

Berlin (epd). Angelika Glöckner, die Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange von Menschen mit Behinderungen, betonte im Parlament, sie wisse, dass Opposition und Verbänden das „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz“ nicht weit genug gehe. „Aber man muss doch einfach mal zu Kenntnis nehmen, dass wir in naher Zukunft dafür etwas tun, dass Dienstleistungen und Produkte barrierefrei werden.“
Mit einem Beispiel macht Glöckner deutlich, dass es nicht einfach sei, etwa Banken zur barrierefreien Bankautomaten zu verpflichten, weil das bis zu 30.000 Euro kostet. Und wenn man eine Bank im ländlichen Raum dazu verpflichte, schließe diese womöglich aus Kostengründen ihre Filiale. Man müsse hier sorgfältig abwägen „und das kann die Realität nicht einfachmal ausblenden“.
Corinna Rüffer, die Sprecherin für Behindertenpolitik der Grünen, rügte, von dem Gesetz hätten Betroffene mehr erwartet. Es gebe viel Resignation bei den Leuten und richtigen Ärger. Rüffer weiter: „Man muss die Menschen mitnehmen, die keine Zeit haben, Jahre lang darauf zu warten, dass Barrierefreiheit umgesetzt wird, weil sie Teilhabe heute brauchen und nicht morgen oder übermorgen.“
Die Bundesregierung führt in ihrem Gesetzentwurf aus, dass europäische Firmen zurzeit uneinheitliche und teilweise widersprüchliche nationale Auflagen zur Barrierefreiheit beachten müssen. Deshalb sei es an der Zeit, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Durch die Vorgabe der Barrierefreiheit würden Menschen mit Behinderungen eine breitere Produktpalette zur Auswahl haben und nicht länger auf den Kauf teurer Spezialprodukte angewiesen sein, heißt im Gesetzentwurf.
Die Linke stellte fest, nur die EU-Richtlinie 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates habe die Bundesregierung dazu gebracht, tätig zu werden. „Es ist daher kaum verwunderlich, dass hier nur das Nötigste getan wurde, um die Ziele zu erreichen.“ Es gebe viel zu lange Übergangsfristen, keine zentrale Marktüberwachung durch Bundesbehörden und kein Partizipationsgremium der Expertinnen und Experten in eigener Sache. „Ein derart unmotiviertes Vorgehen ordnet sich in die Ignoranz den Interessensvertretungen und Selbstvertretenden gegenüber ein.“
Der VdK begrüßte zwar, dass ein solches Gesetz gibt. Aber es erfülle bei weitem nicht die Erwartungen, sagte Präsidentin Verena Bentele: „Die bauliche Umwelt bleibt komplett außen vor. Was nutzt ein barrierefreier Fahrkartenautomat, der nur über Stufen zu erreichen ist? Treppen, enge Türen, kaputte oder nicht vorhandene Fahrstühle sind bittere Realität. Gerade in der Privatwirtschaft und bei Bestandsbauten gibt es einen enormen Nachholbedarf.“ Menschen mit Behinderungen stünden immer wieder vor Barrieren, die sie nicht überwinden können.
Bei vielen Webseiten, Apps, elektronischen Tickets oder interaktiven Selbstbedienungsterminals im öffentlichen Nahverkehr sehe es nicht besser aus. „Dennoch werden diese Dienstleistungen ausgeklammert“, rügte Bentele. Nach Ansicht des VdK sind die Übergangsfristen ab 2025, die zum Beispiel bei Selbstbedienungsterminals 15 Jahre betragen, viel zu lang. Bentele: „Mit derart langen Übergangsfristen kommen wir einer inklusiven Gesellschaft nur im Schneckentempo näher.“
Ähnlich äußerte sich der Sozialverband Deutschlands (SoVD), legte aber den Fokus auf fehlende barrierefreie Wohnungen. „Es ist noch immer nicht allen politischen Entscheidungsträgern bewusst, dass gesellschaftliche Teilhabe ohne konsequente Barrierefreiheit nicht möglich ist“, sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer am 21. Mai in Berlin.
Eine große Baustelle sieht Bauer auch im Mangel an barrierefreien Wohnungen in Deutschland. Menschen mit Behinderungen und mobilitätseingeschränkte Personen hätten es bei der Wohnungssuche doppelt schwer. „Sie stehen vor der Herausforderung, dass sie barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum finden müssen.“ Barrierefreies Wohnen müsse endlich konsequent und flächendeckend umgesetzt werden. „Menschen mit Beeinträchtigungen oder Pflegebedarf wollen selbst bestimmen, wo beziehungsweise wie sie leben“, so der Verbandschef.