Nürnberg (epd). Die Beratung von Geflüchteten sei in Bayern so eklatant unterfinanziert wie keine andere Aufgabe in der sozialen Arbeit, kritisiert der Bayerische Flüchtlingsrat. Die EU-Mitgliedstaaten seien verpflichtet, Geflüchtete in Aufnahmeeinrichtungen über ihre Rechte und Pflichten zu informieren und zu beraten.
Wer etwa Hilfe im Psychosozialen Beratungszentrum (PSZ) für Flüchtlinge der Rummelsberger sucht, muss mit einer Wartezeit von acht Monaten rechnen. Die beiden Sozialpädagoginnen und zwei Psychologinnen boten bisher 1.300 Beratungen pro Jahr für fast 300 Einzel- oder Gruppenklienten an. „Die vier Expertinnen gehen von einem Bedarf aus, der wohl doppelt so hoch ist“, sagt Georg Borngässer, der Sprecher der Rummelsberger Diakonie.
Es reicht von der einfachen Hilfe bei der Suche nach verlorenem Gepäck bis zur intensiven persönlichen Beratung, was im Anker-Zentrum und anderen Einrichtungen den Asylsuchenden von den Wohlfahrtsverbänden angeboten wird. Doch die Pauschalen würden nicht einmal 80 Prozent der Kosten decken. Träger, die Personal mit langjähriger Berufserfahrung angestellt hätten, kämen nur auf etwa 70 Prozent, rechnet der Flüchtlingsrat vor.
Die Rummelsberger geben nun den Beratungsauftrag zum 31. Dezember 2023 zurück. Jährliche Zuzahlungen von rund 200.000 Euro aus Spendengeld wolle man sich nicht mehr leisten, stellt Vorstandsmitglied Peter Barbian fest, die Finanzierungszusagen seien „wackeliger“ geworden und die Zeiträume, für die sie gelten würden, kürzer. Für das evangelische Sozialunternehmen ist daher das Maß voll.
Das bayerische Innenministerium teilt auf Anfrage mit, 650 Vollzeitstellen für die Flüchtlings- und Integrationsberatung stünden bayernweit zur Verfügung. Die Zuschüsse würden bis zu 90 Prozent „der zuwendungsfähigen Ausgaben“ betragen. Diese würden sich an den Tarifen orientieren, die der Freistaat seinen Beschäftigten zahle. Die Rummelsberger Diakonie zahle deutlich höhere Löhne.
Manche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Flüchtlingsberatung würden ihren Job schon seit 40 Jahren machen, stellt Peter Barbian fest. „Dann wird das kostenintensiver, aber sie verdienen das, was ihnen zusteht“.
„Wenn Menschen, die zu uns geflüchtet sind, nicht betreut und beraten werden, so nimmt man den Menschen Teilhabechancen“, sagt die Präsidentin der Diakonie Bayern, Sabine Weingärtner. Im schlimmsten Fall könnten daraus auch Konflikte entstehen. „Das könnte zu einem Teufelskreis führen und befeuert die politische Polarisierung.“ Vor allem bräuchten aber Menschen nach Krieg und Flucht „dringend eine Perspektive, um ihr Leben neu und gut gestalten zu können“, so die Präsidentin, die derzeit auch den Vorsitz der Freien Wohlfahrt in Bayern hat.
Die Freie Wohlfahrt und die kommunalen Spitzenverbände müssten über die Aufteilung frei gewordener Stellenanteile in der Flüchtlingsberatung entscheiden, teilt das Ministerium mit und fügt hinzu: „Integration ist eine Gemeinschaftsaufgabe!“
Weingärtner stellt wiederum fest, der Bedarf an Beratung für geflüchtete Menschen sei um ein Vielfaches höher, als es die Freie Wohlfahrtspflege in Bayern mit der derzeitigen staatlichen Förderung allein leisten könne. Man versuche aber derzeit, einen anderen evangelischen Träger zu finden, der die Aufgabe der Flüchtlingsberatung im Anker-Zentrum übernimmt. Wenn das nicht gelinge, würden Träger der anderen Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern angesprochen: „Bisher ist es immer gelungen, einen geeigneten Träger zu finden.“
Die Situation ausbaden müssten jene Geflüchteten, die bereits jetzt in einzelnen Flüchtlingsunterkünften ohne Beratung seien und keine anderen Beratungsstellen aufsuchen könnten, rügt ein Sprecher des Flüchtlingsrates: „Ohne eine Beratung vor Ort haben Geflüchtete kaum Chancen auf eine faire Behandlung und die Inanspruchnahme ihrer Rechte.“