sozial-Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,




Dirk Baas
epd-bild/Heike Lyding

seit Jahren wird darüber diskutiert, den Kauf und Besitz von bestimmten Mengen Cannabis zu erlauben. Jetzt hat die Bundesregierung den ersten Schritt zur Legalisierung getan. Das Kabinett beschloss am 16. August in Berlin einen Gesetzentwurf, wonach Erwachsenen der Besitz und Anbau von Cannabis in begrenztem Umfang erlaubt werden soll. Doch es gibt heftige Kritik, nicht nur von der Opposition. Auch Fachverbände und Forscher halten das Vorgehen für verfehlt. Warum, das erläutert Suchtberaterin Denise Schalow von der Diakonie Düsseldorf.

Noch immer gibt es Mängel bei der Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung. Zwar muss Deutschland ihnen laut Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen echte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Aber das geschehe viel zu wenig, bemängelt der aktuelle Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR). Die Anstrengungen, die Konvention umzusetzen, haben demnach in den vergangenen Jahren sogar nachgelassen. Vor allem Sonderstrukturen für Menschen mit Behinderungen stehen in der Kritik.

In der Kita „Heide-Süd“ ist so manches anders als in anderen Einrichtungen. Kinder bestimmen dort selbst, wann sie essen oder schlafen, feste Regeln gibt es nur wenige. Die Kinder finden das natürlich klasse, viele Eltern hingegen nicht so sehr. Aber die Jury des Deutschen Kita-Preises hält es da eher mit den Kindern: Sie hat die städtische Einrichtung als „Kita des Jahres 2023“ mit 25.000 Euro Preisgeld bedacht.

Geld ist auch ein Thema in vielen Familien, wenn die Schule wieder losgeht. Schulmaterial ist nämlich deutlich teurer geworden, und für manche ist das ein Problem. Der Schulbesuch für Kinder muss für deren Eltern wirklich kostenfrei sein, sagt deshalb der Kinderarmutsforscher Michael Klundt von der Hochschule Magdeburg-Stendal. Das werde zwar einiges kosten, aber die Gesellschaft würde davon profitieren, sogar materiell.

Wer am besten qualifiziert ist, bekommt nicht immer die Stelle. Das darf auch so sein, hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg geurteilt. Auch bei bester Eignung hat ein Bewerber noch keinen Anspruch auf eine befristete Stelle, wenn gesetzliche Befristungsregeln dem entgegenstehen.

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Ihr Dirk Baas




sozial-Politik

Drogen

Suchtexpertin: Cannabis-Legalisierung ist halbherzig




Künftig ist Cannabis unter bestimmten Bedingungen legal erhältlich.
epd-bild/Jürgen Blume

Düsseldorf (epd). Die Suchtexpertin Denise Schalow sieht in dem am 16. August vorgestellten Kabinettsentwurf zur Legalisierung von Cannabis mehrere Schwächen. „Es ist nicht davon auszugehen, dass das den Schwarzmarkt aushebeln wird“, sagte die Suchtberaterin der Diakonie Düsseldorf dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dazu seien die Hürden zum Zugang zu Cannabis zu hoch, der Entwurf sei „halbherzig“.

Da man den Schwarzmarkt nicht kontrollieren könne, sei es umso wichtiger, den Konsum auf andere Weise in den Griff zu bekommen, erklärte Schalow, die sich im Vorstand des Evangelischen Fachverbands Sucht Rheinland-Westfalen-Lippe engagiert. Eine Legalisierung biete die Chance, Abgabe und Wirkstoffkonzentration zu kontrollieren und so auf Jugendschutz und Prävention hinzuwirken.

Cannabis nicht unterschätzen

Cannabis-Konsum könne durchaus schwere Folgen haben, warnte die Diakonie-Suchtexpertin: „Jeder, der in der Suchthilfe arbeitet, kann bestätigen, dass es Abhängigkeiten bei Cannabis gibt.“ Schalow trat „Verniedlichungen“ entgegen, wonach der Hanf-Wirkstoff lediglich psychische Abhängigkeiten auslöse, keine körperlichen. „Auch eine psychische Abhängigkeit kann schwerwiegend sein“, sagte sie.

Zugleich gebe es weitere Gesundheitsrisiken durch den Cannabis-Konsum, vor allem bei jungen Menschen. Die Gedächtnisleistung verschlechtere sich bei regelmäßigem Konsum, außerdem drohten Persönlichkeitsveränderungen und Störungen in den Sozialbeziehungen. Die Form des Konsums, üblicherweise durch Rauchen, sei ebenfalls gesundheitsschädlich.

Keine Prävention mit erhobenem Zeigefinger

Eine funktionierende Prävention dürfe sich nicht auf Plakat- und Fernsehkampagnen beschränken, sagte Schalow. Social Media müsse eine große Rolle spielen, da man junge Menschen sonst nicht erreiche. Vor allem aber müssten Präventionsstellen finanziell gut ausgestattet sein, die Betroffene beraten und über Gefahren aufklären könnten. Es bedürfe auch Multiplikatoren wie beispielsweise Eltern, Mitarbeitende in der Jugendhilfe oder Lehrkräfte. Eine gute Prävention müsse „neutral, wertfrei und ehrlich über Risiken aufklären“, sagte Schalow: „Das funktioniert mit dem erhobenen Zeigefinger nicht.“

Nils Sandrisser


Drogen

Cannabis-Gesetz: Was künftig erlaubt sein soll



Das Bundeskabinett hat am 16. August in Berlin einen Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschlossen, wonach Erwachsenen der Besitz und Anbau von Cannabis in begrenztem Umfang erlaubt werden soll. Der Gesetzentwurf kann nun vom Bundestag und Bundesrat beraten werden.

Berlin (epd). Mit der jetzt angekündigten Teil-Legalisierung will die Ampel-Koalition den illegalen Handel mit Cannabis eindämmen. Zudem soll die Aufklärung über die Gefahren des Konsums soll verstärkt werden. Hier der Blick auf die wichtigsten der geplanten Änderungen.

PRIVATER BESITZ: Künftig soll der private Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für Volljährige legal sein. Erlaubt wird auch der private Anbau von bis zu drei Pflanzen mit berauschender Wirkung. Die Weitergabe von Cannabis an Jugendliche ist strafbar.

GEMEINSCHAFTLICHER ANBAU: Mit behördlicher Erlaubnis dürfen nicht kommerzielle Vereine Cannabis anbauen und die Produkte an die Mitglieder abgeben. Erlaubt sind bis zu 50 Gramm pro Monat, für Menschen zwischen 18 und 21 Jahren bis zu 30 Gramm. Mitglieder und Nicht-Mitglieder können bei den Vereinen in geringem Umfang Stecklinge oder Samen für den privaten Anbau bekommen. Die Vereine müssen Qualitätsauflagen für den Anbau sowie Sicherheitsbestimmungen erfüllen und dürfen nicht mehr als 500 Mitglieder haben. Zum gemeinschaftlichen Kiffen dürfen diese sich nicht treffen: Der Konsum von Cannabis auf dem Gelände des Anbauvereins wird verboten.

MINDERJÄHRIGE: Für Jugendliche unter 18 Jahren bleiben Besitz und Konsum von Cannabis verboten; sie werden aber nicht strafrechtlich verfolgt. Handeln sie hingegen mit der Droge, machen sie sich strafbar. Werden Jugendliche von der Polizei mit Cannabis erwischt, sollen sie an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen. Der öffentliche Konsum in der Nähe von Schulen, Kitas und Sportplätzen ist verboten.

LÖSCHUNG VON STRAFURTEILEN: Wer für Verstöße gegen das derzeit noch geltende Recht verurteilt worden ist, kann eine Löschung der Verurteilung aus dem Bundeszentralregister beantragen, wenn das damalige Verhalten nach neuem Recht nicht mehr strafbar ist. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes werden Ermittlungs- und Strafverfahren beendet, die nach dem neuen Recht keine Grundlage mehr haben.

AUFKLÄRUNG: Mit einer Kampagne macht die Bundesregierung auf die Gefahren des Cannabiskonsums für junge Menschen aufmerksam.

WERBUNG: Es gilt ein allgemeines Werbeverbot für Cannabis und die Cannabis-Clubs. Sachliche Informationen sind erlaubt.

VERKAUF VON CANNABIS: Anders als zunächst geplant, wird es vorläufig keine Geschäfte geben, in denen Cannabis verkauft wird. Für den kommerziellen Handel will Gesundheitsminister Lauterbach einen zweiten Gesetzentwurf vorlegen. Den Eckpunkten zufolge, die er bereits vorgestellt hat, soll der Verkauf von Cannabis in Apotheken oder staatlich lizenzierten Geschäften an Erwachsene zunächst in Modellregionen erprobt werden.

Hintergrund der geplanten Probezeit von voraussichtlich fünf Jahren sind EU-rechtliche Vorschriften, wonach Lauterbach zufolge eine bundesweite Zulassung von Geschäften zum Verkauf von Cannabis derzeit nicht möglich ist. Der noch folgende Gesetzentwurf soll der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt werden. Ursprünglich wollte die Ampel-Koalition den kontrollierten Verkauf von Cannabis bundesweit freigeben.

Bettina Markmeyer


Bundesregierung

Kritik an Teil-Legalisierung von Cannabis



Die Regierung macht sich an die Legalisierung von Cannabis, aber es wird vorerst nicht einfach im Laden verkauft werden. Minister Lauterbach setzt auf nicht-kommerzielle Vereine, Kontrolle und Aufklärung. Die Union lehnt das Vorgehen strikt ab. Gesundheitsverbände ud Forscher sehen die Pläne kritisch.

Berlin (epd). Die Bundesregierung hat den ersten Schritt zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland getan. Das Kabinett beschloss am 16. August in Berlin einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), wonach Erwachsenen der Besitz und Anbau von Cannabis in begrenztem Umfang erlaubt werden soll. Kritik kam auch aus den Ländern. Die Union warf der Ampel-Koalition vor, sie stelle Ideologie über Gesundheitsschutz. Die Legalisierung ist ein zentrales Projekt von SPD, Grünen und FDP.

Lauterbach sprach von einem wichtigen Gesetz, das eine dringend notwendige Wende in der Drogenpolitik herbeiführen werde. Der Konsum wachse, ohne dass die Politik darauf bisher eine Antwort gefunden habe. Die Drogenkriminalität nehme zu, und Cannabis auf dem Schwarzmarkt sei durch Beimischungen gefährlicher als früher. Diesen Problemen wolle man mit einer „kontrollierten Legalisierung“ begegnen, sagte der Minister.

Anbau-Vereine dürfen zusammen Pflanzen züchten

Dem Entwurf zufolge ist der Besitz von 25 Gramm Cannabis künftig für über 18-Jährige legal. Zu Hause dürfen Erwachsene bis zu drei Pflanzen anbauen. In Anbau-Vereinen können sich Menschen zusammentun, um unter kontrollierten Bedingungen Cannabis zu produzieren. An Mitglieder dürfen bis zu 50 Gramm pro Monat abgegeben werden, an 18- bis 21-Jährige bis zu 30 Gramm. Die Vereine mit bis zu 500 Mitgliedern brauchen eine behördliche Erlaubnis und müssen Qualitätsstandards für den Anbau sowie Sicherheitsauflagen erfüllen.

Lauterbach erhofft sich insbesondere von diesem nicht-kommerziellen Modell eine Alternative zum Schwarzmarkt. Mariuhana und Haschisch würden in kontrollierter Qualität und zu günstigem Preis an die Mitglieder abgegeben, sagte er: „Das wird funktionieren“. Er glaube, dass der deutsche Weg der bisher beste Versuch der Legalisierung von Cannabis sei.

Jugendliche bleiben strikt außen vor

Für Jugendliche bleiben Besitz und Konsum von Cannabis verboten. Man werde den Kinder- und Jugendschutz ausdehnen und für mehr Aufklärung sorgen, sagte Lauterbach. Das Gehirn von unter 25-jährigen Menschen werde durch Cannabis-Konsum geschädigt. Er wolle dafür sorgen, dass sich dieses Wissen überall verbreite, versicherte der Minister. Das Motto der Kampagne ist: „Legal, aber...“ mit Warnungen vor schweren Gesundheitsschädigungen.

Das Gesetz kann nun vom Bundestag und Bundesrat beraten werden. In einem weiteren Entwurf will Lauterbach in diesem Jahr gesetzliche Regeln für den Verkauf von Cannabis vorlegen. Er soll zunächst in Modellregionen erprobt werden.

Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther sprach von der „zweiten, entscheidenden Säule der Cannabislegalisierung“. Ursprünglich wollte die Ampel-Koalition den Verkauf bundesweit freigeben. Daran ist die Regierung aber Lauterbach zufolge durch EU-Recht gehindert.

Union sieht Jugendschutz in Gefahr

Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher (CDU), warf der Ampel-Koalition vor, den Kinder- und Jugendschutz „komplett über Bord zu werfen“. Die Legalisierung werde zu einer Steigerung des Konsums führen, sagte sie. Die Regierung ignoriere die Warnungen von Kinder- und Jugendärzten vor den extremen Gesundheitsgefahren für junge Menschen.

Aus den Bundesländern kam Kritik von CDU-Innenministern. Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte: „Mit diesem Gesetz wird ein kompletter Kontrollverlust verbunden sein.“ Sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Herbert Reul (CDU) warnte, die Ampel werde Polizei und Justiz nicht weniger, sondern stärker belasten. „Das geplante Cannabisgesetz beinhaltet eine Vielzahl von Regeln, Verboten und Beschränkungen. All das muss kontrolliert werden“, sagte der CDU-Politiker.

Verbände und Mediziner sehen Gesundheitsgefahren

Das Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR) und mit ihm die Deutsche Krebshilfe warnten vor Gesundheitsrisiken, die durch einen Co-Konsum von Cannabis mit Tabak und Nikotin erwartet werden. „Eine legalisiert-kontrollierte Abgabe von Cannabis darf nicht die bislang erreichten Erfolge der Tabak- und Nikotinprävention gefährden“, sagte Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe: „Wir fordern die Bundesregierung auf, entsprechende Schutzvorkehrungen im Gesetzentwurf zu verankern.“

Der Suchtmediziner und Kinder- und Jugendpsychiater an der Uni-Klinik Hamburg-Eppendorf, Rainer Thomasius, warnte im phoenix-Interview vor der Legalisierung von Cannabis. Er bezweifelte, dass die politischen Ziele der Legalisierung erreicht würden, nämlich die Qualität von Cannabis-Produkten zu kontrollieren, gesundheitsgefährdende Verunreinigungen zu verhindern, den Jugendschutz zu gewährleisten sowie die Drogenkriminalität zurückzudrängen. Der Fachmann betonte, der gelegentliche Gebrauch von Cannabis bereite weniger Sorgen. Erschreckend sei vielmehr, dass der tägliche oder fast tägliche Konsum von Cannabis in Ländern mit Legalisierung sehr stark ansteige.

Bettina Markmeyer


Vereinte Nationen

Bericht: Behinderte Menschen werden vielfach ausgeschlossen




Barrierefreiheit ist längst noch nicht überall umgesetzt.
epd-bild/Andrea Enderlein
Hunderttausende Menschen verbringen ihr Leben in einer für sie geschaffenen Parallelwelt von Förderschulen, Werkstätten oder Wohneinrichtungen. Das verstößt gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland umsetzen muss. Jetzt wird geprüft.

Berlin (epd). Menschen mit Behinderungen werden in Deutschland weiterhin daran gehindert, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Laut einer unabhängigen Expertise des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) tun Bund, Länder und Kommunen nicht genug, damit sich das ändert. In den vergangenen Jahren hätten die Anstrengungen, die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) umzusetzen, sogar nachgelassen, bemängelt die zuständige Monitoring-Stelle des Instituts in ihrem aktuellen Bericht, der am 15. August in Berlin vorgestellt wurde.

Die Autorinnen und Autoren kritisieren vor allem die in Deutschland schon lange existierenden Sonderstrukturen. Das sind die Förderschulen, auf die mehr als die Hälfte aller Kinder mit Behinderungen gehen, die Behinderten-Werkstätten für rund 300.000 Menschen und große stationäre Wohneinrichtungen, in denen 160.000 Erwachsene leben. „Es wird viel über Inklusion diskutiert, konsequent in die Tat umgesetzt wird sie nicht“, erklärte der Leiter der Monitoring-Stelle, Leander Palleit.

Regelungen für Privatwirtschaft fehlen

Völlig unzureichend sind dem Bericht zufolge auch die Regelungen für die Privatwirtschaft und das Gesundheitswesen. Weil es nur für öffentliche Einrichtungen gesetzliche Verpflichtungen zur Barrierefreiheit gibt, sind höchstens zehn Prozent der Arztpraxen in Deutschland für Menschen im Rollstuhl zu erreichen. Damit werde ihre freie Arztwahl eingeschränkt, kritisiert der Bericht.

Deutschland hat sich 2009 zur Umsetzung der UN-Konvention verpflichtet. Im Kern garantiert sie allen Menschen mit Behinderungen Selbstbestimmung über ihr Leben, Wohnen und Arbeiten und die vollständige Inklusion in Schule und Kindergarten, im Arbeitsleben, in der Freizeit sowie im Gesundheits- und Sozialsystem.

Rüffer fordert neuen Schwung in der politischen Umsetzung

Die behindertenpolitische Expertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Corinna Rüffer, erinnerte daran, dass der UN-Fachausschuss Deutschland bereits vor acht Jahren aufgefordert hat, Sonderschulplätze und die speziellen Behinderten-Werkstätten zugunsten inklusiver Förderung in Normalschulen oder am Arbeitsplatz zu reduzieren.

Rüffer sagte weiter, es müsse endlich neuer Schwung in die Verwirklichung der Inklusion kommen. Förderschulen bildeten den Anfang einer „Exklusionskette“: Drei Viertel der Jugendlichen verließen sie ohne anerkannten Abschluss und landeten anschließend in einer Behinderten-Werkstatt ohne Aussicht, jemals ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dem DIMR-Bericht zufolge gelingt es nur einem Prozent der Werkstätten-Beschäftigten, in ein reguläres Arbeitsverhältnis zu wechseln.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist unabhängig und wird vom Bundestag finanziert. Zu seinen Aufgaben gehört es, regelmäßig die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland zu überprüfen. Zusätzlich zum Regierungsbericht erstellen das Institut und Betroffenenverbände Parallelberichte, die Erkenntnisse aus Sicht der Zivilgesellschaft liefern. Alle Vertragsstaaten der Behindertenrechtskonvention berichten dem zuständigen UN-Ausschuss in Genf über ihre Fortschritte. Deutschland wird Ende August zum zweiten Mal seit 2009 geprüft.

Schmidt beklagt fehlende Gleichberechtigung

Die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt erklärte: „Menschen mit Behinderung haben noch lange nicht die gleichen Möglichkeiten wie Menschen ohne Behinderung.“ Schmidt forderte die Bundesregierung auf, die Handlungsempfehlungen des UN-Ausschusses ernstzunehmen und umzusetzen.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lebten Ende 2021 rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen in Deutschland, das sind 9,4 Prozent der Bevölkerung. Darunter fallen alle Personen mit einem Behinderungsgrad über 50, die einen Schwerbehindertenausweis haben. Nur drei Prozent der Betroffenen sind von Geburt an behindert. Neun von zehn schweren Behinderungen sind Krankheitsfolgen.

Bettina Markmeyer


Bildung

Interview

Ministerin: Inklusion bleibt ein riesiges Thema




Julia Willie Hamburg
epd-bild/brauers.com
Für die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) ist die schulische Inklusion in den letzten zehn Jahren gut vorangekommen. "Trotzdem gibt es immer noch Themen, die wir nicht zur vollen Zufriedenheit gelöst haben. Inklusion ist wie alle Kultusthemen riesig", sagt sie im Interview mit dem epd. Und verrät, was nun ganz oben auf ihrer Agenda steht.

Hannover (epd). Zehn Jahre nach dem Beginn der Inklusion an niedersächsischen Schulen sieht Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) einiges erreicht. Zugleich blieben noch viele Herausforderungen, damit der gemeinsame Unterricht für alle auch überall gelinge, so Ministerin Hamburg. Manche Probleme zeigten sich dabei erst nach und nach in der Praxis. Die Fragen stellten Karin Miether und Michael Grau.

epd: Frau Hamburg, wie fällt Ihre Bilanz zehn Jahre nach der Einführung der Inklusion in Niedersachsen aus?

Julia Hamburg: In den letzten zehn Jahren ist in Niedersachsen viel passiert. Sehr viele Kinder sind mittlerweile in der inklusiven Beschulung. Trotzdem gibt es auch immer noch Themen, die wir nicht zur vollen Zufriedenheit gelöst haben. Es ist ein Umbruch, der immer noch andauert. Inklusion ist wie alle Kultusthemen riesig.

epd: Was liegt denn für Sie obenauf?

Hamburg: Als erstes haben wir die Zahl der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhöht. Mit dem Nachtragshaushalt haben wir so für zusätzliches Personal gesorgt, auch wenn es noch nicht genug ist. Und wir werden einen Sozialindex einführen, um etwa den Einsatz von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern so zu steuern, dass sogenannte Brennpunktschulen, die mehr Bedarf haben, auch mehr Personal bekommen. Für Kinder mit Förderbedarf werden zum Teil Inklusionsassistenten gewährt. Meist individuell pro Kind. Da wollen wir gemeinsam mit den Kommunen jetzt schauen, wie man die übergreifender einbinden kann. Zum Teil gibt es da zwei bis drei in einer Klasse, während in einer anderen Klasse gerade niemand ist. Das ergibt wenig Sinn.

epd: Welche Probleme zeigen sich in der Praxis?

Hamburg: Rechtliche Regelungen mussten zum Teil angepasst werden. Um ein Beispiel zu nennen: Man konnte relativ lange den Hauptschulabschluss nur nach der neunten und nicht nach der zehnten Klasse machen. Aber Kinder mit dem Förderbedarf „Lernen“ können zum Teil erst nach der zehnten Klasse den Hauptschulabschluss erwerben. Das bedeutete, dass sie sitzenbleiben mussten, anstatt mit ihren Mitschülern in die zehnte Klasse zu gehen und dort dann den Hauptschulabschluss zu machen. Das wurde letztes Jahr erst geändert. Immer wieder tauchen solche Fälle auf, in denen die Regeln noch nicht zu der Realität an den Schulen passen.

epd: Verstehen Sie, dass sich manche Eltern gegen das bevorstehende Aus für die Förderschulen „Lernen“ wehren?

Hamburg: Wenn mir Eltern schildern, dass ihre Kinder an ihrer Schule nicht so gefördert werden, wie es wünschenswert wäre, dann nehme ich das sehr ernst. Aber, die Zahlen zeigen, dass Kinder mit dem Förderbedarf „Lernen“ in der Inklusion bessere Abschlüsse erzielen als in einer Förderschule. Sie kriegen zum Beispiel häufiger den Hauptschulabschluss.

epd: Bessere Lernerfolge haben die Kinder demnach in gemischten Gruppen mit leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern. Dennoch findet Inklusion vor allem an Hauptschulen statt, an denen zuletzt der Anteil der inklusiv beschulten Kinder bei knapp 24 Prozent lag, und kaum an Gymnasien mit nur 0,8 Prozent. Wie ließe sich das ändern?

Hamburg: Nach dem Schulgesetz sind alle Schulen inklusive Schulen, und trotzdem merken wir, dass bestimmte Schulen viel mehr Kinder mit Förderbedarf aufnehmen als andere. Das sind insbesondere die Haupt- und Oberschulen, aber auch die Gesamtschulen. Ich führe Gespräche mit den Gymnasien und den Verbänden darüber, was gewährleistet sein muss, damit auch sie inklusiver werden. Dann sagen mir Lehrkräfte, sie sollten zum Abitur führen und hätten einen unheimlichen Druck im System. Wie sollen wir dann Kinder davor bewahren, dass sie das Gefühl haben zu scheitern? Gymnasial-Lehrkräfte sind häufig auch mit anderen Schwerpunkten ausgebildet. Gleichzeitig gibt es Gymnasien, die bereits tolle Konzepte haben. Wir überlegen deshalb, wie die Rahmenbedingungen an den Schulen verändert werden können, um mehr Inklusion zu ermöglichen.

epd: Nun ist Inklusion ja ein Rechtsanspruch. Wird der denn in der Praxis ausreichend gewährt?

Hamburg: Das ist von Schule zu Schule völlig unterschiedlich. Ich bekomme vereinzelt auch Fälle auf den Tisch, in denen Dinge nicht so laufen, wie es eigentlich gedacht ist. Gleichzeitig gibt es viele Schulen, die zeigen, dass es geht und die das schon seit 20 Jahren machen. Dort sehen wir, dass Kinder sich extrem positiv entwickeln. Mein Anspruch muss es sein, dass auch andere Schulen einen solchen Weg nehmen. Mittlerweile haben 60.000 Lehrkräfte in Niedersachsen eine Fortbildung zur Inklusion durchlaufen. Das ist ein relativ hoher Anteil. Wir entwickeln die Fortbildungen auch immer weiter.

epd: Sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart, den Anteil der Sonderpädagogik zu erhöhen. Wie soll das gehen?

Hamburg: Die Studienplatz-Kapazitäten wurden in den letzten Jahren schon deutlich erhöht. Wir prüfen gerade, ob es einer weiteren Erhöhung bedarf. Es gab früher mal eine Fortbildung für Lehrkräfte, um eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation zu erwerben. Solche Fortbildungen wollen wir weiterdenken, um auch kurzfristig den Anteil zu erhöhen.

epd: Wie hoch ist das Interesse an dieser Art von Fortbildung?

Hamburg: Sie sind gefragt, weil die Lehrkräfte ja sowieso mit diesen Themen konfrontiert sind. An der Grundschule gibt es zum Beispiel eine enorme Spreizung. Die einen Kinder können noch nicht einmal die Buchstaben benennen und die anderen lesen schon ein Buch.

epd: Wie wollen Sie angesichts dieser Herausforderungen Lehrerinnen und Lehrer motivieren?

Hamburg: Wir haben den Lehrermangel ja hauptsächlich bei den Grund-, Haupt- und Realschullehrkräften, und die werden wir künftig besser bezahlen, mit A13. Das ist eine Anerkennung und zusätzliche Wertschätzung, die Menschen motivieren wird, den Beruf zu ergreifen. Wir machen zudem Image-Kampagnen. Wir werden weniger Lehrer haben, wie wir insgesamt weniger Fachkräfte haben werden, weil wir weniger Menschen haben. Deshalb organisieren wir es so, dass wir sie mit anderem Personal unterstützen und Schule neu denken können. Da gibt es dann vielleicht den IT-Administrator, der Lehrkräften bestimmte Aufgaben abnimmt.



Bildung

Interview

"Bedarf ins Blaue hinein geschätzt"




Michael Klundt
epd-bild/privat
Soziale Ungleichheit hat ihre Wurzeln nicht selten schon im Schulbetrieb. Denn viele Eltern haben nicht das Geld, um Ranzen, Bücher, Hefte und weitere nötige Dinge für den Unterricht zu kaufen. Der Politikwissenschaftler Michael Klundt, Professor für Kinderpolitik an der Hochschule Magdeburg-Stendal, betont im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) deshalb, wie wichtig die Lernmittelfreiheit für alle Kinder ist.

Magdeburg (epd). In Nordrhein-Westfalen, Bremen, Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt hat die Schule wieder begonnen, Sachsen, Thüringen und Hamburg folgen in der kommenden Woche. Für viele Eltern vor allem aus dem Sozialleistungsbezug bedeutet der Wiederbeginn der Schule eine enorme finanzielle Belastung. Hier müsse der Staat deutlich mehr Geld bereitstellen, etwa für die Lehrmittelfreiheit, sagt Michael Klundt. Die Fragen stellte Nils Sandrisser.

epd sozial: Herr Klundt, das Bürgergeld setzt als Bedarf für Schulmaterial einen Betrag von 174 Euro an. Reicht das aus?

Michael Klundt: Die ersten Investitionen für die Einschulung umfassen Schulranzen, Brotdose, Trinkflasche, Sporttasche, Mäppchen, Stifte, Tuschkasten und Pinsel und so weiter. Da kommt man recht schnell auf mehrere Hundert Euro. Durchschnittlich. Die Schultüte habe ich da noch gar nicht erwähnt. Manche machen sich darüber lustig und sagen, früher habe auch nicht jeder so einen tollen Ranzen gehabt. Aber so ist das eben in einer Gesellschaft: Wenn es selbstverständlich ist, dass alle so einen Ranzen haben, dann bedeutet es eine enorme Ausgrenzung von ersten Schultag an, wenn wir bestimmten Schulkindern so etwas nicht zur Verfügung stellen.

epd: Hat der Paritätische Gesamtverband also recht, wenn er fordert, den Bedarf von 174 auf 200 Euro zu erhöhen?

Klundt: Wenn jetzt wenigstens die enormen Preissteigerungen des vergangenen Jahres abgebildet werden könnte, wäre das schon mal ein erster Schritt. Es gehört einfach dazu bei einem Kind, dass bei dessen Einschulung gewisse Sonderleistungen nötig sind. Dutzende Studien in den vergangenen Jahren haben nachgewiesen, dass die Sozialleistungen nicht bedarfsorientiert bemessen sind. Nicht nur beim Schulmaterial. Von dem, was da vorgesehen ist, können Kinder sich nicht adäquat ernähren, nicht adäquat kleiden, und sie können sich nicht adäquat Bildung aneignen, weil der Bedarf vielfach schlicht ins Blaue geschätzt wurde.

epd: Andererseits könnte man argumentieren, dass der Sonderbedarf für die Einschulung eine weitere Verkomplizierung des Förderdschungels ist. Viele Eltern wissen doch schon heute nicht, welche Leistungen sie eigentlich abrufen können, und tun es dann auch nicht. Wäre eine Kindergrundsicherung hier die bessere Lösung - oder wäre sie nachteilig, weil Sonderbedarfe dann keine Berücksichtigung mehr fänden?

Klundt: Eine Pauschalleistung steht Sonderleistungen nicht entgegen. Auch bei einer Kindergrundsicherung brauchen wir Posten für Sonderausgaben. Es gibt ja beispielsweise auch besondere Bedarfe aus gesundheitlichen Gründen oder wegen einer Behinderung. Aber ich würde noch einen Schritt zurückgehen. Der Schulbesuch muss auch meiner Sicht für Eltern wirklich kostenfrei sein. Das beträfe nicht nur die Schulausstattung, sondern auch das Mensaessen, Klassenfahrten, Umlagen für Kopierpapier oder Bastelmaterial - auch Laptops, wenn nötig. Das alles gehört zur Lernmittelfreiheit, und das sollte für alle ohne Antragstellung möglich sein. Das „für alle“ ist mir hier wichtig, nicht nur für arme Kinder. Denn diese ganzen Anträge und Bedürftigkeitsnachweise sind ja auch ein Stigmatisierungstreiber.

Es ist ein Skandal, dass wir seit mittlerweile über 15 Jahren den Kinderzuschlag und seit über 10 Jahren das Bildungs- und Teilhabepaket haben, und mehr als die Hälfte der Berechtigten, aus welchen Gründen auch immer, erhalten diese Leistungen nicht. Durch eine automatische Überweisung der Kindergrundsicherung könnte man ermöglichen, dass die Berechtigten auch an ihr Recht kommen, so wie beim Kindergeld auch. Ich plädiere aber auch dafür, dass wir bei der Kindergrundsicherung unterscheiden zwischen dem monetären Bedarf und der sozialen Infrastruktur. Und diese Infrastruktur müssen wir bereitstellen, zum Beispiel in der Lernmittelfreiheit.

epd: Wie viel würde es eigentlich kosten, wenn alle bedürftigen Eltern die Leistungen bekommen, die ihnen zustehen? Gibt es dazu valide Zahlen?

Klundt: Man kann natürlich davon ausgehen, dass es einige Milliarden im Jahr mehr kosten würde, wenn man allen Berechtigten zu ihrem Recht verhilft. Das Bündnis Kindergrundsicherung spricht von 24 Milliarden. Das Konzeot von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) ging ursprünglich von 12 Milliarden aus, jetzt von 2 bis 7 Milliarden. Es kommt darauf an, wie viele Kinder man in diese Berechnung einbezieht und wie hoch man deren Bedarfe anhebt. Da kommt man dann auf extrem differierende Beträge.

epd: Die sich aber wahrscheinlich irgendwann wieder auszahlen würden. Bildung führt ja nachgewiesenermaßen zu geringeren Sozialausgaben und höheren Steuereinnahmen.

Klundt: Ich tue mich schwer damit, auf Mark und Pfennig zu berechnen, wie sich Bildung auszahlt. Es ist schlicht eine menschenrechtliche Frage, um die es hier geht. Aber natürlich ist rein ökonomistisch betrachtet das gut investiertes Geld. Es sind ja enorme Summen, die der Gesellschaft derzeit beispielsweise durch den Fachkräftemangel verloren gehen. Kinder, die von ihrem ersten Schultag an eine organisierte Bildungsarmut erleben und immer wieder benachteiligt werden, werden mit dem Bildungssystem schlecht zurechtkommen, können vielleicht auch später ihre produktiven Ressourcen für sich und für die Gesellschaft weniger einbringen. Umgekehrt bedeutet das, dass Kinder, die gerne in die Schule gehen und Freude am Lernen haben, hinterher weniger Kosten verursachen.

Bei der Frage der Lernmittelfreiheit geht es aber ja immer auch um größere Zusammenhänge: um allgemeine Ungleichheit, um Armut und Reichtum. Die Kürzungen der vergangenen Jahre waren Teil einer Privatisierung des Bildungsbereichs, der dazu führt, dass es stärkere soziale Ungleichheit gibt. Wir alle wissen doch im Grunde, dass wir dort, wo besonders viele benachteiligte Kinder leben, die besten Schulen haben müssten, die meisten und besten Fachkräfte. Und wir alle wissen, dass wir de facto das Gegenteil haben. Diese Form von Ungleichheit, die wir heute haben, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern sozioökonomisch verursacht.

epd: Im aktuellen Kinderhilfereport nennen auch mehr als 90 Prozent der Befragten kostenfreie Lernmittel als wichtigen Baustein zur Bekämpfung von Kinderarmut. Aber wäre das nicht auch insofern ungerecht, als auch dann jene davon profitieren, die es gar nicht bräuchten?

Klundt: Ich verstehe dieses Argument. Aber ich bin ein grundsätzlicher Verfechter des Menschenrechts auf Bildung. Das bedeutet für mich: Bildung muss gebührenfrei zur Verfügung gestellt werden, unabhängig von der sozialen Herkunft des Kindes. Ich bin mir natürlich dessen bewusst, dass es Eltern gibt, die das alles mitfinanzieren könnten, und die werden auch weiterhin darüber hinaus ihre Kinder fördern, etwa durch Nachhilfe. Aber wir hätten dann wenigstens für alle Kinder die Möglichkeit geschaffen, sich im Bildungssystem von Anfang an gut einbringen zu können. Bei der Finanzierung von gebührenfreier Bildung und Lernmittelfreiheit mit gesundem Mittagessen sollten sich dann alle starken Schultern durch höhere Spitzensteuersätze, Vermögenssteuer und eine gerechte Erbschaftsteuer besonders beteiligen.



Asyl

Bayern: Flüchtlingsberatung auf wackligen Beinen



Nicht einmal ein halbes Jahr bleibt. Die Rummelsberger Diakonie plant, sich zum Jahresende aus der Flüchtlingsberatung zurückzuziehen. Begründung: Die Zuschüsse reichen nicht. Das Innenministerium sagt indes, die Förderung sei insgesamt sogar gestiegen.

Nürnberg (epd). Die Beratung von Geflüchteten sei in Bayern so eklatant unterfinanziert wie keine andere Aufgabe in der sozialen Arbeit, kritisiert der Bayerische Flüchtlingsrat. Die EU-Mitgliedstaaten seien verpflichtet, Geflüchtete in Aufnahmeeinrichtungen über ihre Rechte und Pflichten zu informieren und zu beraten.

Wer etwa Hilfe im Psychosozialen Beratungszentrum (PSZ) für Flüchtlinge der Rummelsberger sucht, muss mit einer Wartezeit von acht Monaten rechnen. Die beiden Sozialpädagoginnen und zwei Psychologinnen boten bisher 1.300 Beratungen pro Jahr für fast 300 Einzel- oder Gruppenklienten an. „Die vier Expertinnen gehen von einem Bedarf aus, der wohl doppelt so hoch ist“, sagt Georg Borngässer, der Sprecher der Rummelsberger Diakonie.

Kritik: Pauschalen des Landes decken Kosten nicht

Es reicht von der einfachen Hilfe bei der Suche nach verlorenem Gepäck bis zur intensiven persönlichen Beratung, was im Anker-Zentrum und anderen Einrichtungen den Asylsuchenden von den Wohlfahrtsverbänden angeboten wird. Doch die Pauschalen würden nicht einmal 80 Prozent der Kosten decken. Träger, die Personal mit langjähriger Berufserfahrung angestellt hätten, kämen nur auf etwa 70 Prozent, rechnet der Flüchtlingsrat vor.

Die Rummelsberger geben nun den Beratungsauftrag zum 31. Dezember 2023 zurück. Jährliche Zuzahlungen von rund 200.000 Euro aus Spendengeld wolle man sich nicht mehr leisten, stellt Vorstandsmitglied Peter Barbian fest, die Finanzierungszusagen seien „wackeliger“ geworden und die Zeiträume, für die sie gelten würden, kürzer. Für das evangelische Sozialunternehmen ist daher das Maß voll.

Ministerium gibt Geld für 650 Vollzeitstellen

Das bayerische Innenministerium teilt auf Anfrage mit, 650 Vollzeitstellen für die Flüchtlings- und Integrationsberatung stünden bayernweit zur Verfügung. Die Zuschüsse würden bis zu 90 Prozent „der zuwendungsfähigen Ausgaben“ betragen. Diese würden sich an den Tarifen orientieren, die der Freistaat seinen Beschäftigten zahle. Die Rummelsberger Diakonie zahle deutlich höhere Löhne.

Manche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Flüchtlingsberatung würden ihren Job schon seit 40 Jahren machen, stellt Peter Barbian fest. „Dann wird das kostenintensiver, aber sie verdienen das, was ihnen zusteht“.

Weingärtner: Menschen werden ihrer Chancen beraubt

„Wenn Menschen, die zu uns geflüchtet sind, nicht betreut und beraten werden, so nimmt man den Menschen Teilhabechancen“, sagt die Präsidentin der Diakonie Bayern, Sabine Weingärtner. Im schlimmsten Fall könnten daraus auch Konflikte entstehen. „Das könnte zu einem Teufelskreis führen und befeuert die politische Polarisierung.“ Vor allem bräuchten aber Menschen nach Krieg und Flucht „dringend eine Perspektive, um ihr Leben neu und gut gestalten zu können“, so die Präsidentin, die derzeit auch den Vorsitz der Freien Wohlfahrt in Bayern hat.

Die Freie Wohlfahrt und die kommunalen Spitzenverbände müssten über die Aufteilung frei gewordener Stellenanteile in der Flüchtlingsberatung entscheiden, teilt das Ministerium mit und fügt hinzu: „Integration ist eine Gemeinschaftsaufgabe!“

Im Notfall muss ein neuer Träger her

Weingärtner stellt wiederum fest, der Bedarf an Beratung für geflüchtete Menschen sei um ein Vielfaches höher, als es die Freie Wohlfahrtspflege in Bayern mit der derzeitigen staatlichen Förderung allein leisten könne. Man versuche aber derzeit, einen anderen evangelischen Träger zu finden, der die Aufgabe der Flüchtlingsberatung im Anker-Zentrum übernimmt. Wenn das nicht gelinge, würden Träger der anderen Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern angesprochen: „Bisher ist es immer gelungen, einen geeigneten Träger zu finden.“

Die Situation ausbaden müssten jene Geflüchteten, die bereits jetzt in einzelnen Flüchtlingsunterkünften ohne Beratung seien und keine anderen Beratungsstellen aufsuchen könnten, rügt ein Sprecher des Flüchtlingsrates: „Ohne eine Beratung vor Ort haben Geflüchtete kaum Chancen auf eine faire Behandlung und die Inanspruchnahme ihrer Rechte.“

Jutta Olschewski


Nordrhein-Westfalen

Land weist Kommunen Geflüchtete mit Bleibeperspektive vorzeitig zu



Essen, Düsseldorf (epd). Die NRW-Landesregierung weist vorzeitig Flüchtlinge mit „guter Bleibeperspektive“ den Kommunen zu. „Die konstant hohe Zahl der Zuzüge stellen eine große Herausforderung für Länder und vor allem Kommunen dar“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Um die Aufnahmefähigkeit des Landessystems zu erhalten, müssen wir schon zum jetzigen Zeitpunkt vorzeitige Zuweisungen von Geflüchteten aus den Landeseinrichtungen in die Kommunen vornehmen“, heißt es in einer E-Mail der zuständigen Fachabteilung, die dem epd vorliegt.

Konkret geht es dem Schreiben zufolge um rund 1.500 Geflüchtete, die dann in spätestens 14 Tagen von den Städten untergebracht werden müssten. Dabei handle es sich um Menschen, deren Antragstellung und Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits abgeschlossen sei. Vorzeitige Zuweisungen bezögen sich auf spezielle Gruppen, insbesondere Familien, aber auch Personen, deren gesetzliche Wohnsitzverpflichtung in der Landeseinrichtung abgelaufen sei, erklärte die Ministeriumssprecherin. „Darunter sind ausdrücklich keine Menschen, die hier keine Bleibeperspektive haben.“

Nur Personen mit guter Bleibeperspektive betroffen

Es geht der E-Mail zufolge nur um solche Menschen, die eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, eine Anerkennung als Schutzberechtigte zu erlangen oder die eine „gute Bleibeperspektive“ haben.

Das Ministerium habe bereits in der vergangenen Woche den Kommunalen Spitzenverbände (KSV) die genannten Schritte mündlich angekündigt, worauf dann die E-Mail von Fachebene zu Fachebene erfolgt sei, erklärte die Sprecherin. Die Spitzenverbände seien darum gebeten worden, diese Informationen ihren Mitgliedern weiterzugeben, um Transparenz herzustellen.



Nordrhein-Westfalen

Knapp jeder vierte Beschäftigte arbeitet weiter im Homeoffice



Düsseldorf (epd). Knapp ein Viertel der Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen haben 2022 zumindest teilweise von zu Hause aus gearbeitet. So haben 23,4 Prozent der Beschäftigten das Homeoffice genutzt, wie das Statistische Landesamt (IT.NRW) am 14. August in Düsseldorf erklärte. Der Anteil habe auf dem Niveau des Vorjahres (23,8 Prozent) gelegen. Allerdings sank der Anteil der Beschäftigten, die an jedem Arbeitstag von zu Hause aus arbeiteten, von 40,4 Prozent im Jahr 2021 auf 28,6 Prozent im Jahr 2022.

Je nach Altersgruppe zeigten sich laut Statistik deutliche Unterschiede: Bei den unter 25-Jährigen arbeiteten demnach im vergangenen Jahr 14,7 Prozent zumindest teilweise im Homeoffice. In der Gruppe der 25- bis 44-Jährigen sei der Anteil mit rund 27 Prozent am höchsten. Zudem steige der Homeoffice-Anteil mit dem Qualifikationsniveau. So hätten 46,2 Prozent der hochqualifizierten Beschäftigten das Homeoffice genutzt. Bei Beschäftigten mit mittlerer Qualifikation seien es 16,4 Prozent gewesen und bei Beschäftigten mit niedrigem Bildungsabschluss 4,2 Prozent.

Die Zahlen basieren laut IT.NRW auf ersten Ergebnisse des Mikrozensus 2022. Dafür wird seit 1957 jährlich ein Prozent der Bevölkerung befragt.




sozial-Branche

Bildung

Wo die Kinder den Tagesablauf bestimmen




Kinder basteln in der Kita "Heide-Süd" in Halle
epd-bild/Jens Schlüter
Die Kita "Heide-Süd" in Halle ist anders: Dort gibt es nur wenige feste Regeln, an die sich die Kinder halten müssen. Sie bestimmen selbst, wann sie essen oder schlafen. Das kommt bei vielen Kindern gut an - aber nicht bei allen Eltern. Gleichwohl: Die Einrichtung ist "Kita des Jahres 2023".

Halle (Saale) (epd). An diesem verregneten Sommermorgen sind die meisten Kinder in der Kita „Heide-Süd“ in Halle (Saale) putzmunter. Einige toben über den Flur, der mit Spielzeug und Bobbycars gespickt ist. Andere springen im Toberaum auf den Matratzen, lassen sich fallen oder raufen miteinander. Obwohl es draußen regnet, zieht es einige Kinder ins Freie. Mit nackten Füßen patscht ein Mädchen durch eine Pfütze. Schnell wird klar: Diese Kita ist anders als andere. Das findet auch die Jury des Deutschen Kita-Preises. Im Mai hat sie die städtische Einrichtung in Halle als „Kita des Jahres 2023“ mit 25.000 Euro Preisgeld ausgezeichnet.

„Wir trauen den Kindern zu, dass sie ihre Wege gehen und ihre Wege finden“, beschreibt Leiterin Silke Hajeck den pädagogischen Ansatz der Kita, in der rund 110 Kinder zwischen vier Monaten und sieben Jahren betreut werden. „Alles, was wir machen, richtet sich echt am Kind aus.“

Es gelten mit Absicht nur wenige Regeln

Das bedeutet: Es gibt nur wenige Regeln, ansonsten können sich die Kinder austoben. Feste Zeitpläne sind bei Hajeck und ihrem Team tabu, die Kinder können ihre Zeit frei gestalten. Das gilt auch fürs Schlafen am Mittag. Die Erzieherinnen und Erzieher laden die Kinder ein, sich hinzulegen - sie müssen aber nicht. Wer noch munter ist, kann wach bleiben, und wer schläft, wird nicht geweckt. Schlafen können die Kinder zudem, wo sie wollen, ob im Garten oder in einer Ecke.

Die Küche ist ganz im Vintage-Stil eingerichtet, mit gemusterten Tapeten, gepolsterten Holzstühlen und einem alten, ovalen Tisch. Beim Essen können die Kleinen selbstbestimmt entscheiden: Von 11 Uhr bis 13:30 Uhr gibt es ein Mittagsbuffet. Die Jungen und Mädchen kommen mit ihren Tellern, nehmen sich ein, zwei kleine Würstchen und ertränken sie in Soße. Auf dem Weg zum Platz tropft die auch mal vom Teller - Silke Hajeck schimpft nicht, sondern wischt die Flecken einfach zusammen mit den Kindern auf.

Kommunikation mit den Kindern auf Augenhöhe

„Wir sind schon etwas einzigartig“, sagt die Kita-Leiterin. Als sie 2016 die Leitung der damals neu gebauten Einrichtung übernommen hat, habe sie einen Ort für glückliche Kinder schaffen wollen. „Da sagt nicht ein Erwachsener, heute wollen wir malen oder singen, sondern wir entscheiden mit den Kindern.“ Wichtig sei eine Kommunikation auf Augenhöhe.

Mit diesem pädagogischen Ansatz ist Silke Hajeck nicht nur auf Gegenliebe gestoßen. „Von den ursprünglichen sechs Mitarbeitern ist nur eine übrig geblieben“, erinnert sie sich. „Viele können mit der Idee, dass Kinder eigene Entscheidungen treffen, schlecht leben.“ Fast drei Jahre habe es gedauert, bis sie sich ein passendes Team zusammengestellt habe, das aber mittlerweile gut zusammenarbeite. Mit den Problemen zahlreicher Kitas in Deutschland - Raumnot und Personalnotstand - habe Heide-Süd derzeit nicht zu kämpfen.

Mit manchen Eltern und ihren Vorbehalten schon. In dem schicken Neubaugebiet am Stadtrand von Halle habe es anfangs Diskussionen um das Konzept gegeben, erzählt Hajeck. Einige hätten ihre Kinder aus der Kita herausgenommen, obwohl sich die Kleinen wohlgefühlt hätten.

Systeme an die Kinder anpassen, nicht umgekehrt

Das Etikett, Heide-Süd sei eine „Kita ohne Regeln“, weist die Leiterin ausdrücklich zurück. So müssten in der Küche beispielsweise Schuhe getragen werden, falls mal ein Glas herunterfällt. Nach dem Spielen sollen die Kinder ihre Sachen aufräumen. Und wenn ein Stoppschild an der Treppe stehe, dürften sie nicht nach oben gehen. Doch grundsätzlich gelte der Grundsatz: „Wir müssen die Systeme an die Kinder, nicht die Kinder an die Systeme anpassen.“

Diesen Grundsatz teilt auch die Kita-Expertin Ilse Wehrmann aus Bremen. In ihrem gerade erschienenen Buch „Der Kita-Kollaps“ nennt sie die Hallenser Einrichtung ihre „Traum-Kita“. „Es gibt Handwerkstage, Projektwochen und mehrtägige Ausflüge, einfach viele Gelegenheiten für neue Abenteuer. Da ist jeder Tag spannend“, sagte Wehrmann im epd-Gespräch. „Wer jetzt denkt, dass es dort keine Regeln gibt, irrt sich. Das alles funktioniert nur mit einer Struktur. Einer Struktur, die Freiräume eröffnet.“

An diesem Vormittag sitzt Matthias Grabe vor dem Toberaum, der komplett mit Matratzen ausgelegt ist, so dass die Kinder herumtollen und sich auch mal ordentlich auspowern können. Über sein Smartphone spielt er Musik ein. „AC/DC ist oft sehr gefragt, Heavy Metal oder 'We will rock you' von Queen“, erzählt der 46-Jährige. „Ich kann hier das tun, was mir selber Spaß macht“, sagt der Erzieher, der seit fünf Jahren in Heide-Süd arbeitet. „Ich wollte in eine Kita mit einem offenen Konzept, und ich finde es wunderbar.“

Den Kindern wird viel zugetraut

Dass man den Kindern hier einiges zutraut, zeigt sich auch in der Werkstatt: Sie können sich an der Säge oder der Heißklebepistole ausprobieren, ihrer Neugier freien Lauf lassen. Heinrich Wiorek ist gerade am Ende seiner Ausbildung zum Erzieher, macht in der Kita sein letztes Praktikum. Er gibt zu bedenken: Manchmal müssten Kinder auch für anderes motiviert werden, „wenn sie sich nur mit einer Sache beschäftigen“.

Den Kindern sind Diskussionen um Kita-Konzepte indes herzlich egal. „Der Toberaum und die Werkstatt sind toll, da können wir Äxte oder Holzschwerter bauen“, erzählt der sechsjährige Mats. Die gleichaltrige Olivia zieht es eher nach draußen: „Die Kita hat ein Gewächshaus und einen Garten, der macht Spaß.“

Oliver Gierens


Bildung

Interview

Expertin: "Wir haben den Kollaps schon"




Ilse Wehrmann
epd-bild/Dieter Sell
Über Jahrzehnte hat die Bremer Kita-Expertin Ilse Wehrmann in der Frühpädagogik gearbeitet. Doch nie sei die Situation in diesem Arbeitsbereich so schwierig gewesen wie jetzt, sagt die 73-jährige Politik- und Unternehmensberaterin. Sie fordert einen Aufbruch.

Bremen (epd). Ilse Wehrmann hat im Freiburger Herder-Verlag eine Streitschrift vorgelegt unter dem Titel „Der Kita-Kollaps“. Mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) spricht sie über die desaströse Lage in Krippen und Kindergärten, Wege aus der Misere und ihre Traum-Kita. Kita-Krise. Die Fragen stellte Dieter Sell.

epd sozial: Frau Wehrmann, wie geht es den Kitas in Deutschland?

Ilse Wehrmann: Desaströs. In 50 Jahren Praxis habe ich eine so schwierige Situation noch nicht erlebt. Es fehlen jede Menge Fachkräfte, es fehlen jede Menge Plätze. Was ich beanstande: Das ist kein Überraschungseffekt. Den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gibt es seit 1996 und seit 2013 den Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren. Wir schreiben Rechtsansprüche auf und realisieren sie aber nicht, da passiert im Grunde an jedem Tag ein neuer Rechtsbruch. In Bremen fehlen 5.000 Kitaplätze, in München sind es auch Tausende. In Bielefeld sind Eltern verzweifelt, weil Betreuungszeiten reduziert wurden wegen fehlender Fachkräfte. In anderen Städten sieht es ähnlich aus.

epd: Was heißt das für Beschäftigte, Kinder und Eltern?

Wehrmann: Den Mitarbeitenden geht es damit sehr schlecht. Ich beobachte viele Krankmeldungen, Burn-out, Beschäftigte, die ganz aussteigen. Die Eltern, die in ihren Jobs ja auch unter Druck stehen, erleben keine Verlässlichkeit mehr in der Kinderbetreuung. Die Kinder werden in diesem Spannungsfeld aufgerieben - zwischen der Krise in den Einrichtungen und dem Druck, der auf den Eltern lastet.

epd: Sie schreiben im Titel ihrer Streitschrift vom Kita-Kollaps. Haben wir ihn schon?

Wehrmann: Ja, wir haben den Kollaps schon. Und was die Gründe angeht: Ich glaube, wir sind den Kindern gegenüber gleichgültig geworden. Wir verwalten Kinder nur noch, wir lieben sie nicht mehr. Verwaltung und Politik müssten wir die Liebe zu Kindern intravenös spritzen. Am meisten ärgert mich die Langsamkeit beim Kita-Ausbau, wir kommen mit Entscheidungen nicht von der Stelle. Es hat sich von Jahr zu Jahr verschlechtert, was die Baugenehmigungen betrifft. Und ich merke: Es ist gar kein Leidensdruck da. Aber wenn wir uns nicht bewegen mit Genehmigungen, haben viele Kinder keine Chance auf Bildung.

epd: Haben Sie Beispiele?

Wehrmann: Da gibt es eine Verordnungsverliebtheit. Manchmal scheitern Bewilligungen an wenigen Quadratmetern, die in den Gruppenräumen fehlen. Wir sind verliebt in Sicherheitsauflagen, die festlegen, ob alle Steckdosen den richtigen Abstand haben oder ob die Garderoben breit genug oder die Toilettenwände hoch genug sind. Das Wohl des Kindes ist aber nirgendwo mehr gefährdet, als wenn wir sie ohne einen Betreuungsplatz lassen.

epd: Aber selbst wenn es genügend Räume geben würde: Die Fachkräfte, die am Ende für einen schnelleren Kita-Ausbau nötig sind, kann sich ja niemand backen.

Wehrmann: Das stimmt, aber trotzdem lässt sich vieles machen. Kontraproduktiv sind da jedenfalls Pläne wie im Bremer Koalitionsvertrag, die Zahl der betreuten Kinder in einer Gruppe auszuweiten und mit weniger ausgebildetem Personal zu arbeiten. Was ist das für ein Signal? Das drückt doch keine Wertschätzung aus. Wir brauchen multiprofessionelle Teams, auch gute Handwerker, die für Werkstattprojekte in Einrichtungen eingesetzt werden können. Natürlich geht es auch darum, die Ausbildung weiter auszubauen. Berufsbegleitend kann man dann mit den Leuten gleich in den Kitas starten. Auch Studierende in den letzten Semestern ihres Studiums und Menschen, die aus Ländern wie Brasilien, Spanien oder der Ukraine kommen und deren Abschlüsse wir zügig anerkennen, können die Kita-Teams verstärken.

epd: Was könnte man noch rasch ändern?

Wehrmann: Wir haben in Deutschland 90 Studiengänge zur Frühpädagogik. Aber die Absolventen dürfen zum Teil nicht in den Einrichtungen arbeiten, müssen sich nachqualifizieren. Das ist einfach alles viel zu bürokratisch, das hat doch nichts mit gesundem Menschenverstand zu tun. Das sind Beispiele, die meine Hauptbotschaft unterstützen: Wir nehmen Kinder nicht wirklich ernst und wichtig.

epd: Welche Stellschrauben sehen Sie noch, um die Situation zu verbessern?

Wehrmann: Wir brauchen einen nationalen Bildungsgipfel, ganz kurzfristig, in diesem Herbst. Dazu muss der Bundeskanzler einladen. Mit Energiegipfeln kriegen wir das ja auch hin. Die gleiche Summe, die wir jetzt für Rüstung ausgeben, brauchen wir auch für die Bildung. Und den Drive, den Deutschland beim Ausbau der LNG-Infrastruktur hingelegt hat, den wünsche ich mir für die gesamte Bildung, nicht nur für die frühe Bildung. Da sind Sachverstand und Leidenschaft gefordert. Zentral ist für die Kitas vor allem mehr Flexibilität und Schnelligkeit in der Bereitstellung von Räumen. Wenn ich durch die Städte gehe und sehe, wie viele freie Räume wir haben, überall: Da könnten wir morgen anfangen, mit Kindern zu arbeiten. Alles ist besser, als die Kinder unversorgt auf der Straße stehenzulassen. Wir brauchen kurze Wege und schnelle Entscheidungen in den Baubehörden und auch ressortübergreifend.

epd: Um den Kita-Alltag für Beschäftigte und Kinder zu verbessern, was ist außerdem nötig?

Wehrmann: Das können wir nicht in Gruppen mit 23 Kindern machen. Dafür brauchen wir kleinere Gruppen. Bei Krippen sollten es nicht mehr als 8 Kinder sein, bei den älteren 15, maximal 18. Das würde ja auch gleichzeitig die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessern. Dann haben wir auch nicht mehr so eine Abwanderungswelle. Mein Appell: Es geht um mehr Achtung und Wertschätzung - den Kindern gegenüber, aber auch den Beschäftigten gegenüber. Ich bin überzeugt, wir würden das hinkriegen. Wenn wir wollen.

epd: Gibt es denn jetzt schon Kitas, die Ihren Vorstellungen entsprechen?

Wehrmann: Die gibt es, an mehreren Stellen in Deutschland. Zu meinen Traum-Kitas gehört die kommunale Einrichtung Heide-Süd in Halle/Saale, die in diesem Jahr unter anderem für ihr offenes Konzept den Deutschen Kita-Preis bekommen hat. Kinder und Eltern können dort den Alltag mitgestalten, ihre Wünsche stehen über geplanten Abläufen. Es gibt Handwerkstage, Projektwochen und mehrtägige Ausflüge, einfach viele Gelegenheiten für neue Abenteuer. Da ist jeder Tag spannend. Wer jetzt denkt, dass es dort keine Regeln gibt, irrt sich. Das alles funktioniert nur mit einer Struktur. Einer Struktur, die Freiräume eröffnet.



Jugend

Im Baucamp anpacken für den Nächsten




Wiederaufbau eines zerstörten und unbewohnten Dorfes in der Naehe der bosnischen Stadt Srebren (Archivbild)
epd-bild/Internationaler Bauorden
Soziales Engagement und Abenteuer: Junge Freiwillige können dies seit 70 Jahren in "Baucamps" des Internationalen Bauordens erleben. Der Verein unterstützt in ganz Europa gemeinnützige und soziale Einrichtungen bei Bau- und Renovierungsarbeiten.

Ludwigshafen (epd). Undenkbar war es, dass Frauen damals auf Baustellen mit Schaufel und Maurerkelle anpackten. „Sie durften nur in der Küche mitmachen“, erzählt Geschäftsführer Peter Runck, wie es vor 70 Jahren beim Internationalen Bauorden war. Als der flämische katholische Ordensmann Werenfried van Straaten 1953 den Hilfsverein gründete, waren allein handwerklich begabte Männer zugelassen: In Deutschland und ganz Europa unterstützten sie soziale Projekte mit ehrenamtlichen Bau- und Renovierungsarbeiten - auch, um die Völker auf dem kriegsversehrten Kontinent wieder miteinander zu versöhnen.

Mittlerweile dürfen alle mitmachen

Die ungleiche Situation ist längst passé. „Mitmachen können alle, die auf einer Baustelle zusammen mit anderen arbeiten wollen“, sagt Runck. In den Teams der mehrwöchigen sogenannten Baucamps sind Frauen mittlerweile mit zwei Dritteln in der Mehrheit. „Sie haben oft mehr Durchhaltevermögen als die Jungs“, lobt der 62-jährige Sozialpädagoge, der die Arbeit des Bauordens mit Sitz in Ludwigshafen am Rhein koordiniert. Schwerpunkt sind Projekte in Mittel- und Osteuropa - auch die kriegsgeschundene Ukraine wird weiter mit Geld- und Sachspenden unterstützt.

Soziales Engagement und Abenteuerlust: Auch sieben Jahrzehnte nach seiner Gründung scheint das Konzept des gemeinnützigen Vereins viele anzusprechen, vor allem junge Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren. Sechs bis zwölf Freiwillige bilden eine Gruppe. Sie helfen mit, etwa einen Kindergarten, ein Altenheim, ein kirchliches Gemeindezentrum oder ein Krankenhaus zu bauen oder wieder instand zu setzen. Dafür gibt es einen Zuschuss für Unterkunft und Verpflegung. Die Reisekosten müssen die Freiwilligen selbst tragen.

Arbeit im Ausland wird sehr geschätzt

Das freiwillige Engagement kommt an. Den Erfahrungsberichten von Teilnehmern auf der Homepage des Bauordens ist zu entnehmen, dass die Arbeit im Ausland geschätzt und auch anerkannt wird: „Die Bauwochen sind immer noch sehr lebendig. Ich meine, es tut einfach mal gut, die Blickrichtung zu ändern, mal etwas Abenteuerliches zu wagen“, schreibt Anneke (21), die 2005 in Vrabanja in Bosnien-Herzegowina war. „Der Umgang mit den Menschen vor Ort war großartig. Unsere Arbeit wurde sehr geschätzt und wir spürten immer eine große Dankbarkeit“, erinnert sich Stefanie (20) an ihren Baucamp 2005 in Malacky in der Slowakei.

Etliche der in den Sommer- und Herbstferien in 16 Ländern stattfindenden Baucamps seien ausgebucht, sagt Bauorden-Geschäftsführer Runck. Insgesamt 35 Baucamps gibt es etwa in Polen, Lettland, Tschechien, Georgien, Albanien sowie in Frankreich und Belgien, 16 davon sind in Deutschland. Vor allem durch Mund-zu-Mund-Propaganda würden die oft kirchlich sozialisierten Freiwilligen auf die Arbeit des konfessionell und weltanschaulich offenen Vereins aufmerksam. Auch Senioren, Familien und minderjährige Jugendliche sind zu eigenen Baucamps eingeladen, mitmachen können zudem Geflüchtete.

Einsatz gegen Rassismus und Nationalismus

Auch in Zukunft will der Bauorden gerade jungen Menschen, die schulisch nicht so gut, sozial benachteiligt oder auch straffällig geworden sind, die Chance zum Mithelfen geben, betont Runck. „Wir wollen in dieser Nische bleiben.“ Auch der Einsatz gegen Rassismus und Nationalismus bleibe wichtig: Wer mit anderen Freiwilligen etwa im bosnischen Srebrenica mehr als 25 Jahre nach dem Massaker an muslimischen Männern und Jungen ein zerstörtes Dorf wiederaufbaue, der erkenne, wie wertvoll ein friedliches Zusammenleben sei, sagt Runck.

In Deutschland ist der Bauorden besonders bei sozio-kulturellen Projekten aktiv. In Mannheim etwa unterstützen Freiwillige mit Maler-, Schreiner- und Renovierungsarbeiten ein inklusives Wohn- und Arbeitsprojekt auf einem ehemaligen Kasernengelände. Künstlerinnen und Künstler haben dort ihre Ateliers und Ausstellungsräume und leben mit Familien sowie Menschen mit Assistenzbedarf zusammen.

Auch wenn in der Ukraine derzeit keine Baucamps möglich seien, so werde die Arbeit von Partnerorganisationen etwa für Binnenflüchtlinge oder für Krankenhäuser und Kinderheime weiter unterstützt, sagt Runck. Bundesweit einmalig sei das Bauorden-Projekt für mehr als 60 aus der Ukraine geflüchtete Gehörlose in Ludwigshafen. „Für sie gibt es einen Treffpunkt, zudem helfen Gebärdendolmetscher etwa bei Behördengängen“, sagt Runck, der zum Jahresende in den Ruhestand geht.

Alexander Lang


Gesundheit

Experten fordern Meldepflicht für schwere Behandlungsfehler



Vor Behandlungsfehlern haben viele Menschen Angst, besonders wenn ihnen eine Operation bevorsteht. Jedes Jahr werden die nachgewiesenen Fälle dokumentiert - aus Sicht des Medizinischen Dienstes fehlt aber für mehr Sicherheit eine Meldepflicht.

Berlin (epd). Jedes Jahr beleuchtet der Medizinische Dienst die Behandlungsfehler in Deutschland. In 3.221 Fällen und damit in jedem vierten der 13.059 ärztlichen Gutachten wurden laut der am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Jahresstatistik ein Fehler und ein Schaden für den Patienten festgestellt. Dass der Fehler auch Ursache des Schadens war, wurde 2.696 Mal nachgewiesen. Nur in diesem Fall haben Patienten Aussicht auf Schadensersatz. Drei Viertel der Verdachtsfälle wurden nicht bestätigt. Zwei Drittel der Kunstfehler passieren in Kliniken. Auch Pflegefehler gehen in die Zählung ein.

Es ist aber mit dieser Behandlungsfehler-Statistik des Medizinischen Dienstes so, als solle eine Taschenlampe einen Operationssaal ausleuchten. Man müsse von einer 30 Mal höheren Zahl an Fehlern in Krankenhäusern und Praxen ausgehen, sagte der Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund, Stefan Gronemeyer, das entspreche einem Prozent aller medizinischen Behandlungen. Bekannt werden den Gutachtern die Fälle nur, wenn sich eine Patientin oder ein Patient mit dem Verdacht auf einen Kunstfehler an seine Krankenkasse wendet und diese den Medizinischen Dienst beauftragt, ein ärztliches Gutachten zu erstellen.

Die Zahl begutachteter Fälle sowie bestätigter Fehler und Schäden bewegt sich seit zehn Jahren auf etwa gleichem Niveau. An der Spitze stehen Beschwerden nach Operationen und Geburten, dann folgen Zahnmedizin und die Pflege. Dies sei kein Anzeichen für besondere Probleme in diesen Sektoren, betonen die Berichterstatter, sondern dafür, dass eine falsch eingesetzte Hüfte oder ein wundgelegener Rücken eher auffallen. Die Bundesärztekammer führt Behandlungsfehler-Statistiken mit ähnlichen Ergebnissen - die Daten werden aber nicht zusammengeführt.

Gronemeyer drang in diesem Jahr besonders darauf, dass zumindest schwerwiegende, vermeidbare Behandlungsfehler, sogenannte Never Events, gemeldet werden müssen. Das sei internationaler Standard und „aus Patientensicht nicht hinnehmbar, dass Deutschland das nicht umsetzt“. Es passierten „immer wieder die gleichen folgenschweren Fehler“, kritisierte Gronemeyer. Er forderte die Bundesregierung auf, im Rahmen der Novellierung des Patientenrechte-Gesetzes eine nationale Never-Event-Liste einzuführen.

Anhand der anonymisierten Fälle kann dann nachvollzogen werden, wo Sicherheitschecks beispielsweise vor einer Operation nicht eingehalten wurden und wie dies zu vermeiden gewesen wären. Im vorigen Jahr wurden von den Gutachtern des Medizinischen Dienstes 165 Never-Events, also Fälle von Patienten- oder Seitenverwechslungen, schwere Medikationsfehler oder zurückgelassenes Operationsmaterial festgestellt.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warf der Ampel-Koalition vor, sie habe bisher weder den versprochenen Härtefallfonds für Opfer von medizinischen Behandlungsfehlern noch ein bundeseinheitliches Zentralregister auf den Weg gebracht. Vorstand Eugen Brysch forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag) außerdem eine Beweislastumkehr. So weit geht die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, nicht. Sie verlangt aber, den Nachweis zu erleichtern. Wegen hoher Hürden bei der Beweisführung, langer Verfahren und Problemen bei der Schadensregulierung versuchten Patienten häufig gar nicht erst, ihre Rechte durchzusetzen.



Diakonie

Umfrage: Träger finanziell stark belastet



Düsseldorf (epd). Viele Träger der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe blicken pessismistisch in ihre finanzielle Zukunft. Aufgrund von Inflation, hohen Energiepreisen und steigenden Löhnen rechnen vier von fünf Trägern mit einem negativen Jahresergebnis, wie die Diakonie RWL ein Ergebnis einer Umfrage unter Mitgliedern am 14. August in Düsseldorf mitteilte. 388 Träger, darunter Betreuungsvereine, Krankenhäuser, Kitas, Offene Ganztagsgrundschulen, Pflegeheime, Eingliederungshilfen und Beratungsstellen, füllten den Fragebogen aus. Ein Drittel von ihnen rechnet sogar mit einem Liquiditätsengpass noch in diesem Jahr.

Die Rückmeldungen seien erschreckend, erklärte die juristische Vorständin Kerstin Schwenke. „Die Zahlen zeigen, dass wir schleunigst Unterstützung von der Politik brauchen, damit die soziale Infrastruktur erhalten bleibt.“

Umfrage in NRW, dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen

Im Mai hatte sich die Arbeitsrechtliche Kommission im Verbandsgebiet der Diakonie RWL den Angaben nach darauf geeinigt, Beschlüsse für den öffentlichen Dienst mit einer einmaligen Ausgleichsprämie und Tarifsteigerungen ab März 2024 für ihre Angestellten zu übernehmen. Um die Auswirkungen dieser Tarifeinigung zu ermitteln, befragte die Diakonie RWL ihre Mitglieder in NRW, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Hessen.

Besonders betroffen sind demnach die Betreuungsvereine (97 Prozent), Kitas (94 Prozent), Offene Ganztagsgrundschule (OGS) mit 90 Prozent und Beratungsstellen (88 Prozent). Auch die ambulanten Pflegedienste (87 Prozent) und die Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen (80 Prozent) rechnen der Umfrage zufolge mit einem deutlichen Minus. „Vor allem die Tarifsteigerungen sind eine große Herausforderung für unsere Träger“, erklärte Schwenke. Die hohen Energiepreise machten sich im Schnitt zu einem Viertel bis zu einem Drittel bemerkbar. Träger gaben zudem an, dass sie auch ohne die Inflation mit einer Unterfinanzierung zu kämpfen hätten.

Jeder dritte Träger rechnet der Umfrage zufolge noch in diesem Jahr mit einem Liquiditätsengpass. Es gelinge immer seltener, dies aus ungebundenen Rücklagen oder mithilfe von Krediten zu überbrücken, erläuterte Schwenke. Auch Kirchenkreise oder Landeskirchen könnten nicht immer wieder einspringen. „Die Zuwendungen aus Kirchensteuern und Kollekten sind rückläufig, Spenden können das nicht mehr kompensieren.“

Einrichtungen fehle die Perspektive

Aufgrund ausbleibender Zusagen des Landes fehle vielen Trägern eine Perspektive. Investitionen, etwa in energetische Sanierungen, Fachkraftoffensiven oder die Digitalisierung, würden aufgeschoben.

Einzelne Träger, etwa bei den Kitas, befürchteten Zahlungsunfähigkeit bis hin zur Insolvenz, hieß es. In den Offenen Ganztagsschulen, wo lediglich über Personalkosten gespart werden könne, müsse der Personalschlüssel weiter reduziert werden. Dies konterkariere die Ausbaupläne der Landesregierung für den OGS-Bereich mit Blick auf den Betreuungsanspruch ab dem Schuljahr 2026/27.



Caritas

Werkstätten: Öffentliche Hand soll Grundbetrag übernehmen



Düsseldorf (epd). Caritas-Werkstatträte in Nordrhein-Westfalen fordern in einer Petition an den Bundestag, dass der Grundbetrag für Menschen mit Behinderung vorübergehend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Der Grundbetrag sei zuletzt mehrfach angehoben worden und die Werkstätten seien zudem mit den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise und des Ukrainekrieges konfrontiert, erklärte die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte in der Caritas am 14. August in Düsseldorf.

„Dies alles hat für die Werkstätten dramatische Folgen“, hieß es. So fehlten nun vielen Einrichtungen die Mittel, um ihren Beschäftigten zusätzlich zum geringen Grundbetrag den sogenannten Steigerungsbetrag zu zahlen. Dieser wird je nach Leistung der Werkstattbeschäftigten individuell festgelegt. Die Werkstätten müssten vorübergehend entlastet werden, damit sie wieder „einen leistungsgerechten Steigerungsbetrag“ an die Beschäftigten auszahlen könnten.

Entgeltstudie soll erst im September vorliegen

Die Bundesregierung habe zwar eine Reform des Entgeltsystems in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung angekündigt, hieß es in der Petition. Eine dazu in Auftrag gegebene Entgeltstudie werde aber erst für September erwartet. Erst danach werde das Gesetzgebungsverfahren für eine Reform beginnen.

Mit der Petition erhofften sich die Caritas-Werkstatträte eine Beschleunigung des Verfahrens. Um das Anliegen im Bundestages vortragen zu können, müssen mindestens 50.000 Unterschriften gesammelt werden.




sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Bester Bewerber muss nicht immer die Stelle bekommen




Das LAG Nürnberg hat entschieden, dass nicht zwingend der beste Stellenbewerber Anspruch auf den Job hat.
epd-bild/Heike Lyding
Auch bei bester Eignung muss es für einen Stellenbewerber noch keinen Anspruch auf befristete Anstellung bei einem öffentlichen Arbeitgeber geben. Der Anspruch ist bei einem drohenden Verstoß gegen gesetzliche Befristungsregelungen ausgeschlossen, urteilte das Landesarbeitsgericht Nürnberg.

Nürnberg (epd). Öffentliche Arbeitgeber müssen befristete Stellen nicht immer mit den fachlich besten Bewerbern besetzen. War der Interessent bereits seit mehreren Jahren bei dem Arbeitgeber befristet beschäftigt und wäre eine erneute Befristung unzulässig, darf er vom Stellenbesetzungsverfahren ausgeschlossen werden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem am 11. August veröffentlichten Urteil. Dem stehe auch nicht entgegen, dass öffentliche Arbeitgeber bei einer Stellenbesetzung verfassungsrechtlich eine „Bestenauslese“ vornehmen und dem am besten geeigneten Bewerber den Zuschlag geben müssen.

Laut Gesetz dürfen ohne sachlichen Grund befristete Arbeitsverträge höchstens für einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren befristet werden. Darüber hinaus sind weitere sachgrundlose Befristungen mit demselben Arbeitgeber unwirksam.

BAG stoppte Kettenbefristungen

Aber auch Befristungen mit sachlichem Grund - etwa wegen einer Schwangerschaftsvertretung - dürfen nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt vom 8. Juni 2016 nicht grenzenlos immer wieder neu befristet werden. So könne ein verbotener „institutioneller Rechtsmissbrauch“ vorliegen, wenn „eine sehr lange Gesamtdauer des Beschäftigungsverhältnisses und/oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber“ besteht. 22 Jahre dauernde fortlaufende Kettenbefristungen könnten auf solch einen Missbrauch der gesetzlichen Befristungsregelungen hinweisen. Für Arbeitnehmer kann das dann bedeuten, dass sie Anspruch auf eine unbefristete Festanstellung haben können.

Im konkreten Fall war der seit März 2016 beschäftigte schwerbehinderte Kläger mehrfach bis zum 30. Juni 2023 befristet an einer Universität beschäftigt. Er war als technischer Assistent am Institut für Pathologie tätig. Zuvor hatte er von April 2010 bis März 2016 insgesamt sieben befristete Arbeitsverträge mit dem Uniklinikum als Arbeitgeber gschlossen.

Chef des Klägers unterstützte Bewerbung

Als die Universität erneut eine befristete Stelle für die technische Assistenz ausschrieb, bewarb sich auch der schwerbehinderte Kläger erneut darauf. Der Leiter der Pathologischen Abteilung wollte den Kläger auch einstellen. Die Personalabteilung lehnte das jedoch wegen eines drohenden „institutionellen Rechtsmissbrauchs“ ab. Eine erneute Befristung würde gegen die gesetzlichen Befristungsregelungen verstoßen und könnte als „institutioneller Rechtsmissbrauch“ gewertet werden. Die Universität befürchtete, dass dann der schwerbehinderte Beschäftigte Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hätte.

Der Kläger verwies indes auf die verfassungsrechtliche Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, den fachlich am besten geeigneten Bewerber einzustellen - nämlich ihn selbst. Der Leiter der Pathologie habe ausdrücklich ihn für die Stelle haben wollen, so seine Begründung. Außerdem habe die Universität eine Inklusionsvereinbarung abgeschlossen, nach der schwerbehinderte Menschen bei der Einstellung bevorzugt zu behandelt sind. Ohnehin liege schon ein Rechtsmissbrauch vor. Denn die befristeten Arbeitsverhältnisse des Uniklinikums und der Universität müssten zusammengerechnet werden. Es handele sich dann um verbotene Kettenbefristungen.

LAG sieht Gefahr der Klage auf Festanstellung

Das LAG urteilte, dass der Kläger im Auswahlverfahren für die neue befristete Stelle nicht zu berücksichtigen sei. Dem stehe auch nicht das verfassungsrechtliche Gebot der Bestenauslese entgegen. Zwar sei der Kläger der fachlich am besten geeignete Bewerber gewesen. Mit der erneuten befristeten Einstellung des Klägers würde sich der Arbeitgeber jedoch der Gefahr aussetzen, gegen die gesetzlichen Befristungsregelungen zu verstoßen. Bei Vorliegen eines solchen institutionellen Rechtsmissbrauchs müsse der Arbeitgeber befürchten, dass der Kläger eine unbefristete Anstellung verlange.

Dass wegen der zahlreichen Befristungen bereits jetzt schon ein Rechtsmissbrauch vorliege, bestritt das LAG. Denn der Kläger habe mit zwei verschiedenen Arbeitgebern, dem Uniklinikum und der Universität, mehrfach befristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Diese Befristungen könnten nicht zusammengerechnet werden, so das Gericht.

Unbeachtlich sei es, dass der Leiter der Pathologie den Kläger gerne einstellen wolle. Denn die Einstellungsbefugnis liege nicht bei ihm, sondern bei der Personalabteilung, betonte das LAG. Schließlich könne auch die Inklusionsvereinbarung der Universität keine Einstellung begründen, denn sie beinhalte keinen individuellen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

Der Kläger hat gegen das Urteil Revision beim BAG eingelegt. Das Verfahren ist dort unter dem Aktenzeichen 8 AZR 187/23 anhängig.

Az.: 5 Sa 373/22 (Landesarbeitsgericht Nürnberg)

Az.: 7 AZR 259/14 (Bundesarbeitsgericht institutioneller Rechtsmissbrauch)

Frank Leth


Bundesgerichtshof

Urteil gegen Altenpflegerin wegen Mordes bestätigt



Karlsruhe (epd). Das Landgericht Frankfurt am Main hat eine 42-jährige Altenpflegerin wegen des Mordes an einer 100-jährigen Frau zu Recht zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Revision gegen das Urteil sei „offensichtlich unbegründet“ entschied der Bundesgerichtshof in einem am 11. August bekanntgegebenen Beschluss.

Das Landgericht hatte es nach einem monatelangen Indizienprozess als erwiesen angesehen, dass die 42-jährige deutsche Pflegerin die 100 Jahre alte Seniorin in ihrem Bett in der Wohnung in Frankfurt-Sachsenhausen mit einem Kissen erstickt hatte. Die Angeklagte habe damit einen vorangegangenen Hausfriedensbruch und einen Diebstahl vertuschen wollen.

Zuvor habe die frühere Pflegerin heimlich den Wohnungsschlüssel der alten Frau gestohlen, um in deren Wohnung eindringen zu können. Mit der Entscheidung des BGH ist das Urteil zu lebenslanger Haft rechtskräftig.

Az.: 5/22 Ks 3490 Js 203341/21 (19/21



Landesarbeitsgericht

Gefälschter Impfnachweis ist Kündigungsgrund



Mainz (epd). Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen bei Vorlage eines gefälschten Impfnachweises beim Arbeitgeber mit einer verhaltensbedingten Kündigung rechnen. Die ohne vorherige Abmahnung ausgesprochene Kündigung ist auch dann wirksam, wenn der ungeimpfte Mitarbeiter andere Kollegen nicht konkret gefährdet hat, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem am 10. August veröffentlichten Urteil.

Hintergrund des Rechtsstreits war die vom Land Rheinland-Pfalz während der Corona-Pandemie angeordnete Bestimmung, dass alle Beschäftigten, die mit anderen Personen physischen Kontakt haben, entweder gegen Covid 19 geimpft oder davon genesen sein müssen. Alternativ konnten Mitarbeiter auch einen aktuellen negativen Test vorlegen.

Alle Beschäftigten waren über 3G-Regel informiert

Über diese sogenannte 3G-Regel hatte der Arbeitgeber, ein Chemieunternehmen, alle Beschäftigten und auch den Kläger informiert. Ohne entsprechendee Nachweise wurde das Betreten des Betriebsgeländes verboten. Werde ein gefälschter Impfnachweis genutzt, müsse mit einer fristlosen Kündigung gerechnet werden.

Als die Personalabteilung erfuhr, dass der seit 2011 in dem Unternehmen angestellte Kläger an drei Tagen mit einem gefälschten Impfnachweis zur Arbeit gekommen war, wurde ihm ordentlich zum 31. Mai 2022 gekündigt.

Kläger: Vorherige Abmahnung fehlte

Der Kläger hielt die Kündigung für unverhältnismäßig. Ihm hätte zuvor eine Abmahnung erteilt werden müssen, lautete seine Argumentation. Er habe während der Arbeit immer eine Maske getragen, zu niemanden phyischen Kontakt gehabt und damit auch niemanden gefährdet.

Doch es kommt nicht auf die konkrete Gefährdung an, urteilte nun das LAG. Maßgeblich sei eine vorliegende abstrakte Gefährdung. Hier hätte jederzeit ein Kollege physischen Kontakt mit dem Kläger aufnehmen können. Die Nutzung des gefälschten Impfnachweises stelle eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, die sogar eine fristlose Kündigung rechtfertige. Dass der Arbeitgeber wegen der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage und der dadurch verbundenen erschwerten Betriebsratsanhörung nur ordentlich gekündigt habe, sei nicht zu beanstanden.

Letztlich habe der Kläger aus reiner Bequemlichkeit den gefälschten 3G-Nachweis genutzt und eine Gefährdung anderer in Kauf genommen, so das LAG. Dabei habe der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern sogar Testkapazitäten zur Verfügung gestellt, die der Kläger aber nicht nutzen wollte. Eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen, befand das Gericht.

Az.: 8 Sa 310/22



Amtsgericht

Ohne gültige Approbation kein Lohn für Klinikarzt



Berlin (epd). Beim Ruhen einer ärztlichen Approbation kann ein Klinikarzt trotz Beteiligung an über 1.000 Operationen keine Vergütung von seinem Arbeitgeber verlangen. Denn zu seiner geschuldeten Arbeitsleistung gehört das Vorliegen einer „erworbenen fachlichen Qualifikation“, so dass beim Ruhen der Approbation das Krankenhaus die in dieser Zeit gezahlte Vergütung zu Unrecht geleistet hat, entschied das Arbeitsgericht Berlin in einem am 8. August bekanntgegebenen Urteil. Dass der Arzt wegen eines Wohnungsumzugs nichts von der Ruhensanordnung gewusst haben will, sei unbeachtlich, so das Gericht.

Der klagende Arzt war seit 2016 befristet bis Ende Juni 2022 in einem großen Berliner Krankenhaus angestellt. Doch dann gab es Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Klinikarztes bei der Ausübung seines Berufs.

Behörde forderte erfolglos Rückgabe der Approbationsurkunde

Das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit des Landes Brandenburg als zuständiger Behörde forderte daraufhin erfolglos den Medizinier zur Rückgabe seiner Approbationsurkunde auf. Im März 2018 wurde daraufhin das Ruhen der Approbation per Bescheid festgestellt. Im März 2018 wurde das Ruhen der Approbation angeordnet. Der mittlerweile bestandskräftige Bescheid wurde an die bei der Ärztekammer hinterlegte Wohnanschrift gesendet.

Als die Behörde dann immer noch keine Reaktion von dem Arzt erhielt, wurde schließlich Ende Februar 2022 eine neue Wohnanschrift des Klinikarztes ermittelt.

Gericht: Keine Vergütung ohne gültige Zulassung

Der Arzt verwies darauf, dass er wegen eines Umzugs nichts vom Ruhen seiner Approbation gewusst habe. Im März 2022 informierte er darüber seinen Arbeitgeber. Die Klinik zahlte ihm daraufhin für März keine Vergütung und verlangte die bereits gezahlten Nettovergütungen der vergangenen sechs Monate zurück.

Das Arbeitsgericht hielt das nun für rechtmäßig. Zur geschuldeten Arbeitsleistung gehöre eine „erworbene fachliche Qualifikation“, hier die Approbation. Weil diese ruhte, habe das Krankenhaus die Vergütung „ohne rechtlichen Grund geleistet“. Es sei damit zur Rückforderung berechtigt, befand das Gericht.

Zwar habe der Arzt im Streitzeitraum an rund 1.050 Operationen teilgenommen. Einen Vorteil habe das Krankenhaus damit aber nicht erlangt. Denn es drohten potenzielle Regressforderungen von Krankenkassen oder betroffenen Patienten. Dass der Kläger keine Kenntnis von der Ruhensanordnung hatte, sei unbeachtlich. Denn der Arzt habe pflichtwidrig nicht seine neue Anschrift mitgeteilt.

Az.: 14 Ca 3796/22 und 14 Ca 11727/22




sozial-Köpfe

Kirchen

Ulrike Stühmeyer-Pulfrich wird Vorständin der Münchner Diakonie




Ulrike Stühmeyer-Pulfrich
epd-bild/Diakonie
Ulrike Stühmeyer-Pulfrich wird zum 1. Januar 2024 den Vorstand der Diakonie München und Oberbayern verstärken. Das hat der Aufsichtsrat des Sozialunternehmens einstimmig beschlossen.

München (epd). Ulrike Stühmeyer-Pulfrich (54) übernimmt zum Jahreswechsel Vorstandsverantwortung bei der Diakonie München und Oberbayern. Die Diplom-Theologin und Diplom-Psychologin wird den Bereich Personal und Bildung leiten. Sie bildet den künftigen Vorstand zusammen mit Vorstandssprecherin Andrea Betz und Finanzvorstand Hans Rock.

Stühmeyer-Pulfrich wechselt aus der freien Wirtschaft in das Sozialunternehmen. Derzeit ist sie als Senior Vice President of Human Resources bei dem Kunststoffhersteller Covestro tätig.

Verbindung aus Expertise und christlichem Menschenbild

„Mit ihr haben wir eine Expertin für ein modernes Personalmanagement gewonnen, was für uns von strategischer Bedeutung ist“, sagte Aufsichtsratsvorsitzender Peter Gleue. Gleichzeitig stehe Stühmeyer-Pulfrich als evangelische Theologin für ein christliches Menschenbild ein. „Diese Verbindung hat uns überzeugt“, so Gleue.

Ulrike Stühmeyer-Pulfrich studierte Theologie und Psychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Nach Stationen als Beraterin bei Lufthansa, Audi und Siemens leitete sie von 2012 bis 2017 den Bereich Personal- und Organisationsentwicklung der Benteler Group in Salzburg. Von 2017 bis 2021 war sie dort Vice President Corporate HR, bevor sie zu Covestro nach Leverkusen wechselte.

Die Diakonie München und Oberbayern ist einer der größten sozialen Träger in der Region. In über 300 Einrichtungen arbeiten mehr als 5.000 Mitarbeitende. Zusätzlich engagieren sich rund 2.500 Menschen ehrenamtlich.



Weitere Personalien



Birgitt Pfeiffer (54), Sozialpädagogin, ist neue Vorständin des Paritätischen Bremen. Sie hat Wolfgang Luz (65) abgelöst, der den Landesverband altersbedingt Ende Juli verlassen hat. Luz war 30 Jahre lang für den Verband tätig. Der Diplom-Pädagoge leitete die Organsisation seit 2006 zunächst als Geschäftsführer, dann als hauptamtlicher Vorstand. Birgitt Pfeiffer war von 2019 bis 2023 sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in Bremen und Vorsitzende der Sozialdeputation. Davor war sie von 2007 bis 2019 in der Geschäftsführung des Sozialen Friedensdienstes und leitete dort die Freiwilligen-Agentur Bremen. In dieser Funktion war Pfeiffer auch Mitglied im Verbandsrat des Paritätischen Bremen.

Michael Wermker (52), Betriebswirt, wird Ende des Jahres kaufmännischer Vorstand der Evangelischen Perthes-Stiftung in Münster. Er folgt auf Wilfried Koopmann, der zum Jahresende in den Ruhestand tritt. Wermker ist seit 2008 Geschäftsführer und Vorstand der Valeo-Kliniken GmbH. Zuvor war er ab 2003 als Geschäftsführer der Ev. Bathildiskrankenhaus Bad Pyrmont gGmbH tätig. Wermker, der an der Hochschule Osnabrück studiert hat, begann seine Karriere zunächst als Assistent des Geschäftsführers im Evangelischen Krankenhaus Hamm. Dort übernahm er im Jahr 2000 die Position des Kaufmännischen Direktors und Vorsitzenden des Krankenhausdirektoriums.

Jan Müller übernimmt am 1. Oktober die Geschäftsführung des DRK Kreisverbandes Kaiserslautern-Land. Er tritt die ruhestandsbedingte Nachfolge von Michael Nickolaus an. Müller war zuvor Leiter stationärer Pflegeeinrichtungen bei der Vitalis Gesellschaft für soziale Einrichtungen mbH, die zu Orpea Deutschland gehört. Müller, der Betriebswirtschaft an der Hochschule Kaiserslautern studiert hat, war zudem bereits als Einrichtungsleiter für mehrere stationäre Wohneinrichtungen der Eingliederungshilfe beim AWO Landesverband Saarland tätig.

Thorsten Stolpe (59) übernimmt zum Jahreswechsel die Geschäftsführung der Malteser-Diako Klinikum gGmbH in Flensburg. Er ist derzeit Geschäftsführer Bau und Projektleiter des Campus Neues Klinikum Lörrach der Kliniken des Landkreises Lörrach in Baden-Württemberg. Stolpe wird zudem den Fusionsprozess des Malteser St. Franziskus-Hospitals und des Diako Krankenhauses Flensburg bis zur geplanten Fertigstellung des Neubaus im Jahr 2030 begleiten.

Tobias Dreißigacker ist Teil der neuen Doppelspitze des Elisabeth Vinzenz Verbunds (EVV) in Berlin. Er arbeitet in der Geschäftsführung zusammen mit Sven U. Langner. Dreißigacker war zuvor Geschäftsführer der beiden EVV-Einrichtungen St. Joseph Krankenhaus Berlin Tempelhof und Franziskus-Krankenhaus Berlin. Er trägt zudem weiterhin die Regionalverantwortung für die EVV-Einrichtungen in Reinbek, Eutin und Lahnstein und wird auch seine Arbeit innerhalb des vor zwei Jahren etablierten Führungskollegiums, bestehend aus drei erfahrenen Krankenhausgeschäftsführern des EVV, fortführen.

Marcel Romanos, Professor aus Würzburg, ist von Bayern Gesundheitsminister Klaus Holetscheck (CSU) als „Sonderbeauftragten für Prävention für psychische Gesundheit und Sucht“ eingesetzt worden. Das Ziel sei es, konsequent über Risiken aufzuklären und den Drogenkonsum zu verringern, sagte der Minister am 14. August in München. Damit setze Bayern gezielt einen anderen Schwerpunkt in der Drogenpolitik als die Bundesregierung mit ihren Cannabis-Legalisierungsplänen. Romanos ist Leiter der Kinder und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Würzburg sowie Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie (DGKJP).

Markus Müller, Diakon und Finanzwirt, übernimmt zum Jahreswechsel die Leitung des Caritasverbands der Diözese Augsburg. Er tritt die Nachfolge von Andreas Magg an, der im März Landes-Caritasdirektor in Bayern gewählt wurde. Müller ist seit 2014 ständiger Vertreter des Präsidenten von missio München und leitet dort zudem die Abteilung Service und Finanzen. Von 2003 bis 2019 als Seelsorger in der Pfarreiengemeinschaft Steinheim bei Dillingen tätig.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis September



August

28.-31.8. Berlin:

Fortbildung „Bundesrahmenhandbuch Schutzkonzepte vor sexualisierter Gewalt“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-495

30.8. Berlin:

Seminar „Grundlagen des Arbeitsrechtes in Einrichtungen der Sozialwirtschaft - Gestaltungsspielräume nutzen“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/98817-159

31.8. Berlin:

Seminar „Einfach empfehlenswert! MitarbeiterInnen als MarkenbotschafterInnen“

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel. 030/275828221

31.8. Berlin:

Seminar „Datenschutz in sozialen Einrichtungen“

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 0251/48261-173

31.8. Berlin:

Seminar „Betriebsverfassungsrecht aus Arbeitgebersicht“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/98817159

31.8.:

Webinar „Rechtliche Rahmenbedingungen und Grundlagen der Nachhaltigkeitsberichterstattung“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/98817-159

September

4.-5.9. Berlin:

Seminar „Recht auf Risiko?! Selbstschädigendes Verhalten von KlientInnen in der Assistenz“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-495

4.-13.9.:

Online-Kurs „Grundlagen des strategischen Managements für die Sozialwirtschaft“

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/275828227

5.9. Köln:

Seminar „Interne Revision bei gemeinnützigen Trägern“

der Unternehmensberatung Solidaris

Tel.: 02203/8997-119

7.9. Köln:

Seminar „Kostenrechnung für ambulante Pflege- und Betreuungsdienste“

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/98817-159

13.-14.9.:

Online-Seminar „Datenschutz und Social Media“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/2001700

15.-22.9.:

Online-Kurs „Leichte Sprache - Regeln und Anwendung“

der AWO-Bundesakademie

Tel.: 030/26309-139

18.-20.9.:

Online-Kurs „Auf ein Wort - Beratung: kurz, knapp, sofort“

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761 200 1700

22.9.:

Online-Seminar „Klimaziele identifizieren, validieren & kommunizieren“

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/275828211

25.-28.9.:

38. Bundesweite Streetworker-Tagung „Armut, Klassismus, psychische Krisen: Wie alles dann doch zusammen hängt“

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/ 488 37-495

28.-29.9. Berlin:

„Deutscher Pflegetag 2023“

des Deutschen Pflegerates

Tel.: 030/300669-0