sozial-Branche

Arbeit

Sozialverbände rügen CDU in Sachen Bürgergeld




Hauptantrag auf Bürgergeld
epd-bild/Heike Lyding
Die Debatten über die Höhe des Bürgergelds und mögliche Verschärfungen für Arbeitsverweigerer reißt nicht ab. Diakonie, VdK, SoVD und Paritätischer warnen vor weiteren Einschnitten, die wegen knapper Gelder im Bundeshaushalt drohen.

Berlin (epd). Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch hat in der Debatte um das Bürgergeld dem CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann vorgeworfen, mit falschen Zahlen zu operieren. Linnemanns Behauptung, mehr als 100.000 Menschen seien zur Arbeit gar nicht bereit, sei „schlicht falsch“, sagte Schuch am 29. Juli in Berlin.

Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigten, dass nicht einmal ein Prozent der Bürgergeldbezieher als sogenannte Totalverweigerer eingestuft würden, führte Schuch aus: „Im Vergleich zu den vielen Menschen, die gerne arbeiten würden, es aber aufgrund ihrer multiplen Problemlagen nicht können, ist dies eine äußerst geringe Zahl.“ Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer Paritätischer Gesamtverband, sagte der „Welt“, die Union argumentiere mit falschen Zahlen.

Höhere Löhne würde Zahl der Aufstocker senken

Zudem müssen laut Schuch fast 800.000 arbeitende Menschen ihr Gehalt mit Bürgergeld aufstocken, ergänzte der Präsident der Diakonie Deutschland. „Ihnen wäre mit besseren Löhnen geholfen.“

Insgesamt erhalten nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums 5,6 Millionen Menschen Bürgergeld, davon sind etwa 4 Millionen grundsätzlich erwerbsfähig. Die Diakonie teilte mit, von diesen 4 Millionen sei weniger als die Hälfte tatsächlich arbeitslos, andere seien in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, gingen zur Schule, pflegten Angehörige oder betreuten ihre Kinder.

Linnemann will Verweigerern das Geld komplett streichen

Linnemann hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt, die Statistik lege nahe, dass „eine sechsstellige Zahl von Personen grundsätzlich nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen“. Er forderte, diesen Personen die Grundsicherung komplett zu streichen.

Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzendes SoVD, sagte, hier werde eine populistische Scheindebatte geführt. „Unsere Verfassung garantiert das Existenzminimum, und das ist auch gut so. Viele geraten unverschuldet durch Krankheit oder Alter in die Abhängigkeit vom Jobcenter. Die Behauptung, dass sich Bürgergeldempfänger weigern zu arbeiten, entspricht nicht der Wahrheit“, sagte die Verbandschefin. Der Anteil der „Totalverweigerer“ liegt im Bürgergeldbezug liege unter einem Prozent.

Anja Piel, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund, wies darauf hin, dass die Verfassung dies gar nicht erlaube, und warf Linnemann eine „menschenverachtende Haltung“ vor. Piel sagte weiter, viele Menschen im Bürgergeld könnten gar nicht arbeiten, weil sie kleine Kinder allein erziehen, Angehörige pflegen oder selbst erkrankt sind. „Manche von ihnen machen auch gerade eine Ausbildung. Und das ist auch gut so, denn Sinn und Zweck des auch von der Union im Bundestag beschlossenen Bürgergelds ist es, Menschen in Arbeit zu integrieren, statt sie in Armut zu drangsalieren.“

DGB warnt vor Spaltung der Gesellschaft

CDU und FDP müssten laut Piel endlich damit aufhören, arme Menschen gegen noch ärmere auszuspielen. „Das spaltet nicht nur unsere Gesellschaft, sondern lenkt auch davon ab, endlich die dringend notwendige Debatte über die Verteilung des Wohlstands zu führen - in einer Gesellschaft, in der das reichste Prozent der Menschen ein Drittel des Gesamtvermögens besitzt.“

Verena Bentele, Präsidentin des VdK, wandte sich entschieden gegen die ebenfalls derzeit diskutierte Nullrunde bei den Bürgergeld-Regelsätzen: Das führe dazu, „dass sich viele Menschen schlechter versorgen können.“ Anders als oft behauptet, sei das Bürgergeld in den vergangenen zwei Jahren nicht zu großzügig erhöht worden. Im Gegenteil: "Wie aktuelle Analysen zeigen, dass die Menschen im Bürgergeld aufgrund der hohen Inflationsraten in den vergangenen Jahren erhebliche Kaufkraftverluste erlitten haben.

Daher müssen laut Bentele die Regelsätze grundlegend neu berechnet werden. „Der heutige Regelsatz spiegelt in keiner Weise wider, was für ein Existenzminimum notwendig wäre. Neu berechnete Regelsätze in der Grundsicherung müssen nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts so hergeleitet werden, dass sie auch die soziale und kulturelle Teilhabe ermöglichen“, betonte die Präsidentin.

Dirk Baas, Nils Sandrisser


Mehr zum Thema

Faktencheck zur Bürgergeld-Debatte: Was stimmt, was nicht?

Seit Wochen läuft eine aufgeheizte Debatte über das Bürgergeld. Behauptungen und Fakten sind nicht immer voneinander zu unterscheiden. Im Folgenden hat epd sozial einige Aussagen und Zahlen zur Einordnung zusammengetragen.

» Hier weiterlesen