Berlin (epd). Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe hat die Politik aufgefordert, Pflegeeinrichtungen und -personal in der Corona-Pandemie stärker zu unterstützen. Beim 7. Deutschen Pflegetag verlangte Bundesgeschäftsführer Franz Wagner am 11. November unter anderem, die Kosten für den zusätzlichen Personalaufwand zur Durchführung von Corona-Schnelltests voll zu refinanzieren. "Das ist bisher nicht so geplant", sagte er. Zudem forderte er, dass PCR-Tests bei Pflegefachkräften von Laboren innerhalb von maximal 24 Stunden ausgewertet werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drückte den Pflegekräften ihren Dank für die geleistete Arbeit in der Corona-Krise aus.
Die Herausforderungen seien für Pflegekräfte in der Pandemie besonders groß, erklärte die Kanzlerin in einem Grußwort. Sie müssten sich nicht allein um den Gesundheitsschutz der Pflegebedürftigen kümmern, zugleich müssten sie "alle Spielräume für Besuche und Kontakte ausschöpfen". Merkel betonte auch die psychischen Belastungen, die die Pandemie für die Beschäftigten in den Krankenhäusern, den Pflegeeinrichtungen und den Hospizen habe.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) kritisierte die wegen Corona verhängten Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen in Pflegeheimen als in weiten Teilen grundgesetzwidrig. "Gutachter Friedhelm Hufen hat begründete Zweifel daran, dass das Infektionsschutzgesetz eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die gravierenden Eingriffe in die Grundrechte von Menschen in Pflegeeinrichtungen darstellt", teilte BAGSO als Auftraggeber der Untersuchung in Bonn mit.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft forderte Politik, Behörden sowie Heimleitungen auf, die Grundrechte der Betroffenen zu wahren. Sie tue das mit "besonderer Dringlichkeit, weil vielerorts Pflegeeinrichtungen Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen angesichts gestiegener Infektionszahlen wieder verschärfen".
Dem Gutachten zufolge müssten die negativen Auswirkungen der Maßnahmen auf die Gesundheit der Heiminsassen bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung viel stärker in den Blick genommen werden. Eine niemals zu rechtfertigende Verletzung der Menschenwürde liege in jedem Fall vor, wenn Menschen aufgrund von Besuchsverboten einsam sterben müssten, hieß es.
Die Organisation rief dazu auf, die Ermessens- und Beurteilungsspielräume für Behörden, Heimträger und Heimleitungen deutlich stärker zu beschränken als das bislang der Fall ist. "Andere Heimbewohner müssen regelmäßig und in angemessener Form Besuch erhalten können - notfalls hinter Plexiglas."
Patricia Drube, Präsidiumsmitglied der Bundespflegekammer, sagte, die Corona-Pandemie habe viele Defizite in der Pflege schonungslos offengelegt. Eine sichere Versorgung könne nicht immer gewährleistet werden. "Gute Pflege ist ein Menschenrecht", erklärte sie auf dem Pflegetag. Der akute Personalmangel sei "der Belastungsfaktor Nummer eins". Altenpflegerinnen und Altenpfleger seien pro Jahr 28 Tage krankgeschrieben, das sei ein Drittel mehr als im Durchschnitt aller Berufe.
Der Geschäftsführer des Pflege-Berufsverbands Wagner forderte, planbare Operationen in Krankenhäusern zu verschieben, wenn dies medizinisch vertretbar sei, um Betten und Personal für Covid-19-Patienten freizuhalten. Die Sorge, dass nicht genügend Pflegefachkräfte auf Intensivstationen seien, sei begründet, sagte Wagner.
Laut einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verringert ein steigendes gesetzliches Renteneintrittsalter das Angebot häuslicher Pflege durch Angehörige. "Angesichts wachsender Pflegebedarfe und steigendem Renteneintrittsalter muss die Politik die Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und informeller Pflege verbessern", heißt es in der am 11. November veröffentlichten DIW-Studie.
Die Linkspartei mahnte zur Verbesserung der Personalsituation in der Pflege grundlegende Reformen an. Die Regierungsmitglieder wollten in ihren Videobotschaften beim Pflegetag glänzen, sagte Pia Zimmermann, Sprecherin für Pflegepolitik: "Das gelingt nicht mit leeren Händen: nicht ohne Tariflöhne und bessere Arbeitsbedingungen." Die Pflegepolitik der Bundesregierung in den letzten Monaten führe sogar erneut zu Arbeitszeiten von 60 Wochenstunden, nicht nur in Niedersachsen: "Und bundesweit fehlen intensivmedizinisch geschulte Pflegekräfte in den Krankenhäusern. Schöne Worte sorgen nicht für bessere Bezahlung und mehr Personal in der Pflege", kritisierte die Expertin.
Man brauche endlich eine Basis, auf der dauerhaft mehr und zugleich besser bezahltes Personal möglich wird. "Eine wirklich gute Nachricht für die Pflege wären sofort Regelungen für eine solidarische Pflegevollversicherung. Darauf kann die Pflege nicht mehr länger warten. Denn eine gute Versorgung ist für viele Menschen längst gefährdet", sagte Zimmermann.
Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) mahnte an, bei Reformen in der Pflege die Finanzierungsseite mit zu beachten. "Nur so kann das von der Politik selbstgesetzte Ziel der Zukunftsfestigkeit erreicht werden", sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. Wer schon heute keine Antwort darauf hat, wie die Pflegeleistungen dauerhaft finanziert werden können, sollte nicht noch höhere Leistungen fordern. Er vermisse in den Pläne der Bundesregierung die ausgabendämpfenden Ansätze, eine wirksame Investitionskostensicherung und mutige Ansätze zur Kapitalbildung angesichts der starken Leistungsausweitung.