im Kampf gegen den wachsenden Fachkräftemangel könnten hoch qualifizierte Asylbewerber etwas Abhilfe schaffen. Doch rechtlich ist das unmöglich, ein „Spurwechsel“ aus dem Asylrecht in die Arbeitsmigration ist nicht vorgesehen. Und doch gibt es ihn vereinzelt, wie der Fall eines Iraners zeigt, der jetzt in Fürstenfeldbruck beschäftigt ist. Der niederländische Migrationsforscher Hein de Haas beklagt, dass die politische Debatte über Migration oft auf falschen Annahmen beruht. Im Interview mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärt er, warum Migration sich nicht steuern lässt wie ein Wasserhahn, den man auf- und zudreht, und warum Grenzschließungen für die Zuwanderungskontrolle wenig bringen.
Die Bahnhofsmission in Gießen gibt es seit 100 Jahren. Doch Ende August ist Schluss mit den vielen sozialen Hilfen an den Gleisen. Die Einrichtung schließt. Grund dafür ist ein Trägerwechsel von der Diakonie Hessen zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Deshalb könne die Diakonie Hessen nicht mehr wie bisher Geld aus Lotto-Mitteln weiterleiten, heißt es zur Begründung. Das sei „bedauerlich und schmerzhaft“. Mitarbeiter der Bahnhofsmission sagen: Die Probleme am Bahnhof werden dadurch nicht kleiner.
Die Diskussion über die Höhe des Bürgergeldes und mögliche Verschärfungen bei verweigerter Arbeit reißt nicht ab. Sozialverbände versuchen, die „populistische Scheindebatte“ rasch zu beenden. epd sozial hat einige Aussagen und Zahlen zur Einordnung zusammengetragen.
Arbeitnehmern, die sehr häufig krank sind, kann personenbedingt gekündigt werden. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in Rostock entschieden. Es befand: Häufige, ausgeheilte Kurzzeiterkrankungen eines Arbeitnehmers können auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hinweisen. Besteht deshalb nachweislich eine negative Gesundheitsprognose, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.
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Ihr Dirk Baas
Fürstenfeldbruck (epd). Max Kohlhaas muss nicht lange überlegen. Den Fachkräftemangel bekommt auch er zu spüren. „Es ist schwierig für uns, Nachwuchs zu finden. Jemand wie Saeed ist absolut wichtig für uns“, sagt der Geschäftsführer von „kohlhaas*partner“ in Germering bei München, einem Unternehmen für Innen- und Markenarchitektur. Mit Saeed meint er seinen iranischen Mitarbeiter, der in England, Polen und Malaysia Bauingenieurwesen studiert hat und seit fast zwei Jahren für ihn als Projektmanager arbeitet.
Saeed Kamankesh ist 2020 vor dem iranischen Regime nach Deutschland geflohen und hat Asyl beantragt. Im Frühjahr 2021 wurde sein Asylgesuch abgelehnt, dagegen hat der heute 36-Jährige geklagt - und wartet seitdem auf eine richterliche Entscheidung. In Deutschland - genauer gesagt in Fürstenfeldbruck, wo er wohnt - fühlt er sich längst zu Hause. „Heimat ist da, wo ich frei bin und mir ein Leben aufbauen kann“, sagt er. Für seine Zukunftspläne spiele der Iran keine Rolle mehr.
Zu schlecht seien die Erinnerungen an sein Herkunftsland, erzählt Kamankesh. Das Regime habe Wind bekommen von seiner kritischen Haltung. Als dann noch in seine Wohnung eingebrochen wurde und sein Laptop und seine Papiere geklaut wurden, sei ihm klar geworden, dass sein Leben in Gefahr ist. Er sei dann einfach nur noch weggerannt. Bis nach Griechenland habe er sich durchgeschlagen, in Thessaloniki habe er 6.000 Euro an Schleuser gezahlt, damit sie ihn im Lkw versteckt nach Deutschland bringen.
Die Gesamtschutzquote für iranische Asylbewerber liegt laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei derzeit 28,7 Prozent. Im vergangenen Jahr haben in Bayern 975 Menschen aus dem Iran erstmals einen Asylantrag gestellt, zwischen Januar und Ende Mai dieses Jahres waren es 290. Mehr als 9.000 Asylverfahren von iranischen Staatsangehörigen waren bis Ende Mai beim Bundesamt anhängig. Seit Januar werden in Bayern wieder vermehrt Menschen in den Iran abgeschoben.
Saeed Kamankesh ist ein klassisches Beispiel für einen hochqualifizierten Migranten, der Deutschland eigentlich im Kampf gegen den Fachkräftemangel helfen könnte. Das Verzwickte an der Situation: Er ist über den Asylweg nach Deutschland gekommen, ein „Spurwechsel“ hin zur Arbeitsmigration ist laut Bundesinnenministerium grundsätzlich nicht vorgesehen. Hintergrund sei das Interesse des Staates, die Zuwanderung zu steuern, erläutert das Bundesinnenministerium auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd).
Nur bei gut integrierten Geduldeten - also bei abgelehnten Asylbewerbern, die sich unter anderem selbst ihren Lebensunterhalt durch eine Beschäftigung sichern können - kann von diesem Grundsatz abgewichen werden. Ein solcher „Spurwechsel“, so die offizielle Sprachregelung, soll aber die Ausnahme bleiben: „Denn dieser würde das Signal senden, die bestehenden Einreisebestimmungen zu umgehen und über erkennbar erfolglose Asylanträge den Weg in den Aufenthalt zu Arbeitszwecken zu ermöglichen.“
Für Max Kohlhaas als Arbeitgeber bedeutet dieses starre System ein unternehmerisches Risiko. Damit Saeed Kamankesh für ihn arbeiten kann, brauchte es einen unbefristeten Arbeitsvertrag. „Ich musste also in Vorleistung gehen - und im schlimmsten Fall darf Saeed nicht bleiben“, sagt Kohlhaas. Auch Dienstreisen ins Ausland seien nicht gestattet. Kohlhaas wünsche sich hier mehr Verbindlichkeit vonseiten des Staats. Saeed sei menschlich wie fachlich ein hervorragender Mitarbeiter.
Aus einem Bericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge geht hervor, dass ein relativ großer Teil der Asylsuchenden hochqualifiziert ist - hier stechen vor allem Menschen aus dem Iran und Venezuela hervor: Rund 83 Prozent beziehungsweise 78 Prozent von ihnen, die im ersten Halbjahr 2023 Angaben zu ihrem Bildungsstatus gemacht haben, hatten einen hohen Schulabschluss, vergleichbar mit dem deutschen Abitur. 46,3 beziehungsweise 40,5 Prozent hatten einen Hochschul- oder Universitätsabschluss.
Seit fast drei Jahren wartet Saeed Kamankesh auf eine richterliche Entscheidung, ob die Ablehnung seines Asylantrags rechtens war - eine Hängepartie, die ihn zunehmend belastet. Juristischen Beistand bekommt er von einer Anwältin. Bleibt die Ablehnung bestehen, wird er offiziell ausreisepflichtig und könnte abgeschoben werden - auch wenn er wegen seiner Qualifikation, Deutschkenntnisse und Beschäftigung, mit der er sich seinen Lebensunterhalt selbst finanziert, ein Kandidat für einen „Spurwechsel“ wäre.
Außerdem ist Saeed gut integriert. Durch Zufall ist er kurz nach seiner Ankunft im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck bei der evangelischen Erlöserkirche und Pfarrer Valentin Wendebourg gelandet. Über die Kontakte in der Kirchengemeinde habe er Wohnung und seine erste Arbeit gefunden, erzählt Kamankesh. Dafür sei er dankbar und wolle etwas zurückgeben. Er helfe daher regelmäßig beim Mittagstisch und bei der Integration von Flüchtlingen. „Für uns ist Saeed mit seiner freundlichen und integrativen Art ein Glücksfall“, sagt Pfarrer Wendebourg.
München (epd). Im vergangenen Jahr haben rund 330.000 Menschen in Deutschland erstmals einen Asylantrag gestellt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg fragt inzwischen auch „soziale Komponenten“ ab. Dazu zählen unter anderem der berufliche und schulische Hintergrund. Der aktuelle Bericht dazu bezieht sich auf das erste Halbjahr 2023: Rund 150.000 Menschen haben in diesem Zeitraum einen Asylantrag gestellt, darunter 103.000 Volljährige. 69.000 von ihnen haben Auskunft über ihren Bildungs- und Berufshintergrund gegeben.
Hauptherkunftsländer: Die meisten volljährigen Menschen, die im ersten Halbjahr 2023 erstmals in Deutschland Asyl beantragt haben, kommen aus Syrien (29.150), Afghanistan (18.896), der Türkei (13.850), dem Iran (4.683), Georgien (3.457), dem Irak (3.127), Russland (2.780), Venezuela (1.435), Somalia (1.340) und Indien (1.273).
Schul- und Hochschulabschlüsse: Bei hohen Bildungsabschlüssen stechen zwei Länder hervor: Knapp 83 Prozent der Geflüchteten aus dem Iran und rund 78 Prozent der Geflüchteten aus Venezuela hatten einen hohen Schulabschluss - also vergleichbar mit dem deutschen Abitur. Nur 3,3 Prozent der Iraner und 3,6 Prozent der Venezolaner hatten gar keinen Schulabschluss. Auch bei Hochschulabschlüssen lagen diese zwei Länder vorn: 46,3 Prozent der Iraner hatten einen Hochschul- oder Uniabschluss und 40,5 Prozent der Venezolaner. Dazu kommen 14,9 beziehungsweise 14,3 Prozent mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Gut ausgebildet sind auch Geflüchtete aus Russland, von denen 93,2 Prozent einen hohen oder mittleren Schulabschluss haben, 33,7 Prozent einen Hochschul- oder Uniabschluss sowie 24,5 Prozent eine abgeschlossene Berufsausbildung.
Beruflicher Hintergrund: In den Branchen, in denen es in Deutschland große Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften gibt, sind ebenfalls der Iran, Venezuela und Russland vorn: 6,6 Prozent der geflüchteten Iraner sind technische Fachkräfte oder Ingenieure; 5,4 Prozent sind IT'ler; 5,1 Prozent kommen aus dem Erziehungs- und Bildungssektor und 7,1 Prozent aus dem Gesundheits- und Pflegesektor. Bei den Venezolanern sind es 3,3 Prozent technische Fachkräfte/Ingenieure (Russland: 3,5 Prozent), 4,1 Prozent IT'ler (Russland: 5,5), 6,6 Prozent kommen aus dem Erziehungs- und Bildungssektor (Russland: 7,0) und 7,5 Prozent aus dem Gesundheits- und Pflegesektor (Russland: 6,5).
Frankfurt a.M. (epd). Hein de Haas forscht seit drei Jahrzehnten zu Migration. Der Niederländer veröffentlichte zuletzt das Sachbuch „Migration - 22 populäre Mythen und was wirklich hinter ihnen steckt“. Darin zeigt er, dass die politische Debatte über Migration oft auf falschen Annahmen beruht. Im Interview mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärt er, warum Migration sich nicht steuern lässt wie ein Wasserhahn, den man auf- und zudreht, und warum Grenzschließlungen für die Zuwanderungskontrolle wenig bringen. Die Fragen stellte Franziska Hein.
epd sozial: Sie argumentieren, dass Versuche, die Migration einzuschränken, nicht viel bewirken. Warum ist das so?
Hein de Haas: Viele politische Maßnahmen haben nicht die beabsichtigte Wirkung oder sind sogar kontraproduktiv. Das liegt daran, dass diese Konzepte nicht auf dem Verständnis dafür basieren, wie Migration wirklich funktioniert. Wir sollten die Diskussion über Migration sachlicher führen. Es ist wichtig zu wissen, dass es seit den 1970er und 1980er Jahren immer wieder Debatten über Einwanderung gibt, weil sie ständig schwankt.
epd: Was sagen Sie den Politikern und Leuten, die versprechen, die illegale Migration zu reduzieren?
Hein de Haas: Politiker versprechen oft, Zuwanderung zu verringern, weniger Flüchtlinge aufzunehmen und die Integration zu fördern. In ganz Europa und in den Vereinigten Staaten sagen Politiker, dass sie gegen die Schleuserkriminalität im Mittelmeer oder an der US-mexikanischen Grenze vorgehen und die illegale Migration bekämpfen werden. Sie behaupten, sie würden die Zahl der Migranten und Flüchtlinge reduzieren. Es geht aber selten darum, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Die entscheidende Frage, die kaum gestellt wird, ist das „Wie“.
epd: Warum ist das so?
Hein de Haas: Das größte Missverständnis in Bezug auf die Migration ist, dass man sie kontrollieren kann wie einen Wasserhahn, den man auf- und zudreht. Migration wird weitgehend von sozialen und wirtschaftlichen Prozessen bestimmt. In politischen Debatten wird zudem oft der Eindruck erweckt, es ginge hauptsächlich um Flüchtlinge, aber die tatsächlichen Flüchtlinge machen nur einen relativ kleinen Teil der gesamten Migration aus. In Europa, auch in Deutschland, hat die Zuwanderung in den letzten 10 bis 20 Jahren deutlich zugenommen, was vor allem auf die Arbeitsmigration und nicht auf Flüchtlinge zurückzuführen ist.
epd: Politiker in der EU und in Deutschland fordern oft, die Grenzen zu kontrollieren oder gar zu schließen. Hätte das irgendwelche Auswirkungen?
Hein de Haas: Wenn man die Grenzen schließt, bedeutet das oft, dass die Migration in den Untergrund geht. Die Schließung der Grenzen führt zu unerwarteten Effekten und kann völlig kontraproduktiv sein. Je schwieriger man die Einreise macht, desto mehr Migranten neigen dazu, zu bleiben.
epd: Das muss ja Gründe haben ...
Hein de Haas: Freie Migrationsbewegungen sind stark zirkulär und fließend. Beschränkungen frieren die Migration oft ein und drängen Migranten in dauerhafte Niederlassungen. Für Migranten, die sich illegal in einem Land aufhalten, besteht sogar noch weniger Anreiz, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren. Das geschah zum Beispiel bei den Gastarbeitern, die aus der Türkei und anderen Ländern nach Deutschland kamen. In den 1970er und 1980er Jahren, als die Einreise erschwert wurde, kehrten die Menschen nicht zurück, sondern blieben und holten ihre Familien nach. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Auswirkungen von Beschränkungen sowohl auf die Zuwanderung als auch auf die Rückwanderung zu verstehen. So sollte beispielsweise der Brexit die Migration stoppen, aber er hat viele Osteuropäer erst dazu gebracht, sich dauerhaft in Großbritannien niederzulassen, weil sie Angst hatten, zurückzugehen.
epd: Sollten wir also lieber die Grenzen öffnen?
Hein de Haas: Statt pauschal Grenzen zu öffnen, wäre es wahrscheinlich hilfreicher, mehr legale Migrationswege zu schaffen. Gegenwärtig wird in Ländern wie Deutschland oder Frankreich massiv geleugnet, dass viele gering qualifizierte Arbeitsmigranten aus europäischen und außereuropäischen Ländern alle möglichen Arbeiten verrichten, die Einheimische nicht machen wollen. Hier liegt das Hauptproblem: Man kann in einem wohlhabenden Land mit einer alternden Bevölkerung keinen liberalen, offenen Arbeitsmarkt haben und gleichzeitig viel weniger Zuwanderung wollen. Die Migration dient mächtigen wirtschaftlichen Interessen und kommt nicht nur Großunternehmen, sondern auch der Mittelschicht zugute. Die Menschen bekommen zum Beispiel ihr Essen geliefert, lassen ihre Großeltern von Wanderarbeitern pflegen oder ihre Häuser putzen.
epd: In Ihrem Buch sprechen Sie von einem sogenannten Migrationstrilemma, vor dem die westlichen Regierungen stehen. Was meinen Sie damit?
Hein de Haas: Das Migrationstrilemma bedeutet, dass man nicht drei Dinge gleichzeitig haben kann: eine erfolgreiche Wirtschaft, die eine große Nachfrage nach Arbeitskräften, sowohl hoch als auch niedrig qualifizierte, schafft, eine offene Demokratie, die wir erhalten wollen, und eine deutlich reduzierte Zuwanderung. Es ist unmöglich, alle drei Ziele gleichzeitig zu erreichen. Eine florierende Wirtschaft zieht Migranten an, und in einer liberalen Demokratie, die die grundlegenden Menschenrechte achtet, sind die Möglichkeiten, die Mobilität von Menschen zu kontrollieren, begrenzt.
epd: Warum sind Gesellschaften, Politiker und die Medien so besessen von diesem Thema?
Hein de Haas: Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Erstens wird Migration oft als Sündenbock für verschiedene Probleme benutzt. Zweitens ist das Schüren von Angst eine klassische Taktik von Politikern. Wenn die Menschen Angst vor einem äußeren Feind haben, neigen sie dazu, sich hinter einen starken Politiker zu stellen, der verspricht, das Land zu retten und die Probleme zu lösen.
epd: In Ihrem Buch zeigen Sie, dass Geldtransfers in die Herkunftsländer oft die Entwicklungshilfe übertreffen. Wie könnte sich das Prepaid-Kartenmodell für Asylbewerber in Deutschland auswirken?
Hein de Haas: Das ist vor allem Symbolpolitik. In Deutschland und den Niederlanden leben viele Flüchtlinge von der Sozialhilfe, auch weil sie nicht arbeiten dürfen und lange auf eine Arbeitserlaubnis warten müssen. Die meisten Flüchtlinge wollen aber nicht abhängig sein, sondern ihr Leben in die Hand nehmen und einen Beitrag leisten. Exemplarisch ist der Umgang mit ukrainischen Kriegsflüchtlingen in den Niederlanden. Sie erhalten eine sehr geringe Lebensunterhaltsbeihilfe, dürfen aber sofort arbeiten. Diese schnelle Eingliederung in den Arbeitsmarkt zeigt, dass es von Vorteil sein kann, wenn Flüchtlinge arbeiten dürfen. Viele nordwesteuropäische Länder wie Deutschland, auch die Niederlande oder die skandinavischen Länder sind immer noch mit diesem „Abhängigkeitssyndrom“ konfrontiert, weil sie nicht akzeptieren können, dass einige Menschen einfach nicht mehr zurückkehren werden und das auch nicht schädlich ist. Das derzeitige System wird jedoch in Zukunft Probleme schaffen, da es zu mehr Ausgrenzung und Abhängigkeit von der Sozialhilfe führt.
Hamburg (epd). Ihre Rente reicht einfach nicht - nicht für Tierpark-Ausflüge mit den Enkelkindern, nicht für ein Eis und erst recht nicht für neue Autoreifen. Um sich solche Extras leisten zu können, sammelt Waltraud S. seit mehr als zwei Jahren Pfandflaschen und Dosen. Sie ist vor allem bei Großveranstaltungen in Hamburg oder bei Fußballspielen am Stadion unterwegs. „Da kommen zwischen 30 und 130 Euro pro Tag zusammen“, sagt die 71-Jährige, die anonym bleiben möchte.
Auch beim Christopher Street Day Anfang August wird sie wieder losgehen. „Ich freue mich schon auf die schöne Stimmung“, sagt sie. Denn Flaschensammeln bedeutet für die Rentnerin auch, einfach mal rauszukommen.
„Mehr Menschen in Deutschland sammeln Pfandflaschen, um sich etwas dazuzuverdienen“, sagt Pascal Fromme, Projektleiter der Fritz-Kola-Initiative „Pfand gehört daneben“. Laut aktueller Studie gibt es 2024 hierzulande hochgerechnet fast 1,2 Millionen Pfandsammler und damit 13,4 Prozent mehr als im September 2022 (1,03 Millionen). „Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch höher ist“, sagt Fromme.
Besonders durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten kämen viele Menschen mit ihrem Geld nicht mehr aus. Fast ein Drittel der Pfandsammler (31 Prozent) haben 2024 erstmals Leergut mitgenommen, 36 Prozent sammeln öfter und mehr Pfand als zuvor. Für die meisten bleibt es ein Gelegenheitsjob, ergab die Studie. Nur 16 Prozent der befragten Sammler sind täglich unterwegs.
Der sozialen Initiative geht es darum, Vorurteile abzubauen: „Es gibt nicht diese eine typische Person, die Pfand sammelt, es ist in allen Gesellschaftsschichten ein Thema“, weiß der 30-Jährige. Fast die Hälfte der Pfandsammler (43 Prozent) hätten Abitur oder Fachhochschulreife. Auch das verbreitete Bild in der Bevölkerung, dass die meisten von ihnen obdachlos seien, passe nicht, erläutert Fromme: „67 Prozent der befragten Pfandsammler sind nicht obdachlos und waren es auch noch nie.“ 33 Prozent der Pfandsammler sind erwerbstätig, 23 Prozent bekommen eine Rente.
Fast die Hälfte (48 Prozent) verdient mit dem Zusammentragen weniger als 50 Euro im Monat, was etwa sieben Flaschen mit einem Pfandwert von 25 Cent pro Tag entspricht. „Eine goldene Nase lässt sich damit nicht verdienen“, weiß Fromme. Nur acht Prozent der Befragten kommen auf 500 Euro oder mehr im Monat, wofür sie etwa 66 Flaschen mit 25 Cent Pfandwert pro Tag sammeln müssen.
Die Initiative wirbt darum, Pfandflaschen neben Abfalleimer abzustellen. „Jeder kann einen kleinen Beitrag dazu leisten, bedürftigen Menschen zu unterstützen und vor dem Wühlen im Müll zu bewahren“, erklärt Fromme. Die 2011 gegründete Initiative „Pfand gehört daneben“ wurde 2015 von Fritz-Kola übernommen und hat mittlerweile über 150 Partner, darunter viele Getränkehersteller. Mit dem Slogan „Every Bottle Helps“ breitet sich die Initiative aktuell in Polen und in den Niederlanden aus.
Es gehe auch um mehr Anerkennung für Menschen, die oft übersehen werden. Sie halten die Umwelt sauber und stützen das Recyclingsystem. Fromme erklärt: „So landen mehr Mehrwegflaschen bei Getränkeherstellern anstatt in der Müllverbrennung.“ Um die Situation für Pfandsammler zu verbessern, fordert er eine Ausweitung der Pfandpflicht und plant weitere Aktionen wie die Pfandhaus-Kunstaktion auf dem Southside-Festival oder Kooperationen mit der Deutschen Bahn. „Pfand spenden ist so einfach und kann so vielen Menschen helfen“, sagt Fromme.
Menschen wie Waltraud S., die mit dem nächsten Pfandgeld ihre Cousinen besuchen möchte: „Ich brauche das Geld für die Bahntickets und kleine Mitbringsel.“ Und vielleicht reicht es auch noch für ein Eis.
In diesem Sommer soll ein Referentenentwurf zur dritten Stufe der inklusiven Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe - SGB VIII - vorgelegt werden. Vor diesem Hintergrund möchte das Bundesjugendkuratorium mit diesem offenen Brief alle politisch Verantwortlichen in der Bundes- und Landespolitik, aber auch die Fachöffentlichkeit dazu aufrufen, die gesetzlichen Grundlagen für eine Verwaltungs- und Organisationsreform der Kinder- und Jugendhilfe zu schaffen. Es gilt die politischen und infrastrukturellen Voraussetzungen zu erfüllen, damit eine inklusive Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe in den kommenden Jahren möglich werden kann.
Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) wurde die Kinder- und Jugendhilfe bereits 2021 auf eine inklusive Öffnung hin ausgerichtet und auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung eine inklusive Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe angekündigt. Damit wurden die Weichen gestellt. Nunmehr müssen die rechtlichen, organisationalen und verwaltungsbezogenen Grundlagen geschaffen werden, damit dieser Weg nicht zu einer Sackgasse wird.
Wenn jetzt der nächste Schritt nicht erfolgt, werden nicht nur die Sozial- und Jugend- sowie Landesjugendämter, die sich bereits auf den Weg gemacht haben, dem Auftrag des KJSG sowie der Ankündigung des Koalitionsvertrages gefolgt sind, auf Dauer vor Verwaltungshürden gestellt, sondern auch diejenigen, die abgewartet haben. Denn die Herausforderung, die Eingliederungshilfe für junge Menschen und ihre Familien sowie die Kinder- und Jugendhilfe organisational zu reformieren, steht auf der Agenda. Ein „weiter so“ - wie es jetzt ist - wird es nicht geben können.
In jedem Fall muss die Eingliederungshilfe für junge Menschen beispielsweise sich fachlich partizipativ weiter gegenüber jungen Menschen in den Verfahren öffnen, dies sehen nicht nur die UN-Konventionen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) und Kinderrechte (UN-KRK), sondern auch die geltenden sozialrechtlichen Bestimmungen in Deutschland vor. Auch die Kinder- und Jugendhilfe wird sich organisational damit auseinandersetzen müssen, wie sie zukünftig junge Menschen mit Behinderungen zum Beispiel im Kinderschutz besser erreicht und neu mit der Eingliederungshilfe kooperiert. Weitere Beispiele für einen Handlungsbedarf können ohne Weiteres genannt werden.
Das Bundesjugendkuratorium hat im Frühjahr 2024 fachliche Koordinaten formuliert, um auch die Fachdiskussionen auf ihrem Weg in die Richtung einer inklusiven rechtebasierten Kinder- und Jugendhilfe weiter zu bestärken und zum Beispiel Kinder- und Jugendhilfeplanungsprozesse vor Ort zu ermuntern, sich partizipativ und inklusiv zu öffnen. Es sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen die Jugendämter vor Ort und die Landesjugendämter und -behörden inklusive Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe gestalten können. Es wäre ratsam diese Grundlage so anzulegen, dass die Aufgaben für die Jugendämter und freien Träger organisational umsetzbar sind, junge Menschen und ihre Familien ihre Rechte transparent wahrnehmen können und mehr beteiligt werden sowie nicht weiter Doppelstrukturen und Übergangslösungen existieren oder gar neue geschaffen werden.
Die Diskussionen um die inklusive Öffnung begleiten die Kinder- und Jugendhilfe seit den 1980er Jahren. Damals konnten sich die Verantwortlichen nur zu einer sogenannten kleinen Lösung mit dem § 35a im SGB VIII durchringen. Dieser Kompromiss hat in den Folgejahren zu verwaltungs- und organisationsbezogenen Ambivalenzen in Jugend- und Landesjugendämtern sowie den zuständigen Sozialbehörden geführt. Er hat die Diskussionen um eine weiterführende inklusive „Lösung“ nicht beenden können. Seither schwelt die Fachdiskussion um eine weitergehende Sozialverwaltungsreform, die in unterschiedlichen Kinder- und Jugendberichten der Bundesregierungen angemahnt und immer wieder auch vom Bundesjugendkuratorium empfohlen wurde.
Die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode einen umfassenden Dialogprozess durchgeführt und die unterschiedlichen Positionen gesammelt und ausgetauscht. Die Dokumentation hierzu wurde Anfang Juli 2024 veröffentlicht. Erstmals wurden auch Selbstvertretungen in einer eigenen Säule in diesem Prozess einbezogen sowie ein wissenschaftliches Kuratorium eingesetzt. Viele Bürgerinnen und Bürger, Fachverbände, politische Gremien sowie Kommunal- und Landesvertretungen haben in diese Prozesse in den letzten Jahren Zeit investiert und die unterschiedlichen Vorschläge und Verfahrenswege ausgelotet. Die Beteiligung der Selbstvertretungen hat gezeigt, wie weiterführend die Hinweise aus diesen Organisationsformen sind, aber auch, dass die Kinder- und Jugendhilfe bis in die Ministerien hinein, noch am Anfang steht, Selbstvertretungen wirklich strukturell zu beteiligen. Entsprechend sollten die zukünftigen gesetzlichen Regelungen, die Beteiligung von Selbstvertretungen mehr absichern.
Insgesamt hat das jahrelange Warten aber auch dazu geführt, dass viele Übergangsformen und Zwischenlösungen existieren und Angebote nicht den aktuellen Bedarfen und dem internationalen Recht zum Beispiel der UNBRK und UN-KRK entsprechend angepasst werden. Modellprojekte - wie „Inklusion jetzt!“ - zeigen, wie inklusive Angebote gestaltet werden können und welche organisationalen Bedingungen notwendig sind. In der Kindertagesbetreuung findet sich vielerorts bereits eine inklusive Wirklichkeit - dies ist auszubauen.
Die hohen Anforderungen, die gleichzeitig gegenwärtig unzweifelhaft auf den Jugendämtern und freien Trägern liegen, müssen bei der Reform Berücksichtigung finden und zum Beispiel durch Qualifizierungsprogramme, organisationale und nachhaltige Beratungsprozesse und Fachkräfteprogramme begleitet werden. Am Ende darf nicht die Qualität der Hilfen für die jungen Menschen sowie ihre Familien während der Reform beeinträchtigt werden. Hier ist es sicherlich ein wichtiger Schritt, die Verfahrenslotsen weiter gesetzlich zu verankern.
In den fachlichen Koordinaten hat das Bundesjugendkuratorium ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Fachdiskussionen, die eine Überforderung der Kinder- und Jugendhilfe anmahnen, nur dann produktiv sind, wenn Bund, Länder und Kommunen daran arbeiten, wie eine resiliente Kinder- und Jugendhilfe organisiert werden kann. Diese Aufgabe ist politisch ernster zu nehmen, als es bisher geschieht. Dabei geht es selbstverständlich auch um Ressourcen, die weniger unmittelbar als vielmehr in einem längerfristigen Stärkungsprozess der Kinder- und Jugendhilfe investiert werden müssen, um die Infrastruktur langfristig effizient, niedrigschwellig und bedarfsorientiert auszugestalten.
Die Kinder- und Jugendhilfe ist heute zu der Dienstleistungsinfrastruktur für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sowie für Familien vor Ort in den Kommunen und Städten geworden und der koordinierende Motor im institutionellen Gefüge des Aufwachsens für alle jungen Menschen vor Ort. Dies erfordert vor allem eine politische Aufmerksamkeit, die erkennt, dass es viel mehr Ressourcen langfristig kostet, wenn Infrastrukturen nicht funktionieren und Not- und Übergangslösungen Bedarfe nur ausbalancieren können.
Das Bundesjugendkuratorium fordert darum die Bundes- und Landesregierungen und -parlamente sowie alle Beteiligten in den kommenden Monaten auf, den Weg für eine inklusive, die Rechte der jungen Menschen und Familien stärkende Reform des SGB VIII frei zu machen und schnellstmöglich ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden. Auf dieser Grundlage muss dann miteinander konkret und zeitlich realistisch verhandelt werden, wer welche Kosten trägt und Unterstützungs- und Begleitungsprogramme gestaltet - auch diesbezüglich braucht es bedarfsgerechter Verabredungen zwischen den beteiligten politischen Verantwortungsebenen.
Kontaktpersonen für dieses Papier: Christine Buchheit, Christian Lüders, Wolfgang Schröer, Kristin Teuber
Karlsruhe (epd). Die wirtschaftliche Lage der deutschen Krankenhäuser ist nach Ansicht von Caroline Schubert, Vorständin der ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe, bedrohlich. Auch die Kliniken in der Region Karlsruhe litten seit 2022 unter Kostensteigerungen, die weder vom Bund noch vom Land Baden-Württemberg ausreichend gegenfinanziert würden, sagte Schubert im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Während der Corona-Pandemie hätten die staatlichen Hilfen viele Häuser „getragen“, berichtete die Krankenhaus-Managerin. Jetzt überrolle die Inflation die Kalkulation. Sprunghaft angestiegen seien mangels Ausgleichszahlungen vor allem Personal- und Sachkosten. Hinzu kämen gesunkene Patientenzahlen nach Corona sowie ein neuer Bewertungsmodus für erbrachte Leistungen trotz weiter bestehender Fixkosten. „Da schieben wir einen riesigen Sockel vor uns her“, sagte Schubert. Die Lücke im Etat bezifferte sie auf einen zweistelligen Millionenbetrag für die Jahre 2022, 2023, und 2024.
Schubert sprach von einem „Wettlauf gegen die Zeit“. Bereits 2025 bekämen 80 Prozent der deutschen Kliniken massive finanzielle Probleme. Die Vorständin forderte kurzfristige Unterstützungsleistungen vom Bund und vom Land, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können.
Bereits jetzt würden teilweise Stationen geschlossen, weil Personal fehle. Operationen würden verschoben, weil Schichten knapp besetzt seien, also nur mit einem Ärzteteam. Zudem habe der Gesetzgeber vorgegeben, dass kleinere Operationen - wenn möglich - in ambulanten Zentren und nicht stationär ausgeführt werden sollten.
Weiter verwies Schubert auf die zeitweise „extrem angespannte Situation“ in den Notaufnahmen. Nach der Klinikreform in Karlsruhe, in deren Folge aus der Fusion des Diakonissenkrankenhauses und der St. Vincentius Kliniken die ViDia Christliche Klinken entstanden, gibt es nur noch zwei Notaufnahmen für die 310.000 Einwohner-Stadt. Bis 2016 waren es noch vier Anlaufstellen für Akutfälle.
Laut dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für eine große Krankenhausreform soll die bisherige Finanzierung der Krankenhäuser durch die Krankenkassen grundlegend umgestellt werden. Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen sogenannte „Leistungsgruppen“ sein. Bundesweit soll damit die Qualität der Behandlung durch gleiche Standards sichergestellt werden. Zusätzliches Geld für Kliniken ist ab 2027 jährlich vorgesehen etwa für die Bereitstellung von Kindermedizin-, Geburtshilfe-, Schlaganfall- und Intensivstationen. Auch Unikliniken sollen mehr Geld bekommen. Bis dahin jedoch bräuchten die Klinken eine kurzfristige Finanzspritze, um überleben zu können, sagte Schubert.
Gießen (epd). Wieder klingelt es. Ein Mann betritt die Bahnhofsmission. Er geht zum Tresen, bekommt ein Wurstbrötchen und einen Kaffee. „Möchten Sie auch eine Banane?“, fragt Mitarbeiterin Dagmar Seel. Der Mann nickt und setzt sich an einen freien Tisch. Ringsum sind viele Plätze besetzt. „Sie machen ja zu hier“, sagt jemand. Unter den Besuchern der Gießener Bahnhofsmission hat es sich längst herumgesprochen: Ende August schließt die Einrichtung.
Grund dafür ist ein Trägerwechsel von der Diakonie Hessen zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Deshalb könne die Diakonie Hessen nicht mehr wie bisher Geld aus Lotto-Mitteln weiterleiten, heißt es bei der Diakonie. „Die Entwicklung unserer Mitgliederzahlen in den vergangenen Jahren und die damit verbundenen rückläufigen Einnahmen haben leider Konsequenzen“, erklärt die EKHN-Sprecherin Caroline Schröder. „Diese zeigen sich nun auch in Form von Einschnitten bei gesamtgesellschaftlich wichtigen Aufgaben.“ Das sei „bedauerlich und schmerzhaft“.
Bahnhofsmissionen sind Einrichtungen der evangelischen und katholischen Kirche. Aufgrund sinkender Kirchensteuereinnahmen werde es für die Träger immer schwieriger, die Kosten für den Betrieb zu decken, erklärt Gisela Sauter-Ackermann vom Verein Bahnhofsmission Deutschland. „Leider hatten wir in den vergangenen Jahren erste Schließungen von Bahnhofsmissionen zu verzeichnen.“ Mit dem Aus für die Einrichtung in Gießen verringere sich die Zahl der Bahnhofsmissionen in Deutschland nun auf 99. Gleichzeitig stiegen die Herausforderungen für die sozialdiakonische Arbeit an den Bahnhöfen.
Ein Mann mit Basecap und Silberkette am Arm blickt stumm vor sich hin, ein anderer hält den Kopf dicht an das Radio, das er sich eingeschaltet hat. Eine Frau redet fast ununterbrochen. Sie leide unter Depressionen, erzählt sie. „Ich brauche das hier, um rauszukommen.“ Im Café werde sie oft ausgelacht, aber in die Bahnhofsmission kämen viele Leute mit psychischen Krankheiten.
Viele ihrer Gäste müssten „richtig große Pakete tragen“ - so beschreibt es die Leiterin Elisabeth Njionhou Njomehe. Einige hätten keine Wohnung, lebten unter prekären Umständen, seien von Sucht und - zunehmend - von psychischen Erkrankungen betroffen. Vielen älteren Menschen fehle ein familiäres Netz: Manche seien den ganzen Tag in der Stadt unterwegs und machten in der Bahnhofsmission Station.
Es klingelt wieder. Ein Mann probiert die Schuhe an, die auf der Fensterbank zum Mitnehmen stehen; sie passen nicht. Hier sei „kurzer Dienstweg“, schildert ein Gast, der nur einen Kaffee trinkt: Man bekomme in der Bahnhofsmission schnelle Hilfe. Sie diene als Anlaufpunkt, an dem Informationen zusammenlaufen: Wo kriege ich ein Zimmer? Wie muss ich dieses Formular ausfüllen? Mein Zug ist ausgefallen, wie komme ich weiter? „Es gibt viele Leute, die hier etwas Fuß gefasst haben“, sagt der Mann. Die Gäste helfen sich auch untereinander.
Im hinteren Raum packen Dagmar Seel und ihre Kollegin Verena Joseph Brote in blaue Plastiktüten. Die Tafel hat an diesem Tag viele Lebensmittel geliefert. Was sie nicht einfrieren können, verteilen die beiden ehrenamtlichen Helferinnen an die Besucher. „Unseren Gästen wird enorm was fehlen“, sagt Seel.
Sie füllt einem Mann die Trinkflasche auf. Viele Gäste kämen mit kleinen Anliegen, erzählen die Mitarbeiterinnen: am Kopierer kurz was kopieren, Handy aufladen, ein Telefonat führen, einen Arzt am Computer raussuchen oder die Frage beantworten: „Wann fährt mein Zug?“ Auch die Hilfe am Bahnsteig beim Umsteigen gehört noch immer zur Arbeit. Wenn die Bahnhofsmission schließt, „wird die Problematik für den Bahnhof nicht kleiner“, sagt Seel.
Berlin (epd). Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch hat in der Debatte um das Bürgergeld dem CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann vorgeworfen, mit falschen Zahlen zu operieren. Linnemanns Behauptung, mehr als 100.000 Menschen seien zur Arbeit gar nicht bereit, sei „schlicht falsch“, sagte Schuch am 29. Juli in Berlin.
Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigten, dass nicht einmal ein Prozent der Bürgergeldbezieher als sogenannte Totalverweigerer eingestuft würden, führte Schuch aus: „Im Vergleich zu den vielen Menschen, die gerne arbeiten würden, es aber aufgrund ihrer multiplen Problemlagen nicht können, ist dies eine äußerst geringe Zahl.“ Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer Paritätischer Gesamtverband, sagte der „Welt“, die Union argumentiere mit falschen Zahlen.
Zudem müssen laut Schuch fast 800.000 arbeitende Menschen ihr Gehalt mit Bürgergeld aufstocken, ergänzte der Präsident der Diakonie Deutschland. „Ihnen wäre mit besseren Löhnen geholfen.“
Insgesamt erhalten nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums 5,6 Millionen Menschen Bürgergeld, davon sind etwa 4 Millionen grundsätzlich erwerbsfähig. Die Diakonie teilte mit, von diesen 4 Millionen sei weniger als die Hälfte tatsächlich arbeitslos, andere seien in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, gingen zur Schule, pflegten Angehörige oder betreuten ihre Kinder.
Linnemann hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt, die Statistik lege nahe, dass „eine sechsstellige Zahl von Personen grundsätzlich nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen“. Er forderte, diesen Personen die Grundsicherung komplett zu streichen.
Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzendes SoVD, sagte, hier werde eine populistische Scheindebatte geführt. „Unsere Verfassung garantiert das Existenzminimum, und das ist auch gut so. Viele geraten unverschuldet durch Krankheit oder Alter in die Abhängigkeit vom Jobcenter. Die Behauptung, dass sich Bürgergeldempfänger weigern zu arbeiten, entspricht nicht der Wahrheit“, sagte die Verbandschefin. Der Anteil der „Totalverweigerer“ liegt im Bürgergeldbezug liege unter einem Prozent.
Anja Piel, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund, wies darauf hin, dass die Verfassung dies gar nicht erlaube, und warf Linnemann eine „menschenverachtende Haltung“ vor. Piel sagte weiter, viele Menschen im Bürgergeld könnten gar nicht arbeiten, weil sie kleine Kinder allein erziehen, Angehörige pflegen oder selbst erkrankt sind. „Manche von ihnen machen auch gerade eine Ausbildung. Und das ist auch gut so, denn Sinn und Zweck des auch von der Union im Bundestag beschlossenen Bürgergelds ist es, Menschen in Arbeit zu integrieren, statt sie in Armut zu drangsalieren.“
CDU und FDP müssten laut Piel endlich damit aufhören, arme Menschen gegen noch ärmere auszuspielen. „Das spaltet nicht nur unsere Gesellschaft, sondern lenkt auch davon ab, endlich die dringend notwendige Debatte über die Verteilung des Wohlstands zu führen - in einer Gesellschaft, in der das reichste Prozent der Menschen ein Drittel des Gesamtvermögens besitzt.“
Verena Bentele, Präsidentin des VdK, wandte sich entschieden gegen die ebenfalls derzeit diskutierte Nullrunde bei den Bürgergeld-Regelsätzen: Das führe dazu, „dass sich viele Menschen schlechter versorgen können.“ Anders als oft behauptet, sei das Bürgergeld in den vergangenen zwei Jahren nicht zu großzügig erhöht worden. Im Gegenteil: "Wie aktuelle Analysen zeigen, dass die Menschen im Bürgergeld aufgrund der hohen Inflationsraten in den vergangenen Jahren erhebliche Kaufkraftverluste erlitten haben.
Daher müssen laut Bentele die Regelsätze grundlegend neu berechnet werden. „Der heutige Regelsatz spiegelt in keiner Weise wider, was für ein Existenzminimum notwendig wäre. Neu berechnete Regelsätze in der Grundsicherung müssen nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts so hergeleitet werden, dass sie auch die soziale und kulturelle Teilhabe ermöglichen“, betonte die Präsidentin.
„Es gibt immer mehr Bürgergeldempfänger.“
Im April 2024 erhielten insgesamt 5.550.060 Menschen Bürgergeld, 40.430 mehr als im April 2023. Nach dem aktuellen Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit (BA) bezogen im Juli 5.549.000 Menschen Bürgergeld. 1.528.000 Millionen zählen als nicht erwerbsfähig, 97 Prozent sind Kinder unter 15 Jahren. Die Zahl der erwerbsfähigen Bürgergeldberechtigten lag im Juli bei 4.021.000. Gegenüber Juli 2023 war dies ein Anstieg um 75.000 Personen, gegenüber dem Juni 2024 um 3.000.
„Alle erwerbsfähigen Bürgergeldbezieher können arbeiten gehen.“
Von den rund vier Millionen erwerbsfähigen Bürgergeldbezieherinnen und -beziehern sind 25 Prozent in einer Weiterbildung, einer Ausbildung oder gehen zur Schule. Weitere 14 Prozent sind krank oder betreuen Angehörige. 20 Prozent sind Aufstocker: Sie gehen arbeiten und erhalten zusätzlich Bürgergeld. Es bleiben der BA zufolge 1,7 Millionen oder 44 Prozent der Erwerbsfähigen, die aktuell arbeiten könnten. Von diesen Menschen hat eine Mehrzahl sogenannte Vermittlungshemmnisse, die statistisch erfasst werden: keinen Berufsabschluss, älter als 55 Jahre, langjährige Arbeitslosigkeit, Schwerbehinderung. Rund 235.000 Personen haben keine dieser statistisch erfassten Einschränkungen, möglicherweise aber andere.
„Eine sechsstellige Zahl von Bürgergeld-Empfängern verweigert die Arbeit.“
Die Arbeitsagentur erklärt auf Nachfrage, aus ihren Zahlen ließen sich solche Aussagen nicht ableiten. Laut BA-Sanktionsstatistik wurden 2023 rund 16.000 Bürgergeld-Empfänger sanktioniert, weil sie sich weigerten, eine Arbeit oder Weiterbildung aufzunehmen. Im ersten Quartal dieses Jahres waren es rund 5.400.
„Die Hälfte aller Bürgergeldbezieher sind Ausländer.“
Nach dem aktuellen Zuwanderungsmonitor des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) erhielten im März dieses Jahres 2.670.429 Ausländerinnen und Ausländer sowie 2.933.530 Deutsche Bürgergeld. Unter den Ausländern waren rund 725.000 ukrainische Kriegsflüchtlinge, 946.000 Geflüchtete und 408.000 EU-Bürgerinnen und Bürger.
„Die Hälfte aller erwerbsfähigen Bürgergeldbezieher sind Ausländer.“
Von den rund 2,7 Millionen ausländischen Bürgergeldempfängern sind knapp 1,9 Millionen (1.898.730 Personen) erwerbsfähig. Ihnen stehen rund 2,1 Millionen erwerbsfähige deutsche Leistungsbezieher gegenüber (2.113.409 Personen).
„Die Arbeitslosigkeit unter Ausländern nimmt zu.“
Laut IAB lag die Arbeitslosenquote der ausländischen Bevölkerung im April 2024 bei 15,1 Prozent - und damit 0,3 Prozentpunkte höher als im April 2023. Bei den Geflüchteten sank die Quote um 0,3 Prozentpunkte gegenüber 2023 auf 30,4 Prozent. Unter den ukrainischen Kriegsflüchtlingen betrug sie im April 46,6 Prozent, knapp sieben Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr.
„Ausländer sind häufiger arbeitslos als Deutsche.“
Die Arbeitslosenquote unter ausländischen Staatsangehörigen war im April 2024 laut IAB mit 15,1 Prozent gut doppelt so hoch wie die Arbeitslosenquote von 6,9 Prozent. Die Arbeitslosenquote für alle ausländischen Staatsbürger sage aber wenig aus über die Arbeitsmarktintegration unterschiedlicher Gruppen von Zuwanderern, wenn nicht gleichzeitig der Migrationsstatus und die Aufenthaltsdauer erfasst würden, sagt der IAB-Experte und Mitautor des Zuwanderungsmonitors, Andreas Hauptmann.
„Ausländer sorgen für Beschäftigungszuwachs.“
Die Beschäftigung ausländischer Staatsangehöriger ist von April 2023 bis April 2024 um 5,4 Prozent oder 319.000 Personen gestiegen. Die Beschäftigung in Deutschland insgesamt wuchs im selben Zeitraum um 187.000 Personen. Laut IAB-Zuwanderungsmonitor wäre sie ohne ausländische Beschäftigung rechnerisch um 132.000 Personen gesunken.
Speyer (epd). Die Seniorin stoppt mit ihrem Einkaufstrolley und schaut interessiert auf die Stehtische vor dem weißen Campingbus. Broschüren zum Thema Pflege und anderen Hilfsangeboten für ältere Menschen liegen dort aus. „Guten Tag, wie geht es Ihnen?“, begrüßt sie Katharina Brunner vom „Haus der Diakonie“ in Speyer und tritt auf sie zu. Die 90-Jährige, die immer freitags auf dem Wochenmarkt ihre Einkäufe erledigt, lächelt. Und schon ist man im Gespräch miteinander.
Der „Diakom“-Bus der pfälzischen Diakonie hat Halt gemacht in Speyer-West - einem Stadtteil, in dem viele ältere Menschen leben. Mitarbeiter der Diakonie wollen bei dem neuen Projekt gemeinsam mit örtlichen Kooperationspartnern vor allem einsame und arme Menschen ab etwa 60 Jahren kostenlos über Unterstützungsangebote informieren.
Noch bis Oktober ist die mobile Beratung an mehreren Orten in der Pfalz unterwegs, bevor es dann im Frühjahr 2025 weitergeht. Kostenträger des bis 2027 laufenden und vom Bundesseniorenministerium geförderten Projekts ist der Europäische Sozialfonds (ESF). Der „Diakom“-Bus solle zukünftig besonders in Regionen mit wenigen Angeboten für Senioren eingesetzt werden, etwa in der West- und Nordwestpfalz, sagt Agim Kaptelli, Vorstand für Soziales und Freiwilligendienste der Diakonie.
Die rüstige Seniorin nimmt einige Flyer und packt sie in ihren Trolley. Noch gehe es ihr gesundheitlich gut, sie mache Yoga und achte auf ihre Gesundheit, erzählt sie stolz der Sozialarbeiterin Brunner. Doch brauche sie mittlerweile schon etwas Unterstützung im Haushalt. Der Enkel habe nicht immer Zeit, ihren Rasen zu mähen. Dankbar ist sie deshalb für den Tipp, doch einmal bei der „Taschengeldbörse“ anzurufen: Schülerinnen und Schüler erledigen Jobs für ein paar Euro. „Es ist ganz gut zu wissen, was man tun kann, wenn man nicht mehr kann“, sagt die ältere Dame.
Vielleicht 20 ältere Frauen und Männer suchen an diesem Morgen auf dem Wochenmarkt das Gespräch mit dem Beratungsteam. „Viele gucken, trauen sich nicht, laufen vorbei“, sagt Petra Michel, Regionalleiterin Ost der Häuser der Diakonie aus Ludwigshafen. Die Scham, über eigene Probleme oder gar Armut und Einsamkeit zu reden, sei gerade bei Vertretern der älteren Generation groß. Auf sie müsse man gezielt und einfühlsam zugehen und dürfe ihnen „nichts überstülpen“. Zwar verfügt der „Diakom“-Bus über einen Tisch mit Sitzbänken für einen ersten Austausch. Doch intensive Gespräche seien nur in den Beratungsstellen möglich, betont Michel.
Mehrheitlich kämen Angehörige, Freunde oder Nachbarn von Senioren mit ihren Fragen vorbei, berichtet Bettina Schimmele vom Pflegestützpunkt Speyer. „Sie sehen den Bedarf.“ Vor allem gehe es um ambulante und stationäre Versorgungsmöglichkeiten, barrierefreies Wohnen, Fragen zum Pflegegrad, zählt die Sozialarbeiterin auf. Die Idee, mit mobiler Beratungsarbeit auf ältere Menschen zuzugehen, findet sie „absolut gut“. Als Anbieter von Hilfsangeboten werde man sichtbar und könne sich mit anderen Akteuren im Sozialbereich vernetzen.
Die Sozialpädagogin Julia Hoffmann vom Haus der Diakonie in Speyer findet es ebenfalls wichtig, als Einrichtung „Gesicht zu zeigen“ und auf die eigenen Angebote aufmerksam zu machen. Auch wenn Menschen vielleicht im Moment keine Hilfe benötigten, sei „Diakom“ als Informationsstelle eine gute Sache, ist Hoffmann überzeugt.
Berlin (epd). Die Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen und Gesamtausschüsse im Bereich des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland hat die deutlichen Positionierungen von Kirche und Diakonie gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus begrüßt. Klare Kante zeigen und „Aufstehen gegen rechts“ seien wie die das Engagement gegen Hass und Hetze wichtige Botschaften, heißt es in einer Mitteilung vom 29. Juli. Auch viele diakonische Einrichtungen hätten sich deutlich sichtbar positioniert und lehnten öffentlich rechtspopulistische Positionen ab.
Alle Mitarbeitervertretungen sollten aus Sicht des kirchlichen Spitzenorgans diese Positionierungen aufgreifen und unterstützen. „Sie sollten sich in den diakonischen Einrichtungen für ein Klima von gelebtem Respekt und Toleranz einsetzen, menschenverachtenden Haltungen und Äußerungen entgegen-treten und gegen jegliche Form von Diskriminierung entschieden vorgehen.“ Dafür stehe die Bundeskonferenz.
Berlin (epd). Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat ihren zweiten Gleichstellungsbericht veröffentlicht. Er gebe Aufschluss über die Altersstruktur und Geschlechtergerechtigkeit im Funktionsehrenamt der AWO und zeige, dass es auch bei der AWO weiter Nachholbedarf bei der Gleichstellung gebe, heißt es in einer am 29. Juli veröffentlichten Mitteilung. So machen Männer einen Hauptanteil unter den Funktionsehrenämtern aus. Auch mit Blick auf die Altersstruktur zeigt sich den Angaben nach, dass vor allem Menschen im fortgeschrittenen Alter Funktionsehrenämter bekleiden.
„Ehrenamtliches Engagement muss allen Menschen gleichermaßen offenstehen. Als AWO sind wir gefordert, Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit auch in den ehrenamtlichen Verbandsstrukturen umzusetzen. Diese Ziele gilt es beharrlich zu verfolgen“, sagte Bundesvorständin Claudia Mandrysch. „Der Gleichstellungsbericht gibt uns als AWO ganz klare Hausaufgaben: mit Blick auf die zukunftsgerichtete Absicherung der ehrenamtlichen Verbandsstrukturen müssen wir mehr tun, um die Gleichstellung im Ehrenamt voranzutreiben. Dazu rufen wir den gesamten Verband auf.“
Seit 2018 erhebt die Arbeiterwohlfahrt in ihrer Gleichstellungsberichterstattung den Status Quo in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit für das AWO Haupt- und Ehrenamt. Der Bericht lässt gleichstellungspolitische Fortschritte und Trends erkennen und zeigt bevorstehende Herausforderungen und Handlungsbedarfe.
Nürnberg (epd). Unter der Regie der Diakonie Bayern soll sich die psychosoziale und psychotherapeutische Versorgung von geflüchteten Menschen in Bayern verbessern. Durch das neue Netzwerkprojekt „Refugees Mental Care“ (RMC) sollen Geflüchtete mit psychischen Erkrankungen einen gezielteren Zugang in das bayerische Versorgungssystem bekommen, hieß es am 29. Juli bei der Vorstellung des Projektes in Nürnberg. Dies geschehe aus „christlicher Verantwortung“ und „Humanität“, aber auch aus Gründen der inneren Sicherheit, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). „In manchen Fällen führen psychische Störungen zu schlimmen Ereignissen.“ Deshalb sei ein frühzeitiges Engagement sinnvoll, betonte der Minister.
Das Projekt wird bis 2026 mit bis zu 16 Millionen Euro aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfond der Europäischen Union sowie mit bis zu 750.000 Euro durch das bayerische Innenministerium gefördert.
Das neue Angebot für Geflüchtete mit psychischen Schwierigkeiten sei ein „Baustein der Prävention“, sagte die Präsidentin der Diakonie Bayern, Sabine Weingärtner. Hinter vielen „Eskalationen, also Selbst- und Fremdgefährdung, stehen psychische Belastungen“. Genauso wichtig sei es, im bereits überlasteten Regelversorgungssystem Hindernisse wie Sprachbarrieren oder unzureichende Kulturkenntnisse aus dem Weg zu räumen.
Für die drei fixierten Projektjahre rechnet Stefan Schmid mit rund 3.000 geflüchteten Klienten, denen niederschwellig oder hochspezialisiert geholfen werden kann. Schmid ist fachlicher Leiter des Projekts „TAFF - Therapeutische Angebote für Flüchtlinge“, das nun unter dem Dach von RMC weiterarbeitet. Weitere Partner bei RMC sind die beiden psychosozialen Zentren der Diakonie in Nürnberg und Neu-Ulm sowie die Stiftung „Wings of Hope“, die sich insbesondere auf die psychosoziale Hilfe für Kinder und Jugendliche aus Kriegsgebieten konzentriert.
Auch niederschwellige Angebote müssten gezielt vermittelt werden, sagte Weingärtner. „In vielen Herkunftsländern sind die Konzepte der Psychotherapie häufig gar nicht bekannt.“ „Alle, die mit Geflüchteten zu tun haben, sind aufgefordert, Hinweise zu geben“, betonte Herrmann. Das gelte etwa für Behörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder die Arbeitsagentur, aber auch für Privatpersonen. Geflüchteten mit posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen oder Angststörungen falle es besonders schwer, sich selbst an eine Anlaufstelle zu wenden.
Das Projekt „Refugees Mental Care“ mit einem Gesamtbudget von knapp 18 Millionen Euro will nun mit seinen Maßnahmen die Wartezeiten bis zum Zugang zu Traumatherapeuten oder Fachkliniken überbrücken. Zudem soll über eine weitere Vernetzung aller Beteiligen auch ein Nachsorgeangebot für psychisch belastete oder erkrankte Flüchtlinge entstehen. RMC versteht sich als Schnittstelle zwischen Betroffenen, Migrationsexperten der Diakonie und allen weiteren Akteuren.
Das Projekt wird bis 2026 mit bis zu 16 Millionen Euro aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfond der Europäischen Union sowie mit bis zu 750.000 Euro durch das bayerische Innenministerium gefördert.
Rostock (epd). Häufige und unterschiedliche Kurzerkrankungen eines Arbeitnehmers können ein Hinweis für eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit sein und so eine negative Gesundheitsprognose begründen. Ist der Arbeitgeber mit den vor diesem Hintergrund zu erwartenden Kurzerkrankungen erheblich wirtschaftlich belastet, kann er dem Arbeitnehmer aus personenbedingten Gründen kündigen, stellte das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in Rostock in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 7. Mai 2024 klar. Das könne auch dann gelten, wenn die einzelnen Erkrankungen des Arbeitnehmers zwar ausgeheilt sind, aber dennoch in Zukunft mit einem erneuten Auftreten zu rechnen ist.
Im konkreten Fall war der heute 50-jährige Kläger zuletzt als Maschinenbediener in einem Unternehmen der Brot- und Backwarenindustrie tätig. In den Jahren 2018 bis 2022 war er wiederholt kurzzeitig krank, häufig etwa an einer akuten Bronchitis, die er auf schlechte Lüftungsbedingungen am Arbeitsplatz zurückführte. Aber auch wegen regelmäßigen Gelenk- und Rückenschmerzen fiel er aus. Durchschnittlich fehlte er jedes Jahr an 40 Tagen im Betrieb. Wegen der Kurzzeiterkrankungen musste der Arbeitgeber jedes Mal Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten, meist zwischen 7.000 und knapp 8.500 Euro jährlich. Um den Arbeitsausfall auszugleichen, musste der Arbeitgeber zudem auf Leiharbeitskräfte zurückgreifen.
Das Unternehmen bot dem Kläger mehrfach ein betriebliches Eingliederungsmanagement an, welches der Beschäftigte aber nur einmal in Anspruch genommen hatte. Er war weiter häufig für kurze Zeit krank. Als der Mann nach einer Erkrankung im Oktober 2022 das Angebot eines betrieblichen Eingliederungsmanagements erneut ablehnte, kündigte der Arbeitgeber dem Kläger wegen der häufigen Kurzzeiterkrankungen ordentlich und fristgerecht zum 30. Juni 2023.
Wegen der Fehlzeiten von durchschnittlich 40 Tagen pro Jahr bestehe eine negative Gesundheitsprognose, so die Begründung. Es sei mit weiteren, häufigen Kurzzeiterkrankungen zu rechnen, die nicht nur teuer für die Firma seien, sondern auch die betrieblichen Abläufe erheblich stören, so das Unternehmen.
Der Kläger hielt die Kündigung dagegen für sozial ungerecht. Die Erkrankungen seien weitgehend ausgeheilt. Die Infektionen der oberen Atemwege gingen auf die Lüftungsverhältnisse am Arbeitsplatz und auf die Corona-Pandemie zurück, gab er an.
Das LAG erklärte die Kündigung für wirksam. Häufige Kurzerkrankungen könnten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine personenbedingte Kündigung begründen. Voraussetzung sei eine negative Gesundheitsprognose, nach der künftig mit häufigen Kurzzeiterkrankungen und einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zu rechnen sei, so das LAG unter Verweis auf die BAG-Rechtsprechung.
Die obersten Arbeitsrichter hatten bereits am 20. März 2014 entschieden, dass die Fehlzeiten in einem Zeitraum von mehr als sechs Wochen im Jahr zu Betriebsablaufstörungen oder zu Entgeltfortzahlungen führen müssten, um eine Kündigung begründen zu können. Dem Arbeitgeber müsse eine Weiterbeschäftigung unzumutbar sein, hieß es zur Begründung.
Die häufigen, verschiedenen Kurzzeiterkrankungen würden im vorliegenden Fall eine negative Gesundheitsprognose begründen, so das LAG. Zwar könne eine Erkrankung für die Prognose unberücksichtigt bleiben, wenn diese ausgeheilt sei. Das sei etwa bei einer Zahnerkrankung des Klägers der Fall gewesen.
Bestehe jedoch die Gefahr, dass bei einer ausgeheilten Krankheit mit einem erneuten Auftreten zu rechnen ist, könne das auf eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit hinweisen, wie etwa bei Atemwegsinfekten. Das künftige Auftreten verschiedener, kurzzeitiger Erkrankungen sei bei dem Kläger wahrscheinlich. Wegen der negativen Gesundheitsprognose und den hohen zu erwartenden Kosten für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und den Einsatz von Leiharbeitnehmern sei der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nicht mehr hinnehmbar - und die Kündigung folglich wirksam.
Welcher Zeitraum der häufigen Kurzzeiterkrankungen berücksichtigt werden muss, um daraus eine Gesundheitsprognose erstellen zu können, hatte das BAG am 25. April 2018 entschieden. Danach ist regelmäßig ein Referenzzeitraum von drei Jahren maßgeblich.
Das Arbeitsgericht Heilbronn urteilte am 21. März 2023, dass eine Kündigung wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen sozial ungerechtfertigt sein könne. Je länger ein Arbeitnehmer in der Vergangenheit ohne krankheitsbedingte Fehlzeiten beschäftigt war, desto eher sind vom Arbeitgeber häufige Kurzzeiterkrankungen in jüngster Zeit hinzunehmen. Das gilt umso mehr, wenn die Erkrankungen des Arbeitnehmers auf die schwere Arbeit zurückzuführen sind und der Beschäftigte kurz vor der Rente steht, befand das Arbeitsgericht.
Az.: 5 Sa 56/23 (Landesarbeitsgericht Rostock)
Az.: 2 AZR 825/12 (Bundesarbeitsgericht, Fehlzeiten pro Jahr)
Az.: 2 AZR 6/18 (Bundesarbeitsgericht, Referenzzeitraum)
Az.: 8 Ca 328/22 (Arbeitsgericht Heilbronn)
Potsdam (epd). Die Corona-Infektion einer Berliner Supermarkt-Kassiererin ist auch in zweiter Instanz von einem Gericht nicht als Arbeitsunfall anerkannt worden. Wie das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 25. Juli in Potsdam mitteilte, fehlte für die Anerkennung als Arbeitsunfall durch die Berufsgenossenschaft der erforderliche Beweis, dass das Virus tatsächlich im Supermarkt übertragen wurde. Es genüge nicht zu behaupten, dass das Risiko auf der Arbeitsstelle allein wegen der größeren Zahl von Kontakten höher als im Privatbereich gewesen sei.
Die Klägerin arbeitete im Herbst 2020 in einem Berliner Supermarkt. Nach einem positiven PCR-Test im Oktober des Jahres teilte die behandelnde Ärztin im Dezember 2021 der Berufsgenossenschaft mit, die Klägerin sei seit dem März wegen eines Long-Covid-Syndroms dauerhaft arbeitsunfähig. Die Verkäuferin erklärte, ihre sozialen Kontakte hätten sich zum Zeitpunkt der Infektion so gut wie ausschließlich auf ihren Arbeitsplatz beschränkt. Deshalb gehe sie davon aus, dass sie sich die Infektion dort zugezogen habe.
Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Anerkennung der Infektion mit dem Covid-19-Virus als Arbeitsunfall ab und damit auch die Kostenübernahme für die ärztliche Behandlung sowie eine Entschädigung der Klägerin. Eine konkrete Person, auf die die Infektion zurückzuführen sei, sei nicht benannt worden. Eine Ansteckung im nicht versicherten privaten Umfeld sei bei lebensnaher Betrachtung nicht ausgeschlossen. Dagegen klagte die Frau vor dem Sozialgericht Berlin ohne Erfolg und ging anschließend in Berufung.
Az.: L 3 U 114/23
Hamburg (epd). Benötigen Grundsicherungsempfänger wegen Schädlingen wie etwa Bettwanzen ein neues Sofa, darf das Jobcenter sie nicht pauschal mit 115 Euro abspeisen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Hamburg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil. Die Sozialrichter sahen damit die Höhe der Zahlung in einer Fachanweisung der Stadt Hamburg als viel zu niedrig an.
Ein Paar mit zwei Kindern war vor Gericht gezogen, die auf Grundsicherungsleistungen vom Jobcenter angewiesen waren. Als Anfang 2022 in ihrer Wohnung ein Bettwanzenbefall festgestellt wurde, übernahm das Jobcenter nach anfänglichem Zögern die Kosten der Schädlingsbekämpfung. Das Paar musste schließlich seine Möbel wie Betten, Matratzen, Kleiderschränke und auch ein Sofa entsorgen und neu beschaffen.
Als sie vom Jobcenter die Kostenübernahme für eine neue Einrichtung beantragt hatten, stellte sich die Behörde quer. Es handele sich hier nicht um eine Erstausstattung, die übernommen werden könnte, sondern nur um eine Ersatzbeschaffung, die aus dem Regelsatz zu bezahlen sei, wurde den Betroffenen mitgeteilt.
Im gerichtlichen Eilverfahren erhielten das Paar und die Kinder dann ein Darlehen in Höhe von 1.534 Euro gewährt. Nun wollten sie gerichtlich einen Zuschuss durchsetzen. Das Jobcenter gewährte nur 115 Euro für die Beschaffung eines neuen Sofas. Dieser Betrag entspreche den Fachanweisungen der Stadt Hamburg. Die Kläger könnten ja ein gebrauchtes Sofa kaufen, so die Behörde.
Die Kläger verlangten einen Sofazuschuss von 450 Euro. Die Übernahme der Kosten für die übrigen Einrichtungsgegenstände verfolgten sie vor Gericht nicht mehr weiter.
Das LSG urteilte, dass für die vom Jobcenter angebotenen 115 Euro kein neues Sofa zu bekommen sei. Das sei erst ab 200 Euro möglich. Diesen Betrag könnten die Kläger verlangen. Es handele sich hier auch nicht um eine Ersatzbeschaffung, sondern um eine Erstausstattung, die vom Jobcenter zu übernehmen ist. Das sei der Fall, wenn außergewöhnliche Umstände die Anschaffung neuer Möbel erforderlich machten.
Az.: L 4 AS 153/23 D
Münster (epd). In Syrien besteht für Zivilpersonen nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichtes (OVG) keine allgemeine Gefahr mehr für Leib und Leben durch einen Bürgerkrieg. Mit dieser Begründung lehnte das Gericht am 16. Juli einen sogenannten „subsidiären Schutz“ für einen 2014 nach Deutschland eingereisten Syrer ab, wie eine Sprecherin am 22. Juli in Münster mitteilte.
Das OVG änderte mit seiner Entscheidung ein Urteil des Verwaltungsgerichts Münster ab, wonach das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) den Mann als Flüchtling anerkennen musste. Dagegen hatte das Bamf Berufung eingelegt. Ein „subsidiärer Schutz“ greift nach Angaben des Amts, wenn weder der Flüchtlingsstatus noch eine Asylberechtigung gewährt werden können und dem Betroffenen im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht.
Der Syrer könne nicht als Flüchtling anerkannt werden, weil ihm in Syrien keine politische Verfolgung drohe, erläuterte das Oberverwaltungsgericht. Auch die für die Zuerkennung des „subsidiären Schutzes“ notwendige Voraussetzung, die „ernsthafte, individuelle Bedrohung“ von Leib und Leben, sei „nicht mehr gegeben“ - weder in der Heimatprovinz des Mannes, Hasaka, noch allgemein in Syrien. Die bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschläge erreichen nach Einschätzung des OVG kein solches Niveau mehr, dass Zivilisten „beachtlich wahrscheinlich“ damit rechnen müssten, dadurch getötet oder verletzt zu werden.
Im Fall des Syrers kam laut der Mitteilung hinzu, dass er vor seiner Einreise ins Bundesgebiet Menschen aus der Türkei nach Europa eingeschleust hatte. Damit habe er Straftaten begangen, wegen derer er bereits in Österreich zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Dadurch ist der Mann nach Auffassung des OVG sowohl von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch eines „subsidiären Schutzes“ ausgeschlossen.
Der 14. Senat des OVG den Angaben zufolge die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Dagegen könne Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden, hieß es.
Az.: 14 A 2847/19.A (Oberverwaltungsgericht Münster)
Az.: 2 K 2750/18.A (Verwaltungsgericht Münster)
Koblenz (epd). Ein Facharzt ist mit einer Klage am Landgericht Koblenz gegen eine negative Bewertung in einem Onlineportal gescheitert. Die 3. Zivilkammer des Landgerichts lehnte den von dem Arzt geforderten Unterlassungsanspruch gegenüber dem Portal ab, weil der Kläger in dem Verfahren nicht habe deutlich machen können, dass die in der Bewertung geäußerten Tatsachen nicht der Wahrheit entsprächen, teilte das Gericht am 30. Juli mit. Es könne daher auch keine Pflichtverletzung des Onlineportals festgestellt werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Kläger ist ein Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Nach einem Termin in dessen Arztpraxis hatte sich dem Gericht zufolge offenbar ein Patient auf dem Internetportal darüber beschwert, dass der Arzt kein Interesse an seinen Beschwerden gehabt und ein MRT für notwendig befunden habe, ohne die beim Patienten vorhandene Klaustrophobie zu berücksichtigen. Die Behandlung durch den Arzt bewertete der anonyme Patient mit nur einem Stern.
Der klagende Arzt forderte zunächst erfolglos vom Onlineportal die Entfernung der negativen Bewertung. Daraufhin wandte sich der Mediziner ans Gericht und verlangte, eine Veröffentlichung der Bewertung auf dem Internetportal zu unterlassen. Der Kläger war zudem überzeugt, dass die abgegebene Bewertung gegen sein Persönlichkeitsrecht verstoße.
Zwar komme grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arztes in Betracht, wenn der in der Bewertung enthaltene Sachverhalt unrichtig gewesen sei und dem Werturteil jegliche Tatsachengrundlage fehle, erläuterte das Gericht. Der Betreiber des Onlineportals habe aber keine Pflichtverletzung begangen. Er habe von dem Verfasser der negativen Bewertung eine Stellungnahme eingeholt und diese an den Kläger weitergeleitet. Die Aussage des Arztes, dass es in dem Fall gar keinen Patientenkontakt gegeben habe, sei im Verfahren nicht untermauert worden.
Az.: 3 O 46/23
Nürnberg (epd). Das Sozialgericht Nürnberg hat den Klagen zweier Asylsuchender gegen die im Juni eingeführte Bezahlkarte stattgegeben. Das Gericht stellte fest, dass die Beschränkung auf 50 Euro Bargeld das Existenzminimum der Klägerinnen bedroht, teilte das Sozialgericht in Nürnberg am 1. August mit. Es ist die erste Entscheidung dieser Art in Bayern.
Das Gericht gab als Grund an, dass die zuständige Behörde bei der Entscheidung über die Auswahl der Leistungsform „zwingend Ermessen“ auszuüben habe. Dabei seien vor allem „die örtlichen Besonderheiten und unterschiedlichen Lebenslagen der jeweiligen Asylsuchenden“ zu berücksichtigen, hieß es.
Zudem stellte das Gericht fest, dass eine „fortlaufend gewährte Geldleistung“ nur durch Änderungsbescheid in eine andere Leistungsform umgewandelt werden kann. Dies sei in beiden Fällen nicht erfolgt. Beide Beschlüsse des Gerichts träfen demnach keine Aussagen über die grundsätzliche Zulässigkeit der Einführung einer Bezahlkarte, betonte das Gericht.
Aktuell sind laut Gericht noch drei weitere Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz von Geldleistungen statt Bezahlkarte anhängig. Sie richteten sich alle gegen die Stadt Schwabach. Gegen die Beschlüsse können laut Gericht noch Rechtsmittel eingelegt werden.
Die Bezahlkarte für Asylsuchende wurde im Juni in ganz Bayern eingeführt. Damit soll laut Staatsregierung sichergestellt werden, dass Asylsuchende ihr Geld nur für Essen und Kleidung ausgeben können und es nicht etwa in die Heimat überweisen.
Az.: S 11 AY 15/24 ER und S 11 AY 18/24 ER
Bad Oeynhausen (epd). Der Kommunalpolitiker und Theologe Marian Zachow wird zum Jahresbeginn 2025 neuer Thelogischer Vorstand der Diakonischen Stiftung Wittekindshof in Bad Oeynhausen. Zachow tritt die Nachfolger von Dierk Starnitzke an, wie die Stiftung mitteilte. Zachow, der als Pfarrer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck gearbeitet hat, ist seit 2014 hauptamtlicher Erster Beigeordneter des Landkreises Marburg-Biedenkopf. Seine neuen Leitungsaufgaben werde Zachow gemeinsam mit dem kaufmännischen Vorstand Marco Mohrmann ab dem 1. Januar 2025 offiziell übernehmen, erklärte die Stiftung. Zuvor gebe es eine einmonatige Übergabe.
Der 1979 in Kassel geborene Zachow ist verheiratet und hat zwei Söhne im Alter von sechs und zehn Jahren. Seine Frau ist Professorin an der Universität Bielefeld. Nach einem Theologiestudium an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der Philipps-Universität Marburg wurde er 2011 zum Pfarrer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ordiniert und arbeitete in der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Caldern.
Von 2014 bis 2020 war Zachow hauptamtlicher Erster Kreisbeigeordneter des Landkreises Marburg-Biedenkopf und wurde 2020 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Zudem engagiert er sich unter anderem als sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Verbandsversammlung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen.
Die 1887 gegründete Stiftung Wittekindshof unterstützt nach eigenen Angaben mehr als 5.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Beeinträchtigungen. Insgesamt arbeiten rund 3.750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 16 Städten in Ostwestfalen, im Münsterland und im Ruhrgebiet. Es werden mehr als 5.100 Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit und ohne Behinderungen angeboten.
Susanne Meyerhoff, Rechtsanwältin, übernimmt die Geschäftsleitung des Diakoniewerks Simeon an der Seite von Geschäftsführer Oliver Unglaube und Prokurist Nils Meißner. Sie ist ab dem 1. November für die Schwerpunkte Personal und Recht zuständig. Meyerhoff folgt auf Marion Timm, die das Diakoniewerk zum 30. September 2024 verlässt. Die Juristin blickt auf eine über 20-jährige Beratungs-, Leitungs- und Führungserfahrung bei verschiedenen Trägern der Gesundheits- und Sozialwirtschaft im Non-Profit Bereich zurück. Sie begann ihre berufliche Laufbahn in einem Prüfungs- und Beratungsunternehmen. Ein Schwerpunkt ihrer bisherigen Tätigkeit lag neben der Leitung des Rechtsbereichs auch in der strategischen Personalarbeit eines konfessionellen Krankenhauskonzerns. Überdies engagierte sich die Juristin ehrenamtlich als Lehrbeauftragte an der Evangelischen Hochschule Berlin und übernahm verschiedene Mandate in Aufsichtsgremien gemeinnütziger Träger.
Tobias Hölterhof ist neues Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (DIP). Er kommt von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) und stärkt künftig die Sparte digitales Lehren und Lernen. Mit der Erweiterung des Vorstands werde die vielfältige Arbeit des DIP um wichtige Kompetenzen, insbesondere in der Digitalisierung und Medienpädagogik, ergänzt, erläuterte Vorstandsmitglied Michael Isfort. Mit der Berufung eines jüngeren Kollegen in den Vorstand würden zugleich die Weichen in Richtung Generationenwechsel und Zukunftssicherung im Verein gestellt. Hölterhof ist Erziehungswissenschaftler mit dem Arbeitsschwerpunkt Medienpädagogik und Mediendidaktik in der Lehrendenbildung für Pflege und Gesundheit im Fachbereich Gesundheitswesen in Köln.
Susanne Kahl-Passoth, Berliner Theologin und stellvertretende Vorsitzende des Dachverbandes Evangelischer Frauen in Deutschland, wird mit der Berliner Louise-Schroeder-Medaille 2024 ausgezeichnet. Die Medaille wird der 75-Jährigen am 23. September von der Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, Cornelia Seibeld (CDU), überreicht, wie das Abgeordnetenhaus am 29. Juli in Berlin mitteilte. Als Pfarrerin habe sich die ehemalige Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz jahrzehntelang für die Gleichstellung von Männern und Frauen positioniert, heißt es in der Begründung der Jury. Sie sei eine der ersten Unterstützerinnen der Frauenhausarbeit in Berlin. Die Louise-Schroeder-Medaille wird jährlich einer Berliner Persönlichkeit oder Institution verliehen, die dem politischen und persönlichen Vermächtnis der SPD-Politikerin in hervorragender Weise Rechnung trägt. Louise Schroeder (1887-1957) war seit 1919 Parlamentarierin und von Mai 1947 bis Dezember 1948 Oberbürgermeisterin von Berlin.
Sven Göpel ist neuer Verbandsratsvorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Bayern. Der neu gewählte Verbandsrat bestimmte ihn bei seiner konstituierenden Sitzung zum Vorsitzenden. Seine Stellvertreterinnen sind Bärbel Bebensee und Dorit Wiedemann. Göpel folgt auf Norbert Blesch, seine beiden Stellvertreterinnen auf Eva Egartner und Maria Schwarzfischer. Der Verbandsrat ist das ehrenamtliche Aufsichtsgremium des Paritätischen in Bayern und wird von der Mitgliederversammlung für drei Jahre gewählt.
Tom Hauck ist seit dem 1. Juli Gesch#ftsführer des Agaplesion Bethanien Krankenhauses Heidelberg. Er hat die Nachfolge von Stefan Bertelsmann angetreten, der die Leitung Anfang des Jahres interimsweise übernommen hatte. Hauck war zuletzt als Klinikleitung eines eigenständigen Hauses der Grund- und Regelversorgung in Südhessen tätig. Nach seinem dualen Studium in BWL-Gesundheitsmanagement war Hauck zunächst in einer Fachklinik für Orthopädie tätig, ehe er für vier Jahre die Patientenverwaltung in einem diakonischen Haus in Rheinland-Pfalz leitete.
Caroline Vogt (44) ist neue Generaloberin der Schwesternschaft München vom Bayrischen Roten Kreuz. Sie folgte am 1. Juli damit auf Edith Dürr, die das Amt 18 Jahre lang ausgeübt hat. Vogt ist langjähriges Mitglied der Schwesternschaft und eng mit deren Einrichtungen verbunden. Seit 2017 gehört sie zum geschäftsführenden Vorstand und trat 2020 dem strategischen Führungsteam bei. Darüber hinaus war die gelernte Kranken- und Gesundheitspflegerin als persönliche Referentin für ihre Vorgängerin Edith Dürr tätig.
August
22.-29.8.:
Online-Kurs: „Methodenkoffer für gute Teamzusammenarbeit“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/286976-23
27.8. Berlin:
Seminar-Auftakt „Agile Führung - Teams und Organisationen in die Selbstorganisation führen“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828211
28.8. Münster:
Grundlagenseminar: „Pflegesatzverhandlungen in der stationären Altenhilfe - Vorbereitung, Strategie und Verhandlungsführung“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-375
29.8. Münster:
Seminar „Leiten und Führen in der Sozialwirtschaft“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-519
30.8.:
Online-Seminar „Psychische Erkrankungen: Das Drama mit dem Trauma - Einführung in die Grundlagen von Traumatisierung und Traumafolgestörungen“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 01577/7692794
September
2.9.:
Online-Seminar „Kooperations- und Netzwerkarbeit in der Adoptionsvermittlung“
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/62980424
4.9. Stuttgart:
Seminar „Vergütungssatzverhandlungen in der Eingliederungshilfe - Vorbereitung, Strategie und Verhandlungsführung“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-375
5.9.
Online-Sommerakademie: „Resilienz-Training für Führungskräfte“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/286976-16
5.-6.9. Berlin:
Fachtagung: „Gemeinsam wachsen: Auf dem Weg zu einer inklusiven und demokratischen Kindertagesbetreuung“
der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe
Tel.: 030/40040-200
11.9.:
Online-Workshop „Mit Wertschätzung und Klarheit - Kommunikation für Führungskräfte“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/286976-23
11.-12.9.:
Online-Grundkurs „Social-Media-Strategie zur Gewinnung der passenden Fachkräfte“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 01577/7692794
12.9. Erkner
Aktuelle Herausforderungen im Jobcenter - Kooperationsplan und Gesundheitsförderung - Eine Tagung für Leitungskräfte
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/62980-424
16.-18.9.:
Online-Seminar „Digitalisierung in Organisationen aus Kirche, Diakonie und Sozialwirtschaft - Den digitalen Wandel durch eigene Kompetenz als Chance begreifen und aktiv gestalten“
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819
17.-19.9. Eisenach:
39. Bundesweite Streetworktagung: „Zeig Dich und sag was!“
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0174/315 49 35
18.9.:
Online-Seminar „Aktuelles zum Datenschutz in Einrichtungen des Gesundheitswesens“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 0251/48261-194
19.-20.9. Erkner:
Seminar „Neue Entwicklungen in der Pflege“
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge
Tel.: Tel.: 030/62980-424
24.-25.9.:
Online-Seminar: „Sicher im Umgang mit dem Zuwendungs- und Vergaberecht Öffentliche Fördermittel korrekt verwalten und verausgaben“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/2001700
27.9.:
Digitaler Fachaustausch „Umsetzung von Housing First in deutschen Kommunen“
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/62980-424