sozial-Branche

Sachsen-Anhalt

Träger der Behindertenhilfe wollen gegen neue Rechtsverordnung klagen



Seit Monaten schwelt der Streit zwischen Sachsen-Anhalts Sozialministerin Grimm-Benne und den Wohlfahrtsverbänden wegen der Eingliederung behinderter Menschen. Mehr ambulante Hilfen kosten mehr Geld, sagen die Verbände und kündigen Klagen an.

Magdeburg, Halle (epd). Mehrere Sozialverbände in Sachsen-Anhalt planen offenbar eine Klage gegen die am 17. Dezember erlassene Rechtsverordnung des Landes zur Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Vermutlich werde „eine höhere Anzahl“ von Trägern der Eingliederungshilfe gegen die Verordnung klagen, sagte der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (LAG WfbM), Martin Schreiber, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Demnach gibt es für die Rechtsverordnung keine Ermächtigungsgrundlage. Außerdem verstoße sie gegen höherrangiges Recht, etwa die Regelungen des Sozialgesetzbuchs. Er gehe von einem Verstoß gegen Grundrechte aus, sagte Schreiber.

Ministerin will Hilfen neu ausrichten

Das Landeskabinett erließ am 17. Dezember die Rechtsverordnung, nachdem Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) im März dieses Jahres den bestehenden Rahmenvertrag mit Trägern der Behindertenhilfe gekündigt hatte. Grimm-Benne sagte dazu in Magdeburg, sie wolle die staatlichen Hilfen für Menschen mit Behinderungen neu ausrichten.

Die Sozialministerin versicherte, es werde keinen Sozialabbau in der Eingliederungshilfe geben. „Die aktuellen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit den Trägern gelten bis zum Abschluss neuer Verhandlungen fort“, sagte Grimm-Benne: „Ich bin sicher, dass es nicht zu Kündigungen kommt.“ Auch Gehaltssteigerungen bei den anstehenden Tarifverhandlungen seien dabei berücksichtigt.

Weg von pauschal vorgehaltenen Leistungen

Grimm-Benne kritisierte erneut, dass die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in Sachsen-Anhalt nicht ausreichend umgesetzt werde. Das Bundesland habe die höchste Dichte an stationären Einrichtungen und ein vergleichsweise geringes Angebot an ambulanten Leistungen. „Wir wollen weg von pauschal vorgehaltenen Leistungen“, betonte die Sozialministerin. Stattdessen müssten die Wünsche und Bedarfe jedes Einzelnen mehr berücksichtigt werden.

Schreiber, sagte dazu, bei der Zielstellung bestehe im Grunde Einigkeit. Dafür brauche man aber mehr Geld. Die Pläne des Landes laufen aus seiner Sicht auf eine Kürzung der Vergütung hinaus.

Diakonie: Vertragskündigung unnötig

Auch der Vorstandsvorsitzende der evangelischen Diakonie Mitteldeutschland in Halle, Christoph Stolte, sprach sich für mehr individuelle Leistungen für Menschen mit Behinderungen aus. Dieses Ziel hätte man aber ohne eine Kündigung des Rahmenvertrags erreichen können, ist der Diakonie-Chef überzeugt.

Alle Wohlfahrtsverbände müssen laut Stolte zum Jahreswechsel Tariferhöhungen für die Beschäftigten schultern. Diese würden wegen der Umstellung auf die Rechtsverordnung derzeit nicht vom Land refinanziert. Dieser Prozess werde mindestens ein Jahr dauern, sagte Stolte.

Zuletzt demonstrierten in der vergangenen Woche rund 3.000 Menschen in Magdeburg gegen die Pläne der Ministerin. Die Verbände befürchten finanzielle Kürzungen und einen Personalabbau in der Behindertenhilfe.

Oliver Gierens