitarbeitern daran zurückgewiesen, ergänzt darauf Sebald.

Einzigartig in Europa

Juden und Nichtjuden verbringen gemeinsam ihren Lebensabend - mit diesem Konzept ist das Alten- und Pflegeheim nach Angaben von Geschäftsführer Thorsten Krick in Europa einzigartig. Zurück geht es auf Henry Budge (1840-1928). Der gebürtige Frankfurter jüdischen Glaubens machte sich und der Stadt am 20. November vor 100 Jahren ein besonderes Geschenk. An seinem 80. Geburtstag errichtete der in den USA zu Vermögen gekommene Kaufmann die "Henry und Emma Budge-Stiftung". Sie sollte der Fürsorge dienen, und Budge bestimmte: "Die Wohltaten sollen Juden und Christen je zur Hälfte zugutekommen." Inzwischen ist die Gruppe der Christen auf Nichtjuden erweitert worden.

"Für die Bewohner ist es völlig normal, zweimal im Jahr Neujahr zu feiern, das christliche und das jüdische, oder zweimal im Jahr Fasching, nämlich auch das jüdische Purimfest", erzählt Krick. Der Geschäftsführer schätzt die besondere Atmosphäre: "Hier zu leben oder zu arbeiten, ist wie täglich Bildungsurlaub." Von den derzeit 175 Menschen im Betreuten Wohnen seien 34 jüdischer Religionszugehörigkeit, unter den 130 Bewohnern des Pflegeheims seien es derzeit fünf. Eine prominente Bewohnerin ist die Auschwitz-Überlebende Trude Simonsohn (99), Ehrenbürgerin der Stadt Frankfurt.

Die große Wohnanlage bietet zwei koschere Küchen und eine nichtkoschere an, den Festsaal flankieren zu beiden Seiten die exakt gleich große christliche Kapelle und jüdische Synagoge. Der Advent und das Chanukka-Fest würden gemeinsam gefeiert, berichtet Rabbiner Steiman, der von der Budge-Stiftung angestellt ist. Dann steht der Adventskranz neben dem Chanukka-Leuchter, und alle Feiernden singen das Advents- und Weihnachtslied "Tochter Zion".

Viele Christen in der Synagoge

Das Gespräch zwischen Juden und Christen in der hauseigenen Veranstaltungsreihe bereichere sie, sagt die Bewohnerin Henriette Labbé (96). "Wir finden eine gemeinsame Sprache", etwa jüngst im Gespräch über das biblische Buch Hiob. Elisabeth Heinrich (82) schätzt die gemeinsamen Feste, zu denen auch viele Christen in die Synagoge kämen. Die über 80-jährige Renate Kölliker hat erstmals im Budge-Heim jüdische Nachbarn kennengelernt. Nun lernt sie Hebräisch übersetzen und will das Judentum genau kennenlernen. "Das Haus ist ein Kleinod", sagt die dort tätige evangelische Pfarrerin Melanie Lohwasser. "Es zeigt, dass nach der Schoah wieder ein Zusammenleben im Alltag ohne Berührungsängste möglich ist."

Das selbstverständliche Miteinander war nicht immer so, wie Rabbiner Steiman erzählt. In den 80er Jahren habe ihn der katholische Pfarrer im Haus nicht gegrüßt, und es habe keine gemeinsamen Andachten gegeben. Selbst der NS-Opfer sei nicht gedacht worden, obwohl es damals noch mehr Überlebende des antisemitischen Terrors unter den Bewohnern gab. Der damalige jüdische Geschäftsführer habe befürchtet, den nichtjüdischen Bewohnern sonst "auf den Schlips zu treten".

"Experiment ist gelungen"

"Wir wussten nicht, ob das Experiment des satzungsmäßig bestimmten Zusammenlebens von Juden und Christen in einer gemeinsamen Einrichtung - und dies nach den Schrecken des Holocaust - gelingen würde", sagte der Frankfurter Historiker, Autor und ehemalige stellvertretende Stiftungsvorsitzende Arno Lustiger (1924-2012) im Jahr 2000 im Rückblick. "Heute können wir sagen: das Experiment ist gelungen." In den Folgejahren haben Bewohner die Sitte eingeführt, drei Gedenktage im Jahr zur Erinnerung an die NS-Opfer zu begehen.

23 frühere Bewohner wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Eine Bewohnerinitiative hat dafür gesorgt, dass sie nicht vergessen werden: Vor dem Gebäude erinnern 23 Granitstelen an sie, eine Metalltafel hält ihre Namen in lateinischer und hebräischer Schrift fest. "Mögen ihre Seelen eingebunden sein in den Bund des Lebens", steht darunter.

Jens Bayer-Gimm


Pflege

Verbraucherschützer für Qualitätsprüfungen in Heimen



Die Verbraucherzentrale Bundesverband fordert die Wiederaufnahme der ausgesetzten Qualitätsprüfungen in stationären Pflegeeinrichtungen. "Trotz der angestiegenen Infektionswerte halten wir es für sehr bedenklich, auf dieses wichtige Qualitätsinstrument zu verzichten", sagte Vorstand Klaus Müller am 6. November in Berlin. Er reagierte auf eine Mitteilung des Medizinischen Dienstes des GKV Spitzenverbands (MDS), zunächst weiterhin keine Prüfungen in Heimen vorzunehmen.

Der MDK begründete diesen Schritt mit dem hohen Infektionsrisiko. "Die Medizinischen Dienste leisten damit ihren Beitrag zur Kontaktreduzierung und zum Infektionsschutz der besonders gefährdeten pflegebedürftigen Menschen", sagte Peter Pick, Geschäftsführer des MDS. Man werde aber weiterhin Anlassprüfungen vornehmen, wenn das aufgrund von Beschwerden erforderlich sei. Dabei würden strenge Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen eingehalten. Er verwies zudem auf die von Bund und Ländern verfügten Kontaktbeschränkungen im November.

"Prüfungen erhöhen Infektionen nicht"

Laut Klaus Müller finden seit Mitte März, also seit acht Monaten, keine regelhaften Qualitätsprüfungen mehr in Heimen statt. Lediglich die Möglichkeit für Anlassprüfungen, etwa aufgrund einer Beschwerde, sei weiterhin gegeben. "Doch wer soll gegenwärtig Anlässe melden? Schließlich sind es überwiegend Angehörige und externe Personen, die akute Missstände melden und eine Prüfung einfordern", so der Experte. In allen Einrichtungen herrschten aber weiterhin strikte Besuchseinschränkungen. Es sei unbekannt, wie viele Anlassprüfungen seit Beginn der Aussetzung in den Bundesländern tatsächlich stattgefunden hätten. Müller: "Angesichts der schwierigen Arbeitsbedingungen unter Corona besteht die begründete Sorge, dass die Qualität der Pflege gelitten hat. Eine sorgfältige Prüfung wäre also besonders wichtig."

Kontrollen dringend nötig

Trotz der angestiegenen Infektionszahlen müsse es mit durchdachten Schutz- und Hygienekonzepten möglich sein, wieder Prüfungen in den Heimen zu machen.: "Nicht die Abschottung der Pflegebewohner, sondern Kontrollen dienen der Sicherung der Pflegequalität und somit dem Schutz der Bewohner."

Darüber hinaus sei zu bezweifeln, dass sich das Infektionsrisiko durch einzelne MDK-Prüfer vor Ort erhöhe. Weil das größte Infektionsrisiko bisher von den zahlreichen ungetesteten Pflegekräften ausging, sei es gut und wichtig, dass Pflegeheime nun die sogenannten Antigen-Schnelltests nutzen können, um Personal, Besucher sowie Bewohner regelmäßig auf das Corona-Virus zu testen.



Pflege

Diakonie: Corona-Schnelltests verschärfen Personalnot



Die geplanten Corona-Schnelltests für Pflegeheime stellen die Einrichtungen der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe vor große Personalprobleme. "Wir begrüßen die Möglichkeit der Testung ausdrücklich", erklärte Vorstand Christian Heine-Göttelmann am 12. November in Düsseldorf. "Doch für die Durchführung ist qualifiziertes Personal nötig, und davon gibt es zu wenig", sagte der Diakonie-Chef. Schon vor der Pandemie hätten viele Pflegekräfte am Limit gearbeitet. Die Corona-Krise habe die Situation dramatisch verschärft.

Die Diakonie forderte mehr personelle Unterstützung. Eine Entlastung könnten geschulte Kräfte der Bundeswehr oder des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen schaffen, hieß es.

Personal für Tests ist nicht vorhanden

Eine sachgerechte Durchführung der Tests brauche mit Vor- und Nachbereitung etwa 20 Minuten, teilte die Diakonie mit. Bei einem Pflegeheim mit rund 100 Bewohnern und 40 Pflegekräften seien mindestens 4.200 Schnelltests im Monat nötig. Die Einrichtungen der Diakonie rechneten damit, dass sie für die Schnelltests mehrere Vollzeitkräfte freistellen müssten. Dieses Personal hätten die meisten Häuser jedoch nicht.

Geklärt werden muss nach Worten der Diakonie zudem, wer die Kosten für die Tests übernimmt. Die sieben Euro je Antigen-Test finanzierten die Krankenkassen. Laut Kassenärztlicher Vereinigung entstünden jedoch pro Test 25 Cent Mehrkosten für die Testung, die nicht übernommen werden.

Schutzausrüstung nicht erstattet

Auch Ausgaben für zusätzliche Schutzmaterialien und Personal würden nicht erstattet. Hier seien in der aktuellen Situation die Pflegekassen in der Pflicht, verlangte die Diakonie. Auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte die Pflegekassen zu einer Übernahme der Mehrkosten aufgefordert.

Im Bereich der Diakonie RWL gibt es nach eigenen Angaben rund 440 Pflegeeinrichtungen der Altenhilfe mit fast 40.000 Bewohnerinnen und Bewohnern. Hinzu kommen fast 260 ambulante Pflegedienste mit etwa 10.000 Mitarbeitenden, die rund 20.000 Menschen versorgen.



Sozialwirtschaft

Gastbeitrag

Digitale Reformen entstehen durch Mut, Ausdauer und Bündnisse




Thordis Eckhardt und Helmut Kreidenweis
epd-bild/Markus Poguntke-Rauer
Die Notwendigkeit der Digitalisierung ist in der Sozialwirtschaft durch die Corona-Pandemie unumkehrbar deutlich geworden: Am technologischen Wandel als Paradigmenwechsel führt kein Weg mehr vorbei, allein über Art und Tempo kann diskutiert werden. Wie er gelingen kann und wo die Hürden liegen, beschreiben Helmut Kreidenweis und Thordis Eckhardt von FINSOZ in ihrem Gastbeitrag in der Themenreihe "Diagitalisierung" für epd sozial.

Digitalisierung polarisiert die Gesellschaft - genauso wie die "Fridays for future"-Bewegung: Erst kommt der Wirbel, die Faszination des Neuen oder der Widerstand dagegen, dann die Phase der Reflexion und Normalität. Ob Klimaschutz oder Digitalisierung - beide Entwicklungen lassen sich in Ansätzen mit der Theorie der Langen Wellen vergleichen: das verbindende Element ist der Paradigmen-Wechsel.

Im Fall der Digitalisierung in der Sozialwirtschaft ist dieser Paradigmenwechsel durch den Ausbruch der Corona-Pandemie unumkehrbar deutlich geworden: Am technologischen Wandel führt im Grunde schon lange kein Weg mehr vorbei, allein über Art und Tempo kann diskutiert werden. Während die Protagonisten der Digitalisierung ständig mit den Hufen scharren, warten die Bedächtigen erst mal ab und prüfen jedes neue Produkt oder jedes Förderprogramm, ob es passend und notwendig ist. Schließlich gibt es auch noch die Skeptiker, die meinen, die Digitalisierung gegen die Menschlichkeit ausspielen zu müssen.

Während sich die letztgenannte Sichtweise in die historische Reihe eines empirisch vielfach widerlegten Technik-Skeptizismus einreiht, sind die ersten beiden Sichtweisen aus der jeweiligen Perspektive verständlich. Doch behindern sie sich gegenseitig bei dem gemeinsamen Ziel, die Digitalisierung der Sozialwirtschaft im notwendigen Tempo voranzubringen.

Nationaler Strategieplan fehlt

Der Grund: Der digitale Reformprozess benötigt einen geeinten Willen und einen nationalen Strategieplan, wie ihn beispielsweise das Verbändebündnis Digitalisierung in der Pflege in seinem gemeinsamen Grundsatzpapier "Digitalisierung in der Pflege: Eckpunkte einer nationalen Strategie" fordert. Das Bündnis benennt zentrale Handlungsfelder: technische Standards, Innovationen, Kompetenzentwicklung und Teilhabe. Denn die Corona-Pandemie zeigt, dass es in der Sozialwirtschaft an leistungsfähigen Netzwerk-Infrastrukturen, technischem Equipment und am Digital-Wissen des Personals mangelt.

Im Fokus der Forderungen steht jedoch das Schaffen geeigneter finanzieller Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft. Die schon lange bestehende Schwierigkeit in fast allen Arbeitsfeldern, IT-Kosten irgendwie in den Verwaltungs- oder Overhead-Aufwendungen verstecken zu müssen, zeigt sich jetzt angesichts der Corona-Krise in grellem Licht. Wer schon in der Vergangenheit mehr in IT investiert hat, um Prozesse zu verschlanken und für leistungsbereite Mitarbeitende attraktiv zu bleiben, musste sich von den Kostenträgern anhören, dass die Verwaltungskosten doch bitte gesenkt werden müssen. Eine direkte Refinanzierung von Digitalisierungsaufwänden gibt es bislang - abgesehen vom Einmalbetrag von 12.000 Euro für Pflegeeinrichtungen im Rahmen des Pflege-Stärkungsgesetzes - in den deutschen Sozialgesetzen nicht, in Leistungsvereinbarungen nur sporadisch.

Nicht mit IT und Digitaltechnik befasst

Diese Misere jedoch nur der Politik anzulasten, würde zu kurz greifen. Denn auch die Spitzenfunktionäre der Wohlfahrt haben sich über Jahrzehnte kaum mit IT und Digitaltechnik beschäftigt und entsprechend auch keine politische Lobbyarbeit dafür geleistet, dass eine moderne IT nicht nur zur selbstverständlichen Grundausstattung jeder Einrichtung gehört, sondern auch die Effizienz und Professionalität der sozialen Dienstleistungen steigert. Der nun langsam einsetzende Wandel in den Köpfen muss deutlich an Fahrt aufnehmen.

Gefordert sind zudem die Einrichtungen selbst: Zwar haben sich in Zeiten der Kontaktbeschränkungen Haltungen verändert und langatmige Grundsatzdiskussionen wurden durch handfeste positive Erfahrungen ersetzt. Doch ist das schon der vielzitierte Digitalisierungsschub? Eher nein.

Denn Digitalisierung ereignete sich meist lediglich auf der Ebene der Kommunikation - vom Homeoffice über Collaboration-Tools mit Kollegen, im Video- oder Messenger-Chat mit Klienten oder Partnern im Hilfenetz. Die meisten anderen Bereiche der IT und Digitaltechnik blieben davon weitgehend unberührt: Die veraltete Fachsoftware für Klientenverwaltung, das FiBu-Programm ohne Rechnungseingangs-Workflow oder die Personalverwaltungs-Software ohne Mitarbeiter-Selfservice. Corona hat daran so gut wie nichts geändert. Ebenso wenig getan hat sich seither auch im Bereich der Assistenztechnologien oder der Nutzung der Potenziale von Künstlicher Intelligenz und Big Data.

Träger ahnen, dass es höchste Zeit ist

Digitalisierung bedeutet also weit mehr, als eben mal eine Videokonferenz-Software zu installieren. Viele Träger beginnen jetzt zu erahnen, dass es höchste Zeit wird, eine tragfähige Digitalisierungsstrategie zu entwickeln, die alle Geschäftsfelder, die digitalen Kommunikationswege, aber auch die internen Prozesse systematisch einbezieht. Dabei muss man oft relativ weit unten anfangen, denn in vielen Organisationen hat sich ein regelrechter Modernisierungsstau gebildet, der in der Krise schonungslos zutage trat: viel zu schwache Internetanbindungen, kaum W-LANs, nicht mobilfähige Branchensoftware, keine oder viel zu wenig Mobilgeräte - die Liste ließe sich fortsetzen.

Die Sozialwirtschaft steht mit diesen Herausforderungen jedoch keineswegs allein - die Notwendigkeit der Digitalisierung betrifft auch andere Branchen - wenngleich die Prioritäten teils anders gelagert oder bereits Lösungen umgesetzt worden sind.

Drei Beispiele: Die Wohnungswirtschaft hat wie die Pflegebranche schon seit Jahren kein Mieter- oder Klientenproblem, steht aber vor der Herausforderung einer alternden Kundschaft. Ihre Lösung: Assistenzsysteme werden in die Mietwohnungen eingebaut oder es werden technologische Grundlagen bei Bau- und Sanierungsvorhaben geschaffen, damit Mieter eigene Assistenzsysteme individuell aufschalten können. Mit dem Blick auf die Hospitality-Branche zeigt sich, wie digitale Buchungs- und Belegungsprozesse gemanagt werden und wie Apps und NFC-Technologie beim Check-in und -out helfen.

Partner-Initiative "Pflege-Digitalisierung"

Der Finanztechnologiesektor experimentiert mit der Blockchain-Technologie, einer Lösung, die auch in der Sozialwirtschaft Einsatz finden könnte - beispielsweise in Hinblick auf die Optimierung der Abläufe bei der Rechnungsstellung, Zahlung und Zahlungszuordnung zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern. In Zusammenarbeit mit dem Verband für Digitalisierung in der Sozialwirtschaft (vediso) hat hier FINSOZ ein erstes Positionspapier "Billing Chain" im September dieses Jahres veröffentlicht.

Den genannten Beispielen ist gemein: Die Initiativen und Investitionen gehen von der Wirtschaft aus. Sie befördert damit den Aufschwung der Digitalisierung. Das ist gut. Aber nicht ausreichend. Um die Digitalisierung der Sozialwirtschaft zu beflügeln und zu verankern, bedarf es in dieser auf das Gemeinwohl ausgerichteten Branche auch entsprechender politischer und finanzieller Rahmenbedingungen.

FINSOZ hat vor diesem Hintergrund bereits im Frühjahr 2020 die Partner-Initiative "Pflege-Digitalisierung" gegründet und arbeitet mit über 50 Partnern an einer Kampagne zur Digitalisierung der Sozialwirtschaft.

Professor Helmut Kreidenweis ist Vorstand des Digitalverbandes FINSOZ, Thordis Eckhardt ist die Geschäftsführerin.


Bildung

Verband beklagt Defizite bei Inklusion an Schulen



Das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen bleibt eine große Herausforderung. Unzureichende Ressourcen seien das Hauptproblem für Inklusion, so der Verband Erziehung und Bildung. Er fordert ein Umsteuern der Politik.

An Deutschlands Schulen gibt es nach Ansicht des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) bei der Inklusion noch erhebliche Defizite. Es bestehe weiter eine große Diskrepanz zwischen dem Anspruch zum gemeinsamen Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf und den dafür zur Verfügung gestellten Ressourcen, kritisierte der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann am 9. November in Berlin bei der Präsentation einer aktuellen Forsa-Umfrage zum Thema Inklusion. Die Inklusionspolitik von Bund und Ländern an den Schulen wurde von den Befragten symbolisch mit der Note 4,5 und damit "mangelhaft" bewertet.

Bundesweit haben nach Angaben der Kultusministerkonferenz von rund acht Millionen Schülerinnen und Schülern 6,5 Prozent oder 520.000 Mädchen und Jungen einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Davon werden rund 235.000 inklusiv an Regelschulen beschult, rund 285.000 lernen an Förderschulen.

Neue Probleme durch Corona

Die Corona-Pandemie habe Problemlagen beim Thema Inklusion an Schulen verschärft, sagte Beckmann. So hätten 70 Prozent der Befragten angegeben, dass Kinder mit Beeinträchtigungen während der Schulschließungen nicht ausreichend gefördert werden konnten. 63 Prozent aller Lehrkräfte und sogar 75 Prozent der Lehrkräfte von Förderschulen stimmen der Aussage zu, dass bei den Schulöffnungen Kinder mit Förderbedarfen nahezu vergessen wurden. Die coronabedingten Einschränkungen hätten zu einem Rückschritt bei der Inklusion geführt, weil der Alltag fehlte, sagten 74 Prozent der Befragten.

Hauptproblem bei der Inklusion ist laut VBE, dass zu wenig Lehrkräfte für die gemeinsame Beschulung zur Verfügung stünden. Fortbildungsangebote seien unzureichend. Zu wenig Schulen seien barrierefrei oder verfügten über zusätzliche Fachräume für Inklusion. Zudem seien die Klassen und Lerngruppen häufig zu groß.

Von den Befragten halten über die Hälfte (56 Prozent) die gemeinsame Beschulung grundsätzlich für sinnvoll, wie es weiter hieß. Nur 27 Prozent seien jedoch der Meinung, dass dies zurzeit praktisch gut umsetzbar ist.

Deutliche Mehrheit für Erhalt von Förderschulen

Eine deutliche Mehrheit der Lehrer und Erzieher (83 Prozent) spreche sich deshalb für den Erhalt von Förderschulen aus. Dies sei ein "fatales Zeugnis" über elf Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenkonvention in Deutschland, sagte Beckmann. Ziel des Übereinkommens ist die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben.

Der VBE verlangt "ein Umsteuern von der Politik". "Inklusion ist kein Sparmodell", betonte Beckmann. Für eine bessere Teilhabe von Kindern mit Beeinträchtigung an allgemeinbildenden Schulen sei durchgängig eine Doppelbesetzung aus Lehrkraft und Sonderpädagoge nötig. Aktuell ist dies laut Umfrage nur bei 46 Prozent der Befragten an Schulen mit inklusiven Lerngruppen der Fall. Gefordert wurden zudem eine stärkere Unterstützung durch multiprofessionelle Teams, durchgängige Barrierefreiheit an Schulen mit inklusiven Lerngruppen, kleinere Klassen sowie eine bessere Vorbereitung der Lehrkräfte und Erzieher durch angemessene Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Für die repräsentative Forsa-Umfrage "Inklusion" im Auftrag des VBE wurden bundesweit von Mitte September bis Mitte Oktober 2020 insgesamt 2.127 Lehrkräfte telefonisch befragt.

Christine Xuân Müller


Corona

Tafel-Bundesverband ruft zu mehr Unterstützung auf



Die Tafeln in Deutschland leiden nach eigenen Angaben unter den neuen Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. So gebe es im November vielerorts einen Rückgang der Lebensmittelspenden, weniger aktive Ehrenamtliche und mehr Aufwand für Schutzmaßnahmen, erklärte der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Jochen Brühl, am 10. November in Berlin. Die meisten der bundesweit rund 950 Tafeln seien aktuell geöffnet, lediglich einzelne Tafeln hätten vorübergehend schließen müssen.

Für den Winter rechnet Brühl mit einer weiteren Verschärfung der Situation. Rund zwei Drittel der Tafel-Aktiven seien im Rentenalter und gehörten damit zur Corona-Risikogruppe. "Wir wollen im Winter unser Angebot aufrechterhalten und gleichzeitig unsere Ehrenamtlichen wie auch unsere Kundinnen und Kunden schützen", sagte Brühl und forderte erneut kurzfristige Hilfen von Bund und Ländern, um den gestiegenen Aufwand und die damit verbundenen Kosten bewältigen zu können.

Kaum öffentliche Hilfsgelder

Bislang hätten die Tafeln lediglich in Hessen und Nordrhein-Westfalen öffentliche Gelder zur Bewältigung der Pandemie erhalten. "Es ist nicht verständlich, dass die Bundesregierung das Problem zwar erkennt, aber nicht handelt. Notwendig wäre unter anderem eine kurzfristige Erhöhung der Grundsicherungssätze", betonte Brühl.

An die Gesellschaft appellierte der Tafel-Bundesvorsitzende: "Seien Sie wachsam, bieten Sie Menschen in Ihrem Umfeld Hilfe an." Das könnten Lebensmittel sein, aber auch ein gemeinsamer Spaziergang, eine Postkarte oder ein Telefongespräch sein. Auch die Tafeln vor Ort benötigten Unterstützung.



Publikationen

Landschaftsverbände veröffentlichen Arbeitshilfe für Kita-Leitungen



Eine neue Arbeitshilfe soll leitenden Erzieherinnen und Erziehern helfen, im trubeligen Kita-Alltag Zeit am Verwaltungsaufwand zu sparen. Die Online-Broschüre mit dem Titel "Dokumentation und Dokumente in der Kindertagesbetreuung" bündelt auf 40 Seiten Informationen und Empfehlungen zu Datenschutzrichtlinien, Impfprävention oder zu Fragen des Kinderschutzes, wie der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) am 6. November in Münster mitteilte. Auch können Tipps zu kinderbezogenen Bildungs- und Entwicklungsdokumentationen nachgeschlagen werden.

"Dokumentation ist kein Selbstzweck", erklärte LWL-Jugenddezernentin Birgit Westers. Die Arbeitshilfe solle hier "Licht ins Dunkel" bringen: "Es wird klar aufgezeigt, was und warum dokumentiert werden muss". So bilden beispielsweise die Bildungs- und Entwicklungsprozesse eines Kindes den Angaben nach eine wichtige Grundlage für die Zusammenarbeit mit den Eltern und die pädagogische Planung im Team. Zudem werde die Arbeitshilfe genutzt, um den Kindern ihre Lernerfolge und -strategien aufzuzeigen.

Die Arbeitshilfe, die kostenlos zum Download zur Verfügung steht, wurde in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) erstellt. Tagesmütter und Tagesväter erhielten darin ebenfalls Impulse, auch wenn sie insgesamt weniger Dokumentationspflichten hätten als Kindertagesstätten, hieß es.



Kirchen

Evangelische Bank beschließt Dividende von drei Prozent



Trotz der Corona-Krise zahlt die Evangelische Bank (EB) ihren Mitgliedern eine Dividende in Höhe von drei Prozent aus. Das habe die Generalversammlung der Bank, die in diesem Jahr virtuell stattfand, beschlossen, teilte die EB am 10. November in Kassel mit. Die eigentlich für Juni vorgesehene Generalversammlung war zunächst in den Herbst verschoben worden und fand wegen der Corona-Pandemie vom 26. bis 28. Oktober nur im virtuellen Raum statt, erklärte ein Sprecher.

Ein weiterer wichtiger Beschluss war die Gründung einer neuen Gesellschaft, der "EB-Sustainable Real Estate GmbH". Sie soll sich unter dem Dach der EB-Gruppe um nachhaltiges Immobilienmanagement kümmern. "Mit der Neugründung beabsichtigen wir, eine prägende Rolle bei der Entwicklung von nachhaltigen Immobilien bei unserem Kernklientel einzunehmen", erklärte der Vorstandsvorsitzende Thomas Katzenmayer. Zudem werde die Bank Pfandbriefe auflegen. Damit könne die Refinanzierung breiter aufgestellt und die langfristige Ertragssituation verbessert werden, hieß es.

Auf der Versammlung wurden alle Aufsichtsratsmitglieder, die zur Wiederwahl standen, im Amt bestätigt.




sozial-Recht

Bundesarbeitsgericht

Geringerer Nachtarbeitszuschlag für vorgeschriebene Dauernachtwache




Das Bundesarbeitsgericht hat niedrigere Nachtarbeitszuschläge gebilligt.
epd-bild/Jens-Ulrich Koch
Nicht tarifgebundene Alten- und Pflegeheime dürfen bei gesetzlich vorgeschriebenen Dauernachtwachen die Nachtarbeitszuschläge drücken. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschieden. Auch das EU-Recht stehe der Praxis nicht im Wege, befand das Gericht.

Nicht tarifgebundene Alten- und Pflegeheime dürfen laut einem neuen Gerichtsurteil bei gesetzlich vorgeschriebenen Dauernachtwachen die Nachtarbeitszuschläge absenken. Auch EU-Recht sieht hier keine konkreten Vorgaben für eine höhere Entschädigung der Nachtarbeit vor, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem am 4. November veröffentlichten Urteil. Daher gelten die in der deutschen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, wie eine "angemessene Vergütung" für Nachtarbeit auszugestalten ist, hieß es.

Das Arbeitszeitgesetz sieht für Nachtarbeiter eine "angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag" auf das Bruttoarbeitsentgelt vor. Tarifvertragsparteien können sich auf einen konkreten, "angemessenen" Ausgleich der Nachtarbeit einigen. Bestehen keine tarifvertraglichen Bestimmungen, müssen Gerichte die Höhe der "angemessenen" Nachtarbeitszuschläge bestimmen.

Gericht urteilte 2015 ähnlich

So hatte das BAG im Dezember 2015 im Fall eines Paketauslieferers entschieden, dass nicht tarif-gebundene Arbeitgeber bei ständigen Nachtschichten eines Arbeitnehmers einen Nachtarbeitszuschlag von 30 Prozent zahlen müssen. Bei einer Nachtarbeit, die nicht immer anfällt, liege der Zuschlag "regelmäßig" bei 25 Prozent auf den Bruttostundenlohn.

Allerdings betonten die obersten Arbeitsrichter einst, dass im Einzelfall auch eine Verringerung des Nachtarbeitszuschlags in Betracht komme, etwa wenn nachts Bereitschaftsdienste anfallen oder die Nachtarbeit aus "überragenden Gemeinwohlgründen" zwingend erforderlich ist. Alternativ zu einem Nachtarbeitszuschlag könnten Beschäftigte auch einen Freizeitausgleich beanspruchen.

Im jetzigen Streitfall wollte ein nicht tarifgebundener Alten- und Pflegeheimbetreiber die vom Land Baden-Württemberg vorgeschriebenen Dauernachtwachen nicht so hoch vergüten. Während die als Dauernachtwache arbeitende Klägerin einen Nachtzuschlag in Höhe von 30 Prozent verlangte, hielt der Arbeitgeber 15 Prozent für angemessen.

Der Arbeitgeber argumentierte, dass mit einem hohen Zuschlag von 30 Prozent Betriebe dahin "gelenkt" werden sollen, die Nachtarbeit zu verringern. Hier greife diese Lenkungsfunktion aber nicht. Denn der nächtliche Mindestpersonalumfang sei rechtlich vorgeschrieben. Die nächtliche Pflege der alten und behinderten Menschen geschehe zudem im "überragendem Gemeinwohlinteresse". Ein geringerer Nachtarbeitszuschlag sei daher angemessen, hieß es.

Klage auf doppelt so hohe Zahlung

Von Mai 2016 bis 15. Juni 2017 erhielt die Klägerin daher für die geleistete Dauernachtwache nur einen Zuschlag von 15 Prozent auf den Bruttostundenverdienst. Bei 959,4 Stunden waren es insgesamt 1.779,68 Euro. Die Klägerin verlangte jedoch 30 Prozent, also doppelt so viel.

Das Landesarbeitsgericht Stuttgart urteilte im Januar 2019, dass hier ein Nachtarbeitszuschlag von 20 Prozent angemessen sei. Zwar werde bei Dauernachtwachen wegen der höheren gesundheitlichen Belastung üblicherweise ein Zuschlag von 30 Prozent fällig. Im Streitfall sei die Nachtwache aber gesetzlich vorgeschrieben und diene einem "überragenden Gemeinwohlzweck", bekundete das Gericht.

BAG gab Vorinstanz recht

Dieses Urteil bestätigte nun auch das BAG. Der reduzierte Nachtarbeitszuschlag könne ausreichend sein, "wenn überragende Gründe des Gemeinwohls die Nachtarbeit zwingend erfordern". Hier müsse der Nachtdienst nach den geltenden Bestimmungen aus mindestens einer Pflegefachkraft und mindestens pro 45 Bewohnerinnen und Bewohner je eine Beschäftigte bestehen. Der Heimbetreiber könne mit hohen Zuschlägen nicht dazu gebracht werden, auf die vorgeschriebene Nachtarbeit zu verzichten. Allerdings könnten die Dauernachtwachen zumindest einen Zuschlag von 20 Prozent beanspruchen - als Ausgleich für die erlittenen Beeinträchtigungen. Das sei verhältnismäßig, so das Gericht.

Ohne Erfolg verwies die klagende Altenpflegerin auf EU-Recht. Zwar sehe die maßgebliche EU-Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, "damit Nacht- und Schichtarbeitern hinsichtlich Sicherheit und Gesundheit" ausreichend geschützt werden, so das BAG. Eine Verpflichtung, dass die EU-Staaten das in Form eines finanziellen Ausgleichs gewähren müssen, bestehe damit aber nicht. Vorgaben zur Höhe eines Nachtarbeitszuschlags gebe es nicht, auch wenn Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten auch nach EU-Recht erfassen müssen.

Das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über Nachtarbeit lege ebenfalls keine konkreten Vorgaben einer Entschädigung fest. Das Urteil des LAG sei daher nicht zu beanstanden.

Az.: 10 AZR 123/19 (BAG, Pflegeheim)

Az.: 10 AZR 423/14 (BAG, Paketauslieferer)

Az.: 9 Sa 58/18 (LAG Stuttgart)

Frank Leth


Bundessozialgericht

Cannabiskonsum im Job muss nicht "sozialwidrig" sein



Jobcenter dürfen nach dem Verlust des Arbeitsplatzes wegen Cannabiskonsums nicht generell gezahlte Hartz-IV-Leistungen wegen "sozialwidrigen Verhaltens" später zurückfordern. Nur wenn die Hilfebedürftigkeit gezielt von dem Arbeitslosen herbeigeführt wurde, kann die Behörde einen Erstattungsanspruch geltend machen, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in einem am 6. November in Kassel schriftlich veröffentlichten Urteil im Fall eines früheren Taxifahrers.

Im Streitfall hatte ein Fahrgast 2014 die Polizei darüber informiert, dass der Taxifahrer unter Drogeneinfluss Auto fährt. Bei dem Mann wurden schließlich 2,3 Nanogramm THC je Milliliter Blut gemessen. Ab einer Konzentration von 1,0 gehen die Behörden von einer Beeinträchtigung der Fahrsicherheit aus.

Der Taxifahrer verlor nicht nur seinen Führerschein, sondern auch seine Arbeitsstelle. Das Jobcenter kürzte daraufhin die Hartz-IV-Leistungen für drei Monate um 30 Prozent.

Durchschnittlicher Sanktionsfall

Später legte die Behörde nach und forderte alle geleisteten Hartz-IV-Zahlungen sowie die aufgebrachten Sozialversicherungsleistungen wegen "sozialwidrigen Verhaltens" zurück, insgesamt 3.148 Euro. Der Kläger habe seine Hilfebedürftigkeit mit dem Cannabiskonsum grob fahrlässig herbeigeführt, lautete die Begründung.

Das Landessozialgericht in Celle urteilte, dass der Kläger sich zwar sozialwidrig mit dem Cannabiskonsum und dem damit einhergehenden Jobverlust verhalten habe. Es habe hier aber nur ein durchschnittlicher Sanktionsfall vorgelegen. Eine Rückzahlung von Hartz-IV-Leistungen sei aber nur in eng begrenzten Ausnahmen angemessen.

Das BSG verwies den Fall an die Vorinstanz zurück. In dem Fall müsse nun geprüft werden, ob dem Taxifahrer bewusst war, dass er wegen Cannabiskonsums seinen Job verlieren kann und er dann auf Hartz IV angewiesen ist. Zuungunsten falle für den Kläger aus, dass bei ihm ein sehr hoher Cannabiskonsum festgestellt wurde. Andererseits habe er die Droge bereits einen Tag zuvor in seiner Freizeit eingenommen. Dies spreche dafür, dass er nicht darauf abzielte, seinen Führerschein und seinen Job zu verlieren, um dann Hartz IV erhalten zu können.

Az.: B 14 AS 43/19 R



Bundesfinanzhof

Kein Steuerabzug für Prozesskosten wegen Kindesentführung



Ein Vater kann die angefallenen Gerichtskosten wegen der Entführung seines Kindes durch die Mutter nicht steuermindernd geltend machen. Für entsprechende Prozesskosten greift ab 2013 ein grundsätzliches Abzugsverbot als außergewöhnliche Belastung, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am 5. November veröffentlichten Urteil.

Im Streitfall wurde die Tochter des Klägers kurz nach der Geburt von der Mutter in ihr Heimatland nach Südamerika entführt. Der Vater wollte das Kind wieder nach Deutschland mit Hilfe des sogenannten Haager Übereinkommens zurückholen. Für Anwälte und Gerichtskosten gab der Vater mehr als 20.000 Euro aus, allerdings erfolglos. Das Kind blieb bei der Mutter.

Finanzamt verweigerte Steuerabzug

Die Prozesskosten machte der Mann als außergewöhnliche Belastung in seiner Steuererklärung geltend. Doch das Finanzamt verweigerte den Steuerabzug.

Zu Recht, befand der BFH. Für Prozesskosten gelte ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ein grundsätzliches Abzugsverbot. Eine Ausnahme bestehe nur, "wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren", heißt es in dem Urteil. Hier habe die Kindesentführung zwar zu einer besonders emotionalen und auch finanziellen Belastung geführt, die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen sei aber nicht berührt.

Az.: VI R 15/18



Oberlandesgericht

Vorbehalte gegen Högel-Richter endgültig zurückgewiesen



Gegen eine Beteiligung von drei Richtern, die im Prozess gegen den Patientenmörder Niels Högel eingesetzt waren, gibt es aus rechtlichen Gründen auch in einem Verfahren gegen frühere Vorgesetzte und Kollegen Högels keine Einwände. Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichtes Oldenburg können die Richter im aktuellen Verfahren gegen Mitarbeiter des Oldenburger Klinikums nicht wegen Befangenheit abgelehnt werden. Das teilte das Gericht am 6. November mit.

In dem aktuellen Strafverfahren vor dem Oldenburger Landgericht geht es um eine mögliche Mitverantwortlichkeit von Beschäftigten aus dem Klinikum Oldenburg für die Straftaten des ehemaligen Krankenpflegers. Vier der Mitarbeiter hatten die Richter des Schwurgerichts wegen Befangenheit abgelehnt, hieß es. Das Landgericht wies das Gesuch jedoch zurück. Dagegen legten die Angeschuldigten Beschwerde ein. Mit seiner Entscheidung habe nun der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts den Beschluss des Landgerichts bestätigt, hieß es. Das Strafverfahren werde jetzt mit der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens fortgesetzt.

Der ehemalige Krankenpfleger Niels Högel war Anfang Juni 2019 wegen 85-fachen Mordes an Patienten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er hatte nach Überzeugung des Gerichts seine Patienten mit Medikamenten vergiftet, die zum Herzstillstand führten, um sie anschließend reanimieren zu können. So wollte er vor Kollegen als kompetenter Retter glänzen.

Az: 1 Ws 140/20 und 1 Ws 362/20



Oberlandesgericht

Tötung durch Unterlassen: Geldstrafe für Jugendamtsmitarbeiterin



Jugendamtsmitarbeiter, die sich trotz Hinweisen auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung keinen persönlichen Eindruck verschaffen, können sich der fahrlässig Tötung durch Unterlassen schuldig machen. Eine Jugendamtsmitarbeiterin muss daher eine Geldstrafe von 3.500 Euro zahlen, wie das Oberlandesgericht Hamm in einer am 6. November veröffentlichten Entscheidung mitteilte. Wegen ihrer Untätigkeit sei der Mitarbeiterin das über mindestens drei Monate andauernde Verhungern des Kindes "pflichtwidrig verborgen" geblieben, so dass sie das in dieser Lage Erforderliche nicht habe veranlassen können.

Das Gericht verwarf die Revision der Angeklagten gegen ein vorhergehendes Urteil des Landgerichts Arnsberg. Die Angeklagte aus dem Hochsauerlandkreis hatte den Angaben zufolge seit August 2013 eine alleinerziehende Mutter und deren neun Kinder betreut. Aufgrund der Mitteilung eines anderen Jugendamtes soll der Behördenmitarbeiterin bekannt gewesen sein, dass ein Anfang 2012 geborener Junge und ein im Frühling 2013 geborenes Mädchen in ihrem Kindeswohl gefährdet sein könnten. Dennoch sei sie untätig geblieben und habe daher nicht erkannt, dass beide Kinder nicht ausreichend ernährt und mit Flüssigkeit versorgt wurden, erklärte das Oberlandesgericht.

"Pflichtwidrig herbeigeführte Unkenntnis"

Nachdem die Mutter Anfang 2014 die beiden Kinder Ärzten vorgestellt hatte, konnte das Mädchen durch eine intensivmedizinische Behandlung gerettet werden, der Junge starb jedoch im Krankenhaus. Die Mitarbeiterin des Jugendamtes wurde 2017 vom Amtsgericht Medebach wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt (Az.: 6 Ds 213/16). In einer Berufungsverhandlung milderte das Landgericht Arnsberg das Urteil ab und verhängte die Geldstrafe. Die Unterernährung des Mädchens sei - anders als bei dem Jungen - für die Angeklagte nicht zu erkennen gewesen.

Das 5. Strafsenat des OLG Hamm bestätigte nun die Entscheidung des Landgerichtes, wonach die Jugendamtsmitarbeiterin ihre "Garantenpflicht" gegenüber dem Jungen fahrlässig verletzt und ihr mögliche Maßnahmen zur Verhinderung seines Hungertods unterlassen habe. Für solche "pflichtwidrig herbeigeführte Unkenntnis" der Gefährdung müsse sie einstehen. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Die Mutter der neun Kinder ist nach Angaben des OLG vom Landgericht Arnsberg rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen und gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen verurteilt worden (Az. II-Ks 8/16).

Az.: III-5 RVs 83/20



Landesarbeitsgericht

Dauer-Leiharbeitnehmer sind zuerst zu kündigen



Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines Unternehmens müssen Dauer-Leiharbeitnehmer als erstes gehen. Hält sich ein Arbeitgeber daran nicht, sind betriebsbedingte Kündigungen der Stammbeschäftigten unwirksam, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in zwei am 30. Oktober bekanntgegebenen Urteilen. Das Gericht ließ allerdings wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zu.

Geklagt hatten Stammbeschäftigte eines Automobilzulieferers. Weil der Autohersteller seine Produktion heruntergefahren hatte, fielen bei dem Zulieferer Aufträge weg. Es kam zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin betriebsbedingt sechs fest beschäftigte Mitarbeiter.

Kündigungen für unwirksam erklärt

Doch zwei von ihnen zogen gegen die Kündigung vor Gericht. Der Arbeitgeber habe seit knapp zwei Jahren fortlaufend sechs Leiharbeiter eingesetzt. Es sei lediglich zu kurzen Unterbrechungen gekommen, etwa in den Werksferien. Bevor das Stammpersonal betriebsbedingt gekündigt werden könne, müsse der Arbeitgeber die Zahl der Leiharbeiter verringern, heiß es zur Begründung.

Das bestätigte das LAG und erklärte die Kündigungen für unwirksam. Die Jobs der Leiharbeiter seien als "freie Plätze" anzusehen, auf denen die Kläger als Stammpersonal hätten weiterbeschäftigt werden können.

Arbeitgeber dürften zwar Leiharbeiter als Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf beschäftigten, betonten die Richter. Hier hätten die Leiharbeiter aber gar nicht als Vertretung gearbeitet sondern ein ständig vorhandenes Sockelarbeitsvolumen abgedeckt. In solch einen Fall müsse der Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen des Stammpersonals vermeiden, indem er zunächst auf den Einsatz der bislang fortlaufend beschäftigten Leiharbeiter verzichte

Az.: 5 Sa 14/20 und 5 Sa 295/20



Landessozialgericht

Keine neuen Möbel vom Jobcenter nach Kakerlakenbefall



Eine mit Kakerlaken befallene Wohnung ist noch kein Grund, dass das Jobcenter neue Möbel finanziert. Zieht ein Hartz-IV-Bezieher wegen der Schädlinge in eine neue Unterkunft um, ist ihm die Nutzung der bisherigen Möbel nach einer Reinigung mit Seife grundsätzlich zuzumuten, entschied das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt in Halle in einem am 3. November veröffentlichten Beschluss. Eine vom Jobcenter zu bezahlende Ersatzbeschaffung sei damit nicht "zwingend erforder-lich".

Im konkreten Fall ging es um eine Familie mit vier Kindern. Bis auf ein Kind waren alle auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. In ihrer ursprünglichen Wohnung hatten sie monatelang mit einem Kakerlaken zu kämpfen. Der Vermieter bekämpfte die Insekten trotz einer Mietminderung jedoch nicht.

Möbel vorschnell entsorgt

Das Jobcenter genehmigte den Umzug in eine neue angemessene Unterkunft. Die Familie entsorgte daraufhin ihre bisherigen Möbel auf dem Sperrmüll. Lediglich eine Wohnzimmeranbauwand wurde gereinigt und weiter verwendet. Das Jobcenter sollte nun für die neuen Möbel aufkommen, wie einen TV-Schrank, Kleiderschränke, sechs Lampen, eine Couch, Bett mitsamt Matratzen und Schreibtisch.

Wegen der Insektenplage habe eine besondere Bedarfslage vorgelegen, die eine Ersatzbeschaffung begründet, begründeten die Hartz-IV-Bezieher ihren Anspruch. Das sei etwa mit einem Wohnungsbrand vergleichbar, wonach es eine neue Erstausstattung gebe. Noch vor der Zustimmung der Behörde zur Kostenübernahme kaufte die Familie schon mal neue Matratzen.

Das Jobcenter lehnte es ab, für neue Möbel aufzukommen. Statt die Einrichtungsgegenstände auf dem Sperrmüll zu entsorgen, hätte diese einfach gereinigt und wiederverwendet werden können, so dessen Argument.

Das sah das LSG auch so und lehnte den Eilantrag der Familie für den Erhalt einer Wohnungserst-ausstattung ab. Es sei nicht erforderlich gewesen, dass die Möbel infolge des Kakerlakenbefalls hätten entsorgt werden müssen. Um einen erneuten Kakerlakenbefall vorzubeugen, hätte es ausgereicht, dass die Möbel einfach von möglichen Kakerlakeneiern gründlich gereinigt werden. Die Möbel seien weder beschädigt noch unbenutzbar geworden. Allenfalls für die Matratzen sei eine Kostenübernahme denkbar. Da die Hartz-IV-Bezieher diese aber bereits gekauft haben, könne über eine Kostenerstattung erst im Hauptsacheverfahren entschieden werden.

Az.: L 2 AS 361/20 B ER




sozial-Köpfe

Kirchen

Christoph Meyns wird Sprecher des EKD-Beauftragtenrats für Missbrauch




Christoph Meyns
epd-bild/Susanne Hübner
Der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns wird neuer Sprecher des Beauftragtenrats zum Schutz vor sexualisierter Gewalt im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das wurde bei der Synode bekannt.

Christoph Meyns, promovierter Theologe, übernimmt das Amt turnusmäßig nach zwei Jahren von der Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs. Die Theologin hatte das Amt seit November 2018 inne und war die erste Sprecherin des damals neu begründeten Rates.

Meyns ist von Beginn an Mitglied des fünfköpfigen Rats. Zu seiner Stellvertreterin wurde Susanne Teichmanis, juristische Oberkirchenrätin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, bestimmt. Sie übernimmt ihr Amt von Nikolaus Blum, Leiter des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Sowohl Blum als auch Bischöfin Fehrs bleiben weiterhin Mitglieder im Beauftragtenrat.

Meyns stammt aus Bad Segeberg, studierte Theologie in Kiel und Tübingen. Später machte er eine berufsbegleitende Ausbildung zum Gemeindeberater und Organisationsentwickler. 2013 promovierte Meyns im Fach Praktische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig ist er seit 2014.

Der Beauftragtenrat hatte der Synode einen schriftlichen Bericht vorgelegt. Der vor zwei Jahren auf der Synode verabschiedete Elf-Punkte-Handlungsplan sei in einigen Punkten entweder bereits umgesetzt oder befinde sich in der Umsetzung, heißt es darin. Der Beauftragtenrat verweist etwa auf die Einsetzung eines zwölf Mitglieder zählenden Betroffenenrats, der die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der EKD begleiten soll. Dieser hatte durch die Corona-Pandemie verzögert im September seine Arbeit aufgenommen.

Außerdem nennt der Bericht eine Aufarbeitungsstudie, die aus mehreren Teilstudien besteht, und laut Fehrs im Dezember beginnen soll. Sie soll binnen drei Jahren Ergebnisse vorlegen. Begleitet wird die Studie, die ein Forschungsverbund von sechs wissenschaftlichen Instituten erstellt, von einem Beirat, in dem sowohl Vertreter der EKD als auch von Betroffenen sitzen sollen. 881 Fälle sexualisierter Gewalt seien derzeit im Bereich der EKD und der Diakonie seit etwa 1950 bekannt, teilte die EKD mit.



Weitere Personalien



Ingo Morell (62) ist am 10. November von der Mitgliederversammlung zum neuen Präsidenten der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) gewählt worden. Er tritt die Nachfolge von Gerald Gaß (57) an, dessen Amtszeit zum Ende des Jahres endet. Gaß war seit 2018 DKG-Präsident und folgt am 1. April 2021 auf Georg Baum (65) in der Funktion als DKG-Hauptgeschäftsführer. Als Vizepräsidentin und Vizepräsident wurden Gundula Werner (57) und Thomas Lemke (51) gewählt. Morell ist Diplom-Kaufmann und seit 2002 Geschäftsführer der Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe mbH, die insgesamt 60 Einrichtungen aus den Bereichen Krankenhäuser, Altenhilfe und Kinder- und Jugendhilfe betreibt. Er ist außerdem seit vielen Jahren Vize-Vorsitzender des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands (kkvd).

Reinhard R. Theysohn ist neuer theologischer Vorstand der evangelisch-methodistischen Bethanien-Diakonissen-Stiftung in Frankfurt am Main. Theysohn bildet eine Doppelspitze mit dem kaufmännischen Vorstand Uwe M. Junga. Der Theologe kennt als ehemaliger langjähriger Vorsitzender des Stiftungsrates die Bethanien-Diakonissen-Stiftung genau. Der Schwerpunkt in seinem neuen Amt sei die Begleitung der Diakonissen, Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Die Bethanien-Diakonissen-Stiftung entstand aus den beiden Evangelisch-methodistischen Diakoniewerken Bethanien und Bethesda. Die Stiftung trägt nach eigenen Angaben in mehreren Bundesländern unter anderem acht Krankenhäuser und 20 Pflegeheime. Bethanien gehört zu den Gründern des Gesundheitskonzerns Agaplesion gAG und ist einer ihrer größten Aktionäre.

Birgit Pfeiffer, Medizinerin und Präses der Dekanatssynode Mainz, ist neue Vorsitzende der Mitgliederversammlung der Diakonie Hessen. Sie wurde am 9. November in digitaler Abstimmung gewählt. Pfeiffer folgt auf Norbert Kartmann, dem ehemaligen Hessischen Landtagspräsidenten, der aus gesundheitlichen Gründen sein Amt mit sofortiger Wirkung zur Verfügung stellt. Stellvertretende Vorsitzende bleibt Pröpstin Katrin Wienold-Hocke. Für die Diakonie Hessen und das frühere Diakonische Werk in Hessen und Nassau ist Pfeiffer seit 2005 ehrenamtlich tätig. Sie war bereits stellvertretende Vorsitzende der Mitgliederversammlung der Diakonie Hessen sowie zuvor der Hauptversammlung des Diakonischen Werks. Zudem wurden in den Aufsichtsrat gewählt: Christian Geyer (Vorstand Bathildisheim, Bad Arolsen), Sven Kepper (Diakoniepfarrer, Diakonisches Werk Marburg-Biedenkopf) und Martina Heide-Ermel (Geschäftsführende Vorständin Bürgerinitiative Sozialpsychiatrie).

Stephanie Becker-Bösch, Erste Beigeordnete des Wetterauskreises, soll nach Medienberichten neue Vorsitzende der AWO Hessen-Süd werden. Ihre Wahl soll bei der geplanten Bezirksversammlung am 28. November erfolgen. Sie Sozialdemokratin ist seit Herbst 2018 Mitglied der Taskforce unter der einstigen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, die die finanziellen Unregelmäßigkeiten im Verband aufklären soll. Bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt läuft ein Ermittlungsverfahren gegen den Verband wegen des Verdachts auf Untreue. Die AWO Hessen-Süd zählt nach eigenen Angaben 17.000 Mitglieder und hat 3.300 Beschäftigte in etwa 100 Einrichtungen.

Ingrid Darmann-Finck (Bremen), Gertrud Hundenborn (Köln) und Barbara Knigge-Demal (Rheine) haben den Deutschen Pflegepreis 2020 erhalten. Mit der höchsten nationalen Auszeichnung in der Pflege würdigte der Deutsche Pflegerat die drei Professorinnen, die sich in besonderem Maße vor allem in den Bereichen der Pflegepädagogik und Pflegedidaktik verdient gemacht hätten. In seiner Laudatio sagte Präsident Franz Wagner, für alle drei Forscherinnen gelte, dass sie sich jahrzehntelang beruflich und ehrenamtlich für die Pflege engagiert haben. "Sie haben sich nicht mit der Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse begnügt, sondern haben darüber hinaus auch die Weiterentwicklung zentraler Strukturen erfolgreich vorangetrieben, beispielsweise den Aufbau von Studiengängen und Forschungsverbünden." Nicht zuletzt in dem neuen Pflegeberufegesetz seien ihre Verdienste eindrücklich sichtbar.

Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, bekommt den Zukunftspreis der Leitenden Krankenhausärzte. Er habe durch zahlreiche Aktivitäten maßgeblich dazu beigetragen, die intensivmedizinische Versorgung von Covid-19-Patienten zu sichern, teilte der Verband am 11. November in Düsseldorf mit. Die Verleihung des mit 3.000 Euro dotierten Preises findet am 16. November im Rahmen der Auftaktveranstaltung des virtuellen 43. Deutschen statt. Janssens, der im Hauptberuf Chefarzt des St.-Antonius-Hospitals in Eschweiler ist, hat den Angaben zufolge maßgeblichen Anteil daran, dass im Frühjahr das Divi-Intensivregister geschaffen wurde, das eine zielgerichtete Planung und Versorgungssteuerung bei Covid-19 Patienten möglich macht. Der Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands hat nach eigenen Angaben rund 4.000 Mitglieder. Seit 2013 verleiht er seinen Zukunftspreis.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis Dezember



Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.

November

16.-17.11. Berlin:

Seminar "Perfekt im Office 4.0 - neue Impulse für die Büroarbeit in Zeiten der Digitalisierung"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356-159

19.-20.11.:

Digitaler Betreuungsgerichtstag "Hört mir zu und redet mit mir!" – Reform der Rechtlichen Betreuung

des Betreuungsgerichtstages e.V.

Tel.: 0234/6406572

23.-25.11. Korntal:

Seminar "Psychisch erkrankte Menschen systemisch wahrnehmen und verstehen"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/3012819

23.-25.11.:

Online-Seminar: "Digital Leadership: Führen im digitalen Wandel"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-416

30.11.-3.12.:

Online-Fortbildung: "Die Schnittstelle Eingliederungshilfe - Pflege gestalten"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/3012819

Dezember

8.-11.12.:

Online-Seminar "Führung auf Distanz - Praxiserprobte Werkzeuge für erfolgreiche Führungsleistung in verteilt arbeitenden Teams"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/25298-925

14.-15.12.:

Online-Fortbildung: "Sozialräumliches Arbeiten in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/3012819

14.-18.12. Filderstadt:

Fortbildung (Teil 1) "Rechtliche Grundlagen in der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0173/5105498