sozial-Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,




Dirk Baas
epd-bild/Heike Lyding

sie nennt sich selbst „einzigartige Anlaufstelle für Persönliche Assistenz“: Die „HAG - Hamburger AssistenzGenossenschaft eG“ hat als spezieller Pflegedienst bis heute ein Alleinstellungsmerkmal: Mitglieder sind Menschen mit Körperbehinderung, und die Genossenschaft ermöglicht ihnen selbstbestimmt und mit fachlicher Unterstützung alleine in den eigenen vier Wänden zu leben. Ein Beispiel von Tausenden, wie Genossenschaften die Welt ein bisschen besser machen können. Das soll auch 2025 werbewirksam verdeutlicht werden, beim UN-Jahr der Genossenschaften.

Weihnachten fernab der Familie. Dieses Schicksal kennen Seeleute nur zu gut. Auch die auf der „Aquadonna“. Deshalb kommen Mitarbeitende der Bremer Seemannsmission an Bord des Erzfrachters, bringen Weihnachtstüten - und vor allem Zeit zum Reden. Sie sind hochwillkommen, wie ein Besuch auf dem Schiff zeigt.

Auf vielen Feldern der sozialen Sicherung gibt es mit dem Jahreswechsel gesetzliche Änderungen. epd sozial stellt die neuen Regelungen gebündelt und in mehreren Texten vor. In dieser Ausgabe geht es um die Neuerungen in der gesetzlichen Gesundheits- und Pflegeversicherung. Im neuen Jahr folgen dann weitere Hinweise zur Rente, zu Wohnen, Arbeitslosigkeit und Familienunterstützung.

Welche unterstützende Tätigkeit als Pflegeleistung einzustufen ist, ist nicht immer eindeutig gefasst. Damit ist auch nicht klar, wann ein Anspruch auf Pflegegeld besteht. Das hat nun in einem weiteren Fall das Bundessozialgericht entschieden. Die elterliche Kontrolle über das Essen eines an Diabetes Typ 1 erkrankten Kindes kann demnach einen Anspruch auf Pflegegeld begründen. Voraussetzung ist, dass das Kind einer nicht mehr altersentsprechenden Beaufsichtigung beim Essen bedarf, urteilte das Gericht in Kassel.

In eigener Sache: Bettina Markmeyer, sozialpolitische Korrespondentin für den Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin und kundige Autorin von epd sozial der ersten Stunde (2001), tritt Ende Dezember in den wohlverdienten Ruhestand. Ihre Nachfolgerin im Berliner Bundesbüro des epd heißt Christina Neuhaus, die ihre Arbeit im neuen Jahr beginnt.

Der Quartalspreis für das Abonnement von epd sozial steigt ab dem 1. Januar 2025 um 2,25 Euro auf 84,75 Euro.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine gesegnete Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Die nächste Ausgabe von epd sozial erscheint am 10. Januar 2025.

Lesen Sie täglich auf dem epd-sozial-Account des Internetdienstes X Nachrichten aus der Sozialpolitik und der Sozialbranche. Auf dem Kanal können Sie mitreden, Ihren Kommentar abgeben und auf neue Entwicklungen hinweisen. Gern antworte ich auch auf Ihre E-Mail.

Ihr Dirk Baas




sozial-Politik

Genossenschaften

Gemeinsam das Heft in die Hand nehmen




Daniela Johnsson (r.), Öffentlichkeitsarbeiterin der Hamburger Assistenzgenossenschaft eG, und ihre Assistentin Lisa Witthohn
epd-bild/Gregor Fischer
2025 ist das Internationale Jahr der Genossenschaften. Zum zweiten Mal seit 2012 steht diese besondere Form des gemeinschaftlichen Wirtschaftens im Fokus der UN. Auch in Deutschland liegen Genossenschaften im Trend, die Zahl ihrer Gründungen wächst.

Hamburg (epd). Sie nennt sich selbst „einzigartige Anlaufstelle für Persönliche Assistenz“: Die „HAG - Hamburger AssistenzGenossenschaft eG“ hat als spezieller Pflegedienst bis heute ein Alleinstellungsmerkmal: Mitglieder sind Menschen mit Körperbehinderung, und die Genossenschaft ermöglicht ihnen, selbstbestimmt und mit fachlicher Unterstützung alleine in den eigenen vier Wänden zu leben. Seit 1994 haben die Genossinnen und Genossen das Heft in der Hand, nehmen aktiv an Entscheidungen teil und gestalten ihre Assistenz mit, wie es auf der Homepage heißt: „Wir sind davon überzeugt, dass jeder Mensch nach seinen eigenen Vorstellungen leben kann und sollte.“

Am Anfang stand eine Initiative von engagierten Betroffenen. „Die waren vorher schon in der sogenannten Krüppelbewegung aktiv und wollten etwas an den damals herrschenden Verhältnissen ändern“, sagte Sprecherin Daniela Johnsson dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Aktivistinnen und Aktivisten kämpften ab den 1970er Jahren gegen paternalistisches Denken über behinderte Menschen und deren gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Ziel in Hamburg war es, Menschen mit Behinderung aus der erdrückenden Fremdbestimmung zu lösen und zu einer anderen Form der ambulanten Behindertenhilfen zu kommen. „Unseren Gründern ging es vor allem darum, innerhalb ihrer Versorgung die größtmögliche Selbstbestimmung zu erreichen.“

Selbstbestimmung über die Form der Assistenz

Das sei bis heute am besten in der Form der Genossenschaft möglich, ist Johnsson überzeugt. „Durch diese besondere Unternehmensform stellen wir sicher, dass die Mitglieder ihre benötigte Assistenz nicht nur einfach kaufen oder vorgesetzt bekommen, sondern diese selbst mitgestalten“, wirbt die HAG auf ihrer Website: „Sie entscheiden selbst, welche Personen in Ihrem Team arbeiten. Sie sagen ihnen, wann und wie welche Unterstützung erfolgen soll.“

Allen „modernen“ Genossenschaften ist seit rund 150 Jahren gemein, dass die Mitglieder zugleich Eigentümer und Kunden ihrer Genossenschaft sind. Ziel ist es, per Selbstverwaltung die wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Belange ihrer Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Gewinne zu erzielen, steht bewusst nicht im Vordergrund. Bundesweit gibt es aktuell knapp 8.000 Genossenschaften.

Genossenschaft bedeutet Zusammengehörigkeit

Daniela Johnsson betont das Zusammengehörigkeitsgefühl der HAG-Mitglieder. „Ist man als pflegebedürftiger Mensch auf einen normalen Pflegedienst angewiesen, kennt man die anderen Kundinnen und Kunden häufig gar nicht. Also muss man auch Probleme und Bedürfnisse als Einzelperson formulieren. In der Genossenschaft kann man das gemeinsam tun.“

Dieser solidarische Ansatz scheint attraktiv zu sein. So findet man Genossenschaften auch zum gemeinschaftlichen Cannabis-Anbau und sogar im Fußball, wo der Bundesligist St. Pauli eine Genossenschaft gegründet hat, um ein anderes Finanzierungsmodell im Profisport umzusetzen. Und in Wiesbaden entstand vor wenigen Wochen die „FrauenGeno“, die Start-ups fördert und so neue attraktive Arbeitsplätze mit fairen Gehältern für Frauen schaffen will.

Genoverband zählt über 500 Neugründungen bis November

Nach Angaben des Genoverbandes, des größten deutschen Genossenschaftsverbandes, gab es in seinem Verbandsgebiet in diesem Jahr bis zum Stichtag 12. November 505 neue Gründungen. 2015 waren es 73. Erfasst wurden jedoch nur Initiativen, deren Gründung vollständig abgeschlossen ist. Die meisten Neugründungen entfallen auf die Bereiche Medizin, Dienstleistungen und Verkehr (170) sowie auf den Energiesektor (140).

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2025 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften erklärt. Unter dem Motto „Genossenschaften gestalten eine bessere Welt“ soll die Arbeit der Genossenschaften weltweit gewürdigt werden. Li Junhua, Untergeneralsekretär der Hauptabteilung Wirtschaft und Soziales der Vereinten Nationen, sagte, das zweite Kampagnenjahr nach 2012 werde „eine Gelegenheit sein, alle Beteiligten zu mobilisieren, um Genossenschaften überall zu unterstützen und ihren Beitrag für eine bessere Welt zu stärken“.

Ideelle Ziele statt Gewinnmaximierung wichtig

„Es ist eine große Ehre und Auszeichnung für die Genossenschaftsbewegung, dass wir nach 2012 bereits zum zweiten Mal ein solches Jahr begehen dürfen“, sagt auch Mathias Fiedler, Vorstandssprecher des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Genossenschaften leisteten einen wichtigen Beitrag für eine bessere Welt: „Sie tun das durch ihre besondere Struktur: Ausrichtung auf den Nutzen der Mitglieder statt auf Gewinnmaximierung und die Verbindung von unternehmerischem Erfolg mit ideellen Zielen.“

Sein Verband wolle 2025 herausstellen, welchen Beitrag die Mitgliedsgenossenschaften zum Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele leisten. „Neben Leistungen im Klimaschutz sind das auch viele soziale Themen, die durch die Arbeit unserer Mitgliedsgenossenschaften berührt werden“, erklärt Fiedler. Dabei gehe es nicht nur um direkte soziale Leistungen, wie zum Beispiel die Arbeit für Menschen mit Behinderungen, sondern auch um indirekte Effekte durch den Zugang zu preiswerten und hochwertigen Lebensmitteln oder bezahlbarem Wohnraum.

Jana Runkel, Mitglied der HAG in Hamburg, betont gegenüber dem epd die Unterschiede der Genossenschaft im Vergleich zu anderen Pflegediensten: „Ich kann die Ausübung meines Selbstbestimmungsrechts mitgestalten. Das ist mir außerhalb einer Genossenschaft so nicht möglich.“

Dirk Baas


Genossenschaften

Kleine Geschichte der Kooperationen



Frankfurt a.M. (epd). „Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.“ Dieser bekannteste Satz von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) ist bis heute einendes Motiv für jede Genossenschaftsgründung weltweit. Mit seinem und dem Namen von Hermann Schulze-Delitzsch (1808-1883) ist hierzulande die Entstehung der „modernen“ Genossenschaften vor rund 170 Jahren eng verknüpft. Die Idee dahinter: Frauen und Männer schließen sich freiwillig zusammen, um gemeinsam zu wirtschaften - die Förderung der Genossenschaftsmitglieder soll allein aus eigener Kraft und nicht etwa durch Unterstützung des Staates gelingen.

Wohl auch wegen dieses überzeugenden solidarischen Ansatzes findet man Genossenschaften heute in allen gesellschaftlichen Feldern, neuerdings sogar im Fußball, wo der Bundesligist St. Pauli gerade eine Genossenschaft gegründet hat, um ein alternatives Finanzierungsmodell im Profisport umzusetzen.

Geburt aus der Not heraus

In Deutschland wie auch zuvor in England wurden die ersten modernen Genossenschaften aus der Not heraus geboren und hatten zum Ziel, Handwerkern und Bauern zu helfen. Der Bürgermeister Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Justiziar Hermann Schulze-Delitzsch erkannten nahezu zeitgleich, dass zu einer erfolgreichen Selbsthilfe auch Selbstfinanzierung gehört. 1847 rief Raiffeisen in Weyerbusch im Westerwald den ersten Hilfsverein zur Unterstützung der Not leidenden und oft verschuldeten ländlichen Bevölkerung ins Leben. 1864 entstand die Raiffeisen'sche Genossenschaft „Heddesdorfer Darlehnskassenverein“.

Hermann Schulze im sächsischen Delitzsch gründete nach den Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung 1849 die ersten „Rohstoffassoziationen“ für Tischler und Schuhmacher. 1850 folgte der erste „Vorschussverein“ - Vorläufer der heutigen Volksbanken. Die Genossenschaftsidee und -praxis steht heute als ein deutscher Beitrag auf der Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes.

20 Millionen Mitglieder „treibende Kraft der Wirtschaft“

Aktuell gibt es knapp 8.000 Genossenschaften in nahezu allen gesellschaftlichen Feldern: vom Bankenwesen über Wohnungsbau, Handwerk, Energiewirtschaft, Einzelhandel bis hin zum Sozialsektor und dem Gesundheitswesen. Mit 20 Millionen Mitgliedern und einer Million Mitarbeitenden seien sie „eine treibende Kraft für Wirtschaft und Gesellschaft“. Statistisch betrachtet profitiere jeder vierte Bundesbürger von der Zugehörigkeit zu einer der verschiedenen Genossenschaftssparten.

Deutschland ist jedoch im europäischen Vergleich bestehender Genossenschaften keineswegs führend: Italien zählte 2022 rund 60.000 Genossenschaften, die Türkei 34.000 und Frankreich 22.500.



Schwangerschaft

Ringen um Bundestagsentscheidung zu Abtreibungen




Ein positiver Schwangerschaftstest (Themenfoto)
epd-bild/Heike Lyding
Im Bundestag stößt der Gruppenantrag aus den Reihen von SPD und Grünen zur Liberalisierung des Abtreibungsrechts auf den erwarteten Widerstand, wie Querelen im Rechtsausschuss zeigen. Eine Abstimmung wird unwahrscheinlicher.

Berlin (epd). Der Bundestag will bis zu den geplanten vorgezogenen Neuwahlen weiter über eine Neuregelung von Abtreibungen beraten. Der Rechtsausschuss beschloss am 18. Dezember in Berlin eine Anhörung von Sachverständigen zu dem Gruppenantrag, Abtreibungen bis zum dritten Schwangerschaftsmonat zu legalisieren. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) unterstützt den Versuch zu einer rechtlichen Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen.

Die Sachverständigenanhörung soll am Abend des 10. Februar nächsten Jahres stattfinden, einen Tag vor der geplanten letzten Sitzung des Bundestags in dieser Legislaturperiode am 11. Februar. Der Obmann der Unionsfraktion im Rechtsausschuss, Carsten Müller (CDU), sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), der Terminvorschlag sei von der Union gekommen. Der Beschluss für eine Anhörung und auch für den Termin sei im Ausschuss mit einer großen Mehrheit gefasst worden.

Union wollte Gruppenantrag kippen

Die Union hatte Müller zufolge zuvor beantragt, den Gruppenantrag zur Neuregelung von Abtreibungen von der Tagesordnung zu streichen, sei aber von SPD, Grünen, der Gruppe der Linken und der AfD überstimmt worden.

Abgeordnete aus den Reihen der SPD, der Grünen und der Linken haben einen Gruppenantrag in den Bundestag eingebracht, um Abtreibungen zu entkriminalisieren. Sie sollen danach bis zur zwölften Schwangerschaftswoche nicht mehr strafbar sein. Die Beratungspflicht für Frauen soll beibehalten werden. Es entfällt aber die Wartezeit von drei Tagen zwischen Beratung und Abbruch. Die Kosten sollen die Krankenkassen übernehmen. Der Antrag wird von 327 der 733 Bundestagsabgeordneten unterstützt. Er wurde Anfang Dezember im Bundestagsplenum beraten und anschließend in den Rechtsausschuss überwiesen.

Mit dem nun festgelegten Termin für eine Sachverständigen-Anhörung ist es sehr unwahrscheinlich geworden, dass über den Gruppenantrag im Parlament noch abgestimmt werden wird. Die Initiatorinnen des Antrags hatten gehofft, die Übergangszeit nach dem Bruch der Ampel-Koalition bis zu den vorgezogenen Neuwahlen für eine Abstimmung ohne Fraktionsdisziplin nutzen zu können. Die Union lehnt eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts ab. Die FDP lehnt das Verfahren ab, obwohl einzelne Abgeordnete dem Gruppenantrag inhaltlich zustimmen.

Kirchen vertreten verschiedene Positionen

Die evangelische Kirche unterstützt einer Neuregelung von Abtreibungen außerhalb des Strafrechts. Der Rat der EKD erklärt in einer am Mittwoch veröffentlichen Stellungnahme, die in dem von der Abgeordnetengruppe eingebrachten Gesetzentwurf enthaltene rechtliche Struktur „ist aus evangelischer Perspektive im Grundsatz zustimmungsfähig“. Die „einzigartige Situation“ eines Schwangerschaftskonflikts erfordere Respekt vor der Freiheit und der Verantwortungsfähigkeit der Schwangeren. „Daher muss die Schwangere letztlich selbst entscheiden und selbst entscheiden können“, heißt es an anderer Stelle.

Die EKD hatte anlässlich der politischen Debatte ihre Position zum Abtreibungsrecht erneut auf den Prüfstand gestellt. Die Stellungnahme erschien zur Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestags. Die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs sagte, Ziel einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs sei der „effektive Schutz des Lebens, der sowohl dem ungeborenen Leben als auch der schwangeren Frau gilt“. Regelungen allein des Schwangerschaftsabbruchs griffen dabei zu kurz. Zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure seien aufgefordert, zu einem kinder- und familienfreundlicheren Klima in der Gesellschaft beizutragen.

ZdK für breite gesellschaftliche Debatte

Anders sehen die Katholiken die Debatte: Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) warnt vor einer übereilten Abstimmung über eine Änderung der bisherigen Abtreibungsregelung. „Im Galopp will eine interfraktionelle Gruppe offenbar ein neues Gesetz noch vor der Neuwahl des Bundestags durchbringen“, sagte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp jüngst in Berlin. „Das halte ich für fatal. Die Debatte um den Paragrafen 218 muss gesellschaftlich breit geführt werden.“ Es gehe um eine existenzielle Frage und damit verbundene ethische Dilemmata.

In Deutschland werden Abtreibungen in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft nicht bestraft, wenn das vorgeschriebene Verfahren mit einer Beratung eingehalten wird. Sie sind aber rechtswidrig, und die Kosten werden daher auch von den Krankenkassen nicht erstattet.

Bettina Markmeyer


Bundestag

Anhörung zur Organspendereform beschlossen



Berlin (epd). Der Gesundheitsausschuss hat sich mit dem fraktionsübergreifenden Gruppenantrag zur Organspende befasst. Der Ausschuss beschloss nach einer ausführlichen Beratung am 18. Dezember eine Expertenanhörung zu dem Gesetzentwurf (20/13804). Ein Termin stehe noch nicht fest, heißt es in einer Mitteilung des Bundestages.

In der Aussprache zuvor wurden verschiedene Fragen zur geplanten Gesetzesänderung erörtert. Dabei ging es unter anderem um die Rechte der Angehörigen eines potenziellen Organspenders und das Online-Register zur Dokumentation der Erklärung zur Organspende.

„Zahl der Organspender reicht nicht aus“

Mit der Änderung des Transplantationsgesetzes wollen die Abgeordneten der fraktionsübergreifenden Gruppe die sogenannte Widerspruchsregelung bei der Organspende einführen. Die Zahl der Organspender reiche nicht aus, um den Bedarf an Spenderorganen zu decken, heißt es zur Begründung in dem Gesetzentwurf.

Künftig sollen dem Entwurf zufolge als Organ- und Gewebespender nicht nur Personen infrage kommen, die in eine Organ- oder Gewebeentnahme eingewilligt haben, sondern auch solche, die einer Organ- oder Gewebeentnahme nicht ausdrücklich widersprochen haben.

Auch Entwurf des Bundesrates wurde thematisiert

Ergebe die Auskunft aus dem Online-Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende, dass der mögliche Spender dort keine Erklärung registriert habe, und liege dem Arzt kein schriftlicher Widerspruch des möglichen Spenders vor und sei im Gespräch mit Angehörigen auch diesen kein entgegenstehender Wille bekannt, sei eine Organ- oder Gewebeentnahme zulässig, heißt es im Entwurf.

Mitberaten wurde im Ausschuss ein Gesetzentwurf des Bundesrates mit gleicher Zielsetzung (20/12609). Auch die Länderkammer will die Widerspruchsregelung einführen, um zu mehr Spenderorganen zu kommen.



Gesetzesreformen

Hintergrund

Das ändert sich für gesetzlich Kranken- und Pflegeversicherte




Karten verschiedener Krankenkassen
epd-bild/Norbert Neetz
Auf vielen Feldern der sozialen Sicherung gibt es im neuen Jahr Änderungen. epd sozial stellt die neuen Regelungen gebündelt vor. In dieser Ausgabe geht es um die Neuerungen in der gesetzlichen Gesundheits- und Pflegeversicherung. Im neuen Jahr folgen dann weitere Angaben zur Rente, Wohnen, Arbeitslosigkeit und für Familien.

Berlin (epd). Der Jahreswechsel bringt viele Neuregelungen für gesetzlich Kranken- und Pflegeversicherte mit sich. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) und das Bundesgesundheitsministerium geben einen Überblick über die für Versicherte anstehenden Änderungen. Der Verband verweist darauf, dass sich zahlreiche Kennzahlen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ändern. Insbesondere kommen auf viele Versicherte höhere Beiträge zu.

Beitragssätze in der Krankenkasse:: Der allgemeine Beitragssatz der GKV beträgt 2025 wie in den Jahren zuvor 14,6 Prozent. Das Bundesgesundheitsministerium hat den durchschnittlichen Zusatzbeitrag 2025 auf 2,5 Prozentpunkte festgelegt, das ist eine Erhöhung um 0,8 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Realistisch ist jedoch eine Erhöhung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um mindestens einen Prozentpunkt, weil viele Krankenkassen ihre Reserven auffüllen müssen. Jede Krankenkasse entscheidet selbst, welchen Zusatzbeitragssatz sie erhebt. Die GKV-Beiträge werden jeweils zur Hälfte von Mitgliedern und Arbeitgebern bezahlt.

Beitragssatz zur Pflegeversicherung: Der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung (SPV) wird sich zum 1. Januar 2025 aller Voraussicht nach um 0,2 Prozent nach auf 3,6 Prozent erhöhen - verbindlich beschlossen wird das in der Bundesratssitzung am 20. Dezember 2024. Diese Anhebung führt im Gesamtjahr 2025 zu Mehreinnahmen in Höhe von rechnerisch rund 3,7 Milliarden Euro. Arbeitgeber und Beschäftigte tragen die Beiträge je zur Hälfte (jeweils 1,8 Prozent). Für kinderlose Mitglieder ab 23 Jahren kommt ein Kinderlosenzuschlag hinzu, an dem sich der Arbeitgeber nicht beteiligt. Dieser Zuschlag beträgt 0,6 Prozentpunkte.

Seit dem 1. Juli 2023 zahlen Eltern mit mehreren Kindern geringere Beitragssätze für die Pflegeversicherung. Für Eltern mit mehr als einem Kind reduziert sich der Beitragssatz für jedes berücksichtigungsfähige Kind ab dem zweiten bis zum fünften Kind um jeweils einen Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten. Der Beitragsabschlag für Eltern beträgt somit bei zwei berücksichtigungsfähigen Kindern 0,25 Beitragssatzpunkte, bei drei Kindern 0,50 Beitragssatzpunkte, bei vier Kindern 0,75 Beitragssatzpunkte und bei fünf Kindern 1,0 Beitragssatzpunkte.

Für Eltern mit mehr als fünf Kindern gibt es keine darüberhinausgehende Reduzierung des Satzes. Liegen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Kinder nicht mehr vor, entfällt der Beitragsabschlag. Die Eltern bezahlen aber weiterhin den allgemeinen Beitragssatz der Pflegeversicherung (ab dem 1. Januar 2025 3,6 Prozent) und nicht den Kinderlosenzuschlag.

Dynamisierte Leistungsbeträge: Alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung, auch die Leistungen bei stationärer Pflege, werden zum 1. Januar 2025 um 4,5 Prozent angehoben. Dadurch reduzieren sich die pflegebedingten Ausgaben, die eine pflegebedürftige Person eigenständig zu tragen hat. Die Anpassung der Leistungsbeträge hat ein Gesamtvolumen von 1,8 Milliarden Euro; die Pflegebedürftigen und Sozialhilfeträger werden entlastet.

Höheres Pflegegeld: Das Pflegegeld, das nur für die Pflegegrade 2 bis 5 gezahlt wird, steigt: Im Pflegegrad 2 von 332 auf 347 Euro, in Grad 3 von 573 auf 599 Euro, in Grad 4 von 765 auf 800 Euro und im Grad 5 von 947 auf 990 Euro.

Auch die Sachleistungen für die Nutzung ambulanter Pflegedienste steigen an. Im Grad 2 auf 796 Euro, im Grad 3 auf 1.497 Euro, im Grad 4 auf 1.895 Euro und im Grad 5 auf 2.299 Euro.

Beitragsbemessungsgrenze: Die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung werden bei Versicherten nur bis zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze berechnet. Der Anteil des Arbeitsentgeltes, der oberhalb dieser Grenze liegt, wird bei der Beitragsberechnung nicht berücksichtigt. Die Beitragsbemessungsgrenze orientiert sich an der Entwicklung von Löhnen und Gehältern und steigt 2025 auf 66.150 Euro pro Jahr beziehungsweise. 5.512,50 Euro pro Monat.

Versicherungspflichtgrenze: Bis zu einer bestimmten Höhe des Jahresarbeitsentgeltes besteht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Versicherungspflicht in der GKV. Die jährliche Versicherungspflichtgrenze erhöht sich 2025 auf 73.800 Euro jährlich beziehungsweise 6.150 Euro monatlich (bisher 69.300 Euro jährlich beziehungsweise 5.775 Euro monatlich). Oberhalb der Versicherungspflichtgrenze können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch weiterhin freiwillig in der GKV versichern. Die Beiträge werden auch dann nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze vom Arbeitsentgelt berechnet.

Belastungsgrenze für Zuzahlungen: Für bestimmte Leistungen der GKV müssen Versicherte Zuzahlungen leisten. Die Zuzahlungen werden durch eine sogenannte Belastungsgrenze gedeckelt. Die Belastungsgrenze liegt bei zwei Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen der Versicherten sowie der im gemeinsamen Haushalt lebenden berücksichtigungsfähigen Angehörigen. Für chronisch kranke Versicherte, die sich wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung befinden, liegt die Belastungsgrenze bei einem Prozent. Von den Bruttoeinnahmen werden bestimmte Beträge für die Angehörigen abgezogen, bevor die Belastungsgrenze berechnet wird. Diese „Freibeträge“ richten sich nach der jährlich vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) festgesetzten Bezugsgröße. Im Jahr 2025 beträgt der Freibetrag für den ersten Familienangehörigen 6.741 Euro, der Freibetrag für jeden weiteren Angehörigen 4.494 Euro und der Kinderfreibetrag 9.540 Euro.

Höchstgrenze für das Krankengeld: Wenn Versicherte durch eine Erkrankung längere Zeit (in der Regel mehr als sechs Wochen) arbeitsunfähig sind oder auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden, haben sie Anspruch auf Krankengeld von ihrer Krankenkasse. Das Krankengeld wird pro Kalendertag berechnet und richtet sich nach den individuellen Verhältnissen der Versicherten. Das jeweils gezahlte Höchstkrankengeld orientiert sich dabei an der Beitragsbemessungsgrenze zur Krankenversicherung und beträgt 2025 128,63 Euro pro Kalendertag.

Entlastungen für Betriebsrentnerinnen und -rentner: Pflichtversicherte Ruheständler mit kleinen Betriebsrenten sind seit 1. Januar 2020 bei den Krankenkassenbeiträgen aufgrund eines Freibetrags spürbar entlastet. Dieser Freibetrag steigt 2025 von 176,75 Euro auf 187,25 Euro; erst darüber hinaus werden Beiträge fällig. Rentnerinnen und Rentner mit Betriebsrenten bis zu 187,25 Euro müssen keine Beiträge zahlen. Werden mehrere Betriebsrenten bezogen, wird der Freibetrag insgesamt berücksichtigt und nicht für jede einzelne Betriebsrente.

Digitalisierung: 2025 startet die „ePA für alle“. Bisher mussten sich Versicherte selbst um die Anlage ihrer elektronischen Patientenakte (ePA) kümmern. Künftig erhalten sie eine solche Akte automatisch, wenn sie nicht aktiv widersprechen. Die ePA ist eine zentrale Datenbank, in der die Gesundheitsdaten der jeweiligen Versicherten verschlüsselt gespeichert werden. Dabei bestimmen die Versicherten selbst, welche Daten in der ePA gespeichert werden und wer sie einsehen kann.



Flüchtlinge

Hintergrund

Syrische Flüchtlinge in Deutschland




Flüchtlingsunterkunft in Eisenhüttenstadt
epd-bild/Christian Ditsch
Kaum war das Assad-Regime in Syrien von den islamistischen Rebellen vertrieben, wurden Stimmen laut, die hier lebenden Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland schnellstmöglich zurück in ihre Heimat zu schicken. Was gravierende Folgen für den hiesigen Jobmarkt hätte. Doch wie viele Syrer leben hier bei uns? Und welchen Schutzstatus haben sie? epd sozial hat die Fakten gesammelt.

Gesamtzahl der Flüchtlinge: Seit März 2011 herrscht in Syrien Bürgerkrieg und mehrere Millionen Menschen mussten ihr Zuhause verlassen. Nach Angaben des Internal Displacement Monitoring Centres Syrien leben sieben Millionen Syrer leben als Binnenflüchtlinge im eigenen Land. Weitere fünf Millionen zumeist in den Nachbarländern Türkei (3,1 Millionen), Libanon (783.000), Jordanien (631.000), Irak (247.000) und Ägypten (157.000).

Flüchtlinge in Deutschland: Zum Jahresende 2023 waren den Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge rund 712.000 syrische Schutzsuchende im Ausländerzentralregister registriert. Syrerinnen und Syrer machten damit 22 Prozent der insgesamt 3,17 Millionen Schutzsuchenden aus und waren nach ukrainischen Staatsangehörigen (31 Prozent) die zweitgrößte Gruppe. Von den zugewanderten syrischen Schutzsuchenden kamen gut die Hälfte (52 Prozent) nach dem Beginn des Krieges in ihrem Heimatland zwischen 2014 und 2016 erstmals nach Deutschland, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Zwölf Prozent der syrischen Schutzsuchenden sind demnach in Deutschland geboren. Nach dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember 2024 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Bearbeitung der Asylanträge von Syrerinnen und Syrern vorübergehend eingestellt, betroffen sind Medienberichten zufolge 47.270 Anträge.

Aufenthaltstitel in Deutschland: Syrische Flüchtlinge sind seit dem Jahr 2014 die größte Gruppe unter den Asylbewerbern. Der überwiegende Teil der Syrer verfügte über einen humanitären Aufenthaltstitel und somit über einen anerkannten Schutzstatus (624.000 oder 88 Prozent). In den meisten Fällen handelte es sich dabei um einen Status für Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention (279 000 oder 39 Prozent) oder um subsidiären Schutz (240.000 oder 34 Prozent). Der subsidiäre Schutz gilt, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Bei weiteren knapp 81.000 syrischen Schutzsuchenden war der Schutzstatus nach Angaben der Statistikbehörde noch offen (elf Prozent). Rund 7.000 (ein Prozent) hatten keinen Schutzstatus, etwa weil der Asylantrag abgelehnt wurde oder sie ihren Schutzstatus verloren hatten. Bei 90 Prozent der rund 624.000 syrischen Schutzsuchenden mit anerkanntem Schutzstatus war dieser befristet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verzeichnete für den Zeitraum von Januar bis November dieses Jahres 72.000 Erstanträge von Syrern auf Asyl. Syrische Staatsangehörige stellten in diesem Zeitraum jeden dritten Erstantrag auf Asyl.

Geschlecht, Alter und Bildung: Laut Statistischem Bundesamt sind die syrischen Flüchtlinge mehrheitlich männlich. Etwa 41 Prozent sind Frauen. Die Flüchtlinge sind tendenziell jünger als die Allgemeinbevölkerung: Ihr Durchschnittsalter liegt bei rund 25 Jahren. 37 Prozent sind minderjährig. Derzeit besuchen rund 206.000 syrische Schülerinnen und Schüler eine allgemeinbildende Schule (Schuljahr 2023/2024). Weitere 56.100 besuchen eine Berufsschule.

Arbeitslosigkeit: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) sind etwa 226.600 Syrerinnen und Syrer sozialversicherungspflichtig beschäftigt (Stand: Mai 2024). Rund 279.600 Syrer waren Ende November als „arbeitsuchend“ gemeldet. Von ihnen gelten 155.100 als „arbeitslos“, das heißt: Sie stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Die Arbeitslosenquote von syrischen Staatsangehörigen liegt bei 37 Prozent, was etwas mehr ist als der Durchschnitt von Personen aus sogenannten Asylherkunftsländern: (29,9 Prozent).

Einbürgerung: Seit 2021 haben viele syrische Kriegsflüchtlinge, die zwischen 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen sind, die rechtliche Möglichkeit, sich einbürgern zu lassen. Das Angebot nutzen viele: Syrer sind die größte Gruppe unter den Neu-Eingebürgerten. Insgesamt haben zwischen 2016 und 2023 rund 161.000 syrische Staatsbürger den deutschen Pass erhalten - knapp 90 Prozent von ihnen in den zurückliegenden zwei Jahren. Auch unter den Personen, die eine Einbürgerung beantragt haben, stehen die Syrer mit weitem Abstand auf dem ersten Platz, wie eine Umfrage des Mediendienstes Integration vom März 2023 ergab.

Dirk Baas


Tschechien

Von der Ghetto-Schule zum Vorzeigeprojekt




Andrea Melechova Ruthova, Schulleiterin der Grundschule Kamenna Stezka im tschechischen Ort Kutna Hora
epd-bild/Kilian Kirchgessner
Ein Modellversuch zeigt Wirkung: In Kutna Horá östlich von Prag überwindet eine Grundschule die langjährige Segregation von Roma-Kindern. Hinter der Initiative steht eine Stiftung. Jetzt geht das erfolgreiche Projekt in die Fläche.

Prag, Kutna Hora (epd). Als die ersten Bewerbungen von jungen Lehrkräften auf ihren Tisch flatterten, wusste Andrea Melechova Ruthova, dass ihre Schule in Kutna Horá östlich von Prag auf einem guten Weg ist: „Sie haben mitgekriegt, dass bei uns etwas in Bewegung geraten ist, und wollten die Änderungen mitgestalten“, erzählt die tschechische Schuldirektorin über ihren persönlichen Aha-Moment vor einigen Jahren. Die Wandlung „von der Ghettoschule zum Vorzeigeprojekt“, wie tschechische Medien sie bezeichnen, wird zum Muster für weitere Schulen im Land: Eine private Initiative will die jahrzehntelang praktizierte Segregation insbesondere von Schülern aus der Roma-Minderheit durchbrechen.

Dass Tschechien Kinder aus der Roma-Minderheit diskriminiert, hat der europäische Menschenrechts-Gerichtshof schon vor vielen Jahren festgestellt - und jetzt im Dezember droht dem Land deshalb sogar eine Klage. Denn an der Praxis, sozial schwache Schüler aus bildungsfernen Haushalten in speziellen Schulen zusammenzufassen, hat sich bislang im Land wenig geändert.

Dezentrales Schulsystem fördert Ausgrenzung

Dahinter steckt eine Besonderheit des tschechischen Schulsystems: Das Bildungsministerium hat nur bedingt Einfluss auf die einzelnen Einrichtungen. Die stehen unter Trägerschaft von Gemeinden oder Städten, die sogar die Posten der Schulleitungen in Eigenregie besetzen können - und für die zuständige Regionalpolitik ist es oft am bequemsten, die Kinder quasi aufzuteilen.

„Wenn es in einer Stadt zum Beispiel vier Grundschulen gibt“, erklärt Ondrej Matejka von der Prager Stiftung „EduZmena“, die hinter dem Pilotprojekt steht, „wird eine davon zur Top-Schule ausgebaut, dann gibt es zwei normale Schulen und eine, die quasi als Restschule fungiert.“ Im tschechischen Schulsystem decken die Grundschulen die Jahrgangsstufen eins bis neun ab.

Die Schule von Andrea Melechova Ruthova, die jetzt im Land für Furore sorgt, liegt in der 20.000-Einwohner-Stadt Kutna Hora eine Stunde östlich von Prag. Sie residiert in einem altehrwürdigen Akademie-Gebäude aus Zeiten der Habsburger Monarchie mit langen Fluren und hohen Räumen. „Als ich im Jahr 2016 hier angefangen habe, stammten 30 Prozent Kinder aus der Roma-Minderheit und nochmal 30 Prozent Kinder hatten spezielle Betreuungsbedürfnisse“, erinnert sie sich: „Zu der Zeit wurde Eltern mit schwierigen Kindern sogar in Beratungsstellen gesagt: Schickt das Kind auf diese Schule, die kommen mit solchen Kindern klar! Dadurch ist der Anteil dieser Schüler immer weiter gestiegen.“

Organisations- und Unterrichtsentwicklung im Fokus

Weil die Situation in Kutna Horá archetypisch ist für viele andere Städte in Tschechien, wählte die Stiftung EduZmena - zu Deutsch etwa: „Bildungswandel“ - sie für ihr Pilotprojekt aus. Über mehrere Jahre hinweg begleitete sie sowohl Schulen als auch die Stadt als Träger. Um teure bauliche Änderungen oder die Anschaffung von digitalen Unterrichtshilfen geht es in dem Projekt nicht; im Mittelpunkt steht stattdessen die Organisations- und Unterrichtsentwicklung.

„Wir haben kein vorgefertigtes Modell, wie eine Schule aussehen soll“, sagt Projektleiter Ondrej Matejka: „Wir wollen bloß, dass die Schule sich entwickelt, dass sie plant, reflektiert, dass sie auf die Probleme und Bedürfnisse von Schülern und Eltern reagiert. Und dass die Lehrer sich weiterbilden und nicht so weitermachen, wie sie es immer schon gemacht haben.“ Es ist ein ergebnisoffener Ansatz, bei dem der Schule keine fertigen Lösungen übergestülpt werden. Zum Start gab es eine aufwendige Fortbildung für die gesamte Schulleitung, getragen von der Stiftung: Unter anderem ging es darin um Führungsmethoden und Change Management. Danach erarbeitete die Leitung mit dem Lehrerkollegium eine Vision für die Schule.

Multiprofessionelle Teams im Einsatz

Gemeinsam veränderten sie die didaktischen Methoden, vom strengen Frontal-Unterricht hin zu interaktiven Formaten. Die Lehrkräfte, so beschreibt es die Direktorin, ließen die Zügel ein wenig lockerer, moderierten eher als dass sie vortrügen, und bezögen die Impulse der Schüler stärker ein. In jeder Klasse gibt es eine Entspannungs-Ecke mit dickem Teppichboden, und über allem steht das Ziel, dass sich die Schüler sicher und geborgen fühlen sollen - dafür ist unter anderem regelmäßig ein Team mit einem Sozialarbeiter, einer Sonderpädagogin und einer Psychologin an der Schule.

Alle diese Neuerungen hätten nach und nach Lehrkräfte angelockt, die Lust haben, etwas zu bewegen, sagt die Direktorin. Und: „Andere Kollegen wiederum, denen die Änderungen nicht behagen, haben sich lieber woanders hin versetzen lassen.“ Auch dadurch sei eine neue Dynamik in die Schule gekommen.

Viel Zulauf aus bildungsaffinen Elternhäusern

Und auch die Eltern horchten auf: Der neue, kooperative Unterrichtsstil machte die Schule auf einmal interessant für bildungsaffinere Elternhäuser. In der einst als „Ghettoschule“ verschrienen Schule hat sich der Anteil der Roma-Kinder mehr als halbiert. Und während die Anmeldungen früher oft nur für eine erste Klasse gereicht hätten, startete das aktuelle Schuljahr mit drei ersten Klassen - und Schülern, die aus dem ganzen Stadtgebiet kommen und sich bewusst für diese Schule entschieden haben.

„Das geht alles nur, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen“, sagt Projektleiter Matejka. Die Stiftung selbst habe schließlich keinerlei direkten Einfluss auf Schulträger und Schule: „Wir müssen viel Kraft und Energie in die Kommunikation investieren und viel erklären, worum es uns geht“, so ist sein Fazit. Die Ergebnisse, die das Team während der Pilot-Phase in Kutna Horá gesammelt hat, sollen jetzt auch anderswo in Tschechien nutzbar gemacht werden: Derzeit starten ähnliche Projekte in vier weiteren Gegenden des Landes. Der Erfolg von Kutna Horá, heißt es bei der Stiftung EduZmena, habe sich von selbst in Tschechien herumgesprochen. Es haben sich viel mehr Städte für die nächste Projektphase beworben als man aufnehmen konnte.

Kilian Kirchgessner


Gesundheit

Hebammenwissenschaftlerin: Ausbildungsreform war ein Erfolg




Barbara Fillenberg
epd-bild/Universität Mainz/AuenPictures

Mainz (epd). Die Versorgung werdender Mütter in Deutschland mit Hebammen hat sich nach Aussage der Mainzer Hebammenwissenschaftlerin Barbara Fillenberg in den zurückliegenden Jahren deutlich verbessert. „Noch nie waren wir so nah an unserem Ziel, eine Eins-zu-Eins-Betreuung zu erreichen, bei der Frauen sich ihre Hebamme aussuchen können“, sagte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dazu habe auch die Reform der Hebammenausbildung beigetragen.

Die auf EU-Ebene schon vor Jahren beschlossene Akademisierung des Hebammenberufs sei von der Bundesrepublik lange ausgebremst worden, bedauerte Fillenberg: „Deutschland hat die Vorgaben einfach nicht umgesetzt und versucht, es bis zum letzten Moment aufzuschieben.“

Andere Aufgaben als Ärzte

Dabei sei der Schritt unumgänglich gewesen. Geburten ohne medizinische Komplikationen könnten von Hebammen auch ohne Anwesenheit einer Ärztin oder eines Arztes geleitet werden. Umgekehrt sind Ärzte gesetzlich verpflichtet, zu jeder Geburt eine Hebamme hinzuzuziehen, was die besondere Verantwortung von Hebammen deutlich mache. Eine akademische Qualifikation sei daher angemessen, zumal Hebammen bei der Geburtsbegleitung ganz andere Aufgaben hätten als Ärzte.

Die gesetzlichen Grundlagen der Reform traten in Deutschland 2020 in Kraft. Seither können Hebammen mit deutschem Abschluss sich auch wieder in der gesamten EU auf eine Stelle bewerben. An der Mainzer Universitätsmedizin hat Fillenberg im Frühjahr die Lehrstuhl- und Studienleitung des neu aufgebauten dualen Bachelorstudiengangs übernommen. Sie bedauerte, dass auf die neuen Lehrstühle für Hebammenwissenschaft nicht immer ausgewiesene Hebammen berufen würden, sondern teilweise Gynäkologinnen. „Ich würde mich als Hebammenwissenschaftlerin niemals auf einen gynäkologischen Lehrstuhl bewerben“, sagte sie. „Es ist eine andere Disziplin.“

Nachfrage nach Studienplätzen weiter hoch

„Der 'Run' auf Studienplätze ist ungebrochen hoch“, sagte Fillenberg, „und es gibt sehr wenige Studierende, die abbrechen.“ Für Hebammen, die die neuen, mittlerweile an 46 Standorten angebotenen dualen Studiengänge absolviert haben, sei die Jobsuche anfangs kein Problem gewesen: „Alle haben sehr gute Arbeitsplätze gefunden. Inzwischen sieht es etwas anders aus, weil in vielen kleinen Häusern die Geburtshilfe geschlossen wurde.“

Schwangere im ländlichen Raum müssten dadurch immer weitere Wege auf sich nehmen. Jedes Mal, wenn eine Geburtsstation abseits der großen Städte wegfalle, sei dies eine politische Fehlentscheidung. „Das ist extrem kurzsichtig“, kritisierte die Verbandspräsidentin. Für freiberufliche Hebammen bleibe zudem die geringe Vergütung ihrer wichtigen Dienstleistungen ein Ärgernis: „Die letzte Gebührenanpassung erfolgte 2018.“

Karsten Packeiser


Nordrhein-Westfalen

Studie: Vereinbarkeit von Beruf und Pflege lohnt sich für Unternehmen



Gelsenkirchen (epd). Eine neue Studie belegt, dass Unternehmen, die sich aktiv mit dem Thema Vereinbarkeit von Pflege und Beruf befassen, von zahlreichen Vorteilen profitieren. Die Untersuchung wurde vom Servicezentrum des Landesprogramms Vereinbarkeit von Beruf und Pflege NRW beauftragt und bietet wertvolle Einblicke in die Erfahrungen von 341 Unternehmen im gesamten Bundesland, heißt es in einer Mitteilung vom 16. Dezember. Darunter seien sowohl Unternehmen, die bereits die „Charta zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“ unterzeichnet haben, als auch andere Unternehmen aus NRW.

Die Erhebung mit dem Titel „Wie gestalten Unternehmen in NRW Vereinbarkeitsstrukturen von Beruf und Pflege?“ wurde vom Institut Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen erstellt. Demnach berichten 87,6 Prozent der befragten Unternehmen, die die „Charta zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“ unterzeichnet haben, von einer gestiegenen internen Sensibilisierung für das Thema. „Dadurch können private Engagements der Mitarbeitenden sichtbarer und das Verständnis im Team für die Bedürfnisse pflegender Kolleginnen und Kollegen erhöht werden“, betonen die Forscher.

Ziel ist es, Fehlzeiten zu verhindern

Insgesamt geben 85,7 Prozent der befragten Unternehmensvertreter in diesen Betrieben an, dass Arbeitgebende und Belegschaft bereit seien, Kolleginnen und Kollegen aktiv bei der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu unterstützen. Zusätzlich zeige die Studie, dass 82,9 Prozent der Unternehmen eine Verbesserung der Qualität der Unterstützung wahrnehmen.

Die befragten Firmen sind sich demnach darin einig, dass es immer wichtiger wird, sich mit dem Thema Vereinbarkeit auseinanderzusetzen. Ziel ist es, Fehlzeiten bei Mitarbeitenden zu verringern und gleichzeitig das Personalmarketing zu verbessern.

Positive Effekte auf Personalmarketing und -bindung

„Angesichts der aktuellen Arbeitsmarktlage und der Entwicklung von Pflegebedürftigkeit sind verlässliche Vereinbarkeitsstrukturen eine beschäftigungs-, sozial- und wirtschaftspolitische Notwendigkeit“, sagte Michaela Evans-Borchers, Leiterin des Forschungsschwerpunkts „Arbeit und Wandel“ am IAT. Die Ergebnisse der Studie zeigten deutlich: Diese Erwartungen würden erfüllt. Die Zahlen unterstrichen, dass Vereinbarkeitsmaßnahmen nicht nur einen Mehrwert für die Mitarbeitenden schaffen, sondern auch ein positives Betriebsklima förderten.

Im Bereich Personalgewinnung und -bindung bestätigen 79,4 Prozent der befragten Unternehmen, dass Vereinbarkeitsmaßnahmen die Attraktivität als Arbeitgeber positiv beeinflussen. Besonders Charta-Unterzeichnende heben hervor, dass Vereinbarkeitslösungen die Außendarstellung ihrer Unternehmen deutlich verbessern. „Unternehmen, die in Vereinbarkeitsstrukturen investieren, fördern eine zufriedenere Belegschaft und stärken damit ihre eigene Zukunftsfähigkeit“, so Silke Völz, Wissenschaftlerin am IAT.



Obdachlosigkeit

LWL fördert "Housing First" mit sechs Millionen Euro



Münster (epd). Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) will in den kommenden Jahren sein „Housing first“-Programm für wohnungslose Menschen auf dem Land erweitern. Für den flächendeckenden Ausbau stellen LWL und LWL-Sozialstiftung bis 2027 sechs Millionen Euro bereit, wie der Landschaftsverband am 17. Dezember in Münster mitteilte. Dabei liege der Fokus auf den Wohnungseigentümern. So unterstütze der LWL den Neubau oder Erwerb von Wohnungen mit bis zu 40.000 Euro, wenn dort Menschen ohne Obdach einziehen können.

Wenn bestehende Wohnungen saniert werden, stelle der Landschaftsverband unter der Prämisse bis zu 30.000 Euro zur Verfügung, hieß es weiter. Für bezugsfertige Wohnungen gibt es demnach eine Prämie von bis zu 5.000 Euro.

Mietvertrag ohne Vorbedingungen

„Housing First“ bedeutet, Menschen mit sogenanntem komplexen Hilfebedarf zunächst eine Wohnung zu beschaffen, bevor andere Hilfe greifen kann, wie Hartmut Baar, Leiter des LWL-Inklusionsamtes Soziale Teilhabe erläuterte. Obdachlosen Frauen und Männern werde dabei Wohnraum mit regulärem Mietvertrag zur Verfügung gestellt, ohne dies an Bedingungen zu knüpfen. Das vor zwei Jahren gestartete LWL-Programm konnte den Angaben zufolge bislang 56 Wohnungen an Betroffene vermitteln.

Die Zahl der Menschen ohne eigene Wohnung in NRW ist im vergangenen Jahr auf einen neuen Höchststand gestiegen. Nach Angaben des NRW-Sozialministeriums vom Juli hatten 2023 knapp 109.000 Personen keine reguläre Wohnung mit eigenem Mietvertrag, rund 30.000 Personen mehr als im Jahr davor. Laut aktuellem NRW-Wohnungsnotfallbericht sind zudem erstmals mehr obdachlose Menschen in den 31 Landkreisen (63 Personen pro 10.000 Einwohnende) als in den 22 kreisfreien Städten (55 Personen) gezählt worden.

„Menschen ohne Wohnung gibt es im ländlichen Raum, also in den Kreisen, ebenso wie in den großen Städten“, sagte LWL-Direktor Georg Lunemann. Das Problem sei auf dem Dorf nur weniger sichtbar, weil die Betroffenen eher bei der Familie oder Freunden schlafen und nicht auf der Straße leben. Doch hätten die 40 Beratungsstellen für Wohnungslose, die der LWL in der eher ländlichen Region Westfalen-Lippe finanziert, 2023 einen Anstieg von neun Prozent auf rund 20.000 Klientinnen und Klienten verzeichnet.




sozial-Branche

Kirchen

Nicht nur Süßes für die Seele




Die Bremer Seemannsmission besucht den Erzfrachter "Aquadonna".
epd-bild/Dieter Sell
Die Seeleute auf der "Aquadonna" können zu Weihnachten nicht bei ihren Familien sein. Deshalb kommen Mitarbeitende der Bremer Seemannsmission an Bord des Erzfrachters, bringen Geschenke - und vor allem Zeit zum Reden. Sie sind hochwillkommen.

Bremen (epd). Vorsichtig, Schritt für Schritt, steigen Vanessa Kamrath und Marje Altenfelder vom Bremer Stahlwerk aus die leicht schwankende Gangway zum Deck der „Aquadonna“ hinauf, immer am haushohen Rumpf des Erzfrachters entlang. „Shipvisitor“ steht auf den knallgelben Westen der beiden Frauen, die sie schon von weitem als Mitarbeitende der Bremer Seemannsmission ausweisen. In ihren Armen balancieren sie Kisten mit Weihnachtstüten für die Crew des Frachters, gut gefüllt unter anderem mit Schokolade, die alle Seeleute lieben: Süßes für die Seele.

„The seamen's mission is coming“, ruft oben der wachhabende Matrose in sein Walkie-Talkie und strahlt. Die Seemannsmission ist hier hochwillkommen, das ist vom ersten Moment an deutlich zu spüren. Und das liegt nicht nur daran, dass Vanessa Kamrath, Marje Altenfelder und ihr Chef, der Bremer Seemannsdiakon Magnus Deppe, Weihnachtstüten bringen, in diesem Jahr allein in Bremen 1.000. Die Seemannsmissionen haben weltweit bei den Schiffbesatzungen einen guten Ruf.

Übergabe der Geschenke in der Messe

„Wer an Bord kommt, will meistens was von der Crew“, verdeutlicht Magnus Deppe. „Wir bringen etwas.“ Heute sind das neben den Geschenken wie so oft: Zeit zum Zuhören, praktische Hilfen, ein Shuttle in die Stadt. Doch nun geht es erst mal in die „Messe“, das Wohn- und Esszimmer der nagelneuen „Aquadonna“. Dort werden die Geschenktüten übergeben.

Auf dem knapp 200 Meter langen Massengutfrachter, der seit vier Monaten unter der Flagge von Panama unterwegs ist, arbeiten 20 Seeleute, alle von den Philippinen. Aus dem norwegischen Narvik nördlich des Polarkreises sind sie mit ihrem Schiff nach Bremen gekommen, um Erz für das Stahlwerk des Konzerns Arcelor Mittal zu liefern. Jetzt strömen sie in die Messe, zücken ihre Handys für Selfies mit den Bordbesucherinnen der Seemannsmission.

Arbeiten in monatelanger Isolation

Unter ihnen ist auch Kapitän Joel Babatid, der seit Indienststellung des Frachters an Bord ist. Sein Kontrakt geht noch fast ein halbes Jahr. Für viele Seeleute ist das die Normalität, sagt der Generalsekretär der Deutschen Seemannsmission, Matthias Ristau: „Sie arbeiten oft monatelang isoliert auf ihren Schiffen, zu Weihnachten können viele nicht bei ihren Familien sein.“ Dabei übernähmen sie in der weltweiten Logistik eine zentrale Aufgabe, auch jetzt vor dem Fest. Wohl die meisten Waren und damit auch ein Großteil der Weihnachtsgeschenke kämen per Schiff über das Meer nach Deutschland, beispielsweise aus China. Ristau nennt die Seeleute deshalb auch „Gehilfen des Weihnachtsmannes“.

Unterstützt werden sie in ihrem Job im In- und Ausland von 33 Stationen der Deutschen Seemannsmission, Bremen ist eine davon. „Im Prinzip kann man sagen, dass fast alle ihre Frauen, ihre Eltern, ihre Kinder, ihre Familie, ihre Freunde vermissen“, hat Vanessa Kamrath bei ihren Bordbesuchen erfahren. „Viele“, ergänzt sie, „können auch nachts nicht durchschlafen, sind überarbeitet, gestresst, einfach übermüdet.“

Maximal zwei Monate im Jahr bei der Familie

Weihnachten ist die Sehnsucht besonders groß. Dann tut ein Gespräch gut, das sich spontan zwischen Babatid - dunkle Mütze, Lachfältchen in den Augenwinkeln - und Seemannsdiakon Deppe entwickelt. Er sei schon seit 35 Jahren im Job, erzählt der philippinische Kapitän und Vater von fünf erwachsenen Kindern. Jetzt ist er 60, ein Jahr will er noch zur See fahren. Dann ist Schluss. „Ich bin maximal zwei Monate im Jahr zu Hause“, beschreibt er seine Situation. An Bord sei er der Chef, „zu Hause ist es meine Frau“, berichtet er lächelnd.

Die Station in Bremen wurde vor 170 Jahren gegründet und ist damit Deutschlands älteste Seemannsmission. 1854 eröffnete der Bremer Reeder und Kaufmann Friedrich Martin Vietor ein Haus für Seeleute. In der Tradition von damals - den Seeleuten zur Seite zu stehen - engagiert sie sich noch heute. „Wir haben mehr als 20 ehrenamtlich Mitarbeitende und besuchen fast alle Schiffe, die Bremen anlaufen“, sagt Magnus Deppe.

Das sind jährlich bis zu 2.000 Frachter mit Kontakten zu rund 30.000 Seeleuten. „Es ist uns wichtig, dass die Seeleute bei uns ein wenig abschalten können“, bekräftigt der Diakon, der mit seinem Team auch Crew-Mitglieder zum Einkaufen fährt, wenn nötig im Krankenhaus besucht und zur Freizeit im Seemannsclub „Lighthouse“ empfängt.

„Wir wollen ein Stück Heimat in der Fremde bieten und auf das Schiff bringen“, betont Deppe. Das hat auch dieses Mal wieder geklappt. Am Ende ihres Bordbesuches wird das Team der Seemannsmission herzlich verabschiedet. Männer aus der Crew rufen ihnen hinterher: „Merry Christmas.“

Dieter Sell


Bundestagswahl

Frauenrat: Gleichstellung ist Schlüssel zu gerechter Gesellschaft




Noch sind Frauen im Job oft weit entfernt von der Gleichstellung (Themenfoto)
epd-bild/Jens Schulze
Mit Blick auf die nun anstehende Bundestagswahl vermutlich im Februar 2025 formulieren viele Sozialverbände ihre Forderungen an eine neue Regierung - auch, weil nach dem Aus der Ampel viele begonnene Reformen nicht umgesetzt werden. epd sozial fasst die Appelle zusammen. Den Auftakt machen der Deutsche Frauenrat und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen.

Berlin (epd) Der Deutsche Frauenrat hat seine Forderungen zur Bundestagswahl 2025 veröffentlicht. „Als starke Stimme für Frauen machen wir in unseren Wahlforderungen deutlich: Kein Wachstum ohne Frauen! Wer bei Frauenrechten, Kitaplätzen, guter Bildung und Gewaltschutz spart, wird beim nachhaltigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbau scheitern“, heißt es in einer Mitteilung vom 17. Dezember.

Die größte frauenpolitische Interessenvertretung in Deutschland mahnt in ihrem Forderungskatalog eine engagierte gleichstellungspolitische Agenda für die kommende Legislaturperiode an. Angesichts multipler Krisenlagen sei Geschlechtergerechtigkeit ein zentrales Mittel, um den dringenden Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft zum Wohle aller zu gestalten, sagte die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, Beate von Miquel.

Reformwünsche in zehn Kapitel

In zehn Kapiteln legt der Frauenrat dar, welche gleichstellungspolitischen Maßnahmen in der kommenden Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden müssen. Dazu zählen unter anderem Maßnahmen, die Gleichstellungspolitik grundsätzlich implementieren, wie eine geschlechtergerechte Haushaltspolitik oder einen Gleichstellungscheck für Gesetze. Genannt werden aber auch weitreichende Maßnahmen für Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt, wie etwa die Durchsetzung von Entgeltgleichheit oder die soziale Absicherung von Minijobs.

Zudem wirbt der Frauenrat für weitere Schritte, um die Umverteilung von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern zu forcieren. Zudem müssten die Sorgeberufen aufgewertet werden. Die neue Bundesregierung müsse außerdem den Gewaltschutz und die -prävention verbessern. der Kampt gegen Antifeminismus müsse vehement geführt werden. Und schließlich brauche es dringend Reformen im Kindschafts- und im Steuerrecht sowie eine geschlechtergerechte Fiskalpolitik.

„Wir appellieren an die Parteien, gleichstellungspolitische Maßnahmen zur Stärkung von Frauenrechten in ihren Wahlprogrammen zu verankern. Sich in krisenhaften Zeiten vermeintlich wichtigeren Themen zuzuwenden, ist ein fataler Irrglaube: Gleichstellung ist kein nice-to-have, sie ist eine zentrale Antwort auf die Krisen unserer Zeit“, so von Miquel abschließend.

Seniorenverband: Wahlprüfsteine zum Thema gutes Altern

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) hat zur Bundestagswahl das Thema gutes Altern in die Debatte eingebracht. Es gehe um die Rahmenbedingungen für ein gutes Älterwerden in Deutschland, heißt es in einer Mitteilung zu veröffentlichten Wahlprüfsteinen zur Wahl. Man richte den Blick auf zentrale Herausforderungen der Seniorenpolitik.

„Mit den Fragen verbindet die BAGSO Forderungen zu acht Handlungsfeldern, die für ältere Menschen wichtig sind. Sie sollen den Parteien als Richtschnur für ihre Wahlprogramme dienen. Zu insgesamt acht Themenfeldern werde in der Publikation nach den Positionen der Parteien gefragt“, heißt es im Vorwort der Prüfsteine. Zugleich formuliert die BAGSO ihre Erwartungen an die Politik und zeigt selbst Lösungswege auf.

Die BAGSO-Vorsitzende Regina Görner fragt: „Wie können wir Menschen besser helfen, die von Armut im Alter bedroht oder betroffen sind? Wie können wir pflegende Angehörige entlasten und geeignete Wohnformen im Alter schaffen? Wie binden wir Ältere in die Entwicklung künstlicher Intelligenz ein und wie schützen wir sie vor Diskriminierung und Ausgrenzung?“ Diese und viele weitere Fragen müssten von der Bundespolitik beantwortet werden. Denn Alter sei kein Randgruppenthema. Es betreffe heute schon über 20 Millionen Menschen in Deutschland.

Auch Reformen in der Pflege werden angemahnt

Die BAGSO hat ihre Forderungen gemeinsam mit ihren 122 Mitgliedsorganisationen erarbeitet. Zentrale Themen sind demnach die Stärkung der Rechte älterer Menschen, bezahlbares und alternsgerechtes Wohnen, die Förderung digitaler Schulungsangebote sowie die Aufrechterhaltung analoger Zugänge zu den öffentlichen Dienstleistungen. Die BAGSO fordert zudem grundlegende Reformen in der Pflege, etwa den Ausbau der Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung und eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige.



Hessen

Bündnis gegen Bezahlkarte kündigt Wechselstuben an




Bezahlkarte für Geflüchtete in Hessen
epd-bild/Christopher Hechler
Die Bezahlkarte in Hessen kommt - und soll umgangen werden. Das unterstützt ein Bündnis. Es will Umtauschaktionen möglich machen, die es auch in anderen Bundesländern gibt.

Frankfurt a.M. (epd). Ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Initiativen kritisiert die Einführung der sogenannten Bezahlkarte für Asylsuchende in Hessen, deren Ausgabe am 16. Dezember startete. Die Karte schränke Asylsuchende „massiv in ihrer Selbstbestimmung ein, verstärkt Ausgrenzung und Stigmatisierung“, teilte das Bündnis „Hessen sagt Nein zur Bezahlkarte“ in Frankfurt am Main mit. Mit einer Umtauschaktion und einer Petition an Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) wolle das Bündnis die Karte aushebeln.

Der Bargeldbeschränkung der Karte will das Bündnis den Angaben zufolge mit Wechselstuben in mehreren hessischen Städten umgehen. Diese Strategie sei bereits in Hamburg und München erfolgreich, hieß es. Auch in Nürnberg gibt es das Angebot. In den Wechselstuben könnten Asylsuchende Einkaufsgutscheine, die sie etwa in Supermärkten per Kartenzahlung erworben haben, gegen Bargeld eintauschen.

Hamburg tauscht 300 Gutscheine im Monat

„Insgesamt kommen je Monat circa 300 Gutscheine bei uns an und werden wieder verteilt“, erklärte die Initiative in Hamburg. Das entspreche einer Summe von rund 15.000 Euro, in einigen Monaten seien es auch schon 20.000 gewesen, hieß es.

„Gerechtfertigt wird die Bezahlkarte vor allem mit den seit Jahren wissenschaftlich widerlegten ‚Pull-Faktoren‘: Die häufigsten Fluchtgründe sind bekanntermaßen Krieg, Verfolgung, Klimakrise und akute Not“, sagte Johanna Stoll von der Initiative „Frankfurt sagt Nein! zur Bezahlkarte“ laut Mitteilung. Die Karte ignoriere dies und sei Teil rechtspopulistischer Symbolpolitik.

Die Bezahlkarte ist eine Debitkarte ohne Kontobindung, die mit einem Guthaben aufgeladen werden kann. Eine Überziehung des Guthabens ist nicht möglich. Die Karte kann in Geschäften genutzt werden, die Visa akzeptieren. Außerdem kann an allen Geldautomaten in Deutschland und bei teilnehmenden Einzelhändlern im Rahmen des Einkaufs kostenlos Geld abgehoben werden - bis zu einem maximal verfügbaren Bargeldbetrag von 50 Euro pro Monat.

Auslandsüberweisungen in der Kritik

Überweisungen ins Ausland sind mit der Karte nicht möglich. Sie sei deshalb ein Signal an Schlepper, die sich eine Industrie mit Einnahmen in Millionenhöhe aufgebaut hätten, hatte Ministerpräsident Rhein bei der Vorstellung der Karte gesagt. Rhein gab an, dass im Jahr 2022 aus Deutschland rund sieben Milliarden Euro von Ausländern ins Ausland überwiesen worden seien. Welcher Anteil davon auf Geflüchtete entfiel und wie hoch der Anteil von hierzulande lebenden Ausländern ist, die regulär Berufen nachgehen, konnte Rhein jedoch nicht beziffern.

Die Regierungschefinnen und -chefs der Länder hatten die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete im November 2023 beschlossen. Doch es gibt keine flächendeckend gleiche Vorgehensweise. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen eigene Wege. Im Freistaat werden die Karten seit März dieses Jahres genutzt.

Der Berliner Senat hat sich nach monatelangem Streit zwischen CDU und SPD auf eine Lösung bei der Bezahlkarte für Asylbewerber geeinigt. Damit kommt die Bargeld-Obergrenze von 50 Euro monatlich auch in Berlin, aber mit einer Begrenzung auf sechs Monate, hieß es am 17. Dezember. Nach Ablauf dieser Zeit werde die Maßnahme überprüft, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU).

In Nordrhein-Westfalen wird im kommenden Jahr eine Bezahlkarte für Flüchtlinge eingeführt. Der nordrhein-westfälische Landtag stimmte am 18. Dezember in Düsseldorf in namentlicher Abstimmung mit 171 Ja- und 97-Nein-Stimmen sowie 11 Enthaltungen für die notwendige Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Mit der Bezahlkarte können Asylsuchende monatlich bis zu 50 Euro abheben. In Härtefällen kann die Summe auch höher sein. Allerdings steht es den Kommunen auch frei, die sogenannte Opt-Out-Regel zu nutzen und weiterhin gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz Geldleistungen, Sachleistungen oder Wertgutscheinen auszugeben.

Kein bundesweit einheitliches Vorgehen

Der Start der Bezahlkarte in 14 Ländern war eigentlich für Herbst 2024 geplant. Doch der Start verzögert sich gerade wegen einer juristischen Auseinandersetzung um die Auftragsvergabe für den Dienstleister der Bezahlkarte. Einige Kommunen in Deutschland haben die Bezahlkarte jedoch bereits eingeführt. Hamburg hat als erstes Bundesland ein Pilotprojekt zur Bezahlkarte gestartet. Auch in Hannover gibt es sie schon.

Der hessische Landesausländerbeirat hatte die Bezahlkarte und die Debatte um sie scharf kritisiert. Dem Bündnis gegen die Karte gehören nach eigenen Angabe Einzelpersonen an sowie lokale Initiativen und Organisationen wie die Seebrücke Frankfurt, die ehrenamtliche Beratungsstelle Café United, die Ada Kantine, Sea Eye Frankfurt oder auch die Beratungsstelle Pena.ger Frankfurt. Auch der Hessische Flüchtlingsrat unterstütze das Anliegen der Tauschbörsen, hieß es.

Renate Haller


Kirchen

Insolvenz bei Diakonie Passau abgewendet



Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege geraten zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. So auch die Diakonie Passau. Sie hat sich jetzt unter das Dach eines größeren Trägers begeben, um eine Insolvenz abzuwenden und künftig besser aufgestellt zu sein.

Passau/Traunstein (epd). Die Diakonie Passau bleibt als Einrichtung der Freien Wohlfahrtspflege erhalten. Eine Insolvenz konnte nach einem einjährigen Verfahren in Eigenverwaltung abgewendet und der Sozialträger saniert werden, sagte die geschäftsführende Diakonie-Vorständin Sabine Aschenbrenner am 16. Dezember in Passau. Ab 1. Januar kommenden Jahres werde der Betrieb von einer neu gegründeten Diakonie Passau gGmbH unter dem Dach des Diakonischen Werks (DW) Traunstein fortgesetzt.

Die Passauer Diakonie werde damit eine hundertprozentige Tochter des Diakonischen Werkes Traunstein, das mit rund 1.400 Mitarbeitenden in etwa 60 Dienststellen zu den größten Sozialunternehmen in der Region Südostbayern gehört. Mit diesem Schritt einer strategischen Partnerschaft sei der Sozialträger künftig wirtschaftlich „handlungsfähiger und resilienter“ aufgestellt, erläuterte der Sanierungsexperte und Diakonie-Berater Klaus Ziegler.

Die meisten Jobs bleiben erhalten

Im November 2023 hatte die Diakonie Passau wegen drohender Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren beantragt. Hauptproblem vieler Sozialträger seien die zuschussfinanzierten Arbeitsbereiche wie Beratungsstellen, die einen hohen Anteil der Gesamtausgaben ausmachten. Zehn Prozent dieser Kosten habe die Diakonie aus eigenen Mitteln bestreiten müssen, „für Ausgaben, die der Staat an den Sozialträger delegiert hatte“, merkte Ziegler kritisch an.

Mit dem Schritt einer strategischen Partnerschaft könne der Standort Passau ebenso erhalten bleiben wie die Bereiche soziale Beratung, ambulanter Pflegedienst, sozialpsychiatrischer Dienst mit Betreutem Wohnen sowie Beratungsstellen für Flüchtlinge und Migranten. Auch die überwiegende Zahl der aktuell rund 60 Arbeitsplätze blieben bestehen, hieß es.

Aus für Betreuungsverein und Beratungsangebote

Einen Wermutstropfen hätten die Restrukturierungsmaßnahmen dennoch gehabt: Bereits im Sommer hatte sich die Diakonie von ihrem Betreuungsverein trennen müssen, weil eine Refinanzierung der Kosten nicht gesichert war. Zum Ende dieses Jahres werde auch noch die Aidsberatung eingestellt, erläuterte Ziegler. Auch die Insolvenz- und Schuldnerberatung werde nur so lange weitergeführt, bis ein lokaler Partner gefunden sei, der sie übernehme.

Für den Standort Passau und die Menschen vor Ort sei es am wichtigsten, dass die diakonischen Leistungen auch künftig erbracht werden, sagte Martin Schmid, Vorstand des Diakonischen Werks Traunstein. Mit der neuen Lösung könne sich die Diakonie Passau zunächst stabilisieren, um dann „bedarfsgerecht weiterentwickelt“ zu werden, sagte sein Vorstandskollege Andreas Karau. Kleinere Träger seien kaum mehr in der Lage, die gesetzlichen Vorgaben allein zu erfüllen.

Der evangelische Passauer Dekan Jochen Wilde sagte, er habe das Ergebnis mit Erleichterung aufgenommen. Die Lösung werde den „Mitarbeitenden sowie den Klientinnen und Klienten gerecht“. Gesamtkirchlich gesehen sei die strategische Partnerschaft mit Traunstein „stilbildend und zukunftsfähig“, weil weitere Träger von Insolvenz bedroht sein könnten. Erst im Oktober hatte das Diakoniewerk München-Maxvorstadt sein Aus bekanntgegeben. Wilde appellierte an die Politik, die soziale Schere nicht noch weiter auseinandergehen zu lassen. Die Freie Wohlfahrtspflege sei der „Kit der Gesellschaft“, betonte Andreas Karau.

Gabriele Ingenthron


Kirchen

"Diak"-Verkauf: Millionen-"Mitgift" für defizitäres Krankenhaus



Es ist ein teurer Verkauf - für die bisherigen Eigentümer: Insgesamt 36 Millionen Euro zahlen das Sozialunternehmen Diakoneo, die württembergische Landeskirche und Diakonie dem Landkreis Schwäbisch Hall für die Übernahme des "Diak Klinikums".

Neuendettelsau/Schwäbisch Hall (epd). Der Landkreis Schwäbisch Hall übernimmt zum 1. Januar wie geplant die Diakoneo-Klinik „Diak“ in der Kreisstadt im baden-württembergischen Nordosten. Seit Monaten hatten die Kommune und das evangelische Sozialunternehmen verhandelt, am 18. Dezember stimmte der Kreistag der Übernahme zu und der Kaufvertrag wurde beim Notar unterzeichnet, wie Diakoneo und Landkreis gemeinsam mitteilten. Das Klinikum macht seit der Corona-Pandemie jedes Jahr Verluste im Millionenbereich. Deswegen erhält der Landkreis als neuer Eigentümer insgesamt 37 Millionen Euro an „negativem Kaufpreis“.

Das Sozialunternehmen Diakoneo übernimmt mit 21 Millionen Euro den Löwenanteil dieser „Mitgift“, rund 15 Millionen kommen von der württembergischen Landeskirche und Diakonischem Werk, eine weitere Million kommt aus der staatlichen Strukturförderung des Landes. Grund für diesen „negativen Kaufpreis“ sind die bestehenden Verbindlichkeiten des Klinikums, die der Landkreis nicht ohne Gegenfinanzierung übernehmen wollte. In der Diakoneo-Summe sei außerdem ein einstelliger Millionen-Betrag für die Anschubfinanzierung in der Zeit des Trägerwechsels zur Verfügung, heißt es in der Mitteilung.

Das Klinikum wird ab Januar unter dem neuen Namen „Diak Klinikum Landkreis Schwäbisch Hall“ firmieren. Sein diakonisches Profil soll es trotz der fortan kommunalen Trägerschaft aber behalten. Erkennbar bleiben soll das etwa „an der Seelsorge und den weiterhin bestehenden diakonischen Angeboten der Gemeinschaft“, hieß es. Diakoneo-Vorstandschef Mathias Hartmann bezeichnete den Verkauf als „wichtigen Meilenstein“ nicht nur zur Sicherung der Gesundheitsversorgung in der Region Hohenlohe-Franken. Man könne mit dieser Lösung zugleich „die wichtigen Arbeitsplätze unserer Mitarbeitenden in die Zukunft führen“, erläuterte er weiter.

Erhoffte Synergien blieben aus

Im Jahr 2019 hatte die damalige Diakonie Neuendettelsau mit dem Evangelischen Diakoniewerk Schwäbisch Hall fusioniert und sich in Diakoneo umbenannt. Die Fusion der ungleich großen Partner sollte aus Sicht der Neuendettelsauer vor allem auch im Klinik-Bereich Synergien schaffen, um dauerhaft als Krankenhausträger am Markt bestehen zu können. Doch die Diakoneo-Kliniken in Nürnberg und Schwäbisch-Hall schreiben seit Jahren Millionen-Verluste. Seit Beginn des Jahres 2024 hatte Diakoneo damit begonnen, Partner oder Käufer für seine beiden Kliniken am Standort Nürnberg sowie das „Diak“ in Schwäbisch-Hall zu suchen.s

Das fortan kommunale „Diak Klinikum Landkreis Schwäbisch Hall“ muss angesichts der schwierigen Situation im Krankenhaus-Bereich auch nicht alleine bestehen, betonte der Landkreis. Ab Januar werden das „Diak“ und das bisher schon landkreiseigene Klinikum Crailsheim von einer gemeinsamen Geschäftsleitung geführt. So soll die Zusammenarbeit und Vernetzung beider Häuser „weiter optimiert“ werden. Eine Beratungsfirma soll zudem ein gemeinsames Medizinkonzept erstellen, hieß es.

Daniel Staffen-Quandt


Sachsen-Anhalt

Träger der Behindertenhilfe wollen gegen neue Rechtsverordnung klagen



Seit Monaten schwelt der Streit zwischen Sachsen-Anhalts Sozialministerin Grimm-Benne und den Wohlfahrtsverbänden wegen der Eingliederung behinderter Menschen. Mehr ambulante Hilfen kosten mehr Geld, sagen die Verbände und kündigen Klagen an.

Magdeburg, Halle (epd). Mehrere Sozialverbände in Sachsen-Anhalt planen offenbar eine Klage gegen die am 17. Dezember erlassene Rechtsverordnung des Landes zur Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Vermutlich werde „eine höhere Anzahl“ von Trägern der Eingliederungshilfe gegen die Verordnung klagen, sagte der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (LAG WfbM), Martin Schreiber, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Demnach gibt es für die Rechtsverordnung keine Ermächtigungsgrundlage. Außerdem verstoße sie gegen höherrangiges Recht, etwa die Regelungen des Sozialgesetzbuchs. Er gehe von einem Verstoß gegen Grundrechte aus, sagte Schreiber.

Ministerin will Hilfen neu ausrichten

Das Landeskabinett erließ am 17. Dezember die Rechtsverordnung, nachdem Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) im März dieses Jahres den bestehenden Rahmenvertrag mit Trägern der Behindertenhilfe gekündigt hatte. Grimm-Benne sagte dazu in Magdeburg, sie wolle die staatlichen Hilfen für Menschen mit Behinderungen neu ausrichten.

Die Sozialministerin versicherte, es werde keinen Sozialabbau in der Eingliederungshilfe geben. „Die aktuellen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit den Trägern gelten bis zum Abschluss neuer Verhandlungen fort“, sagte Grimm-Benne: „Ich bin sicher, dass es nicht zu Kündigungen kommt.“ Auch Gehaltssteigerungen bei den anstehenden Tarifverhandlungen seien dabei berücksichtigt.

Weg von pauschal vorgehaltenen Leistungen

Grimm-Benne kritisierte erneut, dass die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in Sachsen-Anhalt nicht ausreichend umgesetzt werde. Das Bundesland habe die höchste Dichte an stationären Einrichtungen und ein vergleichsweise geringes Angebot an ambulanten Leistungen. „Wir wollen weg von pauschal vorgehaltenen Leistungen“, betonte die Sozialministerin. Stattdessen müssten die Wünsche und Bedarfe jedes Einzelnen mehr berücksichtigt werden.

Schreiber, sagte dazu, bei der Zielstellung bestehe im Grunde Einigkeit. Dafür brauche man aber mehr Geld. Die Pläne des Landes laufen aus seiner Sicht auf eine Kürzung der Vergütung hinaus.

Diakonie: Vertragskündigung unnötig

Auch der Vorstandsvorsitzende der evangelischen Diakonie Mitteldeutschland in Halle, Christoph Stolte, sprach sich für mehr individuelle Leistungen für Menschen mit Behinderungen aus. Dieses Ziel hätte man aber ohne eine Kündigung des Rahmenvertrags erreichen können, ist der Diakonie-Chef überzeugt.

Alle Wohlfahrtsverbände müssen laut Stolte zum Jahreswechsel Tariferhöhungen für die Beschäftigten schultern. Diese würden wegen der Umstellung auf die Rechtsverordnung derzeit nicht vom Land refinanziert. Dieser Prozess werde mindestens ein Jahr dauern, sagte Stolte.

Zuletzt demonstrierten in der vergangenen Woche rund 3.000 Menschen in Magdeburg gegen die Pläne der Ministerin. Die Verbände befürchten finanzielle Kürzungen und einen Personalabbau in der Behindertenhilfe.

Oliver Gierens


Asyl

Haus Wilstedt: Von Abschiebung bedrohte Pfleger machen Ausbildung



Wilstedt/Kr. Rotenburg/Wümme (epd). Die von einer Abschiebung bedrohten kolumbianischen Mitarbeitenden im Pflegeheim Wilstedt bei Rotenburg sollen dort eine Ausbildung absolvieren. Acht der neun Pflegehelferinnen und -helfer sollen in den kommenden Jahren im Haus zur Pflegefachkraft oder zur Pflegehilfskraft ausgebildet werden, bestätigte Heimbetreiber Tino Wohlmacher am 16. Dezember dem Evangelischen Pressedienst (epd). Außerdem werde ein Mann zum Koch ausgebildet. Für eine Frau, die bereits Pflege in ihrer kolumbianischen Heimat studiert habe, werde die Anerkennung ihres Studiums als Ausbildung angestrebt.

Wohlmacher zufolge ist der Plan mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) abgestimmt. Der hatte am 11. Dezember in Berlin eine Petition gegen eine Abschiebung der Betroffenen mit mehr als 83.000 gesammelten Unterschriften entgegengenommen. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner hatten ein Bleiberecht für die Kolumbianer gefordert.

Ziel ist die Ausbildungsduldung

Bis zum 20. Dezember würden alle Unterlagen der zehn Betroffenen bei der Härtefallkommission des Landes Niedersachsen vorliegen, berichtete Wohlmacher. Mit dem Beginn der Ausbildung trete eine „Ausbildungsduldung“ ein. Sie solle verhindern, dass die zehn Mitarbeitenden abgeschoben werden, noch bevor ihre Fälle von der Härtefallkommission geprüft wurden. „Das verschafft uns erst einmal Zeit.“

Ein Hintergrundgespräch mit Vertretern des niedersächsischen Sozial- und des Innenministeriums war nach Angaben der Initiatoren zuvor ergebnislos geblieben. Die Landesregierung hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass ihr in dem Fall die Hände gebunden seien und die Entscheidung über Asylanträge ausschließlich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liege. Die Betroffenen könnten sich jedoch an die niedersächsische Härtefallkommission wenden.



Arbeit

Diakonie: Bürokratie bremst Geflüchtete im Arbeitsmarkt aus



Berlin (epd). Der Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD) verweist auf hemmende Hürden bei der Suche und Anstellung ausländischer Arbeitskräfte. Viele Mitglieder bemühten sich um Geflüchtete, „doch bei der Personalgewinnung stoßen sie auf bürokratische Hürden“, heißt es in einer Mitteilung vom 18. Dezember.

Fast jedes zweite Unternehmen in der Diakonie versucht den Angaben nach, Geflüchtete als Arbeitskräfte für die Pflege, Krankenhilfe und andere Arbeitsbereiche zu gewinnen: Doch komplexe Anerkennungsverfahren, der hohe bürokratische Aufwand und Probleme mit dem Aufenthaltsstatus machen ihnen dabei zu schaffen. Das ergab die jährliche Herbstumfrage des Verbandes. Für drei Viertel der Befragten stellt sich die Verfahrensdauer für die Anerkennung von Berufsabschlüssen als „problematisch“ oder „sehr problematisch“ dar. An der Umfrage beteiligten sich 78 diakonische Unternehmen mit mehr als 213.000 Mitarbeitenden.

Klärung des Aufenthaltsstatus bereitet oft Probleme

Fast ebenso viele (73 Prozent) beklagen den hohen bürokratischen Aufwand und etwa jedes zweite Unternehmen (52 Prozent) ist mit Herausforderungen bei der Klärung und Dokumentation des Aufenthaltsstatus konfrontiert. Dennoch plant mehr als jedes dritte Unternehmen die Marketingaktivitäten zur Gewinnung von Geflüchteten auszubauen.

„Die Sozialwirtschaft ist auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen“, stellte Ingo Habenicht, Vorstandsvorsitzender des VdDD klar. Nach den vorliegenden Zahlen hatte im vergangenen Jahr knapp jede vierte neu eingestellte Hilfskraft und immerhin jede zehnte Fachkraft einen ausländischen Pass. Im Durchschnitt machen ausländische Beschäftigte in diakonischen Unternehmen neun Prozent aller Mitarbeitenden aus. Habenicht: „Wir brauchen in Politik und Behörden mehr Pragmatismus statt bürokratisches Klein-Klein, um Menschen schnell in den Job zu bringen.“

Hilfen wegen fehlendem Personal gefährdet

Der anhaltende Personalmangel führt den Angaben nach vermehrt dazu, dass Betten in Krankenhäusern oder Heimplätze nicht belegt werden können. Besonders gravierend sei die Situation im Bereich der Hilfe für Menschen in besonderen sozialen Situationen, wie Wohnungslose und Suchtkranke: 22 Prozent der vorhandenen Plätze konnten aufgrund von Personalmangel im Juni 2024 nicht belegt werden. Im Bereich der Krankenhilfe konnten 13 Prozent der Kapazität nicht ausgelastet werden, in der Kinder- und Jugendhilfe acht Prozent. Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum lag der Leerstand beispielsweise im Bereich der Krankenhilfe bei fünf Prozent, in der Kinder- und Jugendhilfe bei drei Prozent.

„Diese Situation bedeutet eine Unterversorgung von Menschen, die Assistenz, Versorgung und Hilfe benötigen, birgt sozialen Sprengstoff und auch wirtschaftliche Risiken für unsere Unternehmen. Daher muss die Arbeitsmarktpolitik sich den gegenwärtigen Herausforderungen stellen, um diesen Problemen zu begegnen“, so der Vorstandschef.

Dirk Baas


Verbände

Evangelische AG: Änderung des Gewaltschutzgesetzes reicht nicht



Berlin (epd). Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie (eaf) eaf fordert eine politische Gesamtstrategie für den Kampf gegen Partnerschafts- und häusliche Gewalt. Zwar begrüße sie den Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums, der die Einführung einer „elektronischen Fußfessel“ bei Tätern und die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs als neue Anordnungsmöglichkeiten im Gewaltschutzverfahren vorsehe. Doch könne das nur ein Baustein unter vielen weiteren sein. „Für einen umfassenden Gewaltschutz sind die vorgeschlagenen Änderungen nicht ausreichend“, heißt es in einer Mitteilung vom 17. Dezember.

Eine elektronische Aufenthaltsüberwachung könne in einzelnen Hochrisikofällen Leben retten, ist aber schon rein zahlenmäßig nicht die Lösung aller Gewaltschutzprobleme, so die Kritik. „Täterarbeit muss nicht nur ins Gewaltschutzgesetz, sondern auch ins Familienverfahrensgesetz geschrieben werden“, sagte Andreas Zieske, Bundesgeschäftsführer der eaf. „Prävention ist das Gebot der Stunde: Deutschland braucht nicht nur eine nationale Gewaltschutzstrategie, sondern auch eine übergreifende Präventionsstrategie.“

Die eaf dringt zudem auf eine zeitnahe, vollständige und konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention zum Gewaltschutz. „Bereits 2022 hat GREVIO, das Kontrollgremium des Europarates, in einem Zwischenbericht umfangreiche Mängel bei der Umsetzung der Konvention in Deutschland festgestellt. Seitdem ist nicht viel passiert“, bemängelt Zieske. „Wir fordern insbesondere, den Gewaltschutz ausdrücklich im Sorge- und Umgangsrecht zu verankern.“




sozial-Recht

Pflegegeld für elterliche Aufsicht über Essenseinnahme beim Kind




Justitia auf dem Römerberg in Frankfurt a.M.
epd-bild/Heike Lyding
Die elterliche Kontrolle über das Essen eines an Diabetes Typ 1 erkrankten Kindes kann einen Anspruch auf Pflegegeld begründen. Voraussetzung ist, dass das Kind einer nicht mehr altersentsprechenden Beaufsichtigung beim Essen bedarf, urteilte das Bundessozialgericht in Kassel.

Kassel (epd). Wenn Eltern ständig kontrollieren müssen, ob und was das an Diabetes erkrankte Kinder isst und trinkt, kann das „Pflege“ sein und bei der Bestimmung des Pflegegrades berücksichtigt werden. Das gilt zumindest dann, wenn Eltern mit der Kontrolle der Essensmenge Blutzuckerentgleisungen beim Kind verhindern wollen, urteilte am 12. Dezember das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Verfahren. Das Vorliegen eines zusätzlichen Pflegebedarfs besteht den Kasseler Richtern zufolge auch dann, wenn Kinder sich gegen das Legen einer Kanüle für ihre Insulinpumpe aus Angst wehren und Eltern sie ständig zur Kooperation überreden müssen, befand das Gericht.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen gibt es ab dem Pflegegrad 2 Pflegegeld. Zur Bestimmung des Pflegegrades prüft der Medizinische Dienst die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen in sechs sogenannten Modulen und bewertet diese mit insgesamt bis zu 100 Punkten. Dazu gehören etwa die Bereiche „Selbstversorgung“ (Modul 4), „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“ (Modul 3) oder auch „Bewältigung und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen“ (Modul 5). Weil Kleinkinder einen höheren Pflegebedarf haben, werden sie bis zum 18. Lebensmonat um einen Pflegegrad höher eingestuft als ältere Kinder.

Genaue Kontrolle der Essensmenge täglich nötig

Der Leitfall betraf einen wegen Diabetes Typ 1 insulinpflichtigen Jungen, der im Streitzeitraum zwischen sieben und 14 Jahre alt war und eine Insulinpumpe nutzte. Dabei musste er vor dem Essen seine Nahrungsmenge bestimmen, damit die Insulinpumpe über eine Kanüle die richtige Menge Insulin abgibt. Um Blutzuckerentgleisungen zu verhindern, war es notwendig, dass der Junge genau die festgelegte Nahrungsmenge zu sich nimmt, egal ob er noch Hunger hat oder nicht.

Die Eltern hatten für den klagenden Jungen bei der Pflegekasse der AOK Nordwest die Anerkennung des Pflegegrades 2 und damit Pflegegeld beantragt. Sie begründeten das unter anderem damit, dass sie ihr Kind bei der Nahrungsaufnahme ständig beaufsichtigen und zum Essen anhalten müssten. Nur so könne gewährleistet werden, dass die zuvor abgegebene Insulinmenge zur Nahrungsmenge passt und der Blutzuckerspiegel stimmt. Außerdem müsse der Junge motiviert werden, das etwa alle zehn Tage erforderliche schmerzhafte Legen der Kanüle für die Insulinpumpe zu erdulden. Auch das müsse bei der Bestimmung des Pflegegrades berücksichtigt werden, forderten die Eltern.

Medizinischer Dienst gewährt nur Pflegegrad 1

Die Pflegekasse holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes ein und stufte den Jungen daraufhin nur in Pflegegrad 1 - ohne Anspruch auf Pflegegeld. Allein das kindliche Abwehrverhalten gegen das Legen der Kanüle sei noch nicht krankheitsbedingt. Das könne allenfalls dann bei der Pflegegradbestimmung berücksichtigt werden, wenn das Kind eine psychische Angststörung entwickelt habe. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Die Eltern könnten das Kind trotz anfänglichen Abwehrverhaltens gut motivieren, etwa indem man es als Belohnung länger fernsehen lasse. Das sei Kindererziehung und keine Pflege. Eine psychische Störung liege nicht vor, hieß es.

Auch die Aufsicht über die erforderliche korrekte Nahrungsaufnahme stelle keinen zusätzlichen Pflegebedarf dar, entschied die Pflegekasse. Bei dem Kind sei die Nahrungsaufnahme bereits im Modul 5 als „Einhalten einer Diät“ berücksichtigt worden. Eine zusätzliche Berücksichtigung im Modul „Selbstversorgung“, zu dem auch „Essen und Trinken“ gehöre, scheide daher aus.

Gericht sieht ständigen Pflegebedarf

Das BSG gab jedoch nun den Eltern recht. Zum einen stelle die ständige Aufsicht über die richtige Essensmenge, abhängig von der jeweiligen Insulingabe, einen zusätzlichen Pflegebedarf dar. Zwar sei das Einhalten einer Diät bereits im Modul 5 (Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Belastungen) berücksichtigt. Aber: Die elterliche Aufsicht über die richtige Nahrungsaufnahme gehöre zum Modul 4 „Selbstversorgung“. „Entscheidend ist (...), dass das Kind im Zusammenhang mit der essensangepassten Dosierung der Insulingaben beim Essen erhöhten Anforderungen unterliegt und ob es insoweit - wie hier - einer besonderen, nicht mehr altersentsprechenden Beaufsichtigung beim Essen bedarf“, urteilten die obersten Sozialrichter. Das sei hier der Fall.

Zum anderen müsse auch die Angst des Kindes vor dem Legen der Kanüle und das daraus resultierende Abwehrverhalten bei der Pflegegradbestimmung berücksichtigt werden. Dabei sei es nicht erforderlich, dass die kindliche Angst Krankheitswert habe. Die Praxis der Pflegekassen, dass eine solche Angst nur bei Vorliegen einer psychischen Störung beim Pflegegrad berücksichtigt werden könne, sei mit dem Gesetz nicht vereinbar, urteilte das BSG. Der Kläger habe damit Anspruch auf Pflegegeld.

Az.: B 3 P 9/23 R und B 3 P 2/24 (Bundessozialgericht, Aufsicht Diabetes)

Frank Leth


Bundesarbeitsgericht

Rüge für Diskriminierungsklage als Geschäftsmodell



Erfurt (epd). Abgelehnte männliche Stellenbewerber können mit der gezielten Suche nach „Sekretärinnen“-Stellen keine Entschädigung wegen einer erlittenen Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts beanspruchen. Denn wollen Bewerber die Stelle eigentlich gar nicht antreten, sondern sich mit aussichtslosen Bewerbungen auf fehlerhaft formulierte Stellenausschreibungen einen „auskömmlichen Gewinn durch Entschädigungsansprüche erarbeiten“, handeln sie rechtsmissbräuchlich, stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 16. Dezember veröffentlichten Urteil klar.

Geklagt hatte ein arbeitsloser, gelernter Industriekaufmann, der ein Fernstudium zum Wirtschaftsjuristen absolviert. Der Mann hatte auf „Ebay-Kleinanzeigen“ ein Stellenangebot mit dem Titel „Wir suchen eine Sekretärin ab sofort“ entdeckt und auf Nachfrage erfahren, dass nur eine Frau gesucht werde. Daraufhin klagte er und bekam am 21. Juni 2020 vom Landesarbeitsgericht (LAG) Kiel noch eine Entschädigung von 7.800 Euro wegen einer erlittenen Diskriminierung aufgrund seines Geschlechts zugesprochen.

Mann suchte gezielt nach „Sekretärinnen“-Stelle

In der Folge suchte der Kläger gezielt nach Stellenausschreibungen, in denen nur eine „Sekretärin“ gesucht wurde. Er bewarb sich mit ähnlichen Texten und klagte nach erhaltener Absage auf eine Diskriminierungsentschädigung. Zuletzt ging es um die ausgeschriebene Stelle einer Ingenieurgesellschaft in Dortmund. Diese wollte nicht zahlen. Das LAG Hamm wies den Kläger ab. Er habe gar nicht wirklich die Stelle antreten, sondern nur eine Diskriminierungsentschädigung erhalten wollen.

Das Bundesarbeitsgericht stimmte dem zu. Der Kläger habe sich bundesweit systematisch und gezielt auf „Sekretärinnen“-Stellen beworben, hier einen Umzug trotz einer Entfernung von 170 Kilometern zwischen Dortmund und seinem Wohnort aber nicht in Betracht gezogen. Dem LAG seien in den zurückliegenden 15 Monaten elf andere Diskriminierungsklagen des Klägers bekanntgeworden.

In den Bewerbungen habe der Mann einen weitgehend ähnlichen, aussichtslosen Bewerbungstext verfasst und eine Absage provoziert, etwa in durch die Frage, ob tatsächlich nur eine „Frau“ gesucht werde. Zu Recht sei das LAG davon ausgegangen, dass der Kläger sich mit den Entschädigungsklagen einen auskömmlichen Gewinn „erarbeiten“ wollte.

Az.: 8 AZR 21/24 (BAG) Az.: 2 Sa 21/22 (LAG)



Landessozialgericht

Bedarf für Verhaltenstherapeuten in Berlin muss neu geprüft werden



Potsdam (epd). Die Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten durch zugelassene Psychotherapeuten darf nicht nur auf dem Papier gewährleistet sein. Müssen regelmäßig Versicherte, die sich in einer erheblichen psychischen Notlage befinden, wegen fehlenden Psychotherapeuten auf Privatpraxen ausweichen, weist das auf eine Unterversorgung hin, entschied das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in Potsdam in einem am 11. Dezember bekanntgegebenen Urteil. In solch einem Fall könne die erneute Bedarfsprüfung erforderlich sein, so das Gericht.

Der klagende Psychotherapeut mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie betreibt eine Privatpraxis in Berlin-Wedding. Trotzdem behandelt er zum größten Teil Kassenpatienten. Diese müssen hierfür im sogenannten Kostenerstattungsverfahren eine Zustimmung ihrer Krankenkasse einholen, die Behandlung zunächst selbst bezahlen und dann die Kostenerstattung bei ihrer Krankenkasse beantragen.

Sonderbedarfszulassung beantragt

Der Kläger wollte Kassenpatienten regelhaft behandeln können. Er beantragte eine Sonderbedarfszulassung. Die bislang zugelassenen Psychotherapeuten in Berlin könnten den Behandlungsbedarf nicht decken. Die von Ärzten und Krankenkassen eingerichteten Zulassungsgremien meinten jedoch, dass ein zusätzlicher Versorgungsbedarf nicht bestehe.

Sowohl das Sozialgericht Berlin als nun auch das LSG widersprachen. „Allein die hohe, jährlich sich im mittleren dreistelligen Bereich bewegende Anzahl von Kostenerstattungsverfahren deutet darauf hin, dass der Versorgungsbedarf mit den vorhandenen Kassensitzen derzeit nicht zureichend gestillt wird“, erklärten die Potsdamer Richter. Es bestünden daher „erhebliche Anhaltspunkte für eine tatsächliche Unterversorgung mit verhaltenstherapeutischen Therapiemöglichkeiten“. Betroffene Versicherte, die sich oft in einer erheblichen psychischen Notlage befänden, müssten auf einen freien Therapieplatz oft viele Monate warten.

Der zuständige Berufungsausschuss müsse nun den Bedarf neu ermitteln und prüfen, „inwieweit die derzeit zugelassenen Vertragspsychotherapeuten ihrem Versorgungsauftrag tatsächlich überhaupt gerecht werden, also im vorgesehenen Umfange Therapiestunden anbieten“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Az.: L 7 KA 43/21



Landessozialgericht

Weniger Geld für Asylbewerber bei mangelnder Mitwirkung



Essen, Duisburg (epd). Die finanzielle Unterstützung für Asylbewerber kann laut einer Entscheidung des Landessozialgerichts NRW eingeschränkt werden, wenn die Leistungsempfänger bei der Beschaffung von Reisedokumenten nicht ausreichend mitwirken. Damit wurde die Beschwerde einer Asylsuchenden abgelehnt, die aus Ghana stammt und seit 2009 in Deutschland lebt, wie das Gericht am 17. Dezember in Essen mitteilte.

Die Frau ist „vollziehbar ausreisepflichtig“, kann aber nicht abgeschoben werden, weil sie nicht im Besitz von Reisedokumenten ist. Die Asylbewerberin verfügt über eine Duldung und bezieht Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

Aufgrund mangelhafter Mitwirkung bei der Passbeschaffung beschränkte die zuständige Behörde die finanzielle Unterstützung für die Frau, die in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt, auf Leistungen für Ernährung, Unterkunft und Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. 228 Euro pro Monat standen der Frau damit zur Verfügung. Gegen diese Einschränkung der Leistungen ging die Asylsuchende juristisch vor und reichte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am Sozialgericht Duisburg ein. Die Duisburger Richter lehnten diesen Antrag ab.

Das Landessozialgericht gab der erstinstanzlichen Entscheidung grundsätzlich recht und wies die Beschwerde zurück. Die Essener Richter verpflichteten die Behörde jedoch dazu, der Frau über die bewilligten 228 Euro hinaus weitere 15 Euro zu zahlen. Laut dem Landsozialgericht dürfen Leistungsberechtigte nur noch eingeschränkte Leistungen erhalten, wenn sie aufgrund „von ihnen selbst zu vertretenden Gründen“ eine Abschiebung verhindern - etwa, indem sie nicht bei der Beschaffung von Reisedokumenten mitwirken, mit denen eine Abschiebung umgesetzt werden könnte.

Az.: L 20 AY 16/24 B E




sozial-Köpfe

Verbände

Oliver Müller im Vorstand des Deutschen Caritasverbandes




Oliver Müller
epd-bild/Bente Stachowske/Caritas
Der Deutsche Caritasverband hat sich ein neues Vorstandsressort für Internationales gegeben. Oliver Müller ist der erste Leiter in diesem Amt. Er verfügt über Expertise und Führungserfahrung.

Berlin (epd). Zum Jahreswechsel rückt Oliver Müller in den Vorstand des Deutschen Caritasverbandes auf. Er tritt am 1. Januar sein Amt als Vorstand Internationales, Migration und Katastrophenhilfe an. Der Caritasrat, das Aufsichtsgremium des Verbandes, hatte in seiner jüngsten Sitzung die Einrichtung eines eigenen Vorstandsressorts Internationales beschlossen und Müller zum Vorstand gewählt.

Müller leitet seit 2006 das Not- und Katastrophenhilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, Caritas International. Der promovierte Theologe und Politikwissenschaftler war in unterschiedlichen Funktionen bei Caritas International tätig, unter anderem als Leiter des Projektreferats Europa, das Wiederaufbauhilfe nach den Kriegen auf dem Balkan leistete und soziale Dienste in verschiedenen Ländern Mittel- und Osteuropas aufbaute.

Verantwortung endet nicht an Grenzen

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa sagte, die Schaffung des neuen Vorstandsressorts drücke die Überzeugung der Caritas aus, „dass unsere Verantwortung für Menschen in Not, für Klimaschutz und Gewaltfreiheit nicht an den Grenzen Europas endet“. Beide seien „gleichermaßen profilbildend“ für die Caritas. Müller verfüge über eine international anerkannte Experise in der humanitären Hilfe und lange Führungserfahrung.

Müller selbst sagte, mit der internationalen Arbeit in fast 80 Ländern der Erde stelle die Caritas sicher, „dass nationale und internationale Erfahrungen unserer Arbeit gut verknüpft werden - zum Beispiel in der humanitären Hilfe, beim Aufbau sozialer Strukturen und in der Reaktion auf Naturkatastrophen in Deutschland“.



Weitere Personalien



Petra Köpping (SPD) bleibt Sozialministerin in Sachsen. Sie hat das Amt seit Dezember 2019 inne. Die „Staatsministerin für Soziales, Gesundheit und Gesellschaftlichen Zusammenhalt“ ist zudem stellvertretende Ministerpräsidentin. Petra Köpping stammt aus Nordhausen, studierte Diplom-Staats- und Rechtswissenschaftlerin war von 1989/90 und von 1994 bis 2001 Bürgermeisterin der Gemeinde Großpösna. Von 2001 bis 2008 war sie Landrätin des Landkreises Leipziger Land. Bis zu ihrer ersten Wahl in den Sächsischen Landtag 2009 arbeitete sie als Beraterin der Sächsischen Aufbaubank. 2014 wurde Köpping zur Staatsministerin für Gleichstellung und Integration beim Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz berufen, 2019 dann Sozialministerin.

Gerd Nettekoven (68) scheidet nach langjähriger Tätigkeit für die Deutsche Krebshilfe aus dem Amt des Vorstandsvorsitzenden aus und wechselt in den Stiftungsrat der Organisation. Seine Nachfolge hat am 15. Dezember Franz Kohlhuber (58) angetreten, der bereits seit 2015 dem Vorstand der Deutschen Krebshilfe angehört. Karin Germann (59) übernimmt künftig als kaufmännische Vorständin Verantwortung bei der gemeinnützigen Organisation. „Gerd Nettekoven hat mit beispiellosem Einsatz und großer strategischer Weitsicht maßgeblich dazu beigetragen, die Deutsche Krebshilfe ganz im Sinne ihrer Gründerin Mildred Scheel zu einer starken, angesehenen und verlässlichen Organisation im Kampf gegen Krebs zu entwickeln“, sagte Anne-Sophie Mutter, Präsidentin der Deutschen Krebshilfe. Seit 2015 hatte Nettekoven die Funktion des Vorstandsvorsitzenden inne. Zuvor war er in verschiedenen Funktionen bei der Deutschen Krebshilfe tätig - über viele Jahre leitete er den Bereich Projektförderung und übernahm anschließend das Amt des Geschäftsführers und Hauptgeschäftsführers. Kohlhuber studierte Biologie in München und promovierte am Institut für Klinische Molekularbiologie und Tumorgenetik des Helmholtz Zentrums in der bayerischen Landeshauptstadt. Ab dem Jahr 2000 war zunächst im Bereich Projektförderung der Deutschen Krebshilfe tätig, den er ab 2002 leitete, bevor er 2012 Geschäftsführer und 2015 Mitglied im Vorstand wurde.

Melanie Beiner ist als Theologische Geschäftsführerin der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal im Rahmen eines Festgottesdienstes in ihr Amt eingeführt worden. Sie hat ihren Dienst am 1. Dezember aufgenommen. Die promovierte Theologin tritt die Nachfolge von Pastorin Andrea Wagner-Pinggéra an, die in den Vorstand der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel berufen wurde. Zuvor war Beiner als Oberkirchenrätin für das Dezernat Kirchliche Dienste in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau tätig. Sie verantwortete seit 2018 unter anderem fünf gesamtkirchliche Zentren und Handlungsfelder und war zudem beratendes Mitglied der Kirchenleitung. Die gebürtige Duisburgerin hat in Frankfurt am Main, Bonn und im fränkischen Neuendettelsau Evangelische Theologie studiert und im Fach Systematische Theologie promoviert. Während ihrer Zeit als evangelische Pastorin im Kirchenkreis Burgdorf schloss sie zudem ein Studium der Erwachsenenbildung per Fernstudium an der Universität Kaiserslautern ab. Sie war im Anschluss Dozentin am Religionspädagogischen Institut Loccum für den Bereich Vikarsausbildung, ab 2014 dann Leiterin und Geschäftsführerin der Ev. Erwachsenenbildung Niedersachsen.

Lisa Kappes-Sassano (64), fast 15 Jahre lang Leiterin der Caritas-Region Fils-Neckar-Alb, geht in den Ruhestand. Sie war über 40 Jahre lang für die Caritas tätig. Caritasdirektor Oliver Merkelbach würdigte sie als eine Person, die „mutig und zugewandt ist, dazu bescheiden und sachorientiert“. Ihre Nachfolge tritt Franz Xaver Baur (55) an. Der Kultur- und Erziehungswissenschaftler sowie Systemische Coach bringt Erfahrung in der offenen Jugendarbeit und in der Schulsozialarbeit mit. Zuletzt leitete er das Berufsbildungswerk Waiblingen. Lisa Kappes-Sassano trat 1983 als Diplom-Sozialarbeiterin ihr Anerkennungsjahr beim Jugendamt der Stadt Stuttgart an. Sie arbeitete in Nordrhein-Westfahlen als Schwangerschaftskonfliktberaterin, im Sozialdienst sowie in der Jugendgerichtshilfe für italienische Migranten, bevor sie 1993 zum Caritasverband Rottenburg-Stuttgart wechselte. Hier war sie zunächst in der Migrationsberatung tätig, leitete den Fairkauf in Reutlingen und das Caritas-Zentrum in Esslingen, bevor sie 2007 die Fachleitung Soziale Hilfen und 2010 die Regionalleitung der Caritas Fils-Neckar-Alb übernahm.

Marian Zachow ist am 22. Dezember in sein Amt als neuer Theologischer Vorstand der Diakonischen Stiftung Wittekindshof eingeführt worden. Zugleich wurde sein Vorgänger Dierk Starnitzke offiziell verabschiedet. Zachow, der als Pfarrer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck gearbeitet hat, ist seit 2014 Hauptamtlicher Erster Beigeordneter des Landkreises Marburg-Biedenkopf. Seine neuen Leitungsaufgaben wird Zachow gemeinsam mit dem kaufmännischen Vorstand Marco Mohrmann ab dem 1. Januar übernehmen. Starnitzke stand mehr als 18 Jahre an der Spitze der Diakonischen Stiftung. Der Theologe war zugleich Vorsteher der Brüder- und Schwesternschaft des Wittekindshofes. Die Stiftung ist in der Behindertenarbeit aktiv und beschäftigt rund 3.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 18 Städten in Ostwestfalen, im Münsterland und im Ruhrgebiet.

Ralf Zastrau ist zum ersten Vorsitzenden der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft gewählt worden. Er ist Nachfolger von Jörn Wessel, der in den Ruhestand geht. Zweiter Vorsitzenden bleibt Joachim Gemmel, im Hauptamt CEO der Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA. Zastrau vertritt den Verband der Freien in der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft. Im Hauptamt ist er Geschäftsführer in der Albertinen-Krankenhaus/Albertinen-Haus gGmbH der Immanuel Albertinen Diakonie.

Tayfun Keltek (77) bleibt Vorsitzender des Landesintegrationsrates NRW. Er wurde auf einer Mitgliederversammlung im Amt bestätigt. Er ist Diplomsportlehrer und kommt aus Köln. Den stellvertretenden Vorsitz übernehmen Ksenija Sakelsek, Seyfullah Köse und Fotis Matentzoglou. Der Landesintegrationsrat NRW ist das Vertretungsorgan der Integrationsräte. Im Februar 2012 wurde er mit der Verabschiedung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes gesetzlich verankert.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis Februar



Januar

14.1.-3.2.:

Online-Kurs „Endlich gute Besprechungen! - Meetingstrukturen, Meetingformate, Entscheidungsfindung und Besprechungskultur“

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/286976-10

15.1.:

Online-Fachveranstaltung „Soziale Arbeit über Grenzen hinweg: Internationale Familienstreitigkeiten: Sorge- und Umgangsrechtskonflikte sowie Kindesentführungen mit Auslandsbezug“

der Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Tel.: 030/62980-424

15.-23.1.:

Seminar „Mit EU-Geldern das eigene Profil stärken - Einführung in EU-Förderprogramme 2021-2027“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbands

Tel.: 0761/2001700

16.-17.1. Berlin:

Seminar „Auffälligkeit oder Herausforderung? Besondere Kinder verstehen und begleiten“

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/2758282-14

27.-30.1. Freiburg:

Seminar „Moderations- und Leitungskompetenz für Konferenzen, Arbeitsteams und Projektgruppen“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbands

Tel.: 0761/2001700

30.1. Köln:

Seminar „Krisen erkennen und überwinden“

der Solidaris Unternehmensberatung

Tel.: 02203/8997-384

30.-31.1.:

Online-Veranstaltung „Social Media für kirchliche und diakonische Einrichtungen“

der Akademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/3012819

Februar

5.2. Münster:

Seminar „Vergütungssatzverhandlungen in der Eingliederungshilfe“

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 02203/8997-519

6.2. Münster:

Seminar „Strategisches Dienstplanmanagement in der stationären Altenhilfe - Nettopersonalberechnung, Arbeitsanalyse und Dienstplanung“

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 02203/8997-519

12.-13.2. Fulda:

Training „In Führung gehen. Sich selbst und andere führen“

der Akademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 03361/710 943

18.2.:

Online-Seminar „Achtsamkeit und Lebensphasen in der Personalverantwortung“

der Akademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 0172/3012819

19.2.:

Webinar „Soziale Arbeit über Grenzen hinweg - Länderübergreifende Zusammenarbeit in Kinderschutzfällen mit Auslandsbezug unter besonderer Beachtung von Fällen von Handel mit und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen“

des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Tel.: 030/62980-424

26.2.:

Online-Seminar „Die flexible Stiftung - Zuwendungen richtig gestalten“

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 089/179005-27