Berlin (epd). Der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein ruft die Parteien der Mitte im Streit über die Asylpolitik zu Kompromissbereitschaft und Mäßigung auf. Das sei das Versprechen für den Bundestagswahlkampf gewesen, sagte Stäblein am 31. Januar dem Fernsehsender phoenix. „Und das sollte es wieder werden“, fügte der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hinzu.

„Wir brauchen das menschliche Gesicht dieses Landes. Das ist ein uns verbindender Wert“, sagte Stäblein am Rande der Bundestagsdebatte über den Gesetzentwurf der Unionsfraktion zu einer Verschärfung der Asylregeln, der schließlich nach zweiter Lesung abgelehnt wurde. Auch in Wahlkampfzeiten brauche es bei allen verständlichen Emotionen Nüchternheit.

Die Debatte im Bundestag auch in ihrer Heftigkeit sei gut. „Aber es kann nicht gut sein, wenn am Ende Demokratinnen und Demokraten mit Rechtsextremen gemeinsam einen solchen Gesetzesentwurf verabschieden müssen“, fügte Stäblein hinzu. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte die Zustimmung der AfD zum Erreichen der Mehrheit ausdrücklich in Kauf genommen. Der Gesetzentwurf sah unter anderem einen Stopp des Kontingents für den Familiennachzug zu Flüchtlingen mit sogenanntem subsidiären Schutz vor.

Brandbrief vor Abstimmung über Unionsantrag

Am 29. Januar war ein Antrag der Union zur Verschärfung der Asylpolitik mit Stimmen der FDP und AfD angenommen worden. Der Antrag hat anders als ein verabschiedetes Gesetz keine rechtlich bindende Wirkung.

In einem Brandbrief an alle Abgeordneten mit Ausnahme der Parlamentarier der AfD hatten zuvor auch die Kirchen protestiert. Die Fraktionen hätten sich mit der Auflösung der Ampel-Koalition darauf verständigt, keine Abstimmungen herbeizuführen, in der die Stimmen der AfD ausschlaggebend seien, heißt es in dem Schreiben, das von den Leitungen der Berliner Büros der Kirchen, Anne Gidion (evangelisch) und Karl Jüsten (katholisch), unterzeichnet wurde.

Fehrs: Am Recht auf Asyl festhalten

Die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs appellierte an die Politik, am Recht auf Asyl festzuhalten. Auch müssten in der Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene gemeinsame Lösungen wie gerechtere Verteilschlüssel gefunden werden, sagte Fehrs dem Magazin „Focus“. Außerdem müsse es eine schnellere und leichtere Einwanderung von Fachkräften geben.

Die aktuelle Diskussion zum Thema Migration setzt nach Ansicht Fehrs zu sehr auf Abschreckung und befördere Vorurteile gegen alle zugewanderten Menschen. In der aufgerauten öffentlichen Debatte fokussiere sich alles auf die kleine Zahl von Gewalttätern. Seither werde in jedem Schutzsuchenden ein potenzieller Gewalttäter gesehen. „Das ist ein Zerrbild, das alle Geflüchteten ungerechtfertigt unter Verdacht stellt“, kritisierte die Hamburger Bischöfin Fehrs laut Vorabbericht vom 31. Januar.

Sie unterstrich, sie verstehe nach den Anschlägen von Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg die Wut, die sich mit Trauer und Ohnmachtsgefühlen mische. Die Anschläge verunsicherten die Menschen zutiefst. Das öffne politischer Agitation die Türen. „Dabei soll unser aller Aufgabe doch immer sein, Vorurteile abzubauen und die Rechte der Schwächeren zu stärken“, sagte Fehrs.