sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Bester Bewerber muss nicht immer die Stelle bekommen




Das LAG Nürnberg hat entschieden, dass nicht zwingend der beste Stellenbewerber Anspruch auf den Job hat.
epd-bild/Heike Lyding
Auch bei bester Eignung muss es für einen Stellenbewerber noch keinen Anspruch auf befristete Anstellung bei einem öffentlichen Arbeitgeber geben. Der Anspruch ist bei einem drohenden Verstoß gegen gesetzliche Befristungsregelungen ausgeschlossen, urteilte das Landesarbeitsgericht Nürnberg.

Nürnberg (epd). Öffentliche Arbeitgeber müssen befristete Stellen nicht immer mit den fachlich besten Bewerbern besetzen. War der Interessent bereits seit mehreren Jahren bei dem Arbeitgeber befristet beschäftigt und wäre eine erneute Befristung unzulässig, darf er vom Stellenbesetzungsverfahren ausgeschlossen werden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem am 11. August veröffentlichten Urteil. Dem stehe auch nicht entgegen, dass öffentliche Arbeitgeber bei einer Stellenbesetzung verfassungsrechtlich eine „Bestenauslese“ vornehmen und dem am besten geeigneten Bewerber den Zuschlag geben müssen.

Laut Gesetz dürfen ohne sachlichen Grund befristete Arbeitsverträge höchstens für einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren befristet werden. Darüber hinaus sind weitere sachgrundlose Befristungen mit demselben Arbeitgeber unwirksam.

BAG stoppte Kettenbefristungen

Aber auch Befristungen mit sachlichem Grund - etwa wegen einer Schwangerschaftsvertretung - dürfen nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt vom 8. Juni 2016 nicht grenzenlos immer wieder neu befristet werden. So könne ein verbotener „institutioneller Rechtsmissbrauch“ vorliegen, wenn „eine sehr lange Gesamtdauer des Beschäftigungsverhältnisses und/oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber“ besteht. 22 Jahre dauernde fortlaufende Kettenbefristungen könnten auf solch einen Missbrauch der gesetzlichen Befristungsregelungen hinweisen. Für Arbeitnehmer kann das dann bedeuten, dass sie Anspruch auf eine unbefristete Festanstellung haben können.

Im konkreten Fall war der seit März 2016 beschäftigte schwerbehinderte Kläger mehrfach bis zum 30. Juni 2023 befristet an einer Universität beschäftigt. Er war als technischer Assistent am Institut für Pathologie tätig. Zuvor hatte er von April 2010 bis März 2016 insgesamt sieben befristete Arbeitsverträge mit dem Uniklinikum als Arbeitgeber gschlossen.

Chef des Klägers unterstützte Bewerbung

Als die Universität erneut eine befristete Stelle für die technische Assistenz ausschrieb, bewarb sich auch der schwerbehinderte Kläger erneut darauf. Der Leiter der Pathologischen Abteilung wollte den Kläger auch einstellen. Die Personalabteilung lehnte das jedoch wegen eines drohenden „institutionellen Rechtsmissbrauchs“ ab. Eine erneute Befristung würde gegen die gesetzlichen Befristungsregelungen verstoßen und könnte als „institutioneller Rechtsmissbrauch“ gewertet werden. Die Universität befürchtete, dass dann der schwerbehinderte Beschäftigte Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hätte.

Der Kläger verwies indes auf die verfassungsrechtliche Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, den fachlich am besten geeigneten Bewerber einzustellen - nämlich ihn selbst. Der Leiter der Pathologie habe ausdrücklich ihn für die Stelle haben wollen, so seine Begründung. Außerdem habe die Universität eine Inklusionsvereinbarung abgeschlossen, nach der schwerbehinderte Menschen bei der Einstellung bevorzugt zu behandelt sind. Ohnehin liege schon ein Rechtsmissbrauch vor. Denn die befristeten Arbeitsverhältnisse des Uniklinikums und der Universität müssten zusammengerechnet werden. Es handele sich dann um verbotene Kettenbefristungen.

LAG sieht Gefahr der Klage auf Festanstellung

Das LAG urteilte, dass der Kläger im Auswahlverfahren für die neue befristete Stelle nicht zu berücksichtigen sei. Dem stehe auch nicht das verfassungsrechtliche Gebot der Bestenauslese entgegen. Zwar sei der Kläger der fachlich am besten geeignete Bewerber gewesen. Mit der erneuten befristeten Einstellung des Klägers würde sich der Arbeitgeber jedoch der Gefahr aussetzen, gegen die gesetzlichen Befristungsregelungen zu verstoßen. Bei Vorliegen eines solchen institutionellen Rechtsmissbrauchs müsse der Arbeitgeber befürchten, dass der Kläger eine unbefristete Anstellung verlange.

Dass wegen der zahlreichen Befristungen bereits jetzt schon ein Rechtsmissbrauch vorliege, bestritt das LAG. Denn der Kläger habe mit zwei verschiedenen Arbeitgebern, dem Uniklinikum und der Universität, mehrfach befristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Diese Befristungen könnten nicht zusammengerechnet werden, so das Gericht.

Unbeachtlich sei es, dass der Leiter der Pathologie den Kläger gerne einstellen wolle. Denn die Einstellungsbefugnis liege nicht bei ihm, sondern bei der Personalabteilung, betonte das LAG. Schließlich könne auch die Inklusionsvereinbarung der Universität keine Einstellung begründen, denn sie beinhalte keinen individuellen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

Der Kläger hat gegen das Urteil Revision beim BAG eingelegt. Das Verfahren ist dort unter dem Aktenzeichen 8 AZR 187/23 anhängig.

Az.: 5 Sa 373/22 (Landesarbeitsgericht Nürnberg)

Az.: 7 AZR 259/14 (Bundesarbeitsgericht institutioneller Rechtsmissbrauch)

Frank Leth