

Frankfurt a.M. (epd). Die SPD trägt nach Ansicht der Politikwissenschaftlerin Sigrid Roßteutscher Mitschuld an der niedrigen Wahlbeteiligung sozial schwacher Menschen. Die „Erfolgskinder der ursprünglichen SPD“ hätten sich von ihrer Stammklientel entfernt, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Frankfurt am Main. Diese sozialdemokratischen Politikerinnen und Politiker seien oftmals studiert und hochgebildet und könnten „nicht mehr glaubhaft wirken, weil sie nicht mehr in dem Milieu leben, in dem sie eigentlich Wahlkampf machen müssten“, sagte sie.
Genau an diesen Orten nehmen laut Roßteutscher nur wenige Menschen ihr Wahlrecht wahr. „Die Niedrigbeteiligungsstadtteile sind die ehemaligen SPD-Hochburgen“, sagt sie. Durch abnehmende Parteienbindung wachsen immer mehr junge Menschen in Elternhäusern auf, in denen keiner wählen geht, konsumierten keine herkömmlichen Nachrichten und seien umgeben von Menschen, die dies ebenfalls nicht tun, „so dass Politik in diesen Stadtteilen kaum noch vorkommt“, kritisierte sie.
Den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gelinge es nicht, mehr Wahlkampf in ihren ehemaligen Hochburgen zu betreiben, sagte Roßteutscher. Ohne ein entsprechendes Umfeld und ohne Bemühen der Parteien bekämen die Menschen aber keinen Anreiz, wählen zu gehen.
Die AfD versuche derweil, die Menschen zu gewinnen, „die eigentlich prädestiniert sind, für die SPD oder die Linkspartei zu stimmen“, sagte die Politikwissenschaftlerin. Die AfD fange an, bei Menschen, die in einem prekären Umfeld leben, Wähler zu gewinnen. Trotzdem sei es falsch, die Rechtspopulistinnen und -populisten als neue Arbeiterpartei zu deklarieren.
„Um es plakativ zu sagen, sind eher die Nichtwähler die neue Arbeiterpartei“, sagte sie. Dass linksgerichtete Parteien diese Menschen nicht an die Wahlurne bekommen, sei eine Kombination aus „Schuld und Unvermögen“, sagte die Professorin der Goethe-Universität Frankfurt. „Die SPD hat zu lange versucht, den Grünen ihre Wähler abspenstig zu machen“, kritisiert Roßteutscher. Rational sei dies angesichts der Erfolge der Grünen nicht.
Die SPD müsse wieder in die Bezirke ihrer Stammklientel gehen und die Menschen an die Politik heranführen. „Sonst überlässt man diese Stadtteile irgendwann rechts- oder linkspopulistischen Parteien oder muss sich darauf einlassen, dass diese Bevölkerungsgruppe überhaupt nicht mehr wählt“, sagte sie.