

Karlsruhe (epd). Eine zwangsweise Unterbringung psychisch Kranker für mehr als ein Jahr muss schon sehr genau begründet werden. Wird von vornherein eine zweijährige Zwangsunterbringung angeordnet, muss ausgeführt werden, warum erforderliche Therapiemaßnahmen nicht auch in einem kürzeren Zeitraum greifen und das Krankheitsbild verbessern können, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 21. Mai veröffentlichten Beschluss.
Konkret ging es um einen schizophrenen Mann, der seit Juni 2017 unter Betreuung steht. Als er im Juni 2020 nach einer Überdosis von Aufputschmitteln in eine Klinik eingeliefert wurde, beantragte der Betreuer die geschlossene Unterbringung. Diese wurde vom Amtsgericht zunächst bis zum 17. Juli 2020 genehmigt. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde die Unterbringung in der Psychiatrie dann bis zum 13. Juli 2022 angeordnet.
Das Landgericht Saarbrücken bestätigte mit Verweis auf das Gutachten die zweijährige Zwangsunterbringung. Es bestehe die unmittelbare Gefahr, dass der Betroffene ohne Unterbringung sich selbst erheblich schädigt. So sei er bereits mehrfach orientierungslos auf der Straße aufgefunden und in eine Klinik gebracht worden. Es bestehe keine „tiefgreifende Krankheitseinsicht“, so dass die Anleitung zur Einnahme von Medikamenten nur in einer Klinik erfolgen könne. Außerdem könnten laut dem Gutachten nach einer sechsmonatigen Unterbringung Unterbringungslockerungen in Betracht kommen.
Die vom Betroffenen gegen die zweijährige Zwangsunterbringung eingelegte Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH Erfolg. Nach den gesetzlichen Bestimmungen "endet die Unterbringung spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird, so der BGH. Die Befristung auf ein Jahr stelle eine gesetzliche Höchstgrenze dar und dürfe nur ausnahmsweise und mit genauer Begründung überschritten werden. Dies gebiete das verfassungsrechtliche Grundrecht auf Freiheit.
Eine von vornherein angeordnete zweijährige Unterbringung sei möglich, wenn etwa vorher keine Anhaltspunkte für eine Heilung oder Besserung bestehen. Die für eine bis zweijährige Unterbringung angeführten Gründe müssten „deutlich und erkennbar hervortreten“, betonte der BGH.
Dem werde im konkreten Fall die angeordnete zweijährige Unterbringung nicht gerecht. So sei im Gutachten nicht erläutert worden, warum die erforderlichen Therapiemaßnahmen nicht bereits innerhalb eines Jahres zu einer Besserung des Krankheitsbildes führen könnten. Andererseits wurde eingeräumt, dass in Absprache mit dem Klinikpersonal nach sechs Monaten „Lockerungsbestrebungen“ bei der Unterbringung in Betracht kommen könnten. Das Landgericht müsse wegen der fehlerhaften Begründung über die Dauer der zwangsweisen Unterbringung daher neu entscheiden.
Auch in früheren Entscheidungen hatte der BGH betont, dass die Einschränkung des Rechts auf Freiheit bei einer Zwangsunterbringung nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. So entschieden die Karlsruher Richter am 10. Juni 2020, dass vor einer weiteren Verlängerung einer bereits seit Jahren bestehenden zwangsweisen Unterbringung auch andere Betreuungsmöglichkeiten geprüft werden müssen.
„Notwendig, aber auch ausreichend ist eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten“, so das Gericht zur Voraussetzung für die Unterbringung. Es müssten „objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines Gesundheitsschadens“ vorliegen.
Bei der Prüfung der Fortdauer der Zwangsunterbringung müssten diese Voraussetzungen ebenfalls bestehen. Dabei müsse die bereits verstrichene Unterbringungszeit berücksichtigt und geprüft werden, ob wegen Zeitablaufs überhaupt noch eine Selbstgefährdung besteht.
Mit Beschluss vom 14. März 2018 entschied der BGH, dass zwangsweise Untergebrachte auch eine Freiheitsperspektive haben müssen. Je länger eine Unterbringung dauere, desto genauer müsse geprüft werden, ob sie noch erforderlich ist. Dabei müssen Gerichte insbesondere in den Blick nehmen, ob die bisherige Unterbringung nicht zu einem verringerten Gefährdungsrisiko geführt hat und ob der Betroffene nicht besser in einer offenen betreuten Wohnform aufgehoben ist.
Um Einschätzungen eines Gutachters über eine Zwangsunterbringung auf den Prüfstand zu stellen, ist nach einer BGH-Entscheidung vom 7. Oktober 2020 alle vier Jahre ein Gutachterwechsel vorgeschrieben. Diese gesetzliche Bestimmung greife auch, wenn die vierjährige Unterbringung nur kurzfristig unterbrochen werde.
Az.: XII ZB 520/20 (Bundesgerichtshof zur Unterbringungsbegründung)
Az.: XII ZB 215/20 (Bundesgerichtshof zu Betreuungsmöglichkeiten)
Az.: XII ZB 629/17 (Bundesgerichtshof zur Freiheitsperspektive)
Az.: XII ZB 167/20 (Bundesgerichtshof zum Gutachterwechsel)