Hannover (epd). Mehr als 1.500 Veranstaltungen und 650 Gesprächsgäste aus Kirche, Politik und Gesellschaft erwarten die Besucherinnen und Besucher des Deutschen Evangelischen Kirchentags vom 30. April bis zum 4. Mai in Hannover. „Wenn ihr Demokratie leben und gestalten wollt: Kommt mit uns nach Hannover“, sagte Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund bei der Vorstellung des Programms am 28. Januar in Hannover. Die 39. Auflage des Treffens steht unter der Losung „mutig - stark - beherzt“ und bezieht sich auf den ersten Korintherbrief im Neuen Testament der Bibel.
Programmschwerpunkte des protestantischen Laientreffens bilden die Themen Zusammenhalt, Nachhaltigkeit, Missbrauch in der Kirche sowie die aktuelle wirtschaftliche Situation in Deutschland, erläuterte Siegesmund. Am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, werde es zudem um Arbeit, Chancen und sozialen Ausgleich gehen. Die VW-Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo habe ihre Teilnahme bereits zugesagt.
Dem Kirchentag gehe es in diesem Jahr um eine deutliche Verschränkung des geistlich-theologischen und des gesellschaftspolitischen Programms, sagte die Generalsekretärin des Kirchentags, Kristin Jahn. Denn Glaube finde nicht nur im Privaten statt, sondern wirke sich aus in der Politik. Auch „Brennpunktfragen“ sollten deshalb gestellt werden. Mit Blick auf US-Präsident Donald Trump fragte Jahn: „Was, wenn Religion benutzt wird, um Demokratien auszuschalten?“ Demokratie trage „wie das Evangelium die Verheißung in sich, ohne Feindbild und ohne Angst unterwegs zu sein“.
Die niedersächsische Landeshauptstadt ist seit der Gründung im Jahr 1949 bereits zum fünften Mal Gastgeberin des Events. Rund 100.000 Dauergäste werden diesmal erwartet. Zum Eröffnungsabend in Hannovers Innenstadt rechnen die Veranstalter mit bis zu 150.000 Teilnehmern.
Im Eröffnungsgottesdienst vor dem Neuen Rathaus predigt der Bischof der gastgebenden hannoverschen Landeskirche, Ralf Meister. Die Predigt des Schlussgottesdienstes hält die Theologin Hanna Reichel aus Princeton in den USA. Für die musikalische Gestaltung der Gottesdienste haben sich den Angaben zufolge bereits mehr als 3.000 Bläserinnen und Bläser sowie 1.200 Sängerinnen und Sänger angemeldet. Geplant ist überdies eine „Mitsingkirche“, in der von Mittwoch bis Samstag 72 Stunden lang nonstop gesungen werden soll.
Zahlreiche Bundespolitiker werden sich auf den Podien einbringen, etwa Ricarda Lang, Katrin Göring-Eckardt (beide Grüne) und der derzeitige Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Laut Programm hat der derzeitige Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz seine Teilnahme ebenfalls zugesagt. Unter der Überschrift „Mut zum Aufbruch“ gestaltet er eine Bibelarbeit zur Geschichte von Jesu Auferstehung (Matthäus 28,1-10).
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei ebenfalls angefragt, hieß es. AfD-Vertreter habe man, wie schon bei den Kirchentagen in Dortmund und Nürnberg, erneut nicht eingeladen. Weitere Bibelarbeiten übernehmen Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne), der sich als Muslim bezeichnet, die ehemalige hannoversche Landesbischöfin und frühere Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, sowie der Benediktinerpater Anselm Grün.
Hannover (epd). Ein monumentales Triptychon des hannoverschen Künstlers Sebastian Peetz ziert den Turm der evangelischen Marktkirche in Hannover. „Hier leuchtet die Kirche hinaus in die Welt“, sagte Künstler Sebastian Peetz bei der Präsentation am 29. Januar in Hannover. Das 1.241 Quadratmeter große Kunstwerk aus wetterfesten Planen sei wie ein Kirchenfenster, nur verkehrt herum. Der 97 Meter hohe Turm der zentralen Stadtkirche wird aktuell saniert. Peetz nutzt für seine Installation das Gerüst, das den Turm von drei Seiten umgibt.
Das Kunstwerk wird auch beim 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 30. April bis zum 4. Mai zu sehen sein. Zu dem Großereignis mit dem Motto „mutig, stark, beherzt“ werden mehrere Zehntausend Besucherinnen und Besucher erwartet.
Das dreiteilige Kunstwerk mit dem Namen „Leben“ zeigt das Paradies, Jesu Leben und die Schöpfungsgeschichte. Die drei Planen sind an den Turmseiten Richtung Westen, Norden und Süden angebracht. Chiffren stellen bunte Flüsse, einen Stern und Flammen dar.
Direkt über dem Haupteingang der Kirche hängt das farbenreiche 30 mal 19 Meter große „Paradies“. Es zeigt unter anderem Eva und Adam, Pflanzen und Tiere. „Da schwirrt das Leben“, sagte Peetz.
„Das Triptychon ist anspruchsvoll und herausfordernd - das ist Religion auch“, sagte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister. Auch wenn die Darstellung religiöser Themen an manchen Stellen simpel wirke, fordere sie heraus, „etwas in Beziehung zu setzen, was sich nicht sofort erschließt“.
Finanziert wurde das 80.000 Euro teure Kunstwerk durch den Diakoniekonzern Diakovere, die Sparkasse und die VGH-Versicherung.
Berlin (epd). Der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein ruft die Parteien der Mitte im Streit über die Asylpolitik zu Kompromissbereitschaft und Mäßigung auf. Das sei das Versprechen für den Bundestagswahlkampf gewesen, sagte Stäblein am 31. Januar dem Fernsehsender phoenix. „Und das sollte es wieder werden“, fügte der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hinzu.
„Wir brauchen das menschliche Gesicht dieses Landes. Das ist ein uns verbindender Wert“, sagte Stäblein am Rande der Bundestagsdebatte über den Gesetzentwurf der Unionsfraktion zu einer Verschärfung der Asylregeln, der schließlich nach zweiter Lesung abgelehnt wurde. Auch in Wahlkampfzeiten brauche es bei allen verständlichen Emotionen Nüchternheit.
Die Debatte im Bundestag auch in ihrer Heftigkeit sei gut. „Aber es kann nicht gut sein, wenn am Ende Demokratinnen und Demokraten mit Rechtsextremen gemeinsam einen solchen Gesetzesentwurf verabschieden müssen“, fügte Stäblein hinzu. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte die Zustimmung der AfD zum Erreichen der Mehrheit ausdrücklich in Kauf genommen. Der Gesetzentwurf sah unter anderem einen Stopp des Kontingents für den Familiennachzug zu Flüchtlingen mit sogenanntem subsidiären Schutz vor.
Am 29. Januar war ein Antrag der Union zur Verschärfung der Asylpolitik mit Stimmen der FDP und AfD angenommen worden. Der Antrag hat anders als ein verabschiedetes Gesetz keine rechtlich bindende Wirkung.
In einem Brandbrief an alle Abgeordneten mit Ausnahme der Parlamentarier der AfD hatten zuvor auch die Kirchen protestiert. Die Fraktionen hätten sich mit der Auflösung der Ampel-Koalition darauf verständigt, keine Abstimmungen herbeizuführen, in der die Stimmen der AfD ausschlaggebend seien, heißt es in dem Schreiben, das von den Leitungen der Berliner Büros der Kirchen, Anne Gidion (evangelisch) und Karl Jüsten (katholisch), unterzeichnet wurde.
Die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs appellierte an die Politik, am Recht auf Asyl festzuhalten. Auch müssten in der Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene gemeinsame Lösungen wie gerechtere Verteilschlüssel gefunden werden, sagte Fehrs dem Magazin „Focus“. Außerdem müsse es eine schnellere und leichtere Einwanderung von Fachkräften geben.
Die aktuelle Diskussion zum Thema Migration setzt nach Ansicht Fehrs zu sehr auf Abschreckung und befördere Vorurteile gegen alle zugewanderten Menschen. In der aufgerauten öffentlichen Debatte fokussiere sich alles auf die kleine Zahl von Gewalttätern. Seither werde in jedem Schutzsuchenden ein potenzieller Gewalttäter gesehen. „Das ist ein Zerrbild, das alle Geflüchteten ungerechtfertigt unter Verdacht stellt“, kritisierte die Hamburger Bischöfin Fehrs laut Vorabbericht vom 31. Januar.
Sie unterstrich, sie verstehe nach den Anschlägen von Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg die Wut, die sich mit Trauer und Ohnmachtsgefühlen mische. Die Anschläge verunsicherten die Menschen zutiefst. Das öffne politischer Agitation die Türen. „Dabei soll unser aller Aufgabe doch immer sein, Vorurteile abzubauen und die Rechte der Schwächeren zu stärken“, sagte Fehrs.
Freiburg (epd). Die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in den Kirchen kann aus Sicht renommierter evangelischer Theologen ein Vorbild für andere Einrichtungen sein. Dafür müssten seitens der Kirchen jedoch zunächst vier Ziele umgesetzt werden, heißt es in einem Beitrag des Kulturbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland, Johann Hinrich Claussen, und der Professoren Reiner Anselm, Harry Oelke und Thomas Zippert für die „Herder Korrespondenz“ (Februar). Man müsse Betroffenen gerechter werden, und die kirchlichen Institutionen müssten sich verändern. Es brauche einen „Kulturwandel“, der für Machtmissbrauch sensibilisiert. Betroffene und Gefährdete sowie Zeugen müssten zudem ermächtigt werden, „sich zu wehren“.
„Sollte all dies auch nur halbwegs gelingen, hätten die kirchlichen Anstrengungen bei der Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt auch einen Nutzen für die Gesellschaft“, heißt es weiter. Das gelte besonders für Institutionen, die mit „einer eigenen Aufarbeitung noch nicht angefangen haben, obwohl es auch in ihnen problematische Verbindungen von Nähe und Macht, Vertrauen und Abhängigkeit gibt“.
„Es geht bei sexualisierter Gewalt primär um Macht. Auch deshalb befassen sich die Kirchen mittlerweile mit diesem Thema: Sie sind bei Weitem nicht mehr so mächtig wie früher“, schreiben Claussen, Anselm und Oelke sowie Zippert. Dort liege auch ein Grund dafür, „warum es etwa an staatlichen Schulen bisher keine Aufarbeitung gibt“. Nur einzelne Bundesländer stellten sich bisher der Herausforderung. „Man hat den Eindruck, dass die staatlichen Schulen noch auf dem Diskussionsstand sind, den die Kirchen 2010 langsam hinter sich zu lassen begonnen haben.“
Aufarbeitung hänge maßgeblich davon ab, dass Betroffene sich zu Wort melden und ihr Recht einklagen, konstatieren die vier namhaften Theologen: „Man würde sich wünschen, dass Institutionen von sich aus aktiv werden würden, doch herrschen üblicherweise Ignoranz, Trägheit, Verwicklung, Feigheit und Scham vor.“ Deshalb brauche es immer zuerst die Betroffenen, die die Initiative ergreifen.
Hannover (epd). Die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber, hat vor Rückschritten bei der Ordination von Frauen zu Pfarrerinnen gewarnt. Mit Blick auf die Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands, die 2016 als weltweit erste lutherische Kirche die Frauenordination rückgängig machte, erklärte sie am 27. Januar: „Dass eine Kirche mitten in Europa, die bereits Frauen ordiniert hat, dies im Handstreich wieder zurückgenommen hat, schmerzt noch immer.“
Sie habe „große Hochachtung vor den klugen und mutigen Theologinnen in Lettland und ihrer prägenden Arbeit. Sie brauchen unsere Solidarität ebenso wie praktische Unterstützung aus ganz Europa“, fügte Bosse-Huber hinzu.
Zuvor hatte der Konvent evangelischer Theologinnen in der Bundesrepublik Deutschland mehr Solidarität der europäischen Kirchen mit den Pfarrerinnen in Lettland gefordert. „Seit die Frauenordination in Lettland abgeschafft wurde, leiden unsere Kolleginnen, die dort eine Berufung zu pastoraler Arbeit spüren, extrem“, sagte die Vorsitzende des Konvents, Margit Baumgarten (Lübeck).
Die evangelische Kirche in Lettland hatte den Angaben zufolge seit 1975 Frauen ordiniert und ihnen Pfarrstellen übertragen, dies aber 2016 zurückgenommen. Mehr als 80 Prozent der 150 Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbunds (LWB) ordinieren laut einer LWB-Statistik aus dem Jahr 2016 Frauen.
Im Konvent evangelischer Theologinnen sind eigenen Angaben zufolge rund 2.000 Frauen organisiert. Der Zusammenschluss hat seine Wurzeln im 1925 in Marburg gegründeten „Verband Evangelischer Theologinnen in Deutschland“. Zu seinen Zielen gehört es, den Dialog über feministisch-theologische Fragen zu fördern.
Paris/Frankfurt a.M. (epd). Der als Holocaust-Leugner bekannt gewordene frühere Bischof der ultrakonservativen Piusbruderschaft Pius X, Richard Williamson, ist tot. Er sei am 29. Januar nach einer Hirnblutung im Alter von 84 Jahren verstorben, teilte das Generalhaus der Bruderschaft in einem Kommuniqué am 20. Januar in Paris mit. Der Brite Williamson hatte mehrfach mit seinen Positionen für Eklats in der katholischen Kirche gesorgt.
1988 hatte ihn der emeritierte Erzbischof Marcel Lefebre gegen päpstliche Anweisung zum Bischof geweiht. Der Vatikan reagierte mit Williamsons Exkommunikation, die später vom aus Deutschland stammenden Papst Benedikt XVI. aufgehoben wurde. Die Entscheidung Benedikts war in weiten Teilen der katholischen Kirche auf Kritik gestoßen, da Williamson wiederholt den Holocaust geleugnet hatte.
20 Jahre lang wirkte Williamson in den USA, im Anschluss 6 Jahre in Argentinien, danach kehrte er nach England zurück. Von 1988 bis 1994 war er Zweiter Generalassistent der Bruderschaft, 2012 schloss ihn diese selbst wegen seiner radikalen Haltungen aus.
Williamson gründete daraufhin die Priestergemeinschaft Marcel Lefebre und weihte seinerseits zwei Bischöfe, was zu seiner neuerlichen Exkommunikation führte. Er sprach sich gegen die Gleichstellung von Mann und Frau aus, behauptete, der Holocaust sei eine Erfindung der Juden, und weigerte sich, die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) wie auch Religionsfreiheit anzuerkennen.
2019 wollte er mit einer Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte seine Verurteilung wegen Volksverhetzung abwenden - ohne Erfolg. Die deutsche Justiz hatte Williamson nach einem Interview mit einem schwedischen TV-Sender zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er in dem Gespräch erneut den Holocaust geleugnet hatte. „Sein Weg und jener der Bruderschaft haben sich unglücklicherweise vor vielen Jahren getrennt“, schrieb das Generalhaus von Pius X zu Williamsons Tod.
Köln (epd). Am 3. Februar 1965 zeigte sich rund um den Kölner Dom ein ungewöhnliches Bild: Mehrere hundert türkische Gläubige betraten mit Gebetsteppichen unterm Arm das katholische Gotteshaus, um in dessen Nordflügel das Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan zu feiern und gemeinsam zu beten. So beschrieben es damals mehrere Zeitungen, unter anderem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Die Zeit“. Doch wie kam es dazu?
Das sei heute tatsächlich gar nicht mehr so leicht nachzuvollziehen, sagt Markus Frädrich, Sprecher des Kölner Doms dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Ereignis sei nur spärlich in den Akten dokumentiert worden. „Nachdem, was uns überliefert worden ist, war es wohl eine spontane Entscheidung.“ So soll am Dom ein Anruf eingegangen sein, in dem es hieß: 2.000 muslimische „Gastarbeiter“ - so wurden die seit 1961 in der Türkei angeworbenen Arbeitskräfte damals bezeichnet - aus den Kölner Ford-Werken wollen sich zum Ende des Ramadan zum Gebet versammeln. Allerdings fehlten dazu die Räumlichkeiten.
Wer genau dann die Zustimmung zu dem muslimischen Gebet im Kölner Dom gegeben habe, sei unklar, sagt Frädrich: „Wir vermuten sehr stark, dass ein einzelnes Mitglied des Domkapitels die Erlaubnis mündlich per Telefon erteilt hat - und zwar relativ kurzfristig. Nachträglich hat das Domkapitel die Entscheidung mitgetragen.“
Im Artikel der „Zeit“ vom 11. Februar 1965 steht, dass das Kölner Domkapitel „im Einverständnis mit Kardinal Frings“ die Erlaubnis dafür gegeben habe. Norbert Feldhoff, Kölner Dompropst zwischen 2004 und 2014, vermutete der Zeitschrift „Geo“ zufolge dagegen, dass Frings' Stellvertreter Wilhelm Cleven die Genehmigung erteilt hatte. Wer auch immer die Entscheidung getroffen hat - der heutige Dompropst Guido Assmann ist sich sicher, dass es „aus einem guten Herzen heraus“ geschah. So sagte er es 2024 in einem Gespräch mit domradio.de.
Die Entscheidung, die Muslime im katholischen Dom beten zu lassen, passe auf jeden Fall in den Zeitgeist der 1960er Jahre in Köln, erklätz Frank Seifert. Er ist Doktorand am Institut für Evangelische Theologie an der Universität zu Köln und schreibt seine Doktorarbeit über die Ökumene im Köln der 60er Jahre. Es sei eine Zeit der Umbrüche gewesen, gesellschaftlich, politisch, aber auch religiös. „Die Kirchen standen vor der Aufgabe, wie ihre Theologie in die moderne Welt passe, beziehungsweise wie diese vermittelbar sei. Deshalb hat die katholische Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil den Versuch unternommen, sich der Welt zu öffnen.“
Das Zweite Vatikanische Konzil fand zwischen 1962 und 1965 statt. In vier Sitzungsperioden haben Würdenträger und Bischöfe der katholischen Kirche weitreichende Reformen beschlossen, wie etwa die Anerkennung der Religionsfreiheit. Auch die Ökumene und der Dialog mit nicht christlichen Religionen sollten vorangetrieben werden. So erkannte das Konzil unter anderem die Nähe des Christentums zum Islam an, da beide monotheistische Religionen sind. In der Erklärung „Nostra aetate“ steht, dass die „Heilige Synode“ alle ermahne, „das Vergangene beiseite zu lassen“ und „sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen“.
„Einige im Erzbistum Köln wollten Ernst machen und das umsetzen, was im Konzil beschlossen worden ist“, erklärt Frank Seifert. Sowohl Kardinal Frings als auch Wilhelm Cleven seien bei den Sitzungen des Zweiten Vatikanischen Konzils dabei gewesen. Auch zeigten sich das Kölner Domkapitel und das Generalvikariat bei manchen Öffnungen des Kirchraums kompromissbereit. Er nennt als Beispiel die Beisetzung Konrad Adenauers mit militärischem Geleit und Salutschüssen im Jahr 1967 im Dom. Der 1. FC Köln wird regelmäßig vor Saisonstart in einer Fan-Andacht gesegnet. „Diese Empfänglichkeit hierfür hat vielleicht auch ein bisschen etwas mit der Kölner Mentalität zu tun“, vermutet Seifert.
Trotzdem ist das muslimische Gebet im katholischen Gotteshaus eine einmalige Sache geblieben. Laut Seifert besteht in dieser Singularität die Besonderheit: „Eine katholische Kirche ist laut kanonischem Recht ein heiliger Raum, dessen Sakralität nicht gefährdet werden darf durch einen sogenannten entgegenstehenden Gebrauch. In einem Einzelfall wäre das aber in Ordnung, sofern beispielsweise ein Ordinarius, wie ein Bischof, zustimmt.“ Der Gebrauch der Kirche für andere Zwecke müsse aber „mit der Heiligkeit des Ortes“ vereinbar sein.
Heute stellt sich die Frage nach einer Öffnung des Doms für muslimische Gebete nicht mehr. Es gibt inzwischen genug Moscheen, in denen Muslime ihre Religion ausüben können. Dennoch sei der 3. Februar 1965 ein geschichtsträchtiger Tag gewesen, sagt Frank Seifert: „Es war ein erster Schritt in die Richtung des interreligiösen Dialogs.“
Die muslimischen Gläubigen vor 60 Jahren waren offenbar dankbar: Wie „Die Zeit“ berichtete, warfen sie nach dem Gebet „zum Zeichen persönlichen Dankes Geld in den Opferstock“. Dieses Geld wurde zum Wiederaufbau des Doms verwendet.
Loccum (epd). 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sieht der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, eine zunehmend militaristische Sprache in der außen- und sicherheitspolitischen Diskussion in Deutschland. Zwar erkenne er die Notwendigkeit einer ausreichenden Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und der EU an, sagte der mitteldeutsche Landesbischof am 30. Januar auf einer Konferenz für Friedensarbeit im Raum der EKD im niedersächsischen Loccum. Doch Begriffe wie „Zeitenwende“ und „Kriegstüchtigkeit“ lähmten den friedenspolitischen Diskurs.
Kramer forderte, Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg zu ziehen. Nationalismus und Totalitarismus führten ins Verderben, Krieg dürfe kein Mittel der Politik mehr sein. Die UN-Charta erkläre „die gesamte Welt zu einem Friedensraum - ganz im Sinne des Auftrags, der uns Christinnen und Christen mit Jesu Friedensgruß aufgegeben ist“.
Dennoch würden im öffentlichen Diskurs Gefahren heraufbeschworen, etwa dass Russland „nicht bei der Ukraine halt mache und 2029 ein Angriff auf Nato-Mitglieder wie die baltischen Staaten oder Polen bevorstünde“. Dieses Szenario sei aber auch unter Militärexperten durchaus umstritten. Die Rüstungs- und Wehrpflichtdebatte werde so „schnell zu einer Glaubensfrage“, auf deren redliche Bearbeitung gerade in Wahlkampfzeiten nicht zu hoffen sei.
Nur eine aktive Vertrauens- und Bündnisbildung in der Außen- und Rüstungskontrollpolitik könne neben der Förderung ziviler Beziehungen und Freundschaften Frieden schaffen und erhalten. Diese Einsichten verlieren jedoch aus Sicht Kramers in der dritten und vierten Nachkriegsgeneration an Bedeutung.
Kramer sagte, er wolle „mit entschiedener Zuversicht“ auf die aktuellen friedenspolitischen Entwicklungen schauen, die derzeit zu beobachten seien. Hoffnungsvoll stimmten ihn die seit Kurzem bestehende Waffenruhe in Gaza und die jüngsten Entwicklungen in Syrien, wo es nach 53 Jahren Diktatur und 13 Jahren Bürgerkrieg gelungen sei, alle vom Assad-Regime kontrollierten Regionen zu befreien.
Düsseldorf (epd). Der rheinische Präses Thorsten Latzel hat sieben Gebote für politischen Anstand im laufenden Bundestagswahlkampf aufgestellt. „Viele Menschen treibt zurzeit die Sorge um unsere Demokratie um - mich auch“, erklärte er. Populisten hetzten und andere Nationen versuchten, Einfluss zu nehmen. Die Bibel biete wiederum ethische Orientierungen, wie Menschen gut miteinander und mit Gottes Schöpfung umgehen könnten.
Politikerinnen und Politiker sollen demnach unter anderem keine Fake News verbreiten, nicht hetzen, hassen oder spalten. „Du sollst nicht diffamieren“, lautet etwa das zweite Gebot für den Wahlkampf. „Dein politischer Gegner ist kein Feind, sondern ein Mensch - wie du“, unterstrich der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland. „Du sollst dich für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einsetzen.“ Auch sollten die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer mitmenschlich handeln, sachlich diskutieren, fair streiten und ihr Wort halten.
Leipzig (epd). Die Leipziger Thomaskirche hat im vergangenen Jahr rund 132.000 Gäste angezogen. Knapp 300 Gottesdienste, Motetten und Konzerte hätten 2024 in der geschichtsträchtigen Kirche stattgefunden, teilten die evangelisch-lutherische Kirchgemeinde St. Thomas und der Verein Thomaskirche-Bach am 28. Januar mit. Das Herz der Veranstaltungen bleibe die Musik.
Neben zahlreichen Eigenveranstaltungen gab es 2024 auch wieder zahlreiche Gastkonzerte. Außerdem seien umfangreiche Restaurierungsarbeiten im Innenraum der Kirche und in den Eingangsbereichen realisiert worden. Für 2025 stehen weitere Arbeiten an, hieß es. Auch das im Jugendstil erbaute benachbarte Thomashaus, Verwaltungsgebäude der Gemeinde und des Vereins, sei umfassend saniert worden.
Personell bleibt die Situation der Thomaskirchgemeinde angespannt. Beide Pfarrstellen sind derzeit unbesetzt.
Die Leipziger Thomaskirche ist Wirkungsstätte des Thomanerchores. Barockkomponist Johann Sebastian Bach (1685-1750) war dort von 1723 bis zu seinem Tod als Thomaskantor tätig.
Berlin (epd). In Deutschland haben am Wochenende mehrere hunderttausend Menschen gegen rechts und eine Zusammenarbeit mit der AfD im Bundestag protestiert. In Berlin versammelten sich am 2. Februar etwa 160.000 Demonstrierende unter der Überschrift „Aufstand der Anständigen. Wir sind die Brandmauer!“.
Die Polizei in Regensburg sprach am Nachmittag des 2. Februar von 20.000 Menschen, die gegen Rassismus und gegen die Asylpolitik der Union auf die Straße gingen. Bereits am Samstag hatten sich in zahlreichen Städten Menschen zu Demonstrationen versammelt.
Der Publizist Michel Friedman, der vor wenigen Tagen aus Protest aus der CDU ausgetreten war, bezeichnete bei der Auftaktkundgebung in Berlin die AfD als eine „Partei des Hasses“. Dass CDU/CSU mit ihr gemeinsam für eine schärfere Migrationspolitik gestimmt hatten, nannte Friedman einen „unentschuldbaren Fehler“. Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, mahnte, eine erneute gemeinsame Abstimmung mit einer in Teilen rechtsextremistischen Partei ein für allemal auszuschließen.
Die Unionsfraktion hatte Ende Januar mit den Stimmen der AfD einen Antrag für eine drastische Verschärfung der Asylpolitik durchgesetzt. Am 31. Januar scheiterten CDU/CSU im Bundestag indes mit dem Vorhaben, das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz verabschieden zu lassen.
Am 1. Februar demonstrierten in der Hamburger Innenstadt nach Veranstalterangaben 80.000 Menschen, die Polizei sprach von 65.000 Teilnehmern. Unter dem Motto „Hamburg steht zusammen: Wer mit Faschisten paktiert, hat nichts kapiert!“ hatten „Fridays for Future“ und das Hamburger Bündnis gegen Rechts zu der Kundgebung aufgerufen.
In Köln waren nach Angaben der Organisatoren 45.000 Menschen bei einer Demonstration unter dem Motto „Keine Zusammenarbeit mit der AfD“ auf der Straße. An einer Kundgebung „Wir sind die Brandmauer!“ auf dem Stuttgarter Schlossplatz nahmen nach Veranstalterangaben 44.000 Menschen teil.
In Bremen demonstrierten auf dem Marktplatz laut Polizei bis zu 10.000 Menschen unter dem Motto „Merz & AfD stoppen, Asylrecht verteidigen“. Auch in Oldenburg kamen nach Veranstalterangaben am frühen Abend des 1. Februar rund 10.000 Menschen zu einem „Lichtermeer für Demokratie und Menschenrechte“ zusammen.
Bei einer Demonstration unter dem Motto „Wir sind die Brandmauer!“ in Leipzig berichteten die Organisatoren von bis zu 15.000 Teilnehmenden, Beobachter gingen von etwa 10.000 Teilnehmern aus. Demonstriert wurde am 1. Februar unter anderem auch in Halle, Essen, Karlsruhe, Ulm und Hildesheim.
Mehrere tausend Menschen gingen nach Angaben der Polizei auch in Göttingen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Anlass für die Demonstration war eine Kundgebung von „Querdenkern“, an der sich rund 140 Personen beteiligten, wie die Polizei mitteilte. 5.000 Teilnehmer schlossen sich demnach dem Gegenprotest an, die Veranstalter sprachen von 10.000.
Oswiecim (epd). Heute ist die Furcht nicht mehr da, wenn er in Auschwitz ist, sagt Pavel Taussig. Der heute 91-Jährige hat als Elfjähriger das Konzentrationslager der Nazis überlebt. „Es kommen die Gefühle nicht an mich heran, weil heute alles anders ist“, sagt er. Vieles im früheren Lager existiere nicht mehr. „Der Gestank ist nicht da“, sagt Taussig. Trotzdem fährt er nicht gern dorthin. Man habe ihn jedes Mal überreden müssen - auch in diesem Jahr wieder, als er eingeladen war, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Besuch der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz zu begleiten.
Mindestens 1,1 Millionen Menschen - Juden und Jüdinnen, Sinti und Roma, politische Gegner - wurden in Auschwitz vergast, erschossen, zu Tode geprügelt, gequält oder ausgehungert. Taussig, dem seine Eltern die jüdische Herkunft zunächst verschwiegen und ihn evangelisch getauft hatten, überlebte den Rassenwahn der Nazis, überlebte auch den Todesmarsch, auf den die Gefangenen im Januar 1945 angesichts des Heranrückens der sowjetischen Roten Armee getrieben wurden. Am 27. Januar befreiten Soldaten das Konzentrationslager Auschwitz. Taussig musste noch bis zum 4. Mai durchhalten, als er seinen Tag der Befreiung in Österreich erlebte.
Immer weniger Schoah-Überlebende wie Taussig können aus erster Hand von ihrem Schicksal und den Verbrechen der Nazis berichten. 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz sind viele nicht mehr am Leben. Die Jewish Claims Conference schätzt, dass noch etwa 1.000 in Auschwitz Inhaftierte am Leben sind. Zur Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung wurden in diesem Jahr noch bis zu 50 Zeitzeugen erwartet - früher waren es Hunderte.
Dass irgendwann kein Überlebender mehr da ist, hat die Geschichtsvermittlung schon lange als Problem erkannt. Die authentischen Berichte der Überlebenden holen die Geschichte nah heran: Pavel Taussig zum Beispiel, wenn er erzählt, wie er sich in Auschwitz für das Versprechen einer extra Scheibe Brot bereit erklärte, ein medizinisches Experiment über sich ergehen zu lassen. Er wurde in der Warteschlange mit denen, die sich auch gemeldet hatten, gewarnt und konnte noch rechtzeitig entkommen. „Keiner der anderen kam zurück. Sie wurden alle totgetestet“, erzählt Taussig.
„Was Zeitzeugen zu sagen hatten, ist von unschätzbarem Wert“, sagte Bundespräsident Steinmeier am Montag bei seinem Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz. Auch er wies darauf hin, dass viele nicht mehr lebten, um ihre Geschichten zu erzählen, die Mahnung und Auftrag zugleich seien. „Es ist jetzt an uns, unseren Generationen, ihre Mahnung und ihre Erwartung an die nächste Generation weiterzureichen“, sagte Steinmeier.
Auch Pavel Taussig sorgt sich darum, wer die Erinnerung weitergibt, wenn die Überlebenden nicht mehr da sind. Vor drei Jahren hat er seine Erinnerungen als Buch veröffentlicht. Bis heute besucht er Schulen und erzählt von seinem Schicksal. Was er dort mitbekommt, stimmt ihn zuversichtlich, erzählt er. Die Vorkenntnisse der Schülerinnen und Schüler seien jedes Mal groß. „Das ist wohl ein Beleg dafür, dass man in den Schulen informiert wird“, sagt er.
Auch in den Gedenkstätten lässt das Interesse an der Geschichte bislang nicht nach. 1,84 Millionen Besucherinnen und Besucher zählte die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau laut am Sonntag veröffentlichten Museumsreport im vergangenen Jahr. Das sind wieder fast so viele wie vor dem Einbruch der Besucherzahlen in der Zeit der Corona-Pandemie.
Oswiecim (epd). Überlebende des NS-Konzentrationlagers Auschwitz und ranghohe Vertreter vieler Staaten haben am 27. Januar am historischen Ort an die Befreiung der letzten Gefangenen vor 80 Jahren erinnert. Der Auschwitz-Überlebende und Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Marian Turski, warnte in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau vor Antisemitismus in der Gegenwart. Aktuell erlebe man einen „Tsunami von Antisemitismus“ und Holocaust-Leugnung, prangerte Turski an.
Er forderte die Gäste der Gedenkzeremonie auf: „Beenden Sie das!“ Auf die Bitte des 98-Jährigen hin erhob sich das Publikum zu einer Schweigeminute vor der Kulisse der früheren Ankunftsstation im Konzentrationslager Auschwitz. Neben Turski redeten bei der Gedenkfeier weitere Überlebende, die an die Gräueltaten der Nazis erinnerten und an das Publikum appellierten, dafür zu sorgen, dass sich diese Geschichte nie wiederholt.
Zu der Gedenkfeier waren unter anderem der britische König Charles, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj angereist. Nahezu alle europäischen Staaten schickten ihre höchsten Repräsentanten. Auch die deutsche Delegation war groß: Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reisten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne), Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD), Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) zur Gedenkfeier in die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau.
Steinmeier und die deutsche Delegation hatten vor der Gedenkfeier einen Gang durch das frühere Lager gemacht und sich mit Überlebenden zum Gespräch getroffen. Der Bundespräsident rief dazu auf, die Erinnerung an die Verbrechen und Opfer der Nationalsozialisten wachzuhalten. „Erinnerung kennt keinen Schlussstrich und Verantwortung deshalb auch nicht“, sagte er.
Auschwitz stehe „für die Monstrosität eines beispiellosen Menschheitsverbrechens“, sagte Steinmeier. Er würdigte auch die Überlebenden, die es in den vergangenen Jahrzehnten auf sich genommen hätten, ihre Erlebnisse und Geschichten an die nächste Generation weiterzugeben. Viele von ihnen lebten nicht mehr. „Es ist jetzt an uns, unseren Generationen, ihre Mahnung und ihre Erwartung an die nächste Generation weiterzureichen“, sagte der Bundespräsident.
Im Konzentrationslager Auschwitz wurden zwischen 1940 und 1945 mindestens 1,1 Millionen Menschen ermordet. Das Lager wurde zum Symbol der nationalsozialistischen Judenverfolgung. Am 27. Januar 1945 wurden die letzten Gefangenen, die nicht auf die Todesmärsche getrieben wurden, von der sowjetischen Roten Armee befreit.
Berlin (epd). Beim Holocaust-Gedenken im Bundestag hat neben der Erinnerung an die NS-Opfer die Sorge um aktuelle Entwicklungen viel Raum eingenommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief bei der Gedenkstunde am 29. Januar zur Verteidigung der Demokratie auf und warnte vor einem Rückfall „in eine dunkle Zeit“. Der ukrainische Holocaust-Überlebende Roman Schwarzman forderte, „die Barbarei in die Schranken zu weisen“.
Steinmeier betonte, die deutsche Demokratie sei „die Antwort auf Rassenwahn und Nationalismus“. Wer die Demokratie angreife, „der ebnet auch den Weg zu Hass, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“, warnte er. „Wir haben es in der Hand, das Errungene zu bewahren und unsere Demokratie zu schützen. Gehen wir nicht zurück in eine dunkle Zeit.“
Es dürfe nicht zugelassen werden, dass „Antisemitismus Alltag ist in unserem Land, auf unseren Straßen und Plätzen, in unseren Schulen und Hochschulen“, sagte der Bundespräsident weiter. „Wenn wir heute die Schoah verdrängen, verharmlosen, vergessen, dann erschüttern wir damit doch auch das Fundament, auf dem unsere Demokratie gewachsen ist.“
Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) forderte mehr Einsatz gegen Antisemitismus. Hier gebe es „enttäuschende Rückschritte“. Viele Jüdinnen und Juden „fühlen sich nicht sicher in Deutschland“, sagte Bas.
Bei diesem Thema seien alle gefordert, mahnte die Parlamentspräsidentin. „Mitmenschlichkeit zu leben ist keine Aufgabe, die man einfach delegieren kann - etwa an die Politik“, sagte Bas. Man müsse sich fragen: „Was bin ich bereit, für das 'Nie wieder' zu tun?“
Der Holocaust-Überlebende Schwarzman sagte, für ihn sei die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus zur Lebensaufgabe geworden. Die historische und moralische Pflicht bestehe heute darin, „dass niemand mehr Leiden und Folter erfährt“, sagte er. „Heute müssen wir erneut alles daran setzen, die Barbarei in die Schranken zu weisen.“
Schwarzman verglich dabei Russlands Krieg gegen sein Land mit der Barbarei der Nazis. „Damals versuchte Hitler mich zu töten, weil ich Jude bin. Jetzt versucht Putin mich zu töten, weil ich Ukrainer bin“, sagte er. „Ich flehe Sie an, uns zu bewaffnen, damit Putin diesen Vernichtungskrieg beendet“, appellierte er.
Nach Schwarzmans Rede erhoben sich die Abgeordneten im Bundestag zum Applaus. Steinmeier dankte dem Gast für die Reise nach Berlin: „Ich empfinde es als eine Ehre, dass Sie heute zu uns sprechen.“ Zugleich sicherte er der Ukraine die weitere Unterstützung Deutschlands zu.
Mit der Gedenkstunde erinnerte der Bundestag an Opfer der Verbrechen im Nationalsozialismus. 1996 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den Jahrestag der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 zum Gedenktag proklamiert. Das Gedenken im Bundestag wird jährlich in zeitlicher Nähe zu diesem Datum abgehalten.
Berlin (epd). Der Bundestag hat die im Nationalsozialismus ermordeten behinderten und psychisch kranken Menschen ausdrücklich als Opfer des NS-Regimes anerkannt. Das Parlament beschloss am 29. Januar einstimmig einen entsprechenden Antrag von SPD, Union, Grünen und FDP. Anerkennung erhalten dadurch auch die Menschen, die in der NS-Zeit Opfer von Zwangssterilisationen wurden.
Die Nationalsozialisten ließen massenhaft Patienten und Insassen von Heil- und Pflegeanstalten sowie von „rassisch“ und sozial unerwünschten Menschen ermorden. Sie bezeichneten dies zynisch als „Euthanasie“ („schöner Tod“). Schätzungen zufolge wurden 300.000 Menschen Opfer der Mordaktionen. Die Forschung geht zudem von 400.000 Opfern von Zwangssterilisationen aus, die ebenfalls auf der Grundlage der rassistischen Ideologie vom „lebensunwerten Leben“ angeordnet wurden.
Der vom Bundestag in Berlin beschlossene Antrag fordert zudem eine bessere Erforschung der NS-„Euthanasie“-Morde. Weder die genauen Abläufe der Mordaktionen noch die zahlenmäßige Dimension der Verbrechen seien hinreichend untersucht, heißt es darin. Nach dem Willen des Bundestags soll es ein Projekt geben, um bundesweit Patientenakten zu lokalisieren, zu sichern und zu konservieren, um sie für die Forschung nutzbar zu machen. Dabei sollen nicht nur öffentliche Archive, sondern auch Datenbestände privater Institutionen und Einrichtungen wie beispielsweise der Kirchen herangezogen werden. Eine konkrete finanzielle Unterstützung verspricht das Parlament nicht. Die Bundesregierung solle dies im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel umsetzen, heißt es darin.
Berlin (epd). Der frühere Bundespräsident Horst Köhler ist tot. Der 81 Jahre alte CDU-Politiker sei am frühen Morgen des 31. Januar „nach kurzer, schwerer Krankheit im Kreise seiner Familie in Berlin verstorben“, teilte Köhlers Büro in Berlin mit.
Köhler war von Juli 2004 bis zu seinem Rücktritt 2010 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Der amtierende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte Köhler in einem Kondolenzschreiben als „Glücksfall für das Land“.
Der evangelische Christ Horst Köhler sei überzeugt gewesen, „dass ethische Maximen und praktische Politik zusammengehören und auch zusammenpassen“, sagte Steinmeier. „Er prägte ein frisches Bild Deutschlands als 'Land der Ideen', bis heute unvergessen.“ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte Köhler in einem Post auf der Plattform X „einen engagierten Politiker, der sich Zeit seines Lebens für eine gerechtere Welt eingesetzt hat“.
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, erklärte, Köhler sei „Politiker und Mensch mit weitem Herzen und klugem Verstand“ gewesen. Er sei überzeugt gewesen, dass Wohlstand nur dann möglich sei, wenn es auch der weltweiten Gemeinschaft gut gehe. „Der christliche Wert der Nächstenliebe war für ihn dabei im persönlichen, wie im politischen Handeln eine klare Leitplanke“, betonte Fehrs.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, würdigte Köhler als einen „visionären Staatsmann mit einer überzeugenden europäischen Perspektive“. Bätzing erinnerte an die Verdienste des Verstorbenen für den afrikanischen Kontinent: „Afrika lag Bundespräsident Köhler besonders am Herzen. Wie kaum ein anderer hat er Brücken zwischen den Kontinenten gebaut.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte zum Tod Köhlers: „Gerade in einer Zeit, in der globale Krisen, soziale Spaltung und wirtschaftliche Unsicherheit uns fordern, erinnert uns sein Wirken daran, dass Politik Mut, Weisheit und Haltung braucht.“
„Mit ihm verlieren wir einen klugen Kopf, einen aufrichtigen Demokraten und einen Staatsmann, der unser Land geprägt hat“, erklärte der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Friedrich Merz (CDU), auf der Plattform X. „Sein Weitblick und sein Engagement werden uns fehlen.“
Der studierte Wirtschaftswissenschaftler Köhler begann seine Berufslaufbahn 1969 als wissenschaftlicher Referent am Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen. 1976 wechselte er in die Grundsatzabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums. Anfang 1990 wurde Köhler Staatssekretär in dem von Theo Waigel (CSU) geführten Bundesfinanzministerium.
Als Staatssekretär übernahm Köhler die Zuständigkeit für die Grundsatzabteilung des Finanzministeriums, die Währungspolitik, die Finanzbeziehungen zur Europäischen Gemeinschaft (EG) und die Treuhandanstalt. Beim Maastricht-Vertrag über die Europäische Währungsunion war er Chefunterhändler.
Im Jahr 1993 wechselte Köhler in die Finanzwelt und wurde Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), 1998 wurde er zum Präsidenten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung gewählt. 2000 wurde er Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF).
2004 trat Köhler als Nachfolger von Johannes Rau das Amt des Bundespräsidenten an. Ein Jahr nach seiner erneuten Wahl trat er am 31. Mai 2010 überraschend mit sofortiger Wirkung zurück - als erster Bundespräsident in der Geschichte der Bundesrepublik.
Als Grund nannte Köhler die Kritik an seinen Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Die Unterstellung, er habe einen grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen befürwortet, entbehre jeder Rechtfertigung, sagte er. Das lasse den notwendigen Respekt vor dem höchsten Staatsamt vermissen.
Hanau (epd). „Am 19. Februar kann ich mit niemandem reden“, sagt Serpil Temiz Unvar. Am Abend werde sie Schlaftabletten nehmen. An diesem Abend vor fünf Jahren erschoss ein Mann in Hanau ihren ältesten Sohn Ferhat neben sieben weiteren jungen Männern und einer Frau aus Einwandererfamilien. Trotz der nicht endenden Trauer um ihren Sohn schaffte es die alleinerziehende Mutter, noch im Jahr des Anschlags die Bildungsinitiative Ferhat Unvar zu gründen. „Diese Kinder sollen nicht umsonst gestorben sein“, sagt sie.
Kraft gebe ihr der Besuch junger Menschen aus ganz Deutschland, sagt Unvar. Diese lassen sich von der Initiative zu Botschaftern gegen Diskriminierung und Rassismus ausbilden. Die Jugendlichen haben in den vergangenen beiden Jahren bundesweit rund 80 Workshops organisiert, vor allem in Schulen. Die Gründerin hat überdies Initiativen für Terroropfer aus mehreren Ländern zusammengebracht. „Ich kann mich auch mit Rassisten treffen“, sagt Unvar. „Ich habe einen Sohn verloren, aber ich hasse nicht.“ Ihre Überzeugung: „Ich glaube an Liebe, sie ist stärker als Hass.“
Die Initiative ist nicht die einzige von dem Anschlag angestoßene Gründung. Die von antirassistischen Aktivisten gegründete Initiative 19. Februar Hanau habe mit der Parole „Say their names“ (Sagt ihre Namen) die Opfer in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt, resümiert der Mitgründer Hagen Kopp. Dadurch hätten die Angehörigen Mut gefasst, öffentlich zu sprechen, zu Medien, auf Gedenkveranstaltungen und vor dem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags.
Einige Angehörige der Opfer träfen sich weiterhin ein- bis zweimal im Monat im Ladenlokal der behördenkritischen Initiative. Eine Ausstellung, Theaterstücke, Filme und Bücher hätten sich mit dem Anschlag, Fehlern von Polizei und Behörden und Alltagsrassismus auseinandergesetzt. „Betroffene können ihre Stimmen erheben, wenn sie sich von Behörden und der Politik im Stich gelassen fühlen“, fasst Kopp die Erfahrung zusammen.
In der Hanauer Bürgerschaft gibt es seit dem 19. Februar 2020 mehr Ängste. Das Sicherheitsgefühl habe gelitten, sagt Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD). „Wenn heute ein Hubschrauber über die Stadt fliegt, fragen Bürgerinnen und Bürger innerhalb von Minuten: 'Was ist los?'“ Die Stadt bringe deshalb mehr Polizeipräsenz auf die Straße, verstärke die Jugendarbeit und schule die Verwaltung für einen diskriminierungsfreien Sprachgebrauch. Bis nächstes Jahr richtet Hanau ein „Haus für Demokratie und Vielfalt“ ein. „Es kommt darauf an, dass wir in Toleranz und Respekt mit unserem Nächsten umgehen und nicht denen auf den Leim gehen, die Menschen gegeneinander aufbringen wollen“, betont Kaminsky.
Es sei nicht einfach, über verschiedene Milieus hinweg gemeinsam zu trauern und den Weg zurück ins Leben zu suchen, beobachtet der evangelische Dekan Martin Lückhoff. In der Stadt seien manche der Meinung, die Tat eines psychisch kranken Mannes habe nichts mit der Bürgerschaft zu tun, es müsse ein Schlussstrich gezogen werden. Andere wiederum seien betroffen, dass eine solche Tat in ihrer Stadt möglich war. Manche von ihnen engagierten sich für das Zusammenleben. Unter Einwohnern aus Einwandererfamilien sei zu hören, sie erlebten im Alltag Diskriminierungen. Daher überrasche es sie nicht, dass aus Worten Taten werden.
„Der 19. Februar ist in Hanau immer noch eine Narbe, die schmerzt“, sagt Lückhoff. Es brauche Gespräche, und die evangelische Kirche wolle ein Ort sein, „an dem Kommunikation erfolgt und gelingt“.
Einen jahrelangen Streit hat die Stadt rechtzeitig vor dem Jahrestag nach vielen Gesprächen ausgeräumt. Die Stadtverordnetenversammlung und die Angehörigenfamilien waren unterschiedlicher Meinung über den Standort eines Mahnmals. Schließlich stimmte im vergangenen November die Mehrheit der Angehörigen für den Vorschlag der Stadt, den Platz vor dem geplanten „Haus für Demokratie und Vielfalt“ bis nächstes Jahr umzugestalten, in „Platz des 19. Februar“ umzubenennen und das Mahnmal dort aufzustellen. So beschloss es am 27. Januar schließlich die Stadtverordnetenversammlung.
Zum Jahrestag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wieder nach Hanau kommen. Nach einer Gedenkstunde am Hauptfriedhof wird er bei der Gedenkveranstaltung die Hauptrede halten. Daneben werden Angehörige von Opfern sprechen und Lesungen halten. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) übernimmt die Begrüßung und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) das Schlusswort.
Washington (epd). Am Tag seiner Amtseinführung am 20. Januar hat Donald Trump mit seiner harten Migrationspolitik begonnen. Das Ziel des US-Präsidenten ist es, Menschen ohne Papiere abzuschieben, Grenzen dichtzumachen und Einwanderung und Asyl zu erschweren. Aus seiner Sicht verbreiten „illegale“ Menschen Gewalt und Verbrechen. Es muss sich zeigen, wie viele seiner Vorhaben der neue Präsident tatsächlich umsetzen kann.
Die größte Abschiebeaktion der Geschichte sei in vollem Gange, schrieb Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt kurz nach Amtseinführung auf der Plattform X. Leavitt publizierte Fotos von Männern, die zu einem Militärtransportflugzeug geführt wurden. Am Sonntag nahm die „Immigration and Customs Enforcement“-Einwanderungsbehörde ICE 956 Personen fest, teilte die Behörde auf X mit. Wie die „Washington Post“ berichtete, haben Verantwortliche der Regierung die Behörde ICE angewiesen, pro Tag 1.200 bis 1.500 Personen festzunehmen.
Laut Medienberichten führte die ICE am 26. und 27. Januar in mehreren Städten Razzien durch, darunter in San Antonio und Austin in Texas, Miami, Chicago, Los Angeles und Denver. Fotos und Videos zeigten bewaffnete Beamte mit schusssicheren Westen. CNN berichtete, mancherorts seien Beamte angewiesen worden, angesichts des Medieninteresses entsprechende Kleidung zu tragen. In manchen Städten weigert sich die örtliche Polizei, an den Operationen teilzunehmen.
Für Aufsehen sorgte die Konfrontation zwischen den USA und Kolumbien. Der Präsident des südamerikanischen Landes, Gustavo Petro, hatte am Sonntag zwei US-MiIlitärtransportmaschinen mit Abgeschobenen zurückgewiesen. Die Regierung von Donald Trump drohte mit Zöllen. Das Weiße Haus teilte später mit, dass Kolumbien nachgegeben hat. Die Ereignisse des Tages machten der Welt klar, „dass Amerika wieder respektiert wird“, erklärte Pressesprecherin Leavitt.
Der Direktor eines Hilfsverbandes in Houston in Texas, Cesar Espinoza, sprach in einem örtlichen Fernsehsender von „spürbarer Angst in der Community“. Es gebe auch viel Missinformation über Razzien. Binnen 24 Stunden habe sie Hunderte Telefonanrufe bekommen, erklärte Rechtsanwältin Mana Yegani in Houston.
Geschätzte elf Millionen Menschen leben in den USA ohne Aufenthaltsgenehmigung. Auf Anweisung des Heimatschutzministeriums darf die Einwanderungsbehörde Menschen ohne Papiere künftig auch in Schulen und Kirchen festnehmen. Das schlage „Angst in das Herz unserer Community“, protestierte der römisch-katholische Bischof der texanischen Grenzstadt El Paso, Mark Seitz.
Trump will die Grenzen „versiegeln“. Die Auswirkungen sind bereits drastisch. Die Grenzschutzbehörde „Customs and Border Protection“ (CPB) hat die App der Regierung abgeschaltet, mit der Migranten und Asylsuchende im Ausland Termine mit Behörden vereinbaren konnten. Alle vereinbarten Termine seien gestrichen worden, teilte CPB mit. Tausende Migranten stecken ohne die „CBP One“-App in Mexiko fest. Trump kündigte in einem Dekret an, er wolle die Grenze mit Hilfe von Militär und Nationalgarde sichern und die Grenzmauer zu Mexiko weiter bauen.
Hilfsorganisationen zeigen sich entsetzt über Trumps Dekret, die Aufnahme von Asylsuchenden unter dem „U.S. Refugee Admissions Program“ zu suspendieren. Dieses Programm unterstützt ausgesuchte und überprüfte Flüchtlinge beim Resettlement. Verfolgte Menschen, die geduldig auf eine Chance gewartet haben, befänden sich nun „im Limbo“, also einem Zwischenraum zwischen Himmel und Hölle, sagte die Präsidentin der Organisation „Global Refuge“, Krish O'Mara Vignarajah.
Starken Gegenwind erfährt Trump beim Vorstoß, einen Verfassungszusatz zu kippen, demzufolge in den USA Geborene automatisch die Staatsbürgerschaft erhalten. Dieser 14. Verfassungszusatz wurde 1868 eingeführt. Alle Personen, „die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert sind und ihrer Gesetzeshoheit unterstehen“, sind Bürger der Vereinigten Staaten, heißt es in dem Zusatz. In einem seiner ersten Dekrete hat Trump behauptet, der Zusatz gelte nicht, wenn die Eltern ohne gültige Papiere in den USA seien.
Rund 20 Bundesstaaten haben gegen Trumps Dekret geklagt. Ein Bundesrichter im Staat Washington hat jüngst der Klage stattgegeben. Trumps Dekret sei „eklatant verfassungswidrig“. Trumps Regierung will Berufung einlegen. Bereits in seiner ersten Amtsperiode hatte Trump sich über „Geburtentourismus“ erregt, bei dem schwangere Frauen wegen der Staatsbürgerschaft in die USA kämen.
Donald Trump rechtfertigt seine Maßnahmen gegen Migranten mit der Falschbehauptung, diese kämen häufig aus „Gefängnissen und Irrenhäusern“. Studien widerlegen das. Migranten mit und ohne Papiere verübten weniger Straftaten als in den USA Geborene, fasste der Think Tank „American Immigration Council“ zusammen.
Washington (epd). Das US-Wissenschaftsmagazin „Bulletin of the Atomic Scientists“ hat die Zeiger seiner symbolischen Weltuntergangsuhr von 90 Sekunden vor Mitternacht auf 89 Sekunden vor Mitternacht vorgestellt. Demnach ist eine globale Katastrophe näher gerückt als jemals zuvor. Der Vorsitzende des Rates für Wissenschaft und Sicherheit im „Bulletin“, Daniel Holz, sprach bei der Vorstellung der Uhr am 28. Januar von extremer Gefahr.
Als Gründe zur Besorgnis nannten die Wissenschaftler neben der Erderwärmung die nukleare Aufrüstung der Atommächte und das Wachstum potenziell „disruptiver Technologien“. Viele Nationen integrierten Künstliche Intelligenz in ihre militärische Planung, sagte der Cyberpolitik-Forscher Herb Lin. Das „Bulletin“ warnte vor gefährlicher Desinformation. Man bewege sich in eine Umwelt, in der „Vernunft und Realität“ verdrängt werden, sagte Lin.
Die Nuklearexpertin Manpreet Sethi vom Centre for Air Power Studies in New Delhi betonte, die Gefahr eines Nuklearwaffeneinsatzes sei gewachsen, und „wir schlafwandeln vielleicht in eine nukleare Katastrophe“.
Die Wissenschaftler publizieren die „Doomsday Clock“ seit den 1940er Jahren. Bei der ersten Präsentation der Uhr im Jahr 1947 ging die größte Gefahr von Atomwaffen aus. Seit dem Jahr 2007 wird der Klimawandel berücksichtigt.
1947 stand die Uhr auf sieben Minuten vor zwölf, im Jahr 1953 zur „Eiszeit“ des Kalten Krieges mit der atomaren Aufrüstung auf zwei Minuten vor Mitternacht. Am weitesten entfernt von Mitternacht (17 Minuten) standen die Zeiger nach dem Ende des Kalten Krieges im Jahr 1991. Das „Bulletin of the Atomic Scientists“ wurde 1945 von Nobelpreisträger Albert Einstein und US-Wissenschaftlern gegründet, die am Bau der ersten Atombombe beteiligt waren.
Berlin (epd). Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Tragen eines muslimischen Gesichtsschleiers am Steuer eines Fahrzeugs abgelehnt. Das in der Straßenverkehrsordnung festgelegte Verhüllungsverbot gewährleiste „eine effektive Verfolgung von Rechtsverstößen im Straßenverkehr, indem es die Identifikation der Verkehrsteilnehmer ermögliche“, heißt es in dem am 27. Januar veröffentlichten Urteil. Religiöse Gründe müssten demgegenüber zurückstehen. Das Gericht wies damit die Klage einer Muslimin ab. (VG 11 K 61/24)
Die Frau hatte zunächst beim Land eine Ausnahmegenehmigung zum Tragen eines sogenannten Nikab aus religiösen Gründen beantragt. Gegen die Ablehnung ihres Antrags hatte sie geklagt. Zur Begründung hieß es, ihr muslimischer Glaube gebiete es, dass sie sich außerhalb ihrer Wohnung nur vollverschleiert zeigen dürfe.
Das Gericht betonte, das Verhüllungsverbot diene dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter. Autofahrer, die damit rechnen müssten, bei Regelverstößen herangezogen zu werden, würden sich eher verkehrsgerecht verhalten als nicht ermittelbare Autofahrer.
Berlin (epd). Die Nationale Armutskonferenz und die Diakonie Deutschland haben die Parteien in der Diskussion über die Zukunft des Sozialstaats vor Populismus gewarnt. Die Debatte über Armut und existenzsichernde Mindestleistungen sei in den vergangenen Monaten von Unsachlichkeit geprägt gewesen, sagte der Präsident der Diakonie Deutschland, Rüdiger Schuch, am 27. Januar in Berlin zur Vorstellung des „Schattenberichts - Armut in Deutschland“.
Darin wird unter anderem eine Ausgrenzung armer Menschen in politischen und gesellschaftlichen Debatten beklagt. Die Diskussion etwa über das Bürgergeld sei „geprägt durch die umfassende Diskriminierung von Betroffenen“, heißt es in dem Bericht: „In Armut lebenden Menschen wird unterstellt, sie seien faul und arbeitsunwillig.“ Schuch betonte, der „Schattenbericht“ solle der aufgeheizten Stimmung „eine klare und nüchterne Darstellung entgegensetzen“.
Demnach waren 2023 rund 5,7 Millionen Menschen in Deutschland „von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen“, heißt es unter Verweis auf Zahlen des Statistischen Bundesamts. Weitere zwölf Millionen Menschen waren armutsgefährdet. Insgesamt waren damit 17,7 Millionen Menschen - gut ein Fünftel der Gesamtbevölkerung - von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, forderte bei der Vorstellung des „Schattenberichts“ eine Umgestaltung der Sozialsysteme. Das beinhalte unter anderem eine Weiterentwicklung des Bürgergeldes, aber nicht dessen Abschaffung. Nötig sei ein „proaktiver Sozialstaat“. „Dieser versucht, Schäden zu verhindern“, etwa durch zusätzliche Qualifizierung von Menschen und eine bessere Gesundheitsvorsorge. Zu viele Sozialsysteme würden derzeit erst greifen, wenn Menschen krank und arbeitslos werden, sagte Fratzscher. Eine besondere Bedeutung komme der Bildung zu, um die soziale Mobilität im Land zu fördern.
Fratzscher erklärte mit Blick auf 1,7 Millionen offene Stellen in Deutschland, der Arbeitskräftemangel in Deutschland beinhalte ein Riesenpotenzial zur Bekämpfung der Armut und zur Entlastung der Sozialsysteme. Der „Schattenbericht“ versteht sich als Alternative zur Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung. Darin werden auch Erfahrungsberichte von Armutsbetroffenen aufgeführt. Die Bundesregierung hat wegen der Neuwahl des Bundestages am 23. Februar auf die Vorlage ihres Berichts verzichtet.
Laut dem „Schattenbericht“ bedeutet Armut: „Was für andere Menschen normal ist, steht nicht zur Verfügung.“ Als Beispiele werden etwa gesunde Ernährung und gute Kleidung genannt, „eine im Winter warme und im Sommer kühle Wohnung“, außerdem Medieninformationen, Online-Zugänge und Bildungsmöglichkeiten.
Die Nationale Armutskonferenz ist ein Bündnis von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Selbsthilfeorganisationen, das sich für eine aktive Politik der Armutsbekämpfung einsetzt. Zu den Mitgliedsorganisationen zählen unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund, Caritas und Diakonie, die Arbeiterwohlfahrt und das Deutsche Kinderhilfswerk.
Berlin (epd). Das Amt der unabhängigen Missbrauchsbeauftragten bekommt mehr Gewicht. Der Bundestag verabschiedete am 31. Januar in Berlin ein Gesetz, das dieses Amt sowie den dort angesiedelten Betroffenenrat und die unabhängige Aufarbeitungskommission gesetzlich absichert und ihre Kompetenzen erweitert. Ziel ist es, den Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt zu verbessern.
Neu eingeführt wird unter anderem, dass der oder die Missbrauchsbeauftragte mindestens einmal pro Legislaturperiode einen Bericht erstellt „über das Ausmaß von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und über deren Folgen“. Auch „Empfehlungen für erforderliche Maßnahmen“ sollen enthalten sein. Die Bundesregierung muss den Amtsinhaber oder die Amtsinhaberin zudem bei allen Vorhaben einbeziehen, die etwas mit dem Aufgabenbereich des oder der Beauftragten zu tun haben.
Das Amt der oder des unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs gibt es seit 2010. Bislang wurde die Stelle per Kabinettsbeschluss besetzt, künftig geschieht das durch eine Wahl im Bundestag. Zudem wird das Amt umbenannt: Der Titel lautet künftig: unabhängige Bundesbeauftragte oder unabhängiger Bundesbeauftragter gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen.
Derzeitige Missbrauchsbeauftragte ist seit Frühjahr 2022 Kerstin Claus. Laut dem nun verabschiedeten Gesetz soll sie ihre bis Ende März 2027 laufende Amtszeit wie geplant erfüllen.
Berlin (epd). Die beiden großen Kirchen haben sich gegen die Einführung der Widerspruchsregelung bei der Organspende ausgesprochen. Die Organspende sei „eine hoch geschätzte Gabe“, die Leben retten könne, sagte die Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anne Gidion, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie brauche aber eine bewusste, persönliche und freiwillige Entscheidung. „Ein fehlender Widerspruch ist keine Zustimmung“, sagte Gidion anlässlich einer Anhörung am 29. Januar im Gesundheitsausschuss des Bundestags, zu der Gidion als Sachverständige geladen war.
Eine Gruppe von Abgeordneten hat einen Entwurf zur Änderung des Transplantationsgesetzes vorgelegt. Bislang gilt, dass Organspender nur derjenige ist, der dem zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat oder dessen Angehörige nach dem Tod zustimmen. Die Antragsteller wollen die Widerspruchsregelung einführen, womit all diejenigen Organspender sind, die dem nicht ausdrücklich widersprochen haben. Sie hoffen, dadurch die Zahl der Organspenden zu erhöhen.
In einer für die Anhörung abgegebenen Stellungnahme der Kirchen heißt es, man ermutige explizit dazu, sich nach dem Tod als Organspender zur Verfügung zu stellen. Ohne ausdrücklichen Widerspruch aber eine Zustimmung zu unterstellen, halte man aber aus ethischen, theologischen und auch rechtlichen Gründen für problematisch.
„Menschen haben unterschiedliche Gründe, sich nicht mit dem Thema Organspende zu befassen: Fehlendes Wissen, sprachliche Hürden, kein digitaler Zugang, persönliche Scheu“, sagte Gidion. Zudem müssten auch Angehörige die Chance haben, sich mit der Situation der Spende zu beschäftigen, da sie den Sterbeprozess verändere.
Berlin (epd). Die neue Sozialvorständin der Diakonie Deutschland, Elke Ronneberger, fordert mehr Gehör für die Menschen in Ostdeutschland. „Die Politik hat in der Vergangenheit oft versäumt, den Menschen im Osten die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und ihre Perspektiven in den politischen Diskurs einzubinden“, sagte Ronneberger dem Evangelischen Pressedienst (epd).
„Es gibt durchaus Menschen, die meinen, dass sie von einer westdeutsch geprägten Politik nicht gesehen wurden, und die sich von der aktuellen Politik nicht ausreichend repräsentiert fühlen“, sagte Ronneberger, die in Halle (Saale) geboren wurde und mehrere Jahrzehnte bei sozialen Trägern in Ostdeutschland tätig war. „Wir tun gut daran, mit diesen Bürgerinnen und Bürgern wieder in den Dialog zu gehen.“ Ronneberger verwies in diesem Zusammenhang auch auf die AfD, die negative Stimmungen verstärke, um davon zu profitieren.
Die Diakonie-Vorständin betonte zugleich, es gehe nicht nur um ein ostdeutsches Phänomen. „Auch in westdeutschen Regionen gibt es Gebiete, die sich abgehängt fühlen“, sagte Ronneberger. Sie denke an „Gegenden, wo Menschen wenig Infrastruktur haben, keine Kulturangebote, keine Einkaufsmöglichkeiten, keinen Arzt“.
In solchen Fällen seien „die Kommunen, aber auch Diakonie und Kirche und andere Einrichtungen, die dort noch präsent sind, gefordert, dort gute Angebote zu machen“, sagte Ronneberger. „Wir müssen überall in Deutschland Räume schaffen, in denen Menschen ihre Kritik äußern können und gehört werden. Das ist die Voraussetzung dafür, Vertrauen zurückzugewinnen und gemeinsam Lösungen zu finden, die alle Teile der Gesellschaft einbeziehen.“
Ronneberger hob ihre Erfahrungen mit dem Projekt „#VerständigungsOrte“ hervor, das die Diakonie und die Evangelische Kirche in Deutschland im vergangenen Sommer gestartet hatten und das Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zusammenbringen soll. „Ich habe miterlebt, wie vehement diskutiert wurde, auch mal sehr laut, sehr emotional, aber am Ende gab es positive Rückmeldungen“, berichtete die Diakonie-Vorständin. Es seien Sätze gefallen wie, „schön, dass mir endlich mal nach über zwei Jahrzehnten jemand zugehört hat“. Das zeige, „wie wichtig es ist, dass wir in diesen Diskurs hineingehen“, resümierte Ronneberger.
Ronneberger (Jahrgang 1968) hatte zu Jahresbeginn das Amt der Bundesvorständin Sozialpolitik bei der Diakonie übernommen. Die Diplom-Pädagogin arbeitete zuvor in der Geschäftsführung des Diakoniewerks Kloster Dobbertin, einem der großen sozialen Träger in Mecklenburg-Vorpommern.
Berlin (epd). Der Bundestag hat finanzielle Verbesserungen für Verfolgte des SED-Regimes in der früheren DDR beschlossen. Mehrheitlich beschloss das Parlament am späten 30. Januar in Berlin einen Gesetzentwurf, der eine Erhöhung von SED-Opferrente und Ausgleichsleistungen sowie Erleichterungen bei der Inanspruchnahme von Entschädigungszahlungen vorsieht. Zudem sollen Opfer von Zwangsumsiedlungen in der DDR eine Einmalzahlung von 7.500 Euro erhalten.
Die Opferrente wird zum 1. Juli dieses Jahres von 330 auf 400 Euro monatlich angehoben. Die bislang letzte Erhöhung gab es im Jahr 2019. Ab 2026 soll die Opferrente an die allgemeine Rentenentwicklung gekoppelt werden, also automatisch angepasst werden. Zudem entfällt künftig für die Zahlung die Bedürftigkeitsprüfung. Die Ausgleichsleistung für beruflich Verfolgte steigt im Juli von 240 auf 291 Euro. Auch sie soll ab 2026 dynamisiert werden.
Das Gesetz kommt zudem der Forderung von Opferverbänden nach, bei der Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden eine Beweislastumkehr einzuführen. Während Betroffene die Ursache ihrer Schädigungen bislang kompliziert nachweisen mussten, soll künftig vermutet werden, dass bei einschlägigen Konstellationen die politische Repression Ursache für die gesundheitlichen Folgen ist.
Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke sprach von „spürbaren Verbesserungen“, die ganz konkret im Alltag helfen würden. Viele Opfer von politischer Verfolgung in der DDR lebten heute an der Grenze zur Armutsgefährdung.
SPD, Union, Grüne und FDP im Bundestag hatten sich kurz vor der vorgezogenen Neuwahl des Bundestags auf die Verbesserungen verständigt, nachdem ein erster Entwurf des damaligen Bundesjustizministers Marco Buschmann (FDP) bei Opfervertretern im vergangenen Jahr zunächst auf Enttäuschung gestoßen war. Darin fehlten die Erhöhung der Opferrente und die sogenannte Vermutungsregel im Antragsverfahren. Für Opfer von Zwangsumsiedlungen war darin zunächst nur eine Einmalzahlung in Höhe von 1.500 Euro vorgesehen.
Berlin (epd). Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, haben künftig in deutlich mehr Fällen als bisher ein Anrecht auf Mutterschutz. Der Bundestag stimmte am 20. Januar einstimmig dafür, Frauen bereits bei einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche Mutterschutz zu gewähren. Bislang ist das in der Regel erst ab der 24. Schwangerschaftswoche der Fall.
Vorgesehen ist nun eine gestaffelte Regelung: Bei einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche dürfen betroffene Frauen zwei Wochen lang nicht arbeiten, es sei denn, sie möchten dies ausdrücklich. Ab der 17. Schwangerschaftswoche dauert der Mutterschutz sechs Wochen, ab der 20. Schwangerschaftswoche sind es acht Wochen. Das entspricht der standardmäßigen Mutterschutz-Dauer nach der Geburt eines lebenden Kindes. Die neuen Regelungen gelten ab Juni.
Für die Reform hatten zunächst zwei konkurrierende, aber inhaltlich ähnliche Gesetzentwürfe vorgelegen: einer von den Regierungsfraktionen SPD und Grüne und einer von der Unionsfraktion. Nach längeren Verhandlungen gab es eine Verständigung auf den Entwurf von CDU/CSU, der auch von FDP und AfD unterstützt und nun beschlossen wurde.
Berlin (epd). Von Gewalt betroffene Frauen bekommen ein Recht auf Schutz und Beratung. Der Bundestag beschloss am 31. Januar das sogenannte Gewalthilfegesetz, das den Rechtsanspruch ab dem Jahr 2032 festschreibt. Bis dahin soll sichergestellt werden, dass es ein „bedarfsgerechtes Hilfesystem“ gibt, mit genügend Beratungsstellen und Plätzen in Frauenhäusern. Auch die Gewaltprävention soll ausgebaut werden.
Zuständig für Gewaltschutz und -prävention sind in erster Linie die Länder. Das Gesetz sieht vor, dass der Bund ihnen im Zeitraum von 2027 bis 2036 insgesamt 2,6 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, damit sie den Ausbau bewältigen können. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen.
Den neuen Anspruch auf Unterstützung bekommen Frauen, die von häuslicher oder geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen oder bedroht sind. Einbezogen werden außerdem Kinder, die solche Gewalttaten miterleben.
Der Gesetzentwurf aus dem Bundesfamilienministerium war nach dem Bruch der Ampel-Koalition auf den Weg gebracht worden. Die verbliebene Regierungskoalition aus SPD und Grünen war wegen Widerstands der FDP auf Unterstützung der Union für die Vorhaben angewiesen. Die Einigung auf die endgültige Fassung des Gesetzes gelang erst am 29. Januar.
Frankfurt a.M. (epd). Eine Karte des Kontinents Zamonien macht am Eingang des Caricatura-Museums in Frankfurt am Main klar, dass die Besucher eine fremde Welt betreten. Ihre Landschaften heißen etwa „Süsse Wüste“, „Vielwasser“ und „Blutschinkien“. Der Zeichner und Schriftsteller Walter Moers hat auch mit Bewohnern nicht gegeizt: Die skurrilen und detailgenauen Tuschezeichnungen zeigen fantastische Wesen wie den dreiäugigen Schuhu, den Stollentroll, den Laubwolf, ein- oder mehräugige Außerirdische. „Die Komische Kunst des Walter Moers“ heißt die Ausstellung, die das Museum bis 15. Juni zeigt.
„Moers ist einer der größten Künstler der komischen Kunst“, sagt der Leiter des Caricatura-Museums, Martin Sonntag. „Ob Käpt’n Blaubärs Lügengeschichten, der zutiefst schwarze Humor des Kleinen Arschlochs oder der fantastische Kontinent Zamonien, es gibt viel zu entdecken im Kosmos des Walter Moers.“ Die Ausstellung zeige mehr als 600 Zeichnungen, Comics und Figuren, darunter zahlreiche Originalillustrationen und unveröffentlichte Skizzen, erläutert die Kuratorin Stefanie Rohde. Kurze Animationsfilme sowie ausgewählte Moers-Figuren aus der Hand des Bildhauers Carsten Sommer ergänzen die Ausstellung.
Der Lindwurm „Hildegunst von Mythenmetz“ stellt sich vor, umgeben von Fabelwesen wie aus einer düsteren Gothic-Novel. Lindwurm Hildegunst, Erzähler in Zamonien-Romanen, ist auch als dreidimensionales Kunstharz-Modell zu bewundern. Bücher spielen eine wichtige Rolle in Walter Moers' Fantasiewelten: In den schwarz-weißen und farbigen Illustrationen der Graphic Novel „Die Stadt der träumenden Bücher“, gezeichnet mit dem Illustrator Florian Biege, hausen Echsen und Gruselwesen. In „Das Schloss der träumenden Bücher“ umgeben sich einäugige Froschwesen mit Büchern, diese Zeichnungen sind bisher unveröffentlicht.
Einen zweiten Schwerpunkt der Ausstellung bilden die Comics von Walter Moers, darunter eine Auswahl seiner Veröffentlichungen im Satiremagazin Titanic. Die Figuren der handkolorierten Tuschezeichnungen mit Sprechblasen tragen alle die typische Knollennase. Die Geschichten wie „Es ist ein Arschloch“, „Der alte Sack und die Kunst“ oder „Adolf, die Nazisau“ kommen respektlos, blasphemisch, sexistisch daher. Die Knollennasenmännchen haben es in fast jede erdenkliche Rolle geschafft, etwa als „Höhlenzeichnung“ („Holzkohle auf Fels, ca. 40.000 v. Chr.“), als „Der Koloss von Rhodos“ mit Gyros-Pita-Reklame, als „Der Heilige Vladimir, russische Ikone“ oder als indischer „Siva Nataraja“ mit sechs Armen.
„Moers ist der größte Parodist, den wir haben“, erklärt dessen langjähriger Verleger und Berater Wolfgang Ferchl. Der 1957 in Mönchengladbach geborene und in Hamburg lebende Künstler sei zurückhaltend und witzig; ein Autor, der Text und Zeichnung immer zusammendenke. Während Moers in seinen Comics sehr reduziert und präzise zeichne und formuliere, schreibe und illustriere er seine Romane umso ausführlicher und detailversessen. Sein Humor sei anarchisch und teilweise düster. „Moers hat ein grundsätzlich humorvolles Verhältnis zur Welt und macht komische Kunst daraus“, folgert Ferchl.
Die Caricatura Frankfurt hat nach Angaben von Museumschef Sommer die Ausstellung von der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen übernommen und an das eigene Haus angepasst. Im Gegenzug habe die Ludwiggalerie die Loriot-Ausstellung des Caricatura-Museums übernommen. Im Anschluss werde die Moers-Schau in der Ausstellung Comic-Salon Erlangen gezeigt. Ergänzt wird die Schau in Frankfurt durch eine Auswahl an Originalradierungen und Objekten des amerikanischen Autors und Künstlers Edward Gorey. Anlässlich des 100. Geburtstags seines Vorbilds hat Walter Moers im vergangenen Jahr das Buch „Edward Gorey - Großmeister des Kuriosen“ herausgegeben.
Magdeburg (epd). Mit mehreren Untersuchungen haben die Restaurierungsarbeiten am Grabmal von Kaiser Otto dem Großen im Magdeburger Dom begonnen. Nachdem im vergangenen Jahr massive Schäden an dem Sarkophag des früheren römisch-deutschen Kaisers festgestellt wurden, wollen die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt als Eigentümerin der Kathedrale und das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie zunächst mittels Georadar seine Standfestigkeit untersuchen, teilten beide Einrichtungen am 27. Januar in Magdeburg mit.
Bei Voruntersuchungen im vergangenen Jahr sei eine eiserne Platte unterhalb des Bodenbelags aufgefallen, die korrodiert sei. Ihr Zustand sowie das mögliche Vorhandensein weiterer Platten sei unbekannt, hieß es. Sie könnten aber für die Stabilität des Grabes von großer Bedeutung sein. Der Bodenradar erlaube eine Untersuchung des Untergrundes mittels hochfrequenter elektromagnetischer Wellen, hieß es. Damit könnten etwa Hohlräume im Boden aufgespürt werden.
Kulturstiftung und Landesdenkmalamt planen, die 2,16 Meter mal 95 Zentimeter große Marmorplatte, die den Sarkophag aus Kalkstein abdeckt, anzuheben. Im Anschluss soll der Zustand des Holzsargs im Inneren überprüft werden.
Bevor die etwa 350 Kilogramm schwere Grabplatte geöffnet werden kann, sind laut Projektleiter Veit Dresely weitere nichtinvasive, zerstörungsfreie Untersuchungen notwendig. In den vergangenen Wochen wurde das Grabmal mit einer rund sieben mal acht Meter großen Holzkonstruktion eingehaust. Zudem sind laut Kulturstiftung mithilfe eines Laserscanners hochauflösende 3D-Modelle des Sarkophags erstellt worden. Sie dienen als Grundlage für die weiteren Restaurierungsarbeiten.
Videoaufnahmen hatten im vergangenen Jahr gezeigt, dass Stahleinbauten aus dem Jahr 1844, die das Grab abstützen sollen, starke Korrosionsschäden aufwiesen. Dadurch könnten die Marmorplatte sowie der Sarkophag gesprengt werden, hieß es. Rund um das Grab sind mehrere Stahlklammern zu sehen, deren Bedeutung für die Statik noch nicht abschließend geklärt sei.
Die Deckplatte lagert den Angaben zufolge zudem auf teilweise nur einen Zentimeter dünnen Wänden. Sarkophag und Marmorplatte wiesen zudem Risse auf. Dadurch komme es zu einem Klimaaustausch mit dem Kirchenraum, der eine stark schwankende Temperatur und Luftfeuchtigkeit aufweise.
In dem Holzsarg befinden sich laut Dresely sterbliche Überreste sowie Textilien. Eventuell seien auch daran konservatorische Arbeiten nötig. Es sei nicht geplant, die Überreste näher zu untersuchen. Auch deren vorübergehende Umbettung sei nicht vorgesehen, hieß es.
Ziel der Restaurierung sei es, das Grab statisch zu sichern und damit vor dem Einstürzen zu bewahren. Auch die ästhetische Außenwirkung soll eventuell verbessert werden. Die Arbeiten sollen im Laufe dieses Jahres abgeschlossen werden.
Otto I., genannt der Große (912-973), war ab 962 römisch-deutscher Kaiser. 937 gründete er in Magdeburg das Mauritiuskloster, aus dem später der erste Dom wurde. Hier wurden Otto und seine erste Frau Editha (910-946) bestattet. Das Gebäude brannte 1207 nieder. Im gotischen Nachfolgebau wurde das Otto-Grab zentral im Hohen Chor aufgestellt.
Frankfurt a.M. (epd). Die Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main verabschiedet sich mit einer Ausstellung der Künstlergruppe Troika sowie einer sogenannten performativen Ausstellung mit Live-Performance vorübergehend von ihrem Standort in der Innenstadt. Am 30. April werde zudem eine große Abschiedsparty gefeiert, teilt die Schirn am 29. Januar mit. Im Sommer ziehe das Kunsthaus für zwei Jahre in die ehemalige Druckerei Dondorf im Stadtteil Bockenheim, während das Stammhaus am Römer energetisch saniert werde.
Mit der Sanierung, für die von der Stadt Frankfurt 36 Millionen Euro vorgesehen sind, „wird die ensemblegeschützte Architektur der Schirn am Römer in einem Leuchtturmprojekt auf höchstem Niveau zukunftsfähig gemacht“, sagte der Schirn-Direktor Sebastian Baden. Die 1986 eröffnete und mit hellem Sandstein verkleidete Kunsthalle am Frankfurter Marktplatz Römer gilt als ein Beispiel der Architektur der Postmoderne.
Unter dem Titel „Buenavista“ ist den Angaben zufolge von 7. März bis 21. April ein Werk der in London arbeitenden Künstlergruppe Troika zu sehen, das Trennlinien zwischen Natur und Künstlichkeit untersucht. Das deutsch-französische Kollektiv entwickele für die Schirn „eine immersive Installation, die um verschiedene Arten von Intelligenz kreist“ und die Verortung des Menschen in einer Welt untersucht, in der neben dem menschlichen Verstand auch tierische, pflanzliche und künstliche Intelligenz existiert.
Bei der perfomativen Ausstellung von 28. bis 30. März sollen an zwei Abenden die ansonsten verschlossenen Fenster der Galerie des Gebäudes geöffnet werden. Der 140 Meter lange Raum werde durch eine Live-Performance belebt, die einen Dialog zwischen Kunst und Architektur in Gang setzen soll.
Ihren Umzug markiert die Schirn am 7. September mit einer Parade und Aufführung von mehr als 100 Tänzerinnen und Tänzern zu Live-Musik. Für ihre Zeit in Bockenheim hat die Kunsthalle laut Mitteilung bereits vier Ausstellungen und Filminstallationen geplant. Unter anderem werden von 10. Oktober bis 11. Januar 2026 Werke von Suzanne Duchamp zu sehen sein, „der Pionierin der Dada-Bewegung“.
Berlin (epd). Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) plant umfangreiche Einsparungen. So sollen die Kosten für Personal und Honorare um 10,2 Prozent oder 22 Millionen Euro gekürzt werden, wie der RBB am 30. Januar in Berlin mitteilte. Das entspreche einem Volumen von 254 Vollzeitstellen in fester und freier Mitarbeit. „Die für eine Reduktion notwendigen Strukturentscheidungen sollen im Laufe des Jahres 2025 fallen“, hieß es in einer Pressemitteilung. Zudem sprach sich der RBB-Verwaltungsrat für eine gütliche Einigung mit der früheren Intendantin Patricia Schlesinger aus.
Das RBB-Direktorium hatte den Verwaltungsrat am Mittwoch über die Sanierungspläne informiert. Belegschaft und Rundfunkrat sollten am Donnerstag darüber unterrichtet werden. Als Nächstes stünden Gespräche mit den Sozialpartnern an.
Demnach will der RBB neun Millionen Euro sparen, um seine Zahlungsfähigkeit ab 2026 zu sichern. Weitere 13 Millionen Euro benötige der Sender, um die digitale Erneuerung des gesamten Senders fortzuführen und in das Programm investieren zu können. Der Personal- und Honoraraufwand des Senders beläuft sich den Angaben zufolge derzeit auf 215 Millionen Euro.
Intendantin Ulrike Demmer betonte, ein nachhaltiger Umbau sei unausweichlich. Der Sender sei trotz mehrjähriger, erheblicher Sparanstrengungen „weiterhin finanziell nicht solide aufgestellt“: „Das können wir nur ändern, wenn wir Aufwände und Erträge grundsätzlich wieder in ein gutes Verhältnis bringen.“
Der Personalabbau müsse sozialverträglich realisiert werden, sagte sie weiter. Oberstes Ziel sei es, die programmliche Leistungsfähigkeit des RBB auf allen Ausspielwegen dauerhaft zu sichern. Es gehe darum, die Erwartungen der Beitragszahler zu erfüllen.
Die notwendigen Rahmenbedingungen für die Neuausrichtung des Senders sollen in einer Zukunftsvereinbarung definiert werden. Daraus solle sich dann ergeben, „welche Bereiche des RBB von den Einsparungen und der strukturellen Umgestaltung wie betroffen sind“.
In dem Rechtsstreit mit der ehemaligen RBB-Intendantin geht es indessen um Ruhegeld-Forderungen von Schlesinger und hohe Schadenersatzforderungen des Senders. Ein Güterichterverfahren hatte der Vorsitzende Richter beim Auftakt des Prozesses am Landgericht Berlin am 15. Januar angeregt (AZ 105 O 6/23). Der Streit soll möglichst bis 31. Mai beigelegt werden, wie RBB-Vertreter bei Prozessauftakt erklärt hatten.
Schlesinger hatte nach Angaben des Gerichts mit ihrer Zivilklage die Zahlung eines Ruhegeldes in Höhe von rund 18.300 Euro monatlich verlangt. Der RBB reagierte mit einer Widerklage, um Schadenersatz in Millionenhöhe einzufordern. Vor Beginn des Prozesses hatte Schlesinger über ihre Anwälte angeboten, auf gut 300.000 Euro Zahlungen des Senders zu verzichten, um den Rechtsstreit beizulegen.
Schlesinger war ab Juli 2016 Intendantin des RBB. Sie musste ihr Amt im August 2022 nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft und Verschwendung aufgeben.
Darmstadt (epd). Der Kurznachrichtendienst Bluesky hat einer Studie zufolge mehr Vorteile für Nutzer als das Onlinenetzwerk X. Die Plattform sei zwar „auf den ersten Blick ein Klon von X“, biete aber tatsächlich wesentlich mehr Funktionen, erklärte Leonhard Balduf vom Fachgebiet Kommunikationsnetze der Technischen Universität (TU) Darmstadt am 28. Januar. Zudem hätten Bluesky-Nutzer deutlich mehr Kontrolle sowohl über ihre eigenen Daten und ihre eigene Identität als auch über die ihnen angezeigten Inhalte. An der Studie sind den Angaben zufolge neben der TU Darmstadt fünf weitere Universitäten aus Großbritannien, Frankreich und China beteiligt gewesen. Bluesky ist seit einem Jahr zugänglich für die Öffentlichkeit.
Bluesky beruhe auf fundamental anderen Prinzipien und Architekturen als die großen Netzwerke, erläuterte Balduf. Statt auf einen einzigen, von einem unbekannten Algorithmus vorgegebenen Feed angewiesen zu sein, könnten Nutzer bei Bluesky unter Zehntausenden generierten Feeds wählen, die zumeist von anderen Usern erstellt würden. Ähnlich biete Bluesky auch bei der Moderation, die ebenfalls zu großen Teilen aus der Community stamme, mehr Wahlfreiheit und Kontrolle. Zudem stehen alle notwendigen Komponenten als Open-Source-Software zur Verfügung und können damit prinzipiell von allen Nutzenden selbst betrieben werden.
Allerdings werde verstärkt darüber diskutiert, wer die Rechte an den Inhalten hat und wie der offene Datenzugang vor Missbrauch geschützt werden kann. Auch habe sich gezeigt, dass das System unter Umständen mit dem großen Wachstum überfordert sein könnte und die künftige Finanzierung des derzeit werbefreien Dienstes eine offene Frage darstelle. Seit Öffnung der relativ jungen Plattform für die Allgemeinheit im Februar 2024 habe sich die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer von etwa 2,5 Millionen auf heute rund 28 Millionen mehr als verzehnfacht.
Hannover (epd). Die Infotainment-Serie „Religion in 90 Sekunden“ des Evangelischen Kirchenfunks Niedersachsen-Bremen (ekn) bekommt einen festen Platz im Programm von ProSieben. Wie der Kirchenfunk am 29. Januar mitteilte, wird der TV-Sender in diesem Jahr 26 Folgen jeweils samstags ausstrahlen.
Das im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) entwickelte Format widmet sich Fragen wie „Warum gibt’s freitags immer Fisch?“, „Warum dürfen katholische Priester nicht heiraten?“ oder „Duldet der Islam wirklich keine anderen Glaubensrichtungen?“. Die Fragen beantwortet der Theologieprofessor und Islambeauftragte der hannoverschen Landeskirche, Wolfgang Reinbold.
Die Sendung ist eine Weiterentwicklung aus der Radio-, YouTube- und TikTok-Reihe „Religion in 60 Sekunden“, die seit 2020 vom ekn produziert wird, unter anderem für Radio ffn, Antenne Niedersachsen und Klassik Radio. Der Chefredakteur des Kirchenfunks, Lukas Schienke, betonte: „Mit der neuen Serie bei ProSieben erreichen wir mit unseren Inhalten in Summe pro Folge deutlich mehr als eine Million Menschen - vor allem in einer Zielgruppe, die die Kirche selbst nicht mehr erreicht.“
Berlin (epd). Für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) ist der Weg frei für einen Neuanfang. Der Bundestag verabschiedete in der Nacht zum 31. Januar mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP ein neues Stiftungsgesetz.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sprach von einem wichtigen Signal für die Zukunft der rund 2.000 Mitarbeiter der Stiftung. Mit ihren 25 Museen, Bibliotheken, Archiven und Forschungsinstituten ist sie die größte Kultureinrichtung Deutschlands. Mit dem neuen Gesetz, das alte stammte von 1957, soll die Stiftung effizienter und international konkurrenzfähiger werden.
Roth betonte: „Wir stellen die Weichen für eine moderne, schlanke und flexible SPK.“ So könnten die außergewöhnlichen Kunstschätze erfolgreicher zur Geltung gebracht und ein breites Publikum angesprochen werden.
Stiftungspräsident Hermann Parzinger erklärte, die Stiftung werde „effizienter, synergetischer und schneller“. Die Verabschiedung des neuen Gesetzes sei ein entscheidender Schritt in eine gute Zukunft.
Parzinger betonte, nach dem bereits Anfang des Jahres beschlossenen neuen Finanzierungsabkommen zwischen Bund und Ländern mit der Erhöhung des Sockelbetrages für die Stiftung ab Januar 2026 sei jetzt der zweite zentrale Schritt der Reform vollzogen worden.
Parzinger scheidet im Mai aus dem Amt. Seine Nachfolgerin an der Spitze der SPK ist die bisherige Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann.
Das neue Gesetz sieht deutliche Veränderungen im Aufbau der SPK vor. So soll die Stiftung künftig nicht mehr allein von einer Präsidentin geführt werden, sondern von einem kollegialen Vorstand aus bis zu sieben Mitgliedern. Dies soll die Belange der verschiedenen Einrichtungen berücksichtigen und Synergien fördern.
Im Gegenzug soll der Stiftungsrat von 20 auf 9 Mitglieder verkleinert werden. Künftig sind nicht mehr alle Länder im Stiftungsrat vertreten, sondern wechseln sich nach einem Rotationsprinzip ab, mit Ausnahme von Berlin. Dies soll die Entscheidungsprozesse beschleunigen. Zudem sind künftig vier Mitglieder des Bundestages mit beratender Stimme im Stiftungsrat vertreten.
Die einzelnen Einrichtungen der Stiftung sollen künftig einfacher über Haushaltsmittel entscheiden. Dies gilt insbesondere für die Personalplanung. Damit wird eine wesentliche Empfehlung des Wissenschaftsrates umgesetzt.
Der Reformprozess in der SPK war 2020 durch ein Gutachten des Wissenschaftsrates angestoßen worden. Darin wurde der Stiftung ein erheblicher Verbesserungsbedarf bescheinigt. Herausgehobene Führungspositionen sollen künftig nur noch zeitlich befristet besetzt werden und Verbeamtungen die Ausnahme bleiben.
Nach dem neuen Finanzierungsabkommen bringen Bund und Länder knapp 34 Millionen Euro pro Jahr für die Stiftung auf, zwölf Millionen Euro mehr als bisher. Berlin trägt dabei mit knapp zwölf Millionen Euro den größten Anteil.
Wie bislang trägt der Bund 75 Prozent der Betriebsausgaben, die Länder 25 Prozent. Die Baukosten übernimmt der Bund allein. Ausgaben, die über den jährlichen Sockelbetrag hinausgehen, trägt der Bund zu 75 Prozent, auf Länderseite kommt allein das Land Berlin dafür auf.
Frankfurt a.M. (epd). Der deutsch-israelische Historiker Dan Diner erhält den Ludwig-Börne-Preis 2025. Die Wahl habe der diesjährige alleinige Preisrichter Daniel Cohn-Bendit getroffen, teilte die Ludwig-Börne-Stiftung in Frankfurt am Main am 29. Januar mit. Der nach dem Publizisten Ludwig Börne (1786-1837) benannte und mit 20.000 Euro dotierte Preis für herausragende Essays, Kritik und Reportagen wird am 25. Mai in der Frankfurter Paulskirche überreicht.
„In einer Zeit der großen Verwirrung ist Dan Diner ein mutiger Aufklärer, der uns hilft, unsere Epoche immer neu zu reflektieren und zu verstehen“, begründete Cohn-Bendit die Wahl des emeritierten Professors der Hebräischen Universität Jerusalem und der Universität Leipzig. Diner sei ganz im Sinne Börnes ein „Zeitschriftsteller“, der als öffentlicher Intellektueller in aktuelle Debatten über den Zivilisationsbruch des Holocaust, die komplexe Konstellation „Israels in Palästina“ und die Zukunft des Westens eingreife.
Der Preis wurde erstmals 1993 vergeben. Er erinnert an den Frankfurter Schriftsteller und Journalisten Ludwig Börne, der wegen seiner scharfzüngigen Prosa als Miterfinder des Feuilletons gilt. Preisträger waren unter anderen der Literat Hans Magnus Enzensberger, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, Autorin Eva Menasse, Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Im vergangenen Jahr erhielt der Schriftsteller Daniel Kehlmann den Preis.
Berlin (epd). Die Schriftstellerin Mely Kiyak erhält den Heinrich-Mann-Preis 2025 der Akademie der Künste Berlin. Als Verteidigerin einer offenen demokratischen Gesellschaft schreibe Kiyak die Tradition aufklärend-kritischer Essayistik im Sinne Heinrich Manns (1871-1950) fort, teilte die Akademie am 29. Januar in Berlin mit. Durch ihre Texte sei sie zu einer wichtigen intellektuellen Stimme der deutschen Gesellschaft geworden.
Die 49 Jahre alte Autorin, Kolumnistin und Journalistin widme sich „mit äußerst seltenem Sinn für absurd-schöne Komik“ der gesellschaftspolitischen Diagnose ebenso wie der künstlerischen Auseinandersetzung, urteilte die Jury. Ihre Romane und Kolumnen zeichneten sich durch ein mitfühlendes, zuweilen zärtliches Interesse an anderen Menschen aus.
Der mit 10.000 Euro dotierte Preis für Essayistik wird am 25. März, zwei Tage vor dem Geburtstag Heinrich Manns, in der Akademie der Künste am Pariser Platz verliehen. Die 1976 in der Nähe von Bremen geborene Mely Kiyak lebt und arbeitet in Deutschland. 2005 schloss sie ihr Studium am Literaturinstitut Leipzig ab. Sie erhielt unter anderem den Theodor-Wolff-Preis (2012) und den Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik (2021). Für „Zeit Online“ schreibt sie unter anderem die Serie „Gute Momente“ und ist seit 2013 Theaterkolumnistin für das Maxim Gorki Theater.
Maria
Jeder Mensch solle einmal im Leben die Erfahrung machen, im klassischen Opernstil zu singen, sagte Angelina Jolie in einem Interview. Die Operndiva Maria Callas, gespielt und streckenweise selbst gesungen von Jolie, erscheint in Pablo Larraíns „Maria“ nicht nur als Frau von Charme und Eleganz - der Film zeigt auch ihre körperlich-emotionale Zerbrechlichkeit kurz vor ihrem frühen Tod. „Maria“ ist das große Finale einer Trilogie, die Larraín drei bedeutenden Frauen des 20. Jahrhunderts widmet. Die Serie begann mit „Jackie: Die First Lady“ und wurde mit „Spencer“ über Prinzessin Diana fortgesetzt. „Maria“ profitiert neben einer hervorragenden Schauspielleistung von Jolie von Kooperationen mit zahlreichen europäischen Opernchören und liefert mitreißende Bilder vom Paris der 1970er Jahre. Das Biopic feierte seine Premiere im vergangenen August bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.
Maria (USA 2024). Regie: Pablo Larraín. Buch: Steven Knight. Mit Angelina Jolie, Pierfrancesco Favino, Alba Rohrwacher, Haluk Bilginer, Kodi Smit-McPhee, Valeria Golino, Alessandro Bressanello, Vincent Macaigne, Stephen Ashfield, Caspar Phillipson. Länge: 124 Min.
Der Lehrer, der uns das Meer versprach
1935, vor dem Beginn des Spanischen Bürgerkriegs, übernimmt der junge Lehrer Antoni Benaiges (Enric Auquer) eine Grundschule in einem kleinen Dorf in der Provinz Burgos. Mit seinen antiautoritären Methoden gewinnt er das Vertrauen seiner Schüler. Benaiges verspricht, seine Schüler in den Sommerferien zum ersten Mal im Leben ans Meer zu bringen, doch der Kriegsbeginn vereitelt sein Vorhaben. 2010 erfährt Ariadna (Laia Costa), dass ihr Großvater nach den Überresten seines Vaters suchte, der 1936 im Bürgerkrieg verschwand. Ariadna will herausfinden, was aus ihm wurde. Sie reist nach Burgos, wo die Archäologin Laura (Alba Guilera) ein Massengrab erforscht. Dort stoßen sie auf die Geschichte von Benaiges, dem Lehrer ihres Großvaters. „Der Lehrer, der uns das Meer versprach“ basiert auf der wahren Geschichte von Antoni Benaiges, die der katalanische Schriftsteller Francesc Escribano bereits im gleichnamigen Roman verarbeitete.
Der Lehrer, der uns das Meer versprach (Spanien 2023). Regie: Patricia Font. Buch: Albert Val. Mi: Enric Auquer, Laia Costa, Luisa Gavasa, Ramón Agirre, Nicolás Calvo, Gael Aparício, Alba Hermoso, Antonio Mora, Felipe García Vélez, Eduardo Ferrés, Alicia Reyero, Jorge Da Rocha. Länge: 105 Min.
Mutiny in Heaven
„The Birthday Party“ war die erste Band des einflussreichen Musikers Nick Cave, die er einst zusammen mit ein paar Schulkameraden in einem unscheinbaren australischen Vorort gründete. Heute gilt die kreative Zusammenarbeit von Nick Cave und dem Gitarristen Rowland S. Howard als legendär. „Mutiny in Heaven“ blickt als Dokumentarfilm auf den Aufstieg und Fall der Gruppe zurück. Die raue Energie des Punks entfaltete sich in den Konzerten und der Musik der Gruppe, die das Publikum mit ihren konfrontativen Auftritten, gesetzlos-gotischem Horror und anarchischem Lebensstil schockierte. Der Film zeigt nie zuvor gesehenes Archivmaterial von Bandmitgliedern, kombiniert mit dynamischen Animationssequenzen und atemberaubenden Konzertaufnahmen. „Mutiny in Heaven“ reserviert dem Zuschauer einen schweißtreibenden, elektrisierenden Platz in der ersten Reihe eines der legendärsten Live-Acts der Rockgeschichte.
Mutiny in Heaven (2023). Regie: Ian White. Buch: Ian White. Mit Nick Cave, Phil Calvert, Mick Harvey, Rowland S. Howard, Tracy Pew. Länge: 98 Min.
Soundtrack to a Coup d’Etat
In den 1960er Jahren erlangten viele afrikanische Staaten ihre Unabhängigkeit von europäischen Kolonialmächten. Während die Sowjetunion, Indien oder China die Dekolonialisierung unterstützten, betrachteten die USA und ihre westlichen Verbündeten diese mit Skepsis. Ihr Hauptinteresse lag in der Kontrolle der Bodenschätze. Die USA entsandten internationale Jazzgrößen nach Afrika, um den Westen positiv darzustellen, während sich Persönlichkeiten wie Malcolm X mit der Unabhängigkeitsbewegung solidarisierten. Regisseur Johan Grimonprez verdichtet in seinem materialreichen, schnell montierten Dokumentarfilm „Soundtrack to a Coup d’Etat“ die sechsmonatige Regierungszeit des ermordeten kongolesischen Präsidenten Patrice Lumumba zu einem faszinierenden historisch-politischen Lehrstück über Geopolitik, Emanzipation und Musik.
Soundtrack to a Coup d’Etat (Belgien, Frankreich, Niederlande 2024). Regie: Johan Grimonprez. Buch: Johan Grimonprez, Daan Milius. Mit Eva Gabor, Louis Armstrong, Malcolm X, Fidel Castro, Miles Davis, Ella Fitzgerald, Dwight D. Eisenhower, Nikita Khrushchev. Länge: 150 Min.
Berlin (epd). Von besserer Planung bis hin zur Rücksicht auf die örtliche Kultur: Die Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan“ gibt in ihrem Abschlussbericht zahlreiche Empfehlungen, damit Auslandseinsätze der Bundeswehr künftig erfolgreicher sind. Es bedürfe „einer ausformulierten Strategie, die klare, überprüfbare und realistische Ziele benennt“, heißt es in dem am 27. Januar in Berlin veröffentlichten Dokument.
Dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan von Anfang 2002 bis Mitte 2021 stellt die Kommission ein vernichtendes Zeugnis aus: Deutschland und seine internationalen Partner seien „in Afghanistan strategisch gescheitert“. Unter anderem habe eine „realistisch umsetzbare kohärente Strategie“ gefehlt, es habe zu wenig Personal gegeben, die Absprachen seien unzureichend gewesen.
Für ein erfolgreiches Auslandsengagement seien „eine fortlaufende Abstimmung und Kooperation auf nationaler Ebene zwischen den Ressorts und dem Parlament, aber auch auf internationaler Ebene“ wesentlich, heißt es im Abschlussbericht. Die Einsätze sollten zudem von einer klaren Kommunikation der Bundesregierung an die deutsche Öffentlichkeit begleitet werden.
Wie schon in ihrem Zwischenbericht kritisiert die Kommission auch in ihrem Abschlussdokument unzureichende Kenntnisse der deutschen Stellen über die Verhältnisse in Afghanistan. „Die mangelnde Einbeziehung von lokalen Gegebenheiten“ habe zur Konfliktverschärfung beigetragen. „Um ein solches Risiko künftig signifikant zu senken, sind kulturelle Sensibilität und ein informiertes Konfliktverständnis von Anbeginn für das Handeln vor Ort erforderlich.“
Die SPD-Obfrau in der Kommission, Derya Türk-Nachbaur, erklärte, nachhaltiger Frieden entstehe, „wenn die Menschen vor Ort einbezogen werden, Diplomatie und Hilfsorganisationen Hand in Hand arbeiten und wir die Realitäten des Landes respektieren“. Grünen-Obfrau Schahina Gambir (Grüne) erklärte, die Empfehlungen seien „nur der Anfang. Jetzt gilt es, sie in konkrete Politik zu übersetzen.“ Gambir fügte hinzu: „So wie wir in Afghanistan gescheitert sind, dürfen wir nie wieder scheitern.“
Insgesamt enthält der Abschlussbericht 72 Empfehlungen. Dabei macht die Kommission deutlich, dass ein Rückzug Deutschlands aus dem internationalen Engagement keine Alternative sei: „Nach Einschätzung der Enquete-Kommission sollte neben der Landes- und Bündnisverteidigung auch die Beteiligung an möglichen künftigen internationalen Einsätzen weiter hohe Bedeutung haben“, heißt es in dem Bericht. „Die internationale Staatengemeinschaft erwartet von Deutschland, auch künftig Verantwortung zu übernehmen.“
Die Kommission war aufgrund des Auseinanderbrechens der Ampel-Regierung unter Zeitdruck geraten und musste ihre Arbeit schneller als geplant abschließen. Dem im Sommer 2022 vom Bundestag eingesetzten Gremium gehörten elf Abgeordnete und ebenso viele Sachverständige an. Sie befragten Experten und frühere Verantwortungsträger aus Bundesregierungen und Bundeswehr. Mit den Vorgängen rund um den Bundeswehr-Abzug im Sommer 2021 befasst sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestags.
Frankfurt a.M., Kabul (epd). Es war ein deutliches Ultimatum: Ende Dezember drohten die Taliban mit der Schließung aller Hilfsorganisationen, die weiter afghanische Frauen beschäftigen und sich nicht unter die Aufsicht der Regierung stellen. Schon das könnte für die afghanische Bevölkerung dramatische Folgen haben. Denn knapp dreieinhalb Jahre nach der Machtübernahme der Taliban herrscht in Afghanistan weiter eine schwere humanitäre Krise. Bis März könnten den Vereinten Nationen zufolge knapp 15 Millionen Menschen nicht in der Lage sein, sich ausreichend zu ernähren. Und die Beiträge der Geberländer nehmen ab.
Nun wird die Situation durch die Politik von US-Präsident Donald Trump weiter verschärft. Der hat direkt nach seinem Amtsantritt alle Hilfsgelder für 90 Tage ausgesetzt und will prüfen, welche Hilfe weiterläuft und welche nicht. Afghanistan hat er mehrfach gedroht, die Finanzierung einzustellen oder an Bedingungen zu knüpfen, wie etwa an die Rückgabe von Militärausrüstung, welche die US-Armee bei ihrem überstürzten Abzug 2021 zurückließ. Noch im vergangenen Jahr trugen die USA knapp die Hälfte des internationalen Spendenbudgets bei, rund 735 Millionen US-Dollar.
Internationale Organisationen befürchten nun das Schlimmste: Viele Hilfsprogramme stießen bereits jetzt an ihre finanziellen Grenzen, sagte Jan Egeland, Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrates, einer der größten Hilfsorganisationen in Afghanistan. So musste unter anderem das Welternährungsprogramm im vergangenen Jahr wegen Geldmangels seine Hilfe kürzen und rund zehn Millionen Menschen die Unterstützung entziehen.
Dennoch sei es schwer vorauszusagen, wie gravierend sich die US-Kürzungen tatsächlich auswirken würden, sagt Graeme Smith, Afghanistan-Experte bei der internationalen Denkfabrik „Crisis Group“. Bis heute sei unklar, wie stark der Zusammenbruch der afghanischen Wirtschaft nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 tatsächlich gewesen ist.
Laut einem Bericht der Weltbank, der sich auf die Auswertung von nächtlicher Lichtstrahlung in den Städten und ländlichen Regionen in der Zeit nach der Machtübernahme der Taliban beruft, könnte die afghanische Wirtschaft gar gewachsen sein. Viele Einnahmen wie durch den Opiumhandel oder durch Grenzschmuggel in die Nachbarländer würden im informellen Bereich generiert und seien schwer zu erfassen, gibt Smith zu bedenken.
Auch der Kurs der afghanischen Währung Afghani, der nach der Machtübernahme zunächst eingebrochen war, hat sich im vergangenen Jahr leicht stabilisiert. Doch die Devisenreserven der afghanischen Zentralbank im Ausland - knapp 9 Milliarden US-Dollar - sind weiter eingefroren. Die afghanische Wirtschaft ist daher bis heute stark auf Bargeld und ausländische Währungen wie den US-Dollar angewiesen.
Hilfreich waren daher vor allem die Bargeldlieferungen für die humanitäre Hilfe im Land, mit denen die Programme und Gehälter der Vereinten Nationen und anderer Hilfsorganisationen bezahlt wurden. Seit Dezember 2021 haben die UN auf diese Weise mehr als vier Milliarden US-Dollar Bargeld aus den USA nach Afghanistan geflogen und an eine afghanische Bank geliefert, um sie von dort weiterzuverteilen.
Doch die Vereinten Nationen verfügen über immer weniger Mittel für Afghanistan. Auch aufgrund der Politik der Taliban haben immer mehr Geberstaaten ihre Hilfen deutlich zurückgefahren. Für 2025 haben die UN ein Spendenziel von 2,42 Milliarden US-Dollar ausgerufen. Allerdings sind im vergangenen Jahr nur knapp die Hälfte des benötigten Geldes eingegangen. Auch Deutschland hat seine Beiträge in den vergangenen Jahren drastisch gesenkt, von 447 Millionen Dollar 2022 auf knapp 96 Millionen im vergangenen Jahr.
Und folgenlos bleiben mögliche US-Kürzungen sicher auch nicht. Allein die Währung könnte deutlich unter Druck geraten. Das würde für viele Menschen bedeuten, dass sie für ihr Geld weniger Brot oder Reis erhalten. „Das wird für viele Menschen verheerend sein, aber die Frage ist, wie verheerend“, sagt Smith.
Dakar, Bamako (epd). Diesen Machtkampf haben zunächst die Militärregierungen im Sahel gewonnen: Mehrere westliche Bergbaufirmen haben in den vergangenen Monaten ihre Produktion in Mali, Niger und Burkina Faso drastisch zurückgefahren - oder teils komplett einstellen müssen. Als Teil ihrer Strategie für mehr nationale Souveränität setzen die Militärregierungen der westafrikanischen Länder ihre Forderung nach mehr Teilhabe konsequent um. „Damit das Gold für die Malier glänzt“, formulierte es Malis Übergangspräsident Assimi Goïta. Denn die Staatskassen sind leer und der wirtschaftliche Druck durch internationale Sanktionen hoch.
Neue Bergbaugesetze, höhere Steuerzahlungen und größere Eigentumsanteile: Um ihr Vorhaben durchzusetzen, greifen die Militärjuntas mitunter zu drastischen Mitteln. So beschlagnahmte Malis Militärregierung Mitte Januar die Goldbestände der kanadischen Firma Barrick Gold und erließ einen Haftbefehl gegen Geschäftsführer Mark Bristow wegen angeblicher Geldwäsche.
Im Falle von Barrick Gold, das dort fast 14 Prozent seiner jährlichen Produktion insgesamt erwirtschaftet, belaufen sich die Zahlungsforderungen der Militärjunta auf mehrere hundert Millionen Dollar. Wie das Unternehmen in einer Pressemitteilung bestätigte, muss die Arbeit im Loulo-Gounkoto-Bergbaukomplex nahe der Grenze zu Senegal vorerst ausgesetzt werden.
Damit macht die malische Regierung eine Drohung wahr, die bereits seit längerem im Raum stand. Medienberichten zufolge wurde in dem Zuge Gold im Wert von bis zu 245 Millionen US-Dollar beschlagnahmt. Im Niger entzog die Junta dem französischen Nukleartechnikkonzern Orano die Schürfrechte für Uran, und in Burkina Faso darf das australische Unternehmen Sarama Resources kein Gold mehr fördern.
Es sind Entwicklungen, die Hand in Hand gehen mit dem Rauswurf westlicher Militärs und der Abwendung von regionalen Bündnissen wie der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas). Das Streben nach neuen Partnern, die - so lautet die Argumentation - Interessen und Souveränität der drei Sahel-Länder mehr achten, war Kern der Begründung, mit der Mali, Burkina Faso und Niger geschlossen aus Ecowas austraten. Der Schritt wurde am 29. Januar rechtsgültig. Zugleich gründeten sie ein eigenes Bündnis, die Allianz der Sahel-Staaten (AES).
Die Ecowas reagierte auf den Austritt mit scharfen Sanktionen - unter anderem mit der Schließung der Land- und Luftgrenzen, dem Einfrieren von Konten sowie der Aussetzung von Finanzhilfen und Handelsgeschäften. Die Folgen für die ohnehin wirtschaftlich angeschlagenen Länder sind verheerend. Denn während die drei Sahel-Staaten zwar enorme Rohstoffvorkommen beherbergen, zählen sie zugleich zu den ärmsten Ländern der Welt.
Insbesondere das Potenzial des Bergbausektors soll daher besser ausgeschöpft werden - auch, um die militärischen Ziele der drei Militärregierungen zu finanzieren, die sich in einem Krieg gegen zahlreiche islamistische und weitere bewaffnete Gruppen befinden, in dem die Zivilbevölkerung immer wieder zwischen die Fronten gerät. Von den neuen Partnerschaften profitieren vor allem China und Russland. Das chinesische Unternehmen Ganfeng Lithium begann im Dezember mit der Extraktion von Lithium im Süden Malis. Der Niger hat russische Bergbauunternehmen eingeladen, seine Bodenschätze zu erkunden.
Die Aufrüstung der Armeen, aber auch die Allianzen Malis und Nigers mit der russischen Söldnergruppe Wagner, die sich inzwischen Afrikakorps nennt, sind kostspielig für die Regierungen. Laut Recherchen der Zeitung „Jeune Afrique“ gab es vor allem in Bamako wiederholt Schwierigkeiten, die Moskauer Dienste zu bezahlen. Den Einnahmen aus den Minen fällt dahingehend eine entscheidende Rolle zu. Darunter auch die drei Tonnen Gold der Firma Barrick Gold - nun sicher verwahrt in den Tresoren der staatseigenen Banque Malienne de Solidarité (BMS).
Nairobi/Khartum (epd). Die Hilfslieferungen des Welternährungsprogramms (WFP) im Sudan werden durch Kämpfe und aktive Behinderung unterbrochen. Das teilte die UN-Organisation am 30. Januar mit. Die Fortschritte der vergangenen Monate bei der Versorgung der Bevölkerung stünden auf dem Spiel. Das WFP wolle bis zu sieben Millionen Menschen mit Lebensmitteln unterstützen. Doch viele Orte, in denen eine Hungersnot droht oder bereits ausgerufen wurde, könnten nicht ausreichend beliefert werden. Dies treffe vor allem die westliche Region Darfur, wo die paramilitärische RSF-Miliz Hilfskonvois aufhalte.
Der im April 2023 zum Krieg eskalierte Machtkampf zwischen Armee und RSF hat eine der schwersten humanitären Krisen der jüngeren Vergangenheit hervorgerufen. Zehntausende Menschen wurden getötet, etwa zwölf Millionen sind auf der Flucht. Rund 24,6 Millionen Menschen - fast die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung - haben nicht genug zu essen. Mehr als ein Drittel der Kinder in den am stärksten vom Krieg betroffenen Regionen sind akut unterernährt, was nach Angaben des WFP weit über dem Schwellenwert für die Ausrufung einer Hungersnot liegt. Beide Kriegsparteien haben über lange Zeit humanitäre Hilfe durch Auflagen und Beschränkungen unmöglich gemacht.
Doch auch seit Lieferungen wieder erlaubt sind, gibt es immer wieder Unterbrechungen. Jüngst seien Lieferungen zum Teil erst nach sechs Wochen an ihrem Ziel angekommen, obwohl der Transport maximal zwei Wochen hätte dauern sollen, kritisierte das WFP. Dazu komme, dass wegen einer Währungsumstellung kaum Bargeld verfügbar sei, und sich Lieferungen weiter verzögerten, weil Fahrer und Arbeiter nicht bezahlt werden könnten.
Das WFP fordert die Kriegsparteien auf, alle Hindernisse auszuräumen, humanitäre Hilfe schneller möglich zu machen und die Sicherheit der Helferinnen und Helfer sicherzustellen. Dabei sei es jetzt wichtig, für eine kontinuierliche Versorgung zu sorgen, um eine flächendeckende Hungersnot zu verhindern, erklärte WFP-Landesdirektor Alex Marinelli.
Köln (epd). Der Absatz von Fairtrade-Kakao ist seit 2017 um 40 Prozent gestiegen, im vergangenen Jahr aber nicht weiter gewachsen. 2024 habe der Absatz mit rund 81.000 Tonnen auf dem Vorjahresniveau gelegen, teilte der Verein Fairtrade Deutschland am 31. Januar in Köln mit. Der Absatz von fairem Zucker stieg im Jahresvergleich um drei Prozent auf rund 8.100 Tonnen.
Die Fairtrade-zertifizierte Kakaobäuerinnen und -bauern erwirtschafteten ersten Hochrechnungen für 2024 zufolge rund 18 Millionen Euro an Prämie. Dabei handelt es sich um einen finanziellen Aufschlag des Fairtrade-Vereins zusätzlich zu den Verkaufspreisen, der in Gemeinschaftsprojekte vor Ort investiert wird.
Dass die Absatzzahlen im Bereich Kakao 2024 stagnierten, lag den Angaben zufolge vor allem an den extrem hohen Weltmarktpreisen. Zahlreiche Unternehmen stellten ihre Rezepturen um und mieden teurere Kakaoprodukte. Die hohen Preise resultierten vor allem aus geringen und zerstörten Ernteerträgen durch die Klimakrise, sagte Fairtrade-Vorständin Claudia Brück. Hohe Weltmarktpreise sorgten nicht zwingend zu Mehreinnahmen bei den Kakaobauern.
Um die Einkommen und Lebensbedingungen der Kakaobauern zu verbessern, hat Fairtrade eine Strategie für existenzsichernde Einkommen ins Leben gerufen. Sie soll im Rahmen der am Sonntag beginnenden Internationalen Süßwarenmesse in Köln vorgestellt werden. Die Strategie umfasst die Berechnung eines Kakaopreises, in dem Faktoren wie Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln oder sauberem Wasser sowie sicheren Wohnverhältnissen eingerechnet werden.
Santiago de Chile/Buenos Aires (epd). In Argentinien haben am 1. Februar Hunderttausende Menschen gegen die LGBTQ-feindliche Politik der rechtsliberalen Regierung unter Präsident Javier Milei protestiert. Unter dem Motto „gegen Faschismus und Rassismus“ versammelten sich nach Angaben der Veranstalter allein in Buenos Aires mehr 600.000 Menschen, begleitet von Musikwagen, bunten Farben und Protestplakaten. Die Stadtpolizei bezifferte die Teilnehmerzahl auf 140.000 Personen.
Laut der Zeitung „El Diarioar“ fanden zudem über 130 weitere Demonstrationen im Landesinneren statt. Maria Olivier, Sekretärin der Homosexuellen Gemeinschaft Argentiniens (CHA), sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Wir haben der Regierung und den Mächtigen des Landes gesagt: Hört auf, die Menschen zu beleidigen.“
Sicherheitsministerin Patricia Bullrich kritisierte die Demonstration in einem Instagram-Post als „weiteren Marsch der militanten Gruppen, die das funktionierende und fortschrittliche Argentinien verachten“.
Zu den Demonstrationen hatten Organisationen aus der LGBTQ-Gemeinschaft, Gewerkschaften und Oppositionsparteien aufgerufen, nachdem Präsident Milei in einer Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar homosexuelle Paare unter anderem als pädophil bezeichnet hatte. Gleichzeitig wurde bekannt, dass die argentinische Regierung plant, Genderquoten abzuschaffen und die Möglichkeit zu streichen, in Ausweisdokumenten ein drittes, nicht-binäres Geschlecht anzugeben.
Als Reaktion auf die scharfe Kritik an Mileis Äußerungen relativierte Regierungssprecher Manuel Adorni wenige Tage vor der Demonstration die Aussagen des Präsidenten. Man habe ihn missverstanden - seine Worte hätten sich lediglich gegen diejenigen gerichtet, die „mit dem Feminismus Privilegien verteidigten“, sagte Adorni.
In Argentinien regiert seit Dezember 2023 der neoliberale und rechtskonservative Javier Milei. Neben einem harten Sparkurs hat der Präsident wiederholt zu einem „Kulturkampf“ gegen linke Ideologien aufgerufen, insbesondere gegen jene, die traditionelle Familien- und Geschlechterrollen hinterfragen.
In diesem Zusammenhang warnen Aktivistinnen und Aktivisten seit Monaten vor einer Zunahme von Hassrede und Gewalt gegen queere Menschen. Feministische Organisationen beklagen zudem einen erschwerten Zugang zu Verhütungsmitteln sowie zur Ausübung des seit 2021 legalisierten und als Grundrecht anerkannten Rechts auf Abtreibung.
6.2. Evangelische Akademie Bad Boll
Online Flucht & Migration - wie gestalten wir eine humane Flüchtlingspolitik? (Diskussionsreihe zur Bundestagswahl) Die Diskussion über Abschiebung, Abschreckung und Abschottung hat stark an Fahrt aufgenommen. Die Politik geht nicht immer seriös mit den Ängsten der Bevölkerung vor Extremismus und Gewalt um. Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen bringen Fachleuten zufolge nur vermeintlich Sicherheit. Die Herausforderung ist, die Sorgen der Menschen vor Überforderung unserer Sozialsysteme sowie im Bildungs- und Wohnbereich ernst zu nehmen und zugleich in sachlicher Weise darüber nachzudenken, wie legale - und angesichts des demografischen Wandels notwendige - Einreisewege in die EU aussehen können.
11.2. Evangelische Akademie zu Berlin
Online Zwischen Flucht und Hoffnung - Afghanistan und die deutsche Verantwortung Im Sommer 2021 kehrten in Afghanistan die islamistischen Taliban an die Macht zurück. Die Situation im Land ist nach wie vor katastrophal, für viele Menschen gar lebensbedrohlich. Haushaltskürzungen und die vorgezogene Bundestagswahl drohen nun, das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen zum Scheitern zu bringen. Tausenden schutzbedürftigen Menschen würde damit die Hoffnung auf Sicherheit genommen, die ihnen die deutsche Politik jahrelang gemacht hat.
21.-23.3. Evangelische Akademie Tutzing
Deutsche Einheit, deutsche Teilung - 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg geteilt, gut 40 Jahre später vereinigte sich das Land wieder, nun ziehen sich Risse durch die Bundesrepublik. Wie tief sind sie? Was sind die Gründe? Wie geht es weiter in West, in Ost, mit der Demokratie und der politischen Kultur?