

die Beteiligung von materiell armen Menschen an politischen Wahlen ist niedrig. Dahinter stecke die Erfahrung, dass Politiker sich wenig um Menschen mit geringen Einkommen kümmern, sagen zwei Politikwissenschaftlerinnen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie zeigen im dritten Teil unserer Serie zum Superwahljahr 2021 negative Folgen der wechselseitigen geringen Beachtung auf.
Bei der Corona-Impfkampagne der Bundesländer in den Flüchtlingseinrichtungen zeichnet sich eine relativ geringe Impfbereitschaft ab. Die Impfquoten bewegen sich aktuell zwischen 33 und 50 Prozent, wie eine Umfrage des epd ergab. Pro Asyl kritisierte, dass Flüchtlinge in der Pandemie nachrangig behandelt worden seien.
Nach Schätzungen werden etwa zehn Prozent der Corona-Erkrankten Wochen nach der Erkrankung von Spätfolgen, dem sogenannten Long Covid, heimgesucht. Dazu gehören Erschöpfung, Herzrasen, Schlaflosigkeit, Husten, Atemnot, Depressionen. Der Lungenfacharzt Rembert Koczulla fordert für diese Patienten ein maßgeschneidertes Reha-Programm.
Die kirchlichen Sozialverbände dringen darauf, dass die Bundesregierung wenigstens noch eine kleine Pflegereform auf den Weg bringt. Der Sozialexperte Eugen Brysch wirft der Politik in seinem Gastbeitrag vor, seit mehr als zwei Jahrzehnten notwendige Verbesserungen für Pflegebedürftige zu unterlassen.
Die Anordnung, einen psychisch kranken Menschen für zwei Jahre in eine geschlossene Klinik einzuweisen, muss nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs sehr gut begründet werden. Das gebiete das verfassungsrechtliche Grundrecht auf Freiheit, erklärten die Richter.
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Markus Jantzer
Frankfurt a.M. (epd). Es ist der 24. September 2017. Die Bürgerinnen und Bürger Berlins sind aufgerufen, ihre Stimme für die Bundestagswahl abzugeben. Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf tun das 81,7 Prozent der Wahlbeteiligten. In Marzahn-Hellersdorf sind es 69,3 Prozent. Eine Differenz von rund 12 Prozentpunkten, bei der gleichen Wahl, in der gleichen Stadt. Bloß leben in einem Bezirk eher sozial privilegierte, im anderen Bezirk eher sozial schwache Menschen.
Was die Zahlen der Landeswahlleiterin von Berlin zeigen, ist deutschlandweit ein Problem. Sozial benachteiligte Menschen beteiligen sich grundsätzlich weniger politisch und somit an Wahlen, sagt die Professorin für Politikwissenschaften Ina Schildbach von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg.
„Es gibt verschiedene Parameter für die Wahlbeteiligung in einem Stadtteil“, sagt sie. Dazu gehörten unter anderem die Einkommenshöhe, Arbeitslosigkeit und das Alter. Daraus ergeben sich starke Kontraste bei der politischen Partizipation, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt. Demnach war die Wahlbeteiligung im September 2013 in materiell besser gestellten Schichten um bis zu 40 Prozentpunkte höher als jene in sozial schwachen Milieus.
In den vergangenen 20 Jahren haben sich an Bundestagswahlen zwischen 70 und 80 Prozent der Menschen beteiligt. An sich sei dies „wenig problematisch, vorausgesetzt, diejenigen, die sich nicht beteiligen, unterscheiden sich nicht systematisch von denen, die sich beteiligen“, sagt Sigrid Roßteutscher, Politikwissenschaftlerin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Genau das sei aktuell aber nicht der Fall. Zudem verschärfe sich diese Ungleichheit stetig.
„Bis in die 80er Jahre gab es keinen Unterschied bei der Wahlbeteiligung zwischen Niedrig- und Hochgebildeten“, sagt sie. In der älteren Generation sei dies noch heute so. „Extrem ist der Unterschied bei den Jüngeren“, sagt Roßteutscher. Abiturientinnen und Abiturienten wählten fast doppelt so häufig wie sozial schwache Altersgenossinnen und -genossen.
Dabei seien Menschen, die nicht wählen gehen, nicht prinzipiell gegen die Demokratie als Staatsform, sagt Politikwissenschaftlerin Schildbach. „Sie sind strukturell unzufrieden mit der herrschenden Politik“, sagt sie. Dazu komme ein „nicht eingelöstes Leistungsversprechen“. Die dominierende Vorstellung, dass es jeder schaffen kann, wenn er sich anstrengt, erfülle sich für sozial Benachteiligten nicht. „Sie erleben sich nicht als selbstwirksam und fragen sich, was ihre Stimme eigentlich zählt.“
Dass eine bestimmte Gruppe ihr Wahlrecht nicht wahrnimmt, habe „ganz unmittelbare Folgen auf politische Entscheidungen“, sagt Schildbach. Ihre Einstellungen würden weniger repräsentiert und ihre Forderungen hätten eine geringere Chance auf Umsetzung. Aufseiten der Politik gebe es kaum Bemühungen um diese Menschen. „In ihnen wird kein Wählerpotenzial gesehen“, erklärt sie.
Die Frankfurter Professorin Roßteutscher sieht eine „extrem hohe Korrelation zwischen Wahlbeteiligung und Wahlaktivitäten“ in den Stadtteilen. Bei Wahlen zählten im Endeffekt die absoluten Zahlen. „Wenn die Wahlbeteiligung in einem Stadtteil hoch ist, können die Parteien dort mehr Stimmen gewinnen“, sagt sie. Dennoch glaube sie an ein Stimmenpotenzial in den sozial schwachen Stadtteilen. „Parteien und Gewerkschaften müssen authentische Personen finden, die in den Stadtteilen wohnen und anfangen, über Politik zu sprechen“, sagt sie. Helfen könne zudem, das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken. So hätten Schulen eher die Möglichkeit, junge Menschen zu ihrer ersten Wahl zu animieren.
Laut Politikwissenschaftlerin Schildbach muss auch die materielle Lage in den Stadtteilen in den Blick genommen werden. „Wenn es ein Lebenskampf ist und ihnen die Luft und die Zeit fehlt, kann man von diesen Menschen nicht fordern, dass sie sich politisch beteiligen“, sagt sie.
Frankfurt a.M. (epd). Die SPD trägt nach Ansicht der Politikwissenschaftlerin Sigrid Roßteutscher Mitschuld an der niedrigen Wahlbeteiligung sozial schwacher Menschen. Die „Erfolgskinder der ursprünglichen SPD“ hätten sich von ihrer Stammklientel entfernt, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Frankfurt am Main. Diese sozialdemokratischen Politikerinnen und Politiker seien oftmals studiert und hochgebildet und könnten „nicht mehr glaubhaft wirken, weil sie nicht mehr in dem Milieu leben, in dem sie eigentlich Wahlkampf machen müssten“, sagte sie.
Genau an diesen Orten nehmen laut Roßteutscher nur wenige Menschen ihr Wahlrecht wahr. „Die Niedrigbeteiligungsstadtteile sind die ehemaligen SPD-Hochburgen“, sagt sie. Durch abnehmende Parteienbindung wachsen immer mehr junge Menschen in Elternhäusern auf, in denen keiner wählen geht, konsumierten keine herkömmlichen Nachrichten und seien umgeben von Menschen, die dies ebenfalls nicht tun, „so dass Politik in diesen Stadtteilen kaum noch vorkommt“, kritisierte sie.
Den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gelinge es nicht, mehr Wahlkampf in ihren ehemaligen Hochburgen zu betreiben, sagte Roßteutscher. Ohne ein entsprechendes Umfeld und ohne Bemühen der Parteien bekämen die Menschen aber keinen Anreiz, wählen zu gehen.
Die AfD versuche derweil, die Menschen zu gewinnen, „die eigentlich prädestiniert sind, für die SPD oder die Linkspartei zu stimmen“, sagte die Politikwissenschaftlerin. Die AfD fange an, bei Menschen, die in einem prekären Umfeld leben, Wähler zu gewinnen. Trotzdem sei es falsch, die Rechtspopulistinnen und -populisten als neue Arbeiterpartei zu deklarieren.
„Um es plakativ zu sagen, sind eher die Nichtwähler die neue Arbeiterpartei“, sagte sie. Dass linksgerichtete Parteien diese Menschen nicht an die Wahlurne bekommen, sei eine Kombination aus „Schuld und Unvermögen“, sagte die Professorin der Goethe-Universität Frankfurt. „Die SPD hat zu lange versucht, den Grünen ihre Wähler abspenstig zu machen“, kritisiert Roßteutscher. Rational sei dies angesichts der Erfolge der Grünen nicht.
Die SPD müsse wieder in die Bezirke ihrer Stammklientel gehen und die Menschen an die Politik heranführen. „Sonst überlässt man diese Stadtteile irgendwann rechts- oder linkspopulistischen Parteien oder muss sich darauf einlassen, dass diese Bevölkerungsgruppe überhaupt nicht mehr wählt“, sagte sie.
Frankfurt a.M. (epd). Selbst in einem reichen Land wie Deutschland ist nicht jeder Mensch vor Armut geschützt. Hierzulande ist allerdings in der Regel nicht von absoluter, sondern von relativer Armut die Rede. Als absolut arm gilt nach einer Rechnung der Weltbank eine Person, wenn ihr weniger als 1,90 US-Dollar (etwa 1,60 Euro) pro Tag zur Verfügung stehen. Relativ arm ist in der EU jemand, der weniger Einkommen als 60 Prozent des Mittelwerts hat. Für einen Ein-Personen-Haushalt lag die Armutsgefährdungsschwelle in Deutschland 2019 bei 1.074 Euro, bei einem Zwei-Personen-Haushalt bei 2.256 Euro.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes leben nach dieser Definition 15 Prozent aller Menschen in Deutschland unter dieser Schwelle. Von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind rund 17 Prozent der Bevölkerung.
Vermögen: Obwohl das gesamte Nettovermögen in Deutschland 2017 dem Sozio-ökonomischen Panel zufolge bei rund 7,8 Billionen Euro lag, haben davon nicht alle etwas. Insgesamt 14,5 Prozent der Erwachsenen hatten demnach kein persönliches Vermögen, 6,4 Prozent waren sogar verschuldet. Die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung hatten durchschnittlich Nettoschulden in Höhe von rund 13.000 Euro.
Herkunft: Wo eine Person oder ihre Familie herkommt, hat einen großen Einfluss auf ihren sozialen Stand. In Westdeutschland war das Vermögen beispielweise 2017 im Schnitt mehr als doppelt so hoch wie das in Ostdeutschland. Wie der Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2020 zeigt, sind die Einkommen im Osten im Schnitt wesentlich niedriger als im Westen. Das liegt unter anderem daran, dass es dort weniger große Unternehmen gibt.
Personen mit Migrationshintergrund sind deutlich stärker von Armut gefährdet, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Im Jahr 2019 waren es 27,8 Prozent und somit fast 13 Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Unter den Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind sogar 35,2 Prozent armutsgefährdet.
Generell hängt der soziale Status einer Person von dem der Vorfahrinnen und Vorfahren ab. Das zeigt eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). Durchschnittlich 60 Prozent der für den sozialen Status einer Person maßgeblichen Faktoren werden demnach von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Ein Zusammenhang sei selbst nach vier Generationen noch erkennbar.
Bildung: Menschen mit einem hohen Bildungshintergrund laufen nicht nur seltener Gefahr zu verarmen und haben mehr Vermögen, sie bestimmen auch wesentlich den Bildungsweg ihrer Kinder mit. Dies zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes. Vor zwei Jahren hatten 67,1 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Gymnasien Eltern mit Abitur oder einer Fachhochschulreife. 5,9 Prozent der Gymnasiasten hatten Eltern mit einem Haupt- oder Volkschulabschluss. Bei Kindern und Jugendlichen auf Hauptschulen zeigte sich ein gegenteiliges Bild. Dort hatten 41,7 Prozent der Eltern einen Haupt- oder Volksschulabschluss und 16,3 Prozent Abitur oder Fachhochschulreife.
Bildungsarmut wird Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge in Deutschland vererbt. So könnten Eltern in solchen Familien ihre Kinder beim Lernen und bei den Hausaufgaben kaum unterstützen.
Arbeit: Die Gewerkschaften kritisieren schon lange die prekären Arbeitsbedingungen vieler Menschen in Deutschland. Darunter fallen Personen in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Zu diesen gehören Leih- und Zeitarbeit, Minijobs, Teilzeitbeschäftigung unter 20 Stunden sowie befristete Verträge. Zum Stichtag 1. Januar 2019 arbeiteten nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes rund 7,3 Millionen Menschen in solchen Verhältnissen.
Gefährlich ist das, weil die Beschäftigten entweder wegen des geringen Umfangs ihrer Arbeit oder weil sie weniger verdienen ihren Lebensunterhalt oft nicht finanzieren können. Zudem fallen sie vielfach aus den sozialen Sicherungssystemen heraus oder zahlen nur wenig ein. Dies kann in Bezug auf die Rentenversicherung wiederum das Risiko erhöhen, im Alter in Armut zu leben.
Frankfurt a.M. (epd). In Flüchtlingsunterkünften in Deutschland zeichnet sich eine relativ geringe Impfbereitschaft ab. Die Corona-Impfquoten in den Einrichtungen bewegen sich aktuell zwischen 33 und 50 Prozent, wie ein Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Bundesländern ergab. Die mobilen Impfteams stießen auf recht große Skepsis, erklärten die zuständigen Landesministerien. Vielfach werden die Impfteams von Sozialarbeitern und Dolmetscherinnen unterstützt, um Sprachbarrieren und kulturelle Hürden zu überwinden.
Teilweise lehnten muslimische Asylbewerber das Impfangebot ab, weil es in die Zeit des Fastenmonat Ramadan fiel. Aber auch negative Medienberichte ließen die Skepsis wachsen - etwa über das Vakzin des Herstellers Johnson & Johnson, der nur einmal verimpft werden muss und deshalb bei den Behörden für Impfungen in Flüchtlingsunterkünften eine gewisse Priorität hat. Bewohner von Flüchtlingsheimen gehören laut Coronavirus-Impfverordnung zur zweiten Priorisierungsgruppe.
Die Organisation Pro Asyl führt die geringe Impfbereitschaft in Flüchtlingsunterkünften auf eine verfehlte Aufnahmepolitik zurück. Die Menschen dort seien vielfach zu spät kontaktiert und nur unzureichend aufgeklärt worden, sagte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, dem epd.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung strebt an, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner von Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen des Landes bis Anfang Juni ein Corona-Impfangebot bekommen haben. Um unter den Asylsuchenden für eine Schutzimpfung zu werben, seien mehrsprachige Materialien wie Poster, Flyer, Erklärvideos und Infos via QR-Code den Einrichtungen zur Verfügung gestellt worden, teilte das Düsseldorfer Flüchtlingsministerium mit.
In Sachsen-Anhalt sollen Informationsunterlagen in 19 verschiedenen Sprachen in den Einrichtungen vorliegen. Außerdem ist der Einsatz von Fachkräften geplant, die auf individuelle Bedenken reagieren können.
In Schleswig-Holstein sind mobile Teams bereits seit 20. April tätig, wie das Sozialministerium mitteilte. Auch in sozialen Einrichtungen wie Stadtteilcafés und Tafeln sollen Impfangebote gemacht werden.
Nach Auskunft des Innensenats in Hamburg liegt die durchschnittliche Impfbereitschaft in den Erstaufnahmeeinrichtungen bei knapp 50 Prozent. Auch den Personen, die in den Einrichtungen arbeiten, werde ein Impfangebot gemacht. „Somit wird den Bewohnenden vermittelt, dass auch andere Personen geimpft werden“, hofft die Behörde, auf diese Weise die Impfbereitschaft zu erhöhen.
Die hessische Landesregierung bemüht sich um eine Steigerung der Impfquote gegen das Coronavirus unter Geflüchteten. Bisher seien die Impfungen an zwei Standorten von 40 bzw. 46 Prozent der Bewohner angenommen worden, teilte das Sozialministerium in Wiesbaden mit.
Die Corona-Impfbereitschaft unter den Asylsuchenden in den sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen ist mit knapp 33 Prozent gering, wie es hieß - trotz der Hilfe von Dolmetschern und schriftlichem Informationsmaterial in verschiedenen Sprachen.
„Wir haben mit den Impfungen in den Flüchtlingseinrichtungen gerade erst begonnen, insofern können wir zur Impfbereitschaft noch keine Aussagen treffen“ , teilte das Thüringer Sozialministerium mit. Für Johnson & Johnson wie für AstraZeneca bestehe aber „ein besonderer Beratungsbedarf“.
In den Erstaufnahmeeinrichtungen in Niedersachsen begründeten die Flüchtlinge ihre Impf-Zurückhaltung häufig damit, dass sie in ihrem Umfeld keine schweren Krankheitsfälle erlebten. Das mangelnde Vertrauen in die angebotenen Impfstoffe sei ein weiteres Argument. „Deshalb werden wir jetzt massiv mit einer Werbekampagne in die Häuser gehen“, kündigte die Landesregierung an.
In Baden-Württemberg gehe es auch darum, Falschinformationen aus der Welt zu schaffen. So würden etwa negative Auswirkungen auf das Asylverfahren und eine nach einer Impfung erleichterten Abschiebung befürchtet, hieß es. Das Innenministerium in Bayern berichtet von in sozialen Netzwerken kursierende Fehlinformationen - etwa dass Impfstoffe unfruchtbar machen würden.
Frankfurt a.M. (epd). Die Organisation Pro Asyl führt die geringe Impfbereitschaft in Flüchtlingsunterkünften auf eine verfehlte Aufnahmepolitik zurück. Die Menschen dort seien vielfach zu spät kontaktiert und nur unzureichend aufgeklärt worden, sagte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Notwendig seien Informationen in den Herkunftssprachen sowie die Einbindung von Beratungsstellen und Ehrenamtlichen, zu denen die Geflüchteten Vertrauen hätten. Diese Vertrauenspersonen sollten auch die mobilen Corona-Impfteams in die Zentren begleiten, forderte er. Allerdings hätten Ehrenamtliche coronabedingt die Unterkünfte oft nicht aufsuchen dürfen.
Laut einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Bundesländern liegen die Impfquoten in Flüchtlingsunterkünften aktuell zwischen 33 und 50 Prozent. Die mobilen Impfteams berichteten demnach über eine relativ große Impfskepsis unter den Bewohnern sowie über Sprachbarrieren und kulturelle Hürden. Die Menschen in den Sammeleinrichtungen gehören laut Impfverordnung zur zweiten Priorisierungsgruppe.
„Die Geflüchteten sind ohnehin bereits in einer psychisch schwierigen Situation“, betonte Burkhardt. „Da ist es noch einmal eine neue Herausforderung zu verstehen, was Corona-Pandemie heißt.“ Flüchtlinge seien wie auch andere Bevölkerungsgruppen, die beengt etwa in Hochhäusern und sozialen Brennpunkten zusammenleben, nachrangig behandelt worden.
In den bisherigen Impfquoten zeige sich , „dass gesundheitspolitisch falsche Prioritäten gesetzt wurden“, sagte er. Pro Asyl habe bereits vor mehr als einem Jahr auf erhöhte Corona-Risiken in Großunterkünften hingewiesen und auf eine dezentrale Unterbringung der Menschen gedrungen. Die Warnungen seien aber in den Wind geschlagen worden.
„Auf Bundesebene wird unverändert an den sogenannten Ankerzentren festgehalten, weil die Illusion herrscht, dass Abschiebungen einfacher sind, wenn die Menschen zentral leben“, erklärte Burkhardt. „Die großen Unterkünfte sind strukturelle Fehler in der Aufnahmepolitik.“ Auch die Probleme beim Impfen seien mit darauf zurückzuführen, dass die Bewohner zu spät in Kontakt mit Initiativen und der Zivilbevölkerung kämen.
Berlin (epd). Angelika Glöckner, die Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange von Menschen mit Behinderungen, betonte im Parlament, sie wisse, dass Opposition und Verbänden das „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz“ nicht weit genug gehe. „Aber man muss doch einfach mal zu Kenntnis nehmen, dass wir in naher Zukunft dafür etwas tun, dass Dienstleistungen und Produkte barrierefrei werden.“
Mit einem Beispiel macht Glöckner deutlich, dass es nicht einfach sei, etwa Banken zur barrierefreien Bankautomaten zu verpflichten, weil das bis zu 30.000 Euro kostet. Und wenn man eine Bank im ländlichen Raum dazu verpflichte, schließe diese womöglich aus Kostengründen ihre Filiale. Man müsse hier sorgfältig abwägen „und das kann die Realität nicht einfachmal ausblenden“.
Corinna Rüffer, die Sprecherin für Behindertenpolitik der Grünen, rügte, von dem Gesetz hätten Betroffene mehr erwartet. Es gebe viel Resignation bei den Leuten und richtigen Ärger. Rüffer weiter: „Man muss die Menschen mitnehmen, die keine Zeit haben, Jahre lang darauf zu warten, dass Barrierefreiheit umgesetzt wird, weil sie Teilhabe heute brauchen und nicht morgen oder übermorgen.“
Die Bundesregierung führt in ihrem Gesetzentwurf aus, dass europäische Firmen zurzeit uneinheitliche und teilweise widersprüchliche nationale Auflagen zur Barrierefreiheit beachten müssen. Deshalb sei es an der Zeit, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Durch die Vorgabe der Barrierefreiheit würden Menschen mit Behinderungen eine breitere Produktpalette zur Auswahl haben und nicht länger auf den Kauf teurer Spezialprodukte angewiesen sein, heißt im Gesetzentwurf.
Die Linke stellte fest, nur die EU-Richtlinie 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates habe die Bundesregierung dazu gebracht, tätig zu werden. „Es ist daher kaum verwunderlich, dass hier nur das Nötigste getan wurde, um die Ziele zu erreichen.“ Es gebe viel zu lange Übergangsfristen, keine zentrale Marktüberwachung durch Bundesbehörden und kein Partizipationsgremium der Expertinnen und Experten in eigener Sache. „Ein derart unmotiviertes Vorgehen ordnet sich in die Ignoranz den Interessensvertretungen und Selbstvertretenden gegenüber ein.“
Der VdK begrüßte zwar, dass ein solches Gesetz gibt. Aber es erfülle bei weitem nicht die Erwartungen, sagte Präsidentin Verena Bentele: „Die bauliche Umwelt bleibt komplett außen vor. Was nutzt ein barrierefreier Fahrkartenautomat, der nur über Stufen zu erreichen ist? Treppen, enge Türen, kaputte oder nicht vorhandene Fahrstühle sind bittere Realität. Gerade in der Privatwirtschaft und bei Bestandsbauten gibt es einen enormen Nachholbedarf.“ Menschen mit Behinderungen stünden immer wieder vor Barrieren, die sie nicht überwinden können.
Bei vielen Webseiten, Apps, elektronischen Tickets oder interaktiven Selbstbedienungsterminals im öffentlichen Nahverkehr sehe es nicht besser aus. „Dennoch werden diese Dienstleistungen ausgeklammert“, rügte Bentele. Nach Ansicht des VdK sind die Übergangsfristen ab 2025, die zum Beispiel bei Selbstbedienungsterminals 15 Jahre betragen, viel zu lang. Bentele: „Mit derart langen Übergangsfristen kommen wir einer inklusiven Gesellschaft nur im Schneckentempo näher.“
Ähnlich äußerte sich der Sozialverband Deutschlands (SoVD), legte aber den Fokus auf fehlende barrierefreie Wohnungen. „Es ist noch immer nicht allen politischen Entscheidungsträgern bewusst, dass gesellschaftliche Teilhabe ohne konsequente Barrierefreiheit nicht möglich ist“, sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer am 21. Mai in Berlin.
Eine große Baustelle sieht Bauer auch im Mangel an barrierefreien Wohnungen in Deutschland. Menschen mit Behinderungen und mobilitätseingeschränkte Personen hätten es bei der Wohnungssuche doppelt schwer. „Sie stehen vor der Herausforderung, dass sie barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum finden müssen.“ Barrierefreies Wohnen müsse endlich konsequent und flächendeckend umgesetzt werden. „Menschen mit Beeinträchtigungen oder Pflegebedarf wollen selbst bestimmen, wo beziehungsweise wie sie leben“, so der Verbandschef.
Berlin (epd). Sexualisierte Gewalt gegen Kinder hat im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, und der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, sprachen am 26. Mai in Berlin von besorgniserregenden Zahlen, äußerten sich aber zurückhaltend, inwieweit die Einschränkungen der Corona-Pandemie für die Zunahme verantwortlich waren.
Am stärksten war der Anstieg mit 53 Prozent bei der sogenannten Kinderpornografie, also der Herstellung und Online-Verbreitung von Bildern und Filmen von sexueller Gewalt gegen Kinder. 2020 wurde laut der jährlichen Sonderauswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik in 18.761 Fällen Anzeige erstattet, gegenüber 12.262 Fällen im Vorjahr. Hinweise auf Missbrauchsdarstellungen im Internet erhält das Bundeskriminalamt überwiegend von den zuständigen Behörden in den USA. Im Rahmen der Missbrauchsverfahren in Lügde, Bergisch Gladbach und Münster gelang der Polizei zudem die Identifizierung zahlreicher Täter.
Die Zahl der Missbrauchsopfer ist 2020 gegenüber 2019 ebenfalls gestiegen, um knapp 1.000 auf insgesamt 16.921 Kinder unter 14 Jahren. Damit setzt sich der Trend aus den Vorjahren fort. In der Kriminalstatistik werden nur die polizeilich ermittelten Fälle erfasst, das Dunkelfeld sei weit größer, erläuterte BKA-Präsident Münch.
Zu möglichen Auswirkungen der Corona-Pandemie sagte Münch, man könne keinen direkten Zusammenhang zwischen den höheren Opfer- und Fallzahlen und der Pandemie herstellen. Die Einschränkungen während der Lockdowns könnten aber Täter begünstigen und es den Opfern noch schwerer machen, Hilfe zu bekommen.
Internationale Untersuchungen zeigen einen deutlichen Anstieg der sexuellen Ausbeutung von Kindern online. Europol zufolge ist im ersten Corona-Lockdown der Konsum von Missbrauchsdarstellungen in Europa um 30 Prozent gestiegen. Der EU-Kommission liegen ebenfalls Zahlen über einen drastischen Anstieg der Verdachtsfälle sogenannter Kinderpornografie vor. Ein Drittel der Websites zeigen der britischen Internet Watch Foundation (IWF) zufolge Vergewaltigungen oder Folter, 55 Prozent der abgebildeten Kinder sind jünger als zehn Jahre.
Der Missbrauchsbeauftragte Rörig sagte, die Zahlen seien „unerträglich“. Sie bedeuteten zehntausendfaches Leid, unbeschreiblichen Schmerz, Ohnmacht, Ekel und Angst. Er warnte, die Ermittler kämen insbesondere bei der Flut von Missbrauchsdarstellungen im Internet nicht nach und forderte eine massive Personalaufstockung bei Polizei und Justiz: „Hier ist ein Kipppunkt erreicht“, warnte Rörig. Wegen Personalmangels könnten Durchsuchungen nicht ausgeführt, Datenträger nicht entschlüsselt, Akten nicht bearbeitet werden.
Rörig bekräftigte seine Forderung, Bund und Länder müssten den Kampf gegen Missbrauch zur Chefsache machen, wie es Nordrhein-Westfalen nach den Fällen von Lügde, Münster und Bergisch Gladbach vormache. Bundesjustiz- und -familienministerin Christine Lambrecht (SPD) verwies auf die im Juli in Kraft tretenden Strafverschärfungen für Missbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern sowie die Verfolgung krimineller Handelsplattformen, die der Bundestag Lambrecht zufolge noch beschließen will.
Auch die Zahl anderer erfasster Gewalttaten gegen Kinder ist im vergangenen Jahr gestiegen. Misshandlungen, also körperliche und psychische Gewalt ohne sexuelles Motiv, nahmen 2020 laut Statistik um zehn Prozent auf knapp 5.000 Fälle zu. 152 Kinder wurden laut der Kriminalstatistik getötet, 40 Kinder mehr als 2019. 115 Opfer waren jünger als sechs Jahre. 134 Kinder überlebten einen Tötungsversuch.
Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat davor gewarnt, Kinder beim Aufholen der Lernrückstände durch die Corona-Krise zu überfordern. Bei einem virtuellen Gespräch mit ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern sagte sie am 26. Mai in Berlin, das Aufholpaket der Bundesregierung, an dem sich auch die Bundesländer finanziell beteiligen sollen, sehe daher neben Mitteln für Lernstandserhebungen und Nachhilfe auch Geld für Sozialarbeit vor.
Für Kinder seien die Einschnitte durch die Pandemie besonders gravierend, sagte Merkel während einer 90-minütigen Diskussionsrunde in der Reihe „Die Bundeskanzlerin im Gespräch“. Für viele werde es ein schwieriger Prozess werden, das Versäumte nachzuholen. Dabei müsse man vorsichtig vorgehen und die Kinder ermutigen, damit man sie nicht nochmal überfordere.
Merkel verwies darauf, dass mit dem Geld aus dem Aufholpaket im Umfang von zwei Milliarden Euro auch Lern- und Freizeitcamps vor dem Beginn des kommenden Schuljahres gefördert werden sollen, damit sich die Kinder nach der langen Zeit von Schulschließungen und Wechselunterricht wieder an größere Gruppen gewöhnen können.
Das digitale Treffen war das achte in diesem Format. Themen waren bislang die Polizei, Ausbildung, Kita und Schule, Hilfstelefone, Studium und die Pflege sowie die Kulturbranche. An dem Gespräch nahmen zehn Ehrenamtliche teil, die sich für Kinder, Obdachlose, Kranke, Senioren, Geflüchtete, behinderte Menschen und verarmte Bevölkerungsgruppen engagieren.
Berlin (epd). Die Bundesregierung hat Fehler im Umgang mit homosexuellen Flüchtlingen eingeräumt. Das Innenministerium und das Auswärtige Amt erklären in einem Brief an den Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), dass ihnen bei zwei Fällen aus Pakistan und Nigeria „bedauerlicherweise Fehler“ unterlaufen seien. Der Brief liegt dem Evangelischen Pressedienst (epd) vor. Der epd und epd sozial hatten am 21. Mai exklusiv berichtet, dass Vertrauensanwälte des Auswärtigen Amtes bei Nachforschungen in den Herkunftsländern Geflüchteter deren sexuelle Neigungen geoutet haben.
Wie der Homosexuellenverband am 26. Mai in Berlin mitteilte, erreichte ihn das mit 12. Mai datierte Schreiben am 25. Mai. Das Bundesinnenministerium kündigt in darin an, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) werde in Zukunft die „Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und die übermittelten Inhalte einer Anfrage an das Auswärtige Amt vorab noch stärker überprüfen“. Außerdem habe das Außenministerium die Botschaften dafür sensibilisiert, bei der Amtshilfe in Asylangelegenheiten „besonderes Augenmerk auf datenschutzrechtliche Bestimmungen zu legen“.
Patrick Dörr, Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes, begrüßte, dass die beiden Ministerien „die Fehler klar eingestanden und eine Reihe konkreter Maßnahmen zur Verhinderung weiterer solcher Vorkommnisse versprochen haben“. Der Verband erwarte, dass in Zukunft keine Outings mehr erfolgen.
Beim Bamf sieht Dörr „eine fast schon paranoide Angst davor, dass Asylsuchende nur vortäuschen, lesbisch oder schwul zu sein“. Die Outing-Fälle hätten gezeigt, dass Nachforschungen in den Herkunftsländern Geflüchteter, in denen zumeist homosexuelle Handlungen unter Strafe stehen und sexuelle und geschlechtliche Vielfalt streng tabuisiert ist, in keinem Falle ein probates Mittel seien, um die sexuelle Orientierung zu überprüfen.
Nach Angaben des Verbandes werden in 70 Staaten dieser Welt gleichgeschlechtliche Handlungen kriminalisiert, in elf Ländern sei sogar die Todesstrafe möglich.
Wetzlar, Schönau (epd). Claudia Ellert, Gefäßchirurgin, Hobby-Triathletin, Mutter konnte sich gar nicht vorstellen, dass es einmal so sein könnte: Dass sie die langen Arbeitstage in der Klinik nicht mehr packt. Dass sie Nordic Walking versucht, aber noch nicht einmal die Stöcke anheben kann. „Die Aktivität selbst geht“, erzählt sie. „Aber dann kommt der Einbruch hinterher.“ Die Erschöpfung kann sich über Tage, Wochen erstrecken.
Ellert hat mittlerweile eine Diagnose für ihre Krankheit: Long Covid. Im November infizierte sie sich bei der Arbeit in den Lahn-Dill-Kliniken in Wetzlar mit dem Coronavirus. Die Klinik hatte ein „super Hygienekonzept“, berichtet sie, „alle trugen FFP2-Masken“. Ellert fühlte sich „grippig“, blieb drei Wochen zu Hause, und wollte wieder loslegen. Doch es ging nicht.
Bei einigen Menschen treten Wochen und Monate nach einer Corona-Infektion noch Symptome auf: Erschöpfung, Herzrasen, Schlaflosigkeit, Husten, Atemnot, Depressionen. Die Medizin spricht inzwischen von „Post Covid“ oder „Long Covid“, je nachdem, wie lange die eigentliche Covid-19-Erkrankung zurückliegt. Fachleute gehen derzeit davon aus, dass etwa zehn Prozent der an Corona Erkrankten unter Spätfolgen leiden.
Claudia Ellert sagt, dass Long-Covid-Betroffene bei den Hausärztinnen und Hausärzten oft auf Unverständnis stoßen. Die Beschwerden sind meist diffus. Ärzte könnten damit wenig anfangen, es fehlten klare Befunde. „Es braucht Anlaufstellen, damit die Leute nicht verzweifelt zu Hause sitzen“, sagt die Ärztin.
Sie hat deshalb eine ambulante Reha-Gruppe für Long-Covid-Patienten gegründet. Der Ansturm war enorm. Eine erste Gruppe ist mit zwölf Teilnehmern bereits voll, es existiert eine Warteliste. Die Gruppe ist an einem Rehazentrum angesiedelt, das zu den Lahn-Dill-Kliniken gehört. Ellert arbeitet mit Therapeutinnen und Therapeuten zusammen. Sie wollen den Kranken ein niedrigschwelliges Angebot aus Bewegung, Atemübungen und Entspannungsgymnastik anbieten, denn „Bewegung ist immer gut“, erklärt Ellert.
Sie selbst musste allerdings „runterkommen von der Aussage, dass mit Sport alles geht“, wie sie sagt. Die Wetzlarer Ärztin war Anfang des Jahres zur Reha in der Schön Klinik in Schönau am Königssee in Oberbayern. Dort habe sie Verschiedenes ausprobiert, etwa mit kleinen Gewichten trainiert. „Aber alles körperliche Training überfordert mich.“
Die Schön Klinik liegt inmitten einer wundervollen Landschaft. Schönau am Königssee ist von den Berchtesgadener Alpen umgeben. Die Klinik hat rund 70 ihrer 100 Betten mit Long-Covid-Patienten belegt. Manche von ihnen haben wenig von der herrlichen Natur, denn sie sehen die schneebedeckten Alpen nur durchs Zimmerfenster. „Einige sind so krank, dass sie gar nicht das Bett verlassen können“, sagt der Chefarzt des Fachzentrums Pneumologie, Rembert Koczulla.
Die Mediziner sprechen von „Clustern“, also Mustern, wenn sie Long Covid unterteilen. Es gibt das Lungen-Cluster - Menschen, die zum Beispiel unter Luftnot leiden. Patienten des neurologischen Clusters können Kopfschmerzen oder Gedächtnisstörungen haben. Die Ärzte behandeln sie entsprechend, schildert Koczulla: Bei Husten bekommen sie zum Beispiel ein Medikament zum Inhalieren, bei Hautkrankheiten Cremes oder ein Paraffinbad, bei Problemen mit der Konzentration machen sie ein spezielles Gedächtnistraining. „Die Patienten brauchen ein maßgeschneidertes Programm“, erklärt der Pneumologe.
Die Rehabilitation genieße in Deutschland bisher nicht den Stellenwert, den sie haben sollte. Sie laufe oft „unter dem Radar“, sagt Koczulla. Er fordert eine Akademisierung der Reha, also die Ausbildung und Forschung auch an den Hochschulen anzusiedeln. Koczulla besetzt den einzigen Lehrstuhl für pneumologische Rehabilitation in Deutschland und arbeitet mit seinem wissenschaftlichen Institut zu Long Covid. „Wir haben mit Long Covid eine neue Erkrankung mit fehlenden Daten zu vielen Fragen und noch keine perfekte Infrastruktur im Nutzen und Definieren der Reha. Das macht es doppelt schwer, die Patienten optimal zu versorgen.“
Die Deutsche Rentenversicherung ist in der Regel bei Berufstätigen für die Reha zuständig. Man biete eine spezielle Post-Covid-Rehabilitation an, sagt ihr Sprecher Dirk von der Heide. Seit Dezember gebe es gehäuft Behandlungen. Bisherige Beobachtungen der Mediziner der Rentenversicherung stimmten zuversichtlich. Ob es die Symptome Atemnot, geringe körperliche Leistungsfähigkeit, psychische Störungen oder Erschöpfung seien: „Die Beschwerden bessern sich während der Reha deutlich.“
Claudia Ellert fand einen Weg, um mit ihrer Krankheit umzugehen. Mediziner nennen es „Pacing“, was „Ermüdungsmanagement“ meint. Ellert übersetzt das so: „Du hast geringere Energiereserven. Nutze nur sie.“
Berlin (epd). Die Spitzen von Diakonie und Caritas drängen die Bundesregierung, sich auf Tariflöhne in der Altenpflege zu verständigen. Angesichts der knapp werdenden Zeit bis zur Bundestagswahl „muss die Koalition jetzt liefern“, sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie am 21. Mai in Berlin. Wenn es „bei ein bisschen Prämie und ein bisschen Klatschen bleibt“, sagte der Diakonie-Chef mit Blick auf Corona-Prämien und Balkon-Applaus für Pflegekräfte in der Corona-Pandemie, sei das politisch nicht zu verantworten.
Lilie und Caritas-Präsident Peter Neher verlangten bei einer gemeinsamen Pressekonferenz außerdem eine Begrenzung der Eigenanteile von Pflegebedürftigen und gesetzliche Vorgaben für die Refinanzierung von ausreichend Personal. Pflegekräfte seien unter Druck, nicht nur weil Stellen unbesetzt blieben, sondern weil das Personal nach den derzeit gültigen Fachkraftquoten zu knapp bemessen sei. Es könne allerdings nur um Übergangslösungen gehen, sagte Caritas-Chef Neher. Nachdem die Koalition ihr Versprechen einer großen Pflegereform nicht eingelöst habe, müsse sie nun wenigstens noch dringend notwendige kleine Schritte tun. Es dürfe kein Nichtstun geben, sagte Neher und forderte die Bundestagsfraktionen von Union und SPD auf, an einer Lösung mitzuarbeiten.
In der Bundesregierung werden nach dem Scheitern eines Flächentarifvertrags derzeit gesetzliche Änderungen abgestimmt, die für bessere Löhne in der Altenpflege sorgen sollen. Danach sollen künftig nur noch solche Pflegeeinrichtungen mit den Pflegekassen abrechnen können, die Tariflöhne zahlen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will erreichen, dass die geplanten gesetzlichen Änderungen kein Schlupfloch für Niedriglöhne offenlassen.
Heil und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verhandeln derzeit über Details und eine Gegenfinanzierung der zusätzlichen Kosten. Spahn hat außerdem einen Vorschlag gemacht, wonach die Eigenanteile der Pflegebedürftigen ab dem zweiten Jahr prozentual verringert werden sollen. Einig ist man sich, dass nicht sie allein die steigenden Kosten tragen sollen. Spahns Vorschlag zur Finanzierung sieht geringfügige Beitragserhöhungen, eine finanzielle Beteiligung der Bundesländer und einen Steuerzuschuss an die Pflegeversicherung vor.
Kommt es zu einem Kabinettsbeschluss, muss der Bundestag die Änderungen noch in einer der beiden letzten Sitzungswochen vor der Bundestagswahl beschließen. Andernfalls scheitern die Vorhaben.
Pikant für die Caritas ist, dass das Verfahren zu einem Flächentarif in der Altenpflege an den katholischen Arbeitgebern gescheitert war. Präsident Neher räumte einen „kommunikativen Gau“ ein, der seinem Verband geschadet habe. Andererseits sei es immer eine Illusion gewesen zu glauben, ein Flächentarifvertrag mit Mindestentlohnungen hätte die Probleme in der Altenpflege gelöst, sagte er. Dafür brauche es weit umfassendere Reformen. Diese müssten in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden.
In der Altenpflege arbeiten mehr als eine Million Menschen, überwiegend Frauen. Nur etwa die Hälfte der Pflegekräfte wird nach Tarif bezahlt. Die katholische Caritas und die evangelische Diakonie gehören zu den großen Pflegeanbietern. Ihre Beschäftigten werden nach eigenen kirchlichen Tarifen entlohnt, die nicht mit den Gewerkschaften, sondern in Arbeitsrechtlichen Kommissionen zwischen Dienstgeber- und Arbeitnehmervertretern ausgehandelt werden. Die Entlohnung ist der im öffentlichen Dienst vergleichbar und höher als bei privaten Pflegeanbietern. Kirchliche Beschäftigte haben aber kein Streikrecht.
Dortmund (epd). Nach jahrelangen Diskussionen über Pflegenotstand und steigende kommunale Sozialhilfeausgaben wurde 1994 die Pflegeversicherung in nur wenigen Wochen aus dem Boden gestampft. Das hat bis heute schwerwiegende Folgen. Die meisten Knackpunkte aus der damaligen Debatte sind auch nach fast 30 Jahren aktuell.
Gerade die Einführung des Pflegegeldes sollte die häusliche Versorgung stärken - ganz nach dem Leitsatz „ambulant vor stationär“. Ebenso ging es um zumutbare finanzielle Eigenanteile der Pflegeheimbewohner, die besonderen Anforderungen an die Versorgung dementer Menschen, die Aufwertung des Altenpflegeberufs und eine generationsgerechte Lösung. Doch vieles ist auch nach zig Pflegereformen noch offen. Bis heute fehlen dynamisierende Leistungsbeträge der Pflegekassen.
Leidtragende bleiben die Pflegebedürftigen, die immer tiefer in die eigene Tasche greifen müssen. Die Achillesferse ist das Konzept der festen Zuschüsse. Denn im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung werden nur von der Bundesregierung definierte Festbeträge gezahlt. Hier von einer Teilkasko-Versicherung zu sprechen, führt in die Irre.
Angesichts dynamischer Ausgaben ist vorhersehbar, dass immer mehr Leistungsbezieher in die Armut rutschen. Unter diesen Prämissen bleibt es unkalkulierbar, Vorsorge zu treffen. Daran will auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) grundsätzlich nichts ändern, obwohl sich die prekäre Lage der rund vier Millionen Pflegedürftigen weiter verschärft.
Seit seinem Amtseintritt erhöhten sich die Zuzahlungen für Pflege, Kost und Logis sowie Investitionen um 13 Prozent. Doch die notwendigen Gehaltsanpassungen sind nur ein Aspekt bei den steigenden Belastungen. Hinzu kommt, dass die Länder ihre Verpflichtung oft ignorieren, die Investitionskosten der Pflegeheime zu tragen. Die Ära Spahn hat allein den Eigenanteil an den reinen Pflegekosten um mehr als die Hälfte steigen lassen.
Somit sollte es niemanden wundern, dass die Sozialhilfeausgaben für Pflegebedürftige seit 25 Jahren noch nie so hoch waren wie jetzt. Allein 320.000 Pflegeheimbewohner konnten 2019 ihren Platz nicht aus eigener Kraft finanzieren. Da hilft auch nicht, dass durch die Erhöhung der Belastungsgrenze auf 100.000 Euro nur wenige Angehörige zur Kasse gebeten werden. Denn der Pflegebedürftige selbst wird in seinen letzten Lebensjahren geschröpft bis er seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann.
Auch die Entlastung von pflegenden Angehörigen bleibt aus. Pflege und Beruf sind nach wie vor kaum in Einklang zu bringen. Ein ausreichendesfinanzielles Sicherungsnetz für den größten Pflegedienst Deutschlands gibt es nicht.
Überfällig ist zudem eine staatlich finanzierte Lohnersatzleistung ähnlich dem Elterngeld. Daneben fehlen viel zu oft praktische Entlastungsmöglichkeiten. Tagespflege, Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege sind Mangelware. Die Corona-Pandemie hat diese Situation drastisch verschärft.
Statt die dringend benötigte Unterstützung für pflegende Angehörigen auszubauen, sieht der aktuelle Arbeitsentwurf zur Pflegereform aus dem Hause Spahn hier sogar empfindliche Kürzungen vor. Etwa wenn der Betroffene zusätzliche Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes braucht und dafür mindestens die Hälfte seines Pflegekassenzuschusses verwenden muss. Verhindert werden sollen Fehlanreize durch die Kombination unterschiedlicher ambulanter und teilstationärer Leistungen. Tatsächlich träfe dies aber viele Angehörige, die für die Versorgung ihrer Liebsten daheim auf die Unterstützung Dritter angewiesen sind.
Niemand bestreitet, dass eine die Würde wahrende Pflege nur mit fairen Löhnen funktionieren kann. Immerhin versorgen die 1,2 Millionen Altenpflegekräfte täglich 900.000 Menschen in Einrichtungen und eine Million Pflegebedürftige daheim. Doch eine gesetzliche Regelung des bundesweiten tarifähnlichen Lohns darf nicht weiter zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen.
Keines der vorliegenden Konzepte der Bundesregierung verhindert das. So würden die aktuellen Pläne, die noch vor der Sommerpause verabschiedet werden sollen, pro Pflegeheimbewohner durchschnittlich 130 Euro mehr im Monat bedeuten. Auch die vom Bundesgesundheitsminister geplanten prozentualen Zuschüsse ab dem zweiten Jahr im Pflegeheim helfen nicht. Schließlich stirbt die Hälfte der Heimbewohner schon im ersten Jahr. Selbst für langjährige Pflegebedürftige ist das Zuschussmodell unzumutbar, da keine regelmäßige Anpassung an die davongaloppierenden Personalkosten geplant ist.
Bundesregierung und Bundestag sind aufgefordert, eine zukunftssichere und generationsgerechte Pflege mit einem gedeckelten planbaren Höchstbetrag für die Betroffenen zu ermöglichen. Notwendig ist, dass die Pflegeversicherung die reinen Pflegekosten vollständig übernimmt. Um Beitragserhöhungen abzufedern, müssen wie bei anderen Sicherungssystemen Steuermittel eingesetzt werden.
Aber auch die gesetzlichen Krankenversicherungen sind gefragt. Denn es ist ungerecht, dass die medizinische Behandlungspflege in den Heimen nicht übernommen wird. Schließlich brächte das jährlich drei Milliarden Euro zusätzlich für die Pflegeversicherung. Wer heute behauptet, mit einem Schnellschuss sei eine zukunftssichere Basis der Pflegeversicherung nicht zu gewährleistet, verkennt die Diskussion der letzten vier Jahre. Viel Zeit ist in dieser Legislaturperiode vertrödelt worden. Erkenntnisse, wie Pflege finanziert werden kann, gibt es mehr als genug. Es fehlt der Mut zum Handeln.
München (epd). Steuererklärung und Rentenbescheid: Tom Rausch hat selbst schon Erfahrung mit Schwerer und Leichter Sprache gemacht. „Manchmal frag ich mich, ob ich mit so einem Brief extra zum Anwalt muss?“ sagt er. Tom Rausch ist Diakon und Sozialwirt und leitet seit sieben Jahren die Offene Behindertenarbeit in München, kurz OBA. Rausch ist überzeugt: „Alle profitieren, wenn Texte einfacher geschrieben sind.“
Das findet auch Andreas Preuss. Der 58-Jährige arbeitet in den Schleißheimer Werkstätten vom Augustinum. Als Vorsitzender im Werkstatt-Rat vertritt er über 200 Mitarbeiter. Preuß hat eine Lernbehinderung. Er sagt: „Info-Blätter in Leichter Sprache sind bei uns in den Werkstätten wichtig für Arbeitsabläufe.“ Auch bei Umfragen lohnt sich die Übersetzung. „Man bekommt dann mehr Antworten“, weiß der Münchner, der in seiner Freizeit beim Café-Team der OBA mitmacht.
Aber Leichte Sprache kann ganz schön schwer sein. „Die meisten von uns sind es gewohnt, Dinge möglichst kompliziert darzustellen“, sagt OBA-Leiter Rausch. Leichte Sprache folgt festen Regeln. Ein Satz hat sieben Wörter. Jeder Satz hat nur eine Aussage. Fremdwörter sind nicht erlaubt, oder sie müssen erklärt werden. Die Schrift ist 12 Punkt oder größer. Konjunktiv und Genitiv, Abkürzungen, Jahreszahlen und Redewendungen: Das alles soll man vermeiden. Und ganz wichtig: „Jeder Text in Leichter Sprache muss von Menschen mit Behinderung geprüft werden“, sagt Anna Hofstetter (Name geändert).
Hofstetter ist Stammgast bei der OBA, Prüferin für Leichte Sprache und außerdem Mitglied im Behindertenbeirat der Stadt München. Dort setzt sie sich in den Arbeitskreisen Frauen, Tourismus und Mobilität ein. Aber selbst da ist Leichte Sprache nicht selbstverständlich. „In den Sitzungen sind Rollstuhlfahrer, Blinde und Hörbehinderte“, sagt sie. Jedem ist klar, was diese Menschen brauchen. Aber was Menschen mit Lernbehinderung hilft, wissen viele nicht. „Es heißt dann schnell: 'Stell dich nicht so an!'“, sagt Anna Hofstetter.
Dabei hilft Leichte Sprache nicht nur Menschen wie Anna Hofstetter und Andreas Preuss. „Auch Menschen mit Demenz, Analphabeten oder Migranten sind auf einfache Sprache angewiesen“, sagt Elke Schmidt. Sie kümmert sich bei der OBA um den Bereich Leichte Sprache. Elke Schmidt und Tom Rausch sind keine Träumer: „Leichte Sprache eignet sich nicht für jeden Text“, sagen sie. Leicht zu schreiben, benötigt viel Platz. Verzwickte Themen lassen sich mit Leichter Sprache schwer erklären. Selbst die Festschrift „50 Jahre OBA“ ist nicht in Leichter Sprache verfasst, sondern in Einfacher Sprache. Da darf jeder Satz 15 Wörter und einen Nebensatz haben. Gängige Fremdwörter sind erlaubt und die Schrift kann kleiner sein.
Aber zwölf Jahre nach der UN-Behindertenrechtskonvention sollten alle Behörden „dabei sein, Texte in Leichter und Einfacher Sprache zu erstellen“, sagt Rausch. Und weil er Diakon ist, hat er auch einen Wunsch an die Kirchen. Denn Leichte Sprache ist in vielen Gemeindebriefen noch kein Thema. Und auch das Evangelium und die Predigt im Gottesdienst sind oft schwer verständlich. „Da wünsche ich mir eine Übersetzung“, sagt Tom Rausch.
So bleibt für die OBA auch 50 Jahre nach ihrer Gründung noch genug zu tun. Ganz oben steht politische Bildung und Teilhabe. „Menschen mit Behinderung können und wollen sich selbst vertreten in den Gremien der Stadt“, sagt Tom Rausch. Und zwar nicht nur im Behindertenbeirat, sondern im Bezirksausschuss oder im Kreisjugendring. Dafür richtet die OBA mithilfe der „Aktion Mensch“ bald eine Stelle ein, um Menschen mit Lernbehinderung für die Politik zu schulen.
Und die OBA will die Gesellschaft weiterentwickeln. „Damit es uns als Spezialagentur nicht mehr braucht“, sagt Tom Rausch. Vor 50 Jahren mussten die OBA-Gründer eigene Strukturen erfinden, damit Menschen mit Behinderung einen Platz für Begegnung, Austausch, Sport und Freizeit bekommen. Auf Dauer will Tom Rausch solche „Parallelstrukturen“ wieder abschaffen. „Wie wäre es denn, wenn wir alle gemeinsam im Sportverein um die Ecke trainieren?“, fragt er. Bis es soweit ist, bleibt die OBA eine Anlaufstelle für Menschen mit und ohne Behinderung.
München (epd). LEICHTE SPRACHE: Texte in Leichter Sprache haben kurze Sätze. Lange Wörter werden durch einen Binde-strich oder einen Medio•punkt getrennt. Fremdwörter kommen nicht vor oder werden erklärt. Passende Bilder erläutern den Text. Die Schrift ist groß. Artikel sind übersichtlich. Das „Netzwerk Leichte Sprache“ hat die Regeln zusammengefasst.
EINFACHE SPRACHE: Für Einfache Sprache gibt es keine festen Regeln. So wird ein Text besser verständlich: Sätze haben höchstens einen Nebensatz. Übliche Fremdwörter aus der Alltagssprache sind erlaubt, andere werden erklärt. Der Text ist durch Absätze und Überschriften übersichtlich gestaltet.
INFOS IN EINFACHER SPRACHE: Der Deutschlandfunk macht seit fast zehn Jahren Nachrichten in Einfacher Sprache. Es gibt die Seite www.nachrichtenleicht.de, einen Podcast und eine Hörfunksendung. Immer mehr Menschen nutzen dieses Angebot, sagt der Deutschlandfunk: Wer Lernschwierigkeiten hat, wenig Deutsch spricht, nicht gut lesen kann oder eine Krankheit wie Demenz hat. Oder wer schwierige Sachen gern mal einfach erklärt haben will.
München (epd). Andreas Preuß arbeitet seit 40 Jahren in den Schleißheimer Augustinum-Werkstätten. Er ist dort Vorsitzender im Werkstatt-Rat und vertritt rund 200 Mitarbeiter. In seiner Freizeit macht der 58-jährige Münchner bei der „Offenen Behindertenarbeit“ (OBA) mit. Preuß hat eine Lernbehinderung. Texte und Veranstaltungen in „Leichter Sprache“ helfen ihm im Alltag. Mit ihm sprach Susanne Schröder.
epd sozial: Herr Preuß, wo ist Leichte Sprache im Alltag für Sie besonders wichtig?
Andreas Preuß: Bei Veranstaltungen. Denn wenn ich merke, da sind mehr Menschen ohne Behinderung als Menschen mit, dann denke ich oft schon: „Oh!“ Und am Gesichtsausdruck der anderen Menschen mit Behinderung sehe ich, dass die auch überlegen, was der da vorn jetzt gerade meint. Bei uns im Werkstatt-Rat haben wir Blätter in Leichter Sprache gemacht, mit Bildern. Das ist wichtig für Arbeitsabläufe und bei Umfragen.
epd: Gibt es genug Angebote in Leichter Sprache?
Preuß: Es gibt mehr als vor zwei oder drei Jahren. Aber es wäre gut, wenn es noch mehr gäbe, vor allem bei Veranstaltungen. Gut ist: Es gibt verschiedene Homepages in Leichter Sprache, wo Leute sich das auch vorlesen lassen können. Das find ich ganz gut! Wenn ich etwas lese, und dann kann ich es hören und nochmal lesen. Dann weiß ich: Ah! Das ist in diesem Text gemeint.
epd: Wann ärgern Sie sich über Schwere Sprache?
Preuß: Wenn ich im Internet einen Text lese, wo mich das Thema interessiert. Dann sitz ich da und muss nochmal lesen und nochmal. Und ich denke: „Also tut mir leid, ich komm jetzt da nicht ganz mit, was die eigentlich mitteilen wollen.“ Grad bei Politik denk ich mir: „Ja hallo? Man kann doch das auch viel einfacher erklären!“ Manchmal sind Sachen in Schwerer Sprache gut erklärt, indem bei manchen Wörtern ein Sterndl dran ist, wo man unten nachlesen kann, was es heißt. Aber es gibt viele Texte, wo ich mir denk: Entweder ihr macht's ein Sterndl hin, oder ihr schreibt es gleich in Leichter Sprache.
Köln, Berlin (epd). Nach einer Umfrage der Bank für Sozialwirtschaft (BfS) von Anfang bis Mitte Mai zu den Auswirkungen der Pandemie auf die Pflegebranche müssen „insbesondere stationäre Einrichtungen und Tagespflegen weiterhin mit Auslastungsdefiziten infolge von gesetzlichen Auflagen, Nachfrageeinbrüchen und Personalausfällen durch Krankheit sowie Kindernotbetreuung umgehen“, heißt es in einer Mitteilung der Kölner Bank vom 26. Mai. Sozialverbände forderten auf dieser Basis die Verlängerung des Corona-Rettungsschirms.
Die weiteren Ergebnisse der Umfrage belegen eine finanzielle Situation bei den Trägern, wie es weiter heißt. Es bestünden Regelungslücken bei der Kompensation von Mindereinnahmen im Bereich der Investitionskosten. Und: „Etwa 90 Prozent nehmen Leistungen des Pflegerettungsschirms nach Paragraf 150 SGB XI in Anspruch oder planen dies. Rund ein Drittel verzeichnet nicht auskömmlich kompensierte Ertragsausfälle in Höhe von fünf bis 20 Prozent.“
Rund 60 Prozent der Befragten gehen den Angaben der BfS zufolge von einer verschlechterten Liquiditätssituation aus. Bei der Hälfte der Teilnehmer der Umfrage bestehe zudem eine erhebliche Unsicherheit hinsichtlich möglicher Rückzahlungsforderungen der vom Staat geleisteten Ausgleichszahlungen.
„Der Pflegerettungsschirm nach Paragraf 150 SGB XI ist ein wirkungsvolles Instrument, das viele wirtschaftliche Ausfälle und Risiken abdeckt“, sagte Harald Schmitz, Vorstandsvorsitzender der Bank für Sozialwirtschaft. „Dennoch fehlt eine finanzielle Planungssicherheit. Daher ist die Fortführung des Pflegerettungsschirms unerlässlich.“ Der Schutzschirm ist gegenwärtig bis zum 30. Juni befristet.
Für die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) sagte deren Präsident, Ulrich Lilie: „Der Schutzschirm wirkt und die Einrichtungen brauchen ihn weiterhin. Seit Ausbruch der Pandemie haben Pflegeeinrichtungen und -dienste unter harten Bedingungen die Pflege und den Schutz ihrer Bewohner aufrechterhalten.“ Dabei sei der Schutzschirm eine wichtige Stütze. „Vor allem die Situation in der Tagespflege zeigt aber auch: Überwunden ist die Krise noch nicht.“
Lilie weiter: „Der Schutzschirm für die Pflege wird wegen der Corona-bedingten Mindereinnahmen und der Mehraufwendungen für Schutzmaßnahmen und Hygienekonzepte weiter dringend gebraucht.“ Der Diakoniechef appellierte an die Politik, den Schirm aufgespannt zu lassen und ihn bis Jahresende zu verlängern.
Ähnlich äußerte sich auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa).Der Rettungsschirm sichere die Versorgungsstruktur. Bisher hätten auch bei einer durch die Pandemie bedingten geringen Auslastung die Beschäftigten im Unternehmen gehalten werden können.
„Es wäre ein katastrophales Signal, mit Beginn der Normalisierung den hervorragenden bisherigen Einsatz mit Kurzarbeit oder Stellenabbau zu beantworten. Jetzt müssen wir beweisen, wie sicher die Arbeitsplätze sind, damit wir auch in einem halben Jahr auf die Beschäftigten vertrauen können“, sagte Präsident Bernd Meurer.
Frankfurt a.M., Bochum (epd). Der assistierte Suizid sollte nach Auffassung führender evangelischer Theologen nicht zum „Regelangebot“ für alle in diakonischen Einrichtungen werden. „Selbstverständlich gehört der assistierte Suizid nicht in das reguläre Aufgabenportfolio der Diakonie, er kann immer nur äußerster Grenz- und Ausnahmefall sein“, schreiben die Bochumer Theologin Isolde Karle, Diakonie-Präsident Ulrich Lilie und der Münchner Theologe Reiner Anselm in einem am 25. Mai in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlichten Gastbeitrag.
Anselm, Karle und Lilie hatten mit einem Gastbeitrag in dergleichen Zeitung im Januar zum Thema assistierter Suizid eine innerkirchliche Debatte ausgelöst. Sie hatten sich darin für die Möglichkeit zur Suizidassistenz in diakonischen Einrichtungen ausgesprochen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) lehnt organisierte Suizidassistenz offiziell ab - unabhängig davon, in welcher Einrichtung diese stattfindet. Als Kirche begleite man Sterbende auf ihrem letzten Weg, hatte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm Anfang Mai gesagt. Eine kirchlich-diakonische Einrichtung solle sich aber nicht selbst an der Organisation und Durchführung der Suizidassistenz beteiligen. Auch die katholische Kirche ist gegen Sterbehilfe.
Ausgelöst wurde die Debatte durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020, das das Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung kippte, das 2015 vom Bundestag beschlossen worden war. Nach Kritik an der möglichen Suizidbeihilfe hatte der Deutsche Ärztetag Anfang Mai dann aber das Verbot der Suizidassistenz für Medizinerinnen und Mediziner aus seiner Berufsordnung gestrichen.
Die drei Autoren nehmen nun erneut Stellung. Sie wollten den Fokus auf ein Schutzkonzept legen und eine mögliche Suizidassistenz ausschließlich auf die Situation schwerst- und sterbenskranker Menschen beziehen, erklärten sie. „Wir teilen die Ansicht, dass der assistierte Suizid die Ausnahme bleiben muss“, schreiben Anselm, Karle und Lilie. Für ein Schutzkonzept seien die „behutsame Beratung und Seelsorge“ in diakonischen Einrichtungen grundlegend. Dadurch würden Suizidwünsche nicht länger verschwiegen, sondern könnten ausgesprochen und dadurch bearbeitet werden. „Ein offenes Gespräch dient viel besser der Suizidprophylaxe als eine Tabuisierung von Suizidwünschen“, schreiben die Autoren.
Aus christlicher Sicht gebe es zwar ein uneingeschränktes Recht auf Leben, aber keine Pflicht zum Leben. Eine Person dürfe nicht gegen ihren ausdrücklichen Willen zum Weiterleben gezwungen werden, erklärten die drei Theologen. „Nur wenn Diakonie und Seelsorge jede Form der Belehrung und jede Attitüde moralischer Überlegenheit vermeiden, wird sich ein suizidwilliger Mensch ernstgenommen fühlen und gegebenenfalls nochmals über seine Entscheidung nachdenken.“
Die Autoren wenden sich auch gegen die These, die Möglichkeit zur Suizidassistenz werde einen Dammbruch bewirken und möglicherweise auch zu einer Legalisierung der Tötung auf Verlangen führen. Es sei nicht zu erkennen, warum die Akzeptanz einer Suizidhilfe im Einzel- und Ausnahmefall zu einer legislativen Ausweitung auf eine Tötung auf Verlangen führen sollte. „Geregelte Verfahren sind nicht mit Regelmäßigkeit gleichzusetzen.“
Rummelsberg (epd). In der Behindertenhilfeeinrichtung Auhof (Landkreis Roth) der Rummelsberger Diakonie hat im Jahr 1975 ein Medikamententest an neun Jungen zwischen neun und 14 Jahren stattgefunden. Für die Gabe des Medikaments Nomifensin, eines Antidepressivums, durch den damaligen Anstaltsarzt konnte die Wissenschaftlerin Sylvia Wagner bei ihrer Recherche keine nachvollziehbaren Gründe finden. Das geht aus dem Buch über die Behindertenhilfe der Rummelsberger zwischen 1945 und 1995 hervor, das am 20. Mai vorgestellt wurde. Fast alle betroffenen Jungen seien als sehr fröhlich beschrieben worden.
Der Band beschreibt aber auch körperliche und psychische Gewalt gegen die Bewohnerinnen und Bewohner mehrerer Häuser der Behindertenhilfe und „wie eine Subkultur der Gewalt begünstigt wurde“, erklärte Mitautor Hans-Walter Schmuhl. Personalmangel, unzureichend qualifiziertes Personal und räumliche Mängel führten dazu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Gewalt, Schlägen, Fixierungen oder psychischen Mitteln versuchten, die „totale Institution“ aufrechtzuerhalten. Erschreckend sei es, so Schmuhl, dass trotz heilpädagogischer Konzepte ab den 1970er Jahren „sich die Dinge quälend langsam änderten“.
Von Gewalt betroffene Menschen in der Behindertenhilfe der Rummelsberger bat der Vorsitzende der Rummelsberger Diakonie, Reiner Schübel, um Verzeihung. Das nun erschienene Buch „wäre umsonst, wenn wir daraus keine Lehren ziehen“, sagte Schübel. Man müsse wach und kritisch bleiben und eine Kultur schaffen, in der Gewalt kein toleriertes Mittel sei und bleibe.
Neuendettelsau/Schwäbisch Hall (epd). Die diakonische Behinderteneinrichtung Sonnenhof in Schwäbisch Hall soll in das evangelische Neuendettelsauer Sozialunternehmen Diakoneo integriert werden. Die Aufsichtsgremien von Sonnenhof und Diakoneo hätten in den vergangenen Tagen entsprechende Beschlüsse gefasst, teilte der Sonnenhof am 20. Mai in Schwäbisch Hall mit. Diakoneo ist im Jahr 2019 aus der Fusion der Diakonie Neuendettelsau und dem Diakoniewerk Schwäbisch Hall entstanden.
Diakoneo mit Sitz im mittelfränkischen Neuendettelsau gehört mit über 10.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von nach eigenen Angaben etwa 650 Millionen Euro zu den größten diakonischen Unternehmen in Deutschland. Es hat über 200 Einrichtungen mit Schwerpunkt Pflege und Gesundheit in Bayern, Baden-Württemberg und Polen. Der Sonnenhof in Schwäbisch Hall beschäftigt etwa 1.000 Mitarbeitende und ist Mitglied im Diakonischen Werk Württemberg.
Dass der Sonnenhof in Diakoneo integriert werden soll, sei den „umfangreichen Herausforderungen“ geschuldet, vor denen Einrichtungen wie der Sonnenhof „durch die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, der Landesheimbauverordnung und der damit verbundenen Dezentralisierung sowie absehbaren weiteren Digitalisierungserfordernissen“ stehen, sagte der Kuratoriumsvorsitzende des Trägervereins in Schwäbisch Hall, Pfarrer Reinhart Gronbach.
Diakoneo-Vorstandschef Mathias Hartmann sagte, mit den Angeboten des Sonnenhofs könne Diakoneo sein Angebot in der Region abrunden. Bislang sei man in Stadt und Landkreis Schwäbisch Hall mit dem Diak-Klinikum, ambulanten Diensten und Einrichtungen für Kinder und Senioren präsent. Einig seien sich die Gesprächspartner darin, dass der Sonnenhof in einem Unternehmensverbund nicht nur seinen Namen, sondern auch sein Profil als regionale Einrichtung behalten soll, hieß es weiter.
Karlsruhe (epd). Eine zwangsweise Unterbringung psychisch Kranker für mehr als ein Jahr muss schon sehr genau begründet werden. Wird von vornherein eine zweijährige Zwangsunterbringung angeordnet, muss ausgeführt werden, warum erforderliche Therapiemaßnahmen nicht auch in einem kürzeren Zeitraum greifen und das Krankheitsbild verbessern können, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 21. Mai veröffentlichten Beschluss.
Konkret ging es um einen schizophrenen Mann, der seit Juni 2017 unter Betreuung steht. Als er im Juni 2020 nach einer Überdosis von Aufputschmitteln in eine Klinik eingeliefert wurde, beantragte der Betreuer die geschlossene Unterbringung. Diese wurde vom Amtsgericht zunächst bis zum 17. Juli 2020 genehmigt. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde die Unterbringung in der Psychiatrie dann bis zum 13. Juli 2022 angeordnet.
Das Landgericht Saarbrücken bestätigte mit Verweis auf das Gutachten die zweijährige Zwangsunterbringung. Es bestehe die unmittelbare Gefahr, dass der Betroffene ohne Unterbringung sich selbst erheblich schädigt. So sei er bereits mehrfach orientierungslos auf der Straße aufgefunden und in eine Klinik gebracht worden. Es bestehe keine „tiefgreifende Krankheitseinsicht“, so dass die Anleitung zur Einnahme von Medikamenten nur in einer Klinik erfolgen könne. Außerdem könnten laut dem Gutachten nach einer sechsmonatigen Unterbringung Unterbringungslockerungen in Betracht kommen.
Die vom Betroffenen gegen die zweijährige Zwangsunterbringung eingelegte Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH Erfolg. Nach den gesetzlichen Bestimmungen "endet die Unterbringung spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird, so der BGH. Die Befristung auf ein Jahr stelle eine gesetzliche Höchstgrenze dar und dürfe nur ausnahmsweise und mit genauer Begründung überschritten werden. Dies gebiete das verfassungsrechtliche Grundrecht auf Freiheit.
Eine von vornherein angeordnete zweijährige Unterbringung sei möglich, wenn etwa vorher keine Anhaltspunkte für eine Heilung oder Besserung bestehen. Die für eine bis zweijährige Unterbringung angeführten Gründe müssten „deutlich und erkennbar hervortreten“, betonte der BGH.
Dem werde im konkreten Fall die angeordnete zweijährige Unterbringung nicht gerecht. So sei im Gutachten nicht erläutert worden, warum die erforderlichen Therapiemaßnahmen nicht bereits innerhalb eines Jahres zu einer Besserung des Krankheitsbildes führen könnten. Andererseits wurde eingeräumt, dass in Absprache mit dem Klinikpersonal nach sechs Monaten „Lockerungsbestrebungen“ bei der Unterbringung in Betracht kommen könnten. Das Landgericht müsse wegen der fehlerhaften Begründung über die Dauer der zwangsweisen Unterbringung daher neu entscheiden.
Auch in früheren Entscheidungen hatte der BGH betont, dass die Einschränkung des Rechts auf Freiheit bei einer Zwangsunterbringung nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. So entschieden die Karlsruher Richter am 10. Juni 2020, dass vor einer weiteren Verlängerung einer bereits seit Jahren bestehenden zwangsweisen Unterbringung auch andere Betreuungsmöglichkeiten geprüft werden müssen.
„Notwendig, aber auch ausreichend ist eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten“, so das Gericht zur Voraussetzung für die Unterbringung. Es müssten „objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines Gesundheitsschadens“ vorliegen.
Bei der Prüfung der Fortdauer der Zwangsunterbringung müssten diese Voraussetzungen ebenfalls bestehen. Dabei müsse die bereits verstrichene Unterbringungszeit berücksichtigt und geprüft werden, ob wegen Zeitablaufs überhaupt noch eine Selbstgefährdung besteht.
Mit Beschluss vom 14. März 2018 entschied der BGH, dass zwangsweise Untergebrachte auch eine Freiheitsperspektive haben müssen. Je länger eine Unterbringung dauere, desto genauer müsse geprüft werden, ob sie noch erforderlich ist. Dabei müssen Gerichte insbesondere in den Blick nehmen, ob die bisherige Unterbringung nicht zu einem verringerten Gefährdungsrisiko geführt hat und ob der Betroffene nicht besser in einer offenen betreuten Wohnform aufgehoben ist.
Um Einschätzungen eines Gutachters über eine Zwangsunterbringung auf den Prüfstand zu stellen, ist nach einer BGH-Entscheidung vom 7. Oktober 2020 alle vier Jahre ein Gutachterwechsel vorgeschrieben. Diese gesetzliche Bestimmung greife auch, wenn die vierjährige Unterbringung nur kurzfristig unterbrochen werde.
Az.: XII ZB 520/20 (Bundesgerichtshof zur Unterbringungsbegründung)
Az.: XII ZB 215/20 (Bundesgerichtshof zu Betreuungsmöglichkeiten)
Az.: XII ZB 629/17 (Bundesgerichtshof zur Freiheitsperspektive)
Az.: XII ZB 167/20 (Bundesgerichtshof zum Gutachterwechsel)
Karlsruhe (epd). Bei dem Umzug einer demenzkranken Frau in ein in der Nähe ihres Sohnes gelegenes Pflegeheim hat auch ihr 200 Kilometer entfernt wohnender Ehemann mitzureden. Auch wenn die Mutter dem Sohn eine Vorsorgevollmacht zur Vertretung ihrer Interessen erteilt hat, gebietet es der grundrechtliche Schutz der Ehe, dass der Wunsch des Ehemannes nach Kontakt zu seiner Frau berücksichtigt werden muss, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am 20. Mai veröffentlichten Beschluss. Im Zweifel kann der Sohn als Bevollmächtigter ungeeignet und die Bestellung eines Betreuers erforderlich sein, befanden die Karlsruher Richter.
Damit muss das Landgericht Aurich neu über die Betreuung einer 82-jährigen verheirateten Frau entscheiden. Sie leidet an einer fortgeschrittenen Parkinson- und Demenzerkrankung und hatte 2014 ihren beiden Kindern noch eine notarielle Vorsorgevollmacht erteilt. Damit können sie auch über das Aufenthaltsrecht bestimmen, falls sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst wahrnehmen kann.
Wegen der Erkrankung der Frau veranlasste der Sohn die Unterbringung in einem in seinem Wohnort gelegenen Pflegeheim. Damit war aber der 200 Kilometer entfernt wohnende 83-jährige Ehemann der Frau nicht einverstanden. Derzeit besucht er seine Ehefrau mehrmals wöchentlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Da sich Ehemann und Sohn nicht einigen konnten, beantragte der 83-Jährige die Bestellung eines Betreuers. Das Landgericht lehnte das jedoch ab und verwies auf die Vorsorgevollmacht der Frau. Der Sohn sei als Bevollmächtigter auch geeignet.
Der BGH hob diese Entscheidung auf und verpflichtete das Landgericht zur erneuten Prüfung. Das Landgericht habe den grundrechtlichen Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht ausreichend geprüft. Werde die Ehe bei der Entscheidung über den Aufenthalt der Frau in einer stationären Einrichtung unzureichend berücksichtigt, könne sich dies auf die Eignung des Bevollmächtigten, hier des Sohnes, auswirken.
Das Landgericht habe weder geprüft, ob die Frau auch am Wohnort ihres Ehemannes gepflegt werden könne, noch benennt es die Risiken für eine Verlegung, rügte der BGH. Auch könne es sein, dass der Umgang mit dem Ehemann eine stabilisierende Wirkung für die Betroffene habe, so das Gericht.
Az.: XII ZB 164/20
Kassel (epd). Die Aufnahmeuntersuchung einer Notfall-Patientin in einer Klinik und die kurzzeitige Not-Versorgung in einem Schockraum ist noch keine „stationäre Behandlung“. Wird die Patientin noch am selben Tag in ein anderes Krankenhaus verlegt, hat die zuerst versorgende Klinik keinen Anspruch auf eine Vergütung für eine stationäre Behandlung, urteilte am 18. Mai das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.
Im Streitfall wurde eine Patientin mit dem Rettungswagen in das Caritas Klinikum Saarbrücken St. Theresia gefahren. Die Frau war bewusstseinsgestört und machte unkontrollierte Bewegungen. Eine Computertomographie ergab eine Hirnblutung. Die nicht ansprechbare Frau wurde in einem Schockraum versorgt und dort beatmet. Kurz darauf wurde sie am selben Tag in die Neurochirurgie des Klinikums Saarbrücken verlegt.
Die Caritas-Klinik rechnete die Aufnahme und die Versorgung im Schockraum als „stationäre Behandlung“ ab. Schließlich sei die Patientin intensivmedizinisch versorgt worden, was als stationäre Behandlung angesehen werden müsse.
Die Techniker Krankenkasse wollte die in Rechnung gestellten 1.127 Euro nicht zahlen. Ein stationärer Aufenthalt habe nicht vorgelegen. Die Patientin sei ja noch am selben Tag in ein anderes Klinikum verlegt worden.
Auch das BSG urteilte, dass kein Vergütungsanspruch für eine stationäre Behandlung bestehe. Es habe sich vielmehr um eine ambulante Notfallbehandlung gehandelt, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abzurechnen sei. Denn für eine „stationäre Behandlung“ müsse die Patientin physisch und organisatorisch in das Versorgungssystem des Krankenhauses auf der Basis eines Behandlungsplanes eingegliedert sein. Hier sei die Patientin aber nach der Aufnahmeuntersuchung in ein anderes Krankenhaus verlegt worden. Die Aufnahmeuntersuchung diene gerade der Prüfung, ob eine stationäre Behandlung erforderlich und vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst ist.
Az.: B 1 KR 11/20 R
Leipzig (epd). Das Bundesverwaltungsgericht hält die Berechnung der Bafög-Sätze zwischen Oktober 2014 und Februar 2015 für verfassungswidrig. Nach Überzeugung des Gerichts war die Festlegung der Bedarfssätze in dem Zeitraum „mit dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigen Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten nicht vereinbar“, wie die Leipziger Richter am 20. Mai erklärten. Das entsprechende Revisionsverfahren sei daher ausgesetzt und die Frage zur Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt worden.
Geklagt hatte eine Studentin, die in dem fraglichen Zeitraum an einer staatlichen Hochschule eingeschrieben war und unter Anrechnung des elterlichen Einkommens monatliche Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) bezog. Gegen die Höhe der Sätze klagte sie mit der Begründung, die für den Zeitraum geltenden Bedarfe für Studenten seien in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen. Das Verwaltungsgericht Osnabrück und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatten die Klage abgewiesen.
Die Leipziger Richter erklärten nun, der Gesetzgeber sei mit der Festlegung des Bedarfssatzes hinter der Anforderung zurückgeblieben, ein ausbildungsbezogenes Existenzminimum zu gewährleisten. Auch monierten die Richter, dass der Ermittlung des Bedarfs eine Erhebung von 2006 zugrunde gelegen habe.
Az.: BVerwG 5 C 11.18
Celle (epd). Behinderte Bewohner von Pflegeheimen müssen einem Gerichtsurteil zufolge nicht gegen ihren Willen in eine spezielle Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen wechseln. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gab mit dieser Entscheidung in einem Eilverfahren dem Antrag eines schwerbehinderten Mannes statt. Das Urteil wurde am 25. Mai in Celle bekanntgemacht.
Der 52-Jährige lebt seit Februar 2019 in einem Pflegeheim im Harz. Die nicht durch sein Einkommen gedeckten Heimkosten übernahm zunächst das für ihn zuständige Sozialamt des Ennepe-Ruhr-Kreises in Nordrhein-Westfalen. Im Oktober 2020 teilte die Behörde dem Mann jedoch mit, dass in seinem Fall eine Betreuung in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung geeigneter sei. Gleichzeitig stellte das Sozialamt die Unterstützung ein. Der Betroffene solle stattdessen einen Antrag bei dem für die Eingliederungshilfe zuständigen Landschaftsverband Westfalen-Lippe stellen.
Weil sich der Mann in der bisherigen Einrichtung gut versorgt fühlt, lehnt er einen Wechsel ab. Nach Gerichtsangaben befürchtet er, dass die erforderliche pflegerische Versorgung in einer anderen Einrichtung nicht ausreichend gewährleistet wird und sich seine angegriffene Psyche verschlechtert. Ohne die Unterstützung des Sozialamts drohe die Kündigung des Platzes im Pflegeheim.
Das Landessozialgericht verpflichtete jetzt das Sozialamt vorläufig zur weiteren Übernahme der Heimkosten. Zur Begründung, hieß es, die freie Entscheidung behinderter Menschen gegen die Inanspruchnahme von Leistungen der Eingliederungshilfe müsse geachtet und respektiert werden. Die Autonomie, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung behinderter Menschen hätten Vorrang vor vermeintlich besseren Hilfsangeboten. Weil der Pflegebedarf des Mannes in dem derzeit bewohnten Heim gedeckt werde, habe er weiterhin Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten, entschied das Gericht.
Az.: L 8 SO 47/21 B ER
Essen (epd). Ein Rentenbezieher, der nach dem Umzug in die neuen Bundesländer eine geringere „Ost-Rente“ erhielt, bekommt nach dem Rückzug in den Westen nicht wieder die höhere „West-Rente“. In einem am 26. Mai veröffentlichten Urteil wies das Landessozialgericht NRW in Essen die Berufungsklage eines Vertriebenen gegen die Rentenversicherung zurück.
Der in Polen geborene Kläger verlegte nach Angaben des Gerichts 1982 seinen Wohnsitz nach Deutschland und wurde als Vertriebener anerkannt. Ab 2008 bezog er eine Regelaltersrente in Höhe von 1.700 Euro. Als der Mann 2015 nach Sachsen umzog, berechnete die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See die Höhe der Rente neu und legte für die nach dem Fremdrentengesetz berücksichtigten Arbeitszeiten in Polen fortan Entgeltpunkte Ost zugrunde. Dadurch verringerte sich der monatliche Zahlbetrag der Regelaltersrente um 90 Euro.
Als der Kläger 2017 wieder in die alten Bundesländer zurückzog, habe er die Zahlung der früheren höheren Rente verlangt, hieß es weiter. Dies lehnte die Rentenversicherung ab, die Klage vor dem Sozialgericht Dortmund blieb ohne Erfolg.
Auch das Landessozialgericht wies die Berufung nun zurück. Es bleibe bei der Zugrundelegung der Entgeltpunkte Ost für die in Polen geleisteten Arbeitszeiten auch im Falle des Rückumzugs, hieß es. Der Gesetzgeber habe rentenrechtlich keinen Anreiz für eine Verlegung des Aufenthaltsortes von Ost nach West setzen wollen, das gelte gleichermaßen für den Erst- wie für den Rückumzug. Dabei habe der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, dass im Fall des Rückumzugs die Rentenleistung nicht mehr dem allgemeinen Lebensstandard im neuen Aufenthaltsgebiet entspreche.
Az.: L 18 R 673/19
Karlsruhe (epd). Frisch gebackene Väter müssen auch während der Corona-Pandemie Mutter und Kind nach der Entbindung in der Klinik besuchen können. Ein pauschales Besuchsverbot ist unverhältnismäßig und verletzt wohl das verfassungsmäßige Recht auf Schutz der Familie, entschied das Verwaltungsgericht Karlsruhe in einem am 19. Mai veröffentlichten Beschluss.
Damit hatte der Antrag eines angehenden Vaters auf einstweilige Anordnung Erfolg. Seine schwangere Ehefrau wollte in einer Frauenklinik das gemeinsame Kind entbinden lassen. Bei einem Gesprächstermin in Klinik zur Geburtsplanung erfuhr das Paar, dass der Vater nach der Entbindung Mutter und wegen der Corona-Pandemie nicht besuchen darf. Das generelle Besuchsverbot diene der Reduzierung von Kontakten und dem Schutz von Patientinnen und Mitarbeitern.
Das wollte der angehende Vater nicht einsehen und bekam im Eilverfahren nun vom Verwaltungsgericht auch recht. Solch ein generelles Besuchsverbot sei unverhältnismäßig und verletzte voraussichtlich das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie. Das Verbot habe „erhebliche beeinträchtigende Auswirkungen“. Denn gerade die ersten Lebenstage eines Kindes seien für die neuen Eltern einmalig und nicht wiederholbar. Es gebe zudem das Bedürfnis des Vaters, der möglicherweise gesundheitlich beeinträchtigten Mutter auch nach der Entbindung beizustehen.
Zwar könnten Besuche zu einem erhöhten Infektionsrisiko führen. Hier müsse aber berücksichtigt werden, dass die Region, aus der die werdenden Eltern stammen, eine Inzidenz von nur 35 aufweise. Die Klinik habe auch nicht vorgetragen, dass Infektionen aufgetreten seien oder Quarantänemaßnahmen erforderlich waren. Trage der Antragsteller eine FFP2-Maske und lege er einen negativen Antigentest vor, sei ein täglicher Besuch nicht zu beanstanden, entschied das Gericht.
Az.: 7 K 593/21
Berlin (epd). Die Bezeichnung einer asiatisch aussehenden Vorgesetzten als „Ming-Vase“ kann die Kündigung begründen. Dies gilt umso mehr, wenn die Verkäuferin dabei mit ihren Fingern die asiatische Augenform imitiert und für Kunden mit schwarzer Hautfarbe den Begriff „Herr Boateng“ verwendet, entschied das Arbeitsgericht Berlin in einem am 18. Mai bekanntgegebenen Beschluss.
Geklagt hatte eine Verkäuferin, die in Berlin in einem Kaufhaus arbeitete. Sie ist Betriebsratsmitglied.
Als sie gegenüber einer Kollegin sagte: „Heute muss ich darauf achten, dass ich die ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der Ming-Vase“, fragte ein anwesender Vorgesetzter nach, was damit gemeint sei.
Daraufhin erklärte sie: „Na, Sie wissen schon, die Ming-Vase“ und zog mit ihren Fingern ihre Augen nach hinten, um eine asiatische Augenform zu imitieren. Gemeint war eine Vorgesetzte der Verkäuferin mit asiatischem Aussehen.
Als der Arbeitgeber sie in einem Personalgespräch zu den herabwürdigenden Aussagen anhörte, machte sie es dort mit ihren Äußerungen nicht besser. Eine Ming-Vase stelle für sie einen schönen und wertvollen Gegenstand dar, sagte sie. Das Imitieren der Augenform sei erfolgt, um nicht „Schlitzauge“ sagen zu müssen. Bei „schwarzen Menschen/Kunden“ verwende sie den Begriff „Boateng“, weil sie den Fußballer Jérôme Boateng toll finde. Herabwürdigend sei dies nicht.
Die vom Arbeitgeber erteilte fristlose Kündigung lehnte der Betriebsrat ab. Die Äußerungen wiesen auf kein rassistisches Gedankengut hin. Der Arbeitgeber wollte die Zustimmung zur Kündigung daraufhin vom Arbeitsgericht einholen.
Die Berliner Richter hielten die Kündigung für gerechtfertigt. In der Gesamtbetrachtung liege eine rassistische Äußerung vor, „die die Pflicht zur Rücksichtnahme auf berechtigte Interessen des Kaufhauses als Arbeitgeber“ verletze. Die Verkäuferin habe mit dem Begriff „Ming-Vase“ und der imitierten asiatischen Augenform ihre Vorgesetzte erheblich herabgewürdigt. Es sei für ein Kaufhaus von internationalem Ruf nicht hinnehmbar, wenn eine Verkäuferin als Aushängeschild im täglichen Kontakt mit internationalem Publikum dieses wahlweise als „Ming Vase“ oder „Herr Boateng“ bezeichnen könnte.
Az.: 55 BV 2053/21
Luxemburg (epd). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Deutschland den Asylantrag eines Iraners nicht schon deswegen ablehnen kann, weil der Mann zuvor erfolglos in Norwegen um Asyl ersucht hatte. Norwegen nehme zwar begrenzt am Asylsystem der EU teil, sei aber nicht einem Mitgliedstaat gleichzustellen, befanden die Luxemburger Richter in einem am 20. Mai veröffentlichten Urteil.
Stellt jemand in der EU zweimal einen Antrag auf Asyl, kann der betreffende Staat den sogenannten Folgeantrag eigentlich als unzulässig ablehnen, wenn darin keine neuen Umstände oder Erkenntnisse auftauchen, machte der EuGH klar. Ein Übereinkommen der EU mit Norwegen sieht vor, dass das Land die Dublin-Verordnung der EU zum Asylrecht teilweise anwendet.
Allerdings folge aus einem anderen Gesetz, der EU-Asylverfahrensrichtlinie, an die Norwegen nicht gebunden sei, dass ein Antrag und eine entsprechende Entscheidung der Behörden dort nicht als Antrag und Entscheidung gemäß diesem EU-Gesetz zu werten seien. Vor dem Hintergrund könne der weitere Antrag, der in diesem Fall in Deutschland gestellt wurde, nach EU-Standards nicht als Folgeantrag gesehen und abgelehnt werden.
Az.: C-8/20
Frankfurt am Main (epd). Der Aufsichtsrat der Agaplesion gAG hat Constance von Struensee zur neuen Vorständin Personal berufen. Sie wird das Amt in Deutschlands größtem christlichen Gesundheitsunternehmen am 1. Juli übernehmen.
Constance von Struensee bringe „alles mit, um Agaplesion als attraktiven Arbeitgeber in einem hart umkämpften Arbeitsmarkt weiterzuentwickeln“, sagte Hans-Jürgen Steuber, Vorsitzender des Aufsichtsrats. Mit dem vierköpfigen Vorstand seien nun die Weichen für eine erfolgreiche Zukunftsgestaltung gestellt.
Constance von Struensee blickt nach den Angaben auf langjährige Erfahrungen in internationalen Konzernen mit Fokus auf werteorientierter, nachhaltiger und moderner Personalarbeit zurück. Als Executive Vice President Group HR trug die Juristin zuletzt die Verantwortung für über 8.700 Mitarbeitende in einem international agierenden Konzern.
Dr. Markus Horneber wurde Ende vergangenen Jahres für weitere fünf Jahre in seinem Amt als Vorstandsvorsitzender bestätigt. Jörg Marx, Vorstand Krankenhäuser/Wohnen&Pflegen, wurde zudem für die kommenden fünf Jahre zum Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden ernannt. Sebastian Polag übernahm zum 1. Januar 2021 den Posten als neuer Vorstand Finanzen/IT.
Frieder Trommer wird zum 1. Juli neuer Vorstandsvorsitzender des Deutschen Gemeinschafts-Diakonieverbands (DGD). Trommer ist derzeit Vorstand bei der Stiftung Marburger Medien. Er wird den Vorstandsvorsitz beim DGD zunächst in Teilzeit und nach seinem Ausscheiden bei der Stiftung Marburger Medien zum 1. Februar 2022 in Vollzeit übernehmen. Der Vorstandsvorsitz beim DGD ist seit dem Ausscheiden von Rainer Reissner im Dezember 2020 vakant. Der DGD mit Sitz in Marburg verantwortet die Arbeit von fünf Diakonissen-Mutterhäusern, einer Schwesternschaft und des Marburger Bildungs- und Studienzentrums. Die Diakonissen-Mutterhäuser betreiben unter anderem Bildungseinrichtungen, Gästehäuser sowie Senioren- und Pflegeeinrichtungen. Zum DGD gehören 560 Diakonissen und rund 500 Mitarbeiter.
Christoph Rieß (36) hat als Geschäftsführer die Leitung des am Schwäbisch Haller Diak Klinikum übernommen. Der Wirtschaftswissenschaftler kommt vom Klinikverbund Südwest, bei dem er als Regionaldirektor für die Kliniken in Leonberg und Herrenberg zuständig war. Rieß übernimmt die Verantwortung für 23 Fachkliniken und Institute beim Zentralversorger und Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg mit mehr als 1.500 Mitarbeitenden. Das Diak-Klinikum gehört zum Klinikverbund von Diakoneo, dazu zählen auch die Klinik Neuendettelsau, die Klinik Hallerwiese-Cnopfsche Kinderklinik in Nürnberg, das Klinikum Schwabach und die Rangauklinik in Ansbach.
Judith Kost wird neue pädagogische Geschäftsführerin der Katholische Kita gGmbH Saarland. Die 55-jährige Psychologin löst am 1. Juni den Theologen Thomas Schmitz ab, der in die passive Phase seiner Altersteilzeit tritt. Schmitz hatte seit der Gründung der Gesellschaft im Jahr 2000 an deren Spitze gestanden. Die neue Geschäftsführerin Kost hat den beruflichen Schwerpunkt Pädagogische Psychologie und Organisationsentwicklung. Zur Katholischen Kita gGmbH Saarland gehören 156 Einrichtungen. 3.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich um etwa 14.000 Kinder.
Andreas Neu hat für zwei Jahre das Amt des Präsidenten der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) übernommen. Der Kinderdiabetologe ist Kommissarischer Ärztlicher Direktor der Abteilung für Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie an der Kinderklinik Tübingen am Universitätsklinikum und leitet dort die Behandlungseinrichtung für Kinder und Jugendliche mit Diabetes. Neu folgt Monika Kellerer, zum Vizepräsidenten der DDG hat die Mitgliederversammlung Andreas Fritsche gewählt.
Heinrich Matthias Sengelmann (1821-1899) wäre am 25. Mai 200 Jahre alt geworden. Mit einer Kranzniederlegung am Grab des Pastors in Hamburg-Moorfleet wurde an den 200. Geburtstag des Gründers der Ev. Stiftung Alsterdorf erinnert. Sengelmann leistete mit der Gründung der damaligen Alsterdorfer Anstalten 1863 Pionierarbeit, um Menschen mit Behinderung einen geschützten Lebensraum zu bieten. Hamburgs Diakonie-Landespastor Dirk Ahrens sagte, Sengelmann habe die wissenschaftliche Heilerziehungspflege begründet, ohne den christlichen Impetus zu verlieren.
Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die aktuell geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.
7.6.:
Online-Seminar: „Betriebsverfassungsrecht und Beteiligungsrechte des Betriebsrates“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/275828217
7.-8.6:
Online-Fortbildung: „So kann man doch nicht leben!?“ Vermüllt und verwahrlost - Was tun?"
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819
8.6.:
Webinar „Erfolgreiche Förderanträge schreiben“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356159
10.6.:
Online-Seminar „Spenden und Sponsoring - steuerliche Regelungen“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0711/286976-10
10.-11.6.: Paderborn:
Seminar „Moderations- und Leitungskompetenz für Konferenzen, Arbeitsteams und Projektgruppen“
der In VIA Akademie
Tel.: 05251 2908-38
14.-15.6.:
Online-Seminar „Sozialberatung für EU-BürgerInnen“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0174/3473485
21.6.:
Online-Fortbildung „Wirksame Führung im 21. Jahrhundert“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0173/2637308
21.-23.6. Hannover:
Fortbildung „Wirksame Führung im 21. Jahrhundert“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0173/2637308
22.6. Berlin: Seminar „Die Stiftungsgeschäftsführung: Rechte, Pflichten und Gestaltungsspielräume“
der BFS Service GmbH
Tel.: 0221/97356-159
28.6.-2.7.:
Fortbildung „Moderations- und Leitungskompetenz für Konferenzen, Arbeitsteams und Projektgruppen“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700