sozial-Politik

Bundesregierung

Kritik an Teil-Legalisierung von Cannabis



Die Regierung macht sich an die Legalisierung von Cannabis, aber es wird vorerst nicht einfach im Laden verkauft werden. Minister Lauterbach setzt auf nicht-kommerzielle Vereine, Kontrolle und Aufklärung. Die Union lehnt das Vorgehen strikt ab. Gesundheitsverbände ud Forscher sehen die Pläne kritisch.

Berlin (epd). Die Bundesregierung hat den ersten Schritt zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland getan. Das Kabinett beschloss am 16. August in Berlin einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), wonach Erwachsenen der Besitz und Anbau von Cannabis in begrenztem Umfang erlaubt werden soll. Kritik kam auch aus den Ländern. Die Union warf der Ampel-Koalition vor, sie stelle Ideologie über Gesundheitsschutz. Die Legalisierung ist ein zentrales Projekt von SPD, Grünen und FDP.

Lauterbach sprach von einem wichtigen Gesetz, das eine dringend notwendige Wende in der Drogenpolitik herbeiführen werde. Der Konsum wachse, ohne dass die Politik darauf bisher eine Antwort gefunden habe. Die Drogenkriminalität nehme zu, und Cannabis auf dem Schwarzmarkt sei durch Beimischungen gefährlicher als früher. Diesen Problemen wolle man mit einer „kontrollierten Legalisierung“ begegnen, sagte der Minister.

Anbau-Vereine dürfen zusammen Pflanzen züchten

Dem Entwurf zufolge ist der Besitz von 25 Gramm Cannabis künftig für über 18-Jährige legal. Zu Hause dürfen Erwachsene bis zu drei Pflanzen anbauen. In Anbau-Vereinen können sich Menschen zusammentun, um unter kontrollierten Bedingungen Cannabis zu produzieren. An Mitglieder dürfen bis zu 50 Gramm pro Monat abgegeben werden, an 18- bis 21-Jährige bis zu 30 Gramm. Die Vereine mit bis zu 500 Mitgliedern brauchen eine behördliche Erlaubnis und müssen Qualitätsstandards für den Anbau sowie Sicherheitsauflagen erfüllen.

Lauterbach erhofft sich insbesondere von diesem nicht-kommerziellen Modell eine Alternative zum Schwarzmarkt. Mariuhana und Haschisch würden in kontrollierter Qualität und zu günstigem Preis an die Mitglieder abgegeben, sagte er: „Das wird funktionieren“. Er glaube, dass der deutsche Weg der bisher beste Versuch der Legalisierung von Cannabis sei.

Jugendliche bleiben strikt außen vor

Für Jugendliche bleiben Besitz und Konsum von Cannabis verboten. Man werde den Kinder- und Jugendschutz ausdehnen und für mehr Aufklärung sorgen, sagte Lauterbach. Das Gehirn von unter 25-jährigen Menschen werde durch Cannabis-Konsum geschädigt. Er wolle dafür sorgen, dass sich dieses Wissen überall verbreite, versicherte der Minister. Das Motto der Kampagne ist: „Legal, aber...“ mit Warnungen vor schweren Gesundheitsschädigungen.

Das Gesetz kann nun vom Bundestag und Bundesrat beraten werden. In einem weiteren Entwurf will Lauterbach in diesem Jahr gesetzliche Regeln für den Verkauf von Cannabis vorlegen. Er soll zunächst in Modellregionen erprobt werden.

Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther sprach von der „zweiten, entscheidenden Säule der Cannabislegalisierung“. Ursprünglich wollte die Ampel-Koalition den Verkauf bundesweit freigeben. Daran ist die Regierung aber Lauterbach zufolge durch EU-Recht gehindert.

Union sieht Jugendschutz in Gefahr

Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher (CDU), warf der Ampel-Koalition vor, den Kinder- und Jugendschutz „komplett über Bord zu werfen“. Die Legalisierung werde zu einer Steigerung des Konsums führen, sagte sie. Die Regierung ignoriere die Warnungen von Kinder- und Jugendärzten vor den extremen Gesundheitsgefahren für junge Menschen.

Aus den Bundesländern kam Kritik von CDU-Innenministern. Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte: „Mit diesem Gesetz wird ein kompletter Kontrollverlust verbunden sein.“ Sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Herbert Reul (CDU) warnte, die Ampel werde Polizei und Justiz nicht weniger, sondern stärker belasten. „Das geplante Cannabisgesetz beinhaltet eine Vielzahl von Regeln, Verboten und Beschränkungen. All das muss kontrolliert werden“, sagte der CDU-Politiker.

Verbände und Mediziner sehen Gesundheitsgefahren

Das Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR) und mit ihm die Deutsche Krebshilfe warnten vor Gesundheitsrisiken, die durch einen Co-Konsum von Cannabis mit Tabak und Nikotin erwartet werden. „Eine legalisiert-kontrollierte Abgabe von Cannabis darf nicht die bislang erreichten Erfolge der Tabak- und Nikotinprävention gefährden“, sagte Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe: „Wir fordern die Bundesregierung auf, entsprechende Schutzvorkehrungen im Gesetzentwurf zu verankern.“

Der Suchtmediziner und Kinder- und Jugendpsychiater an der Uni-Klinik Hamburg-Eppendorf, Rainer Thomasius, warnte im phoenix-Interview vor der Legalisierung von Cannabis. Er bezweifelte, dass die politischen Ziele der Legalisierung erreicht würden, nämlich die Qualität von Cannabis-Produkten zu kontrollieren, gesundheitsgefährdende Verunreinigungen zu verhindern, den Jugendschutz zu gewährleisten sowie die Drogenkriminalität zurückzudrängen. Der Fachmann betonte, der gelegentliche Gebrauch von Cannabis bereite weniger Sorgen. Erschreckend sei vielmehr, dass der tägliche oder fast tägliche Konsum von Cannabis in Ländern mit Legalisierung sehr stark ansteige.

Bettina Markmeyer


Mehr zum Thema

Suchtexpertin: Cannabis-Legalisierung ist halbherzig

Düsseldorf (epd). Die Suchtexpertin Denise Schalow sieht in dem am 16. August vorgestellten Kabinettsentwurf zur Legalisierung von Cannabis mehrere Schwächen. „Es ist nicht davon auszugehen, dass das den Schwarzmarkt aushebeln wird“, sagte die Suchtberaterin der Diakonie Düsseldorf dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dazu seien die Hürden zum Zugang zu Cannabis zu hoch, der Entwurf sei „halbherzig“.

» Hier weiterlesen

Cannabis-Gesetz: Was künftig erlaubt sein soll

Das Bundeskabinett hat am 16. August in Berlin einen Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschlossen, wonach Erwachsenen der Besitz und Anbau von Cannabis in begrenztem Umfang erlaubt werden soll. Der Gesetzentwurf kann nun vom Bundestag und Bundesrat beraten werden.

» Hier weiterlesen