

Reformen in der Pflegeversicherung gab es schon etliche in den zurückliegenden 30 Jahren. Doch die überschaubaren Korrekturen verpufften zumeist. Heute sind deshalb mehr denn je massive strukturelle Eingriffe nötig, um das System der gesetzlichen Pflegekassen zu retten. Doch Reformer brauchen viel Geduld, wie am Beispiel der Initiative Pro-Pflegereform zu sehen ist. Sie hat nun ihr drittes Gutachten vorgelegt - die „Vision einer neuen Pflegeversicherung 2.0“. Das Gesamtkonzept komme ohne die Aufteilung in Ambulant und Stationär aus, hieß es. „Stattdessen ermöglicht es individuelle Pflegearrangements nach dem Prinzip Wohnen und Pflege und wirft damit Bürokratielasten über Bord.“ Und: Die Eigenanteile von Pflegebedürftigen in Heimen sollen sinken. Jetzt sei die künftige Bundesregierung am Zug, so das Bündnis.
Der Sozialforscher Stefan Sell erwartet nach der möglichen Bildung einer Koalition von Union und SPD die Rückabwicklung des Bürgergelds. „Die SPD wird sich vermutlich an dieser Stelle nicht verkämpfen, denn ihr sind die rentenpolitischen Punkte wichtiger, die sie der Union abverhandeln muss“, sagte der Koblenzer Professor im Interview mit epd sozial. Vermutlich werde die im Sondierungspapier von Union und SPD angekündigte neue Grundsicherung „zu einem Hartz V im Sinne von noch härter daherkommenden Regelungen“.
Die Frage, wie viel Kontrolle Pflegeheime brauchen, damit deren Qualität gesichert ist, wird immer wieder mal kontrovers diskutiert. Aktuell in Baden-Württemberg. Landessozialminister Manfred Lucha (Grüne) will per Gesetz weniger Kontrolle, mehr Vertrauen in die stationären Einrichtungen. Doch der gesetzliche Weg dahin ist umstritten. So sollen die bislang seit den 1970er Jahren bindenden Heimbeiräte im Zuge des Bürokratieabbaus gestrichen werden. Nicht allen im Südwesten gefällt das, doch es gibt auch Befürworter der geplanten Reform.
Arbeitnehmer können irren, wenn sie davon ausgehen, dass gleiche Arbeit im Unternehmen auch gleich bezahlt werden muss. Den Unterschied machen die berufliche Qualifikation und die Berufserfahrung, wie jetzt das Landesarbeitsgericht Rostock befand. Arbeitgeber können sich bei der Vergütung auf die Vertragsfreiheit berufen. Aber: Sie dürfen nicht willkürlich einzelne Mitarbeitende schlechter bezahlen als ihre Kolleginnen und Kollegen in gleicher Funktion.
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Ihr Dirk Baas
Berlin, Stuttgart (epd). Die Initiative Pro-Pflegereform fordert von der künftigen Bundesregierung in ihrem 3. Reformpapier den umfassenden Umbau der Pflegeversicherung. Nötig sei eine neue Finanzstruktur, um eine „Vollversicherung mit begrenzten Eigenanteilen“ zu schaffen, hieß es bei der Vorstellung eines Gutachtens am 14. März in Berlin. Das Gesamtkonzept komme ohne die Aufteilung in Ambulant und Stationär aus. „Stattdessen ermöglicht es individuelle Pflegearrangements nach dem Prinzip Wohnen und Pflege und wirft damit Bürokratielasten über Bord.“
Die Diakonie Deutschland begrüßte den Reformansatz. Vorständin Elke Ronneberger forderte: „Jetzt müssen Taten folgen. Ziel muss eine nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung sein.“ Neben der Sicherung der Finanzströme müssen laut Ronneberger vor allem pflegende Angehörige stärker unterstützt und entlastet werden. „Die Leistungen der Pflegeversicherung müssen einfacher und flexibler ausgestaltet sein und auf Beratung und Schulung für pflegende Angehörige erweitert werden.“ Diejenigen, die ihre Arbeitszeit für die Pflege reduzierten, sollten für diesen Einsatz entlohnt und im Alter ohne Verlust von Rentenpunkten abgesichert werden.
Mit dem dritten Gutachten zur „Alternativen Ausgestaltung der Pflegeversicherung“ gibt es dem Bündnis zufolge jetzt eine überzeugende Vorlage für eine große Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die Studie füge nach acht Jahren anhaltender Vorschläge aus 26 Positionspapieren zusammen.
Eine Neuausrichtung der Pflegekasse sei unumgänglich, hieß es zur Begründung. Mit Blick auf die Versäumnisse der Vergangenheit, die Pflegeversicherung tragfähig zu sanieren, sagte Bernhard Schneider, Sprecher der Initiative und Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung in Stuttgart: „Die zukünftigen Koalitionäre Union und SPD versprechen eine große Pflegereform. Wir liefern die Blaupause dafür.“
Auf knapp 100 Seiten wird ein Gesamtkonzept für Reformschritte vorgelegt, die der Gesundheitsökonomen Heinz Rothgang von der Universität Bremen maßgeblich erstellt hat. Das Papier lege einen Zeitplan mit drei aufeinander aufbauenden Reformschritten von 2026 bis 2030 vor.
Rothgang selbst erinnerte daran, dass die Versprechen, die mit der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung vor 30 Jahren gegeben wurden, heute nicht mehr haltbar seien. Pflege sollte ursprünglich pflegebedürftige Menschen nicht zu Almosenempfängern machen. Doch genau das geschehe seit Jahren, denn die Eigenanteile von Menschen in Pflegeheimen stiegen stetig an und lägen im Durchschnitt bei 2.500 Euro im Monat.
„Deshalb müssen Reformen, die schon 2026 greifen können, den Eigenanteil begrenzen“, forderte der Experte. Er nannte einen Betrag von maximal 700 Euro, den Betroffene künftig selbst zahlen sollen. Der Gesamtbetrag an Eigenleistungen soll für den Zeitraum von drei Jahren bei maximal 25.000 Euro liegen. Zudem werden zwei weitere schnelle Reformschritte vorgeschlagen, um die Kostenbelastung zu senken: Die Ausbildungsumlage soll künftig von der Pflegekasse getragen werden. Und die Behandlungspflege in Heimen soll dann zulasten der Krankenversicherung gehen.
Ab 2028 werden dem Gutachten zufolge dann auch gravierende Änderungen in der häuslichen Pflege greifen. „Beim Bezug beruflich erbrachter Pflegeleistungen zahlen die pflegebedürftigen Personen ab Inkrafttreten der zweiten Reformstufe einen monatlichen Sockelbetrag in Höhe von 25 Prozent der pflegebedingten Kosten, höchstens allerdings 700 Euro. Zusätzlich wird ein Gesamteigenanteil in Höhe von max. 25.200 Euro festgelegt“, eine Regelung analog zu der für die Heime.
Diakonievorständin Ronneberger warb ebenfalls dafür, die Pflegeversicherung von einem Teilleistungssystem zu einer Pflegevollversicherung mit begrenzter Eigenbeteiligung weiterzuentwickeln. Das Gutachten zeige, dass Pflege auch in Zukunft bezahlbar bleiben und der Beitragssatz nachhaltig stabilisiert werden könne.
Andreas Wedeking, Geschäftsführer des Verbandes katholischer Altenhilfe in Deutschland, verlangte, die Grenzlinie zwischen ambulanter und stationärer Versorgung aufzuheben: „Die Pflegeleistung muss an den Bedarfen der Menschen ausgerichtet sein.“ Das betonte auch Rothgang und sagte, der neue Ansatz sei „ein Befreiungsschlag im Leistungsrecht“.
Eva Lettenmeier, Mitglied der Geschäftsleitung im Geschäftsbereich Pflegewirtschaft bei der Beratungsfirma contec , sagte, man müsse alles tun, damit „die Menschen im Alter so leben können, wie sie es wollen“. Dazu müsse man wegkommen von der Dominanz der Pflegeheime als „Versorgungsinseln“, die teuer und oft überfüllt seien. Die oft strengen Regeln in den Bundesländern müssten geändert werden. Ziel sei es, mehr und offene Versorgungsformen zu etablieren: „Das ist eine positive Vision, die nicht unmöglich ist.“
Beauftragt wurde das Gutachten von der Initiative Pro-Pflegereform, die sich seit 2016 bundesweit für eine Pflegereform einsetzt. Die Initiative wird von mehr als 120 Pflegeunternehmen mit 1.000 Pflegeheimen und 300 Pflegediensten sowie über 60 Verbänden und Organisationen unterstützt.
Berlin (epd). Gute Pflege muss wieder für alle bezahlbar sein - das ist das Kernanliegen der jüngsten Reformbemühungen der Initiative Pro-Pflegereform unter dem Titel „Alternative Ausgestaltung der Pflegeversicherung III“. „Das Gutachten von Professor Dr. Heinz Rothgang entwirft ein Konzept in drei Reformstufen für bezahlbare Pflege in einer Welt ohne Sektoren, also ohne die Aufteilung in stationär und ambulant“, heißt es dazu auf der Homepage. Für das Reformkonzept wird zudem ein Zeitplan entwickelt, der die Vision einer neuen Pflegeversicherung 2.0 in drei aufeinander aufbauenden Reformschritten abbildet. epd sozial veröffentlicht die Eckpunkte:
1. Reformstufe: Nachhaltige Entlastung im Pflegeheim ab 2026
Schon ab 2026 in der ersten Reformstufe soll durch die Begrenzung der Eigenanteile im Pflegeheim eine spürbare Entlastung für pflegebedürftige Personen greifen. Durch Umfinanzierung ordnungspolitisch falsch zugeordneter Leistungsbestandteile und einen Sockel- Spitze-Tausch reduziert und begrenzt bereits das Sofortprogramm das finanzielle Risiko von Pflegebedürftigkeit sowohl in Bezug auf die monatliche Höhe der Eigenanteile als auch über die gesamte Zeitdauer der Pflegebedürftigkeit in der stationären Pflege.
2. Reformstufe: Bedarfsorientierung und Stärkung der Häuslichkeit ab 2028
Ab 2028 sollen dann Reformbausteine umgesetzt werden, mit denen die Pflege vor allem im häuslichen Bereich durch individuelle Leistungsbemessung, ein neues Pflegegeld 2.0, eine Leistungserbringung im 3-Instanzenmodell mit Casemanagement in eine neue Dimension geführt werden soll. Beim Bezug beruflich erbrachter Pflegeleistungen zahlen die pflegebedürftigen Personen ab Inkrafttreten der zweiten Reformstufe einen monatlichen Sockelbetrag in Höhe von 25 Prozent der pflegebedingten Kosten, höchstens allerdings 700 Euro. Zusätzlich wird ein Gesamteigenanteil in Höhe von maximal 25.200 Euro festgelegt.
3. Reformstufe: Leistungserbringung ohne Sektoren in Wohnsettings ab 2030
Ab 2030 sollen die bürokratischen Sektoren und damit die Fehler aus den 90er Jahren endgültig überwunden sein. Die Differenzierung in einen ambulanten und einen stationären Sektor wird durch die Strukturreform somit aufgehoben und das Pflegesystem entlang einer Trennlinie Pflege/Wohnen neu organisiert. Hierzu werden individuell bedarfsorientierte Leistungen für jeden Pflegebedürftigen bemessen und in ein Budget überführt, das zur Ausgestaltung eines individuellen Pflegearrangements unabhängig vom Wohnort des Pflegebedürftigen genutzt werden kann.
Koblenz (epd). Stefan Sell sagt: „Man muss realistisch sehen, was kommen wird.“ Carsten Linnemann (CDU) werde die Arbeitsgruppe „Arbeit und Soziales“ bei den Koalitionsverhandlungen leiten. Er sei einer der maßgeblichen Protagonisten in den vergangenen Monaten gewesen, als das Bürgergeldsystem unter Beschuss genommen wurde: „Er wird diesen Kurs fortführen und zu radikalisieren versuchen.“ Die SPD habe auch in der Vergangenheit nur halbherzig hinter dem Bürgergeld gestanden. Ihr seien „die rentenpolitischen Punkte wichtiger, die sie der Union abverhandeln muss“. Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Herr Professor Sell, noch steht das Aus des Bürgergelds nur im Papier mit den Sondierungsergebnissen von Union und SPD. Aber damit zeichnet sich eine Rückkehr zu Hartz IV schon deutlich ab. Erwarten Sie hier, dass die SPD bei den Koalitionsgesprächen doch noch ihr soziales Gewissen entdeckt?
Stefan Sell: Nein, es wird wahrscheinlich keine substanziellen Änderungen bei der Marschrichtung mehr geben, denn die Union braucht hier einen symbolpolitischen Punkt und wird Korrekturen nicht mehr zulassen. Außerdem muss man sehen, dass die SPD schon in der Ampelkoalition Schritt für Schritt in Richtung auf die Forderungen aus der Union sowie damals noch der FDP eingeschwenkt ist und diese teilweise sogar überholt hat.
epd: Welche Entscheidungen meinen Sie?
Sell: Ende des Jahres 2023 wurden 100 Prozent Sanktionen für sogenannte Totalverweigerer angekündigt. Eine entsprechende Regelung im Paragrafen 31a Abs. 7 SGB II trat Ende März 2024 in Kraft. Dann gab es Änderungen im Kontext der Diskussion über die angeblichen und einigen tatsächlichen „Totalverweigerern“, die im SGB II vorgenommen wurden. Zu nennen ist auch das „Gesetz zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung“ (SGB-III-Modernisierungsgesetz) vom September 2024. Darin war unter anderem vorgesehen, dass künftig bei einer Pflichtverletzung die Leistungen einheitlich um 30 Prozent des jeweils maßgebenden Regelbedarfs gemindert werden - für drei Monate. Die bisherige stufenweise Minderungshöhe wird abgeschafft. Und bei einem Meldeversäumnis werden die Leistungen ebenfalls um 30 Prozent des Regelbedarfs für einen Monat gemindert. Der Gesetzentwurf ist im Geburtskanal steckengeblieben wegen des vorzeitigen Auseinanderbrechens der Ampelkoalition.
epd: In der Union werden Stimmen laut, Kanzlerkandidat Merz habe in Sachen Schuldenbremse eine Kehrtwende hingelegt. Bei der SPD muss man das in Sachen Bürgergeld so sehen. Wie erklären Sie die Abkehr von ihrem einstigen Reformprojekt?
Sell: Meine Wahrnehmung ist, dass das Bürgergeld zumindest für den Mainstream der SPD kein wirkliches Herzensanliegen war in dem Sinne, dass man wirklich substanzielle Veränderungen vornehmen wollte. Vielen in der SPD ging es vor allem um eine semantische Entsorgung von Hartz IV, weil dieser Begriff der SPD negativ zugeschrieben wurde. Nur eine eher überschaubare Gruppe in der SPD hatte neben dem symbolpolitischen Zugang auch einen inhaltlichen Reformimpuls. Vor allem aus den Reihen der Grünen wurde vonseiten engagierter Fachpolitiker das Projekt Bürgergeld vorangetrieben.
epd: 2022 sagte SPD-Parteichefin Saskia Esken: „Mit dem Abschied von Hartz IV geben wir zeitgemäße Antworten auf die sozialen Fragen im Land und setzen ein zentrales Versprechen aus unserem Wahlkampf und Koalitionsvertrag um. Das ist soziale Politik, die den betroffenen Menschen ebenso dient wie dem Land.“ Warum soll das heute keinen Bestand mehr haben?
Sell: Weil sich die Zeiten erheblich gewendet haben. Die beispiellose Kampagne, die wir vor dem Auseinanderbrechen der Ampel gegen das Bürgergeld und ganz bestimmte Empfänger erlebt haben, hat auch Schneisen bei den Sozialdemokraten beziehungsweise deren Mehrheitskreisen geschlagen. Es gab seit Jahrzehnten in einer beeindruckenden Regelmäßigkeit immer wieder öffentliche inszenierte Debatten über einen angeblichen oder tatsächlichen Missbrauch von Sozialleistungen. Vor allem, wenn es darum ging, Leistungsverbesserungen zu verhindern oder gegebene Leistungen zu diskreditieren, um sie dann einzuschränken. Aber die Wucht dessen, was wir in den vergangenen zwei Jahren beim Bürgergeld erlebt haben, ist von einer neuen Qualität und Durchschlagskraft. Selbst zaghafte Reformvorschläge werden sofort in einen medialen Strudel gezogen, der von massiver Zerstörungskraft und zugleich falscher Orientierung für die Bürger ist, die nicht zu den Experten gehören.
epd: Es geht nicht nur um eine Umbenennung, weg vom Bürgergeld, mit dem die Union seit jeher gefremdelt hat, sondern hin zu einer „Grundsicherung für Arbeitssuchende“. Wo liegen die bisher erkennbaren Unterschiede zum bestehenden Bürgergeld?
Sell: Man kann das vielleicht so zusammenfassen, dass es um eine Rückabwicklung der im Übrigen überschaubaren Neuerungen geht, die das Bürgergeld im Vergleich zum Hartz-System gebracht hat. Um ein Zurück zu Hartz IV sowie zumindest semantisch an einigen Stellen zu einem Hartz V im Sinne von noch härter daherkommenden Regelungen. Auch die „Neue Grundsicherung“, ein Begriff aus den Reihen der CDU, ist alter Wein in semantisch neuen Schläuchen.
epd: Die Drohkulisse ist schon aufgebaut: Arbeitsfähige können künftig zumutbare Arbeit nicht wiederholt verweigern, ohne den vollständigen Verlust der Unterstützung zu riskieren. Doch steht dem nicht das Bundesverfassungsgericht im Weg, das den Erhalt von mindestens 30 Prozent des Regelsatzes vorgibt?
Sell: Dass das alles angeblich verfassungswidrig sei, das betonen ja alle Sozialverbände und Kritiker des Vorhabens. Aber daran gibt es begründeten Zweifel. Denn dass das Bundesverfassungsgericht mindestens 30 Prozent vorgibt, stimmt so nicht. Ganz im Gegenteil: In dem Sanktionsurteil aus Karlsruhe findet sich explizit der Hinweis, dass auch ein vollständiger Leistungsentzug (einschließlich der Wohnkosten) möglich und sogar geboten sei. Das läuft über den Bedürftigkeitsbegriff. Kurz gefasst wird argumentiert: Wenn man a) in der Lage ist, die Bedürftigkeit aufzulösen durch eigene Lohnarbeit, und b) das aber nicht macht, dann ist man c) gar nicht bedürftig. Und dann können einem die Leistungen vollständig verweigert werden.
epd: Was bedeutet das in der Umsetzungspraxis?
Sell: Das ist das eigentliche Schlupfloch, wenn man nicht primär von „hinten“ über Sanktionen kommen will. Man erhöht die Zugangshürden in das System und das kann man darüber versuchen, dass man höhere Anforderungen zum Nachweis der Bedürftigkeit stellt. Deshalb ist die eigentlich wichtige Formulierung im Sondierungspapier auch diese: Man wolle „Mitwirkungspflichten und Sanktionen im Sinne des Prinzips Fördern und Fordern verschärfen“. Die Mitwirkungspflichten sind der anvisierte Hebel. Zumindest auf dem Papier.
epd: Viele Sozialverbände fordern seit Jahren höhere Leistungen bei der Grundsicherung, schon wegen der Preissteigerung. Zum künftigen Regelsatz finden sich keine Angaben. Finden sich in dem Papier überhaupt irgendwelche Verbesserungen?
Sell: Nein.
epd: Was sind die Hintergründe für diesen verschärften Kurs in der Arbeitsmarktpolitik? Viel Geld lässt sich da kaum einsparen.
Sell: Da haben Sie völlig recht. Das Einsparvolumen ist mehr als überschaubar. Insofern muss man den verschärften Kurs vor allem politpsychologisch interpretieren. Wir bewegen uns in dem engen Feld der Debatte über schärfere Sanktionen in einem haushälterisch verlorenen Krieg, denn es lassen sich hier keine nennenswerten Summen einsparen. Aber man bedient die hoch emotionalisierte Debatte, die sich auch daraus speist, dass bei diesem Thema tief sitzende Gerechtigkeitsvorstellungen der Mehrheitsgesellschaft verletzt werden und jeder Einzelfall wie ein Brandbeschleuniger wirkt. Man muss realistisch sehen, was kommen wird. Carsten Linnemann (CDU) wird die Arbeitsgruppe „Arbeit und Soziales“ bei den Koalitionsverhandlungen leiten. Er war einer der maßgeblichen Protagonisten in den vergangenen Monaten, als das Bürgergeldsystem unter Beschuss genommen wurde. Er wird diesen Kurs fortführen und zu radikalisieren versuchen. Die SPD wird sich vermutlich an dieser Stelle wohl nicht verkämpfen, denn ihr sind die rentenpolitischen Punkte wichtiger, die sie der Union abverhandeln muss.
Stuttgart, Lahr (epd). Der Fachverband Arbeitslosenhilfe der Diakonie Württemberg fordert einen „sozialen Arbeitsmarkt“ für Langzeitarbeitslose. Der Grund dafür ist, dass bereits zum Ende vergangenen Jahres 20 Prozent der Maßnahmen zur Arbeitslosenhilfe beendet wurden. Weitere Streichungen werden befürchtet, denn nach den Aussagen im Sondierungspapier von Union und SPD steht auch das Bürgergeld auf der Kippe und soll durch eine neue Form der Grundsicherung ersetzt werden. „Ein sozialer Arbeitsmarkt wäre sozialer und ehrlicher“, sagt Holger Fuhrmann vom Fachverband Arbeitslosenhilfe.
Nach seinen Vorstellungen sollten geförderte Arbeitsgelegenheiten nicht mehr befristet laufen, erläutert er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Vielmehr sollten sie auf Dauer, etwa in diakonischer Trägerschaft, angelegt sein. Mögliche Stellen sieht Fuhrmann bei Second-Hand-Kaufhäusern, im Umweltschutz oder der Grünpflege. Etwa ein Drittel der Beschäftigten in Ein-Euro-Jobs schaffe den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt nicht. Hier sei ein geschützter Rahmen gefordert, um „Leistungsminderungen“ dieser Menschen aufzufangen.
Formal fällt unter Langzeitarbeitslosigkeit jeder, der länger als zwölf Monate ohne Arbeit war und Unterstützung vom Staat erhält. Wer sechs Jahre am Stück ohne Arbeit war, sei trotz Förderung nicht in den ersten Arbeitsmarkt integrierbar, weiß der Experte: „Das sind Leute, die mit diesen Jobangeboten nichts anfangen können.“ Die Gründe seien vielfältig. Sie reichen von dauerhaften gesundheitlichen und psychischen Einschränkungen über ein höheres Alter - ab 50 Jahren - bis zu sozialen und persönlichen Problemlagen wie Suchterkrankungen oder Überschuldung.
Nähmen Betroffene unter Druck eine Arbeit auf, überstünden sie oft die Probezeit nicht, so die Erfahrung. Bereits nach einem halben Jahr hätten viele verlernt, sich in die Arbeitswelt einzufinden, betont Djahan Salar, Geschäftsführer des Sozialunternehmens „Neue Arbeit Lahr“ im badischen Ortenaukreis. Es falle dann schwer, regelmäßig zur Arbeit zu gehen, mit Kollegen oder Vorgesetzten zu kommunizieren, sich Arbeitsabläufe zu merken.
Die Beschäftigungsgesellschaft wurde 1984 vom Caritasverband Lahr und der Evangelischen Kirchengemeinde Lahr als gemeinnützige Hilfe für Arbeitslose gegründet. Sie bietet Arbeitsgelegenheiten als Maler, Maurer oder in Speditionen für Langzeitarbeitslose und Migranten. Außerdem setzt sie auf Berufsvorbereitung in Schulen.
Beim Übergang von der Schule in den Beruf spricht der Fachmann von einer „systematischen Desillusionierung“ der Jugendlichen. „Das Coaching am Küchentisch können viele Eltern nicht mehr leisten, weil Ausbildungsberufe zu komplex geworden sind.“ Es gehe darum, „Arbeit erlebbar“ zu machen. Viele Jugendliche hätten eine falsche Vorstellung von einem Beruf, der zu ihnen passt. Insofern fange der Kampf gegen Arbeitslosigkeit „im Prinzip im Kindergarten an“, ist Salar überzeugt.
Er verweist auch auf den strukturgebenden, stabilisierenden Faktor von Arbeit. „Menschen bauen ab, wenn sie nicht rauskommen“, sagt er. Arbeit habe auch einen therapeutischen Aspekt. Gerade Menschen über 55 Jahre, ohne Ausbildung, könnten körperlich schwere Arbeit oft nicht mehr leisten. Viele könnten auch keine acht Stunden am Tag mehr arbeiten. Von der Politik wünscht sich Salar, dass man „nicht an der falschen Schraube dreht“. Arbeitslosigkeit mache krank und belaste die Gemeinschaft mehr als ein staatlich gestützter sozialer Arbeitsmarkt.
Hamburg, Bochum (epd). Deutschland war im Frühjahr 2020 noch keine zwei Wochen im ersten Pandemie-Lockdown, da eröffneten Historiker das internetbasierte Mitmachprojekt „Coronarchiv“: Internetnutzer und -nutzerinnen wurden eingeladen, Fotos, Texte, Bilder, Fundstücke, Gedanken und Videos zur Pandemie einzureichen. „Sharing is caring - become a part of history!“ - auf Deutsch etwa: „Teilen ist Kümmern - werde Teil der Geschichte!“ - lautete das Motto.
Am 26. März 2020 ging das Projekt der Universitäten Bochum, Gießen und Hamburg, unterstützt von weiteren Institutionen, online - und ist es bis heute. Ziel: möglichst vielfältige und alltägliche Dokumente aus der Krisenzeit zu dokumentieren.
Das traf den Nerv der Zeit: Bereits nach einem knappen halben Jahr berichtete Mit-Initiator Thorsten Logge von der Universität Hamburg in einer Publikation der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in der Hansestadt von 4.500 Einreichungen.
Im „Coronarchiv“ geht es um Tagespläne von Familien, die Homeoffice und Homeschooling bewältigen mussten, ebenso wie um Sport in den eigenen vier Wänden. Aber auch ein „Virustagebuch“, Fotos von bemalten Steinen und leeren Supermarktregalen oder eine Vorfreude-Zettel-Sammelbox für „die Zeit danach“ sind zu finden.
Aktuell sind nach Auskunft von Historikerin Catharina Köhnke mehr als 7.000 Beiträge eingegangen, von denen (Stand 11. März) 6.341 auf die Seite hochgeladen sind. Eine Moderation sortiert beleidigende Inhalte oder Gesetzesverstöße aus. Köhnke, die im Arbeitsfeld Public History der Uni Hamburg als Projektkoordinatorin „CoronArchivare“ tätig ist, betont auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) aber: Eine Faktenprüfung durch das Projektteam gebe es nicht. Möglich ist daher, dass auch „Fake News“, Äußerungen von radikalen Impfgegnern und Verschwörungserzählungen auf der Seite landen.
Für den Historiker Malte Thießen sind solche Äußerungen jedoch kein Problem: „Das ist mit Archiven schon immer so gewesen“, sagt der Leiter des Instituts für westfälische Regionalgeschichte beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe und Honorarprofessor an der Uni Münster und verweist auf Schilderungen von früheren Zeitgenossen, die aktenkundig, aber nicht konsensfähig seien. „Diese Vielfalt gehört dazu und ist sogar eine große Chance“, sagt er, denn Auseinandersetzung mit der Geschichte gebiete Differenzierung, also Graustaufen statt Schwarz-Weiß-Malerei.
Auf das „Coronarchiv“ übertragen, bedeute das „leider auch, sich mit Verschwörungserzählungen auseinanderzusetzen, die ja für einen Teil der Bevölkerung sehr attraktiv waren“. Ebenso gehörten Impfgegner zur Geschichte dazu.
Zu den Beiträgen, die Nutzer in das Archiv hochluden, zählt auch ein Brief an das Coronavirus vom 31. März 2020: „Du mieses Stück! Ich schreibe Dir jetzt mal ein paar Dinge, die Dir nicht gefallen werden, aber die mehr als notwendig sind!“ schreibt „Ein Mensch“ sich seinen Frust über Sars-CoV2 und die Folgen von der Seele. Mit seiner Schlussfolgerung „...denn diese Welt kann voll und ganz auf Deine Existenz verzichten“ dürfte er vielen aus dem Herzen gesprochen haben. Der Brief endet mit: „Ohne Gruß - Ein Mensch, der wieder normal leben will“.
Für Malte Thießen ist eine „breite Überlieferung“ wichtig, „die die Corona-Geschichte auch von unten erzählt, von der Gesellschaft her, nicht nur von oben, von den politischen Vorgaben“. Mit dem Archiv der drei Unis „bekommen wir ein besseres Gesamtbild der Pandemie“, meint er. Die rein digitale Ausrichtung des „Coronarchivs“ passe zur digitalen Kommunikation des 21. Jahrhunderts in Messengerdiensten, auf Social Media und Webseiten.
Digital ging es auch los: Ausgangspunkt des Archivs waren zwei Tweets auf Twitter, wie X damals noch hieß, verfasst von Christian Bunnenberg, Juniorprofessor für Didaktik der Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum, am 22. März 2020. Als zweiter Initiator schaltete sich Thorsten Logge von der Hamburger Uni in die sich anschließende Twitter-Diskussion ein. Nils Steffen aus Hamburg und Benjamin Roers aus Gießen kamen hinzu. Bereits einen Tag nach Bunnenbergs Tweets berieten die vier Historiker in einer Videokonferenz über die Möglichkeit, eine digitale Plattform einzurichten. Danach dauerte es nur noch wenige Tage, bis das „Coronarchiv“ online ging.
„Weltweit gibt es zahlreiche Projekte, die Erinnerungen und Beobachtungen sammeln, die in einem Zusammenhang stehen mit der Ausbreitung von Covid-19“, heißt es auf der Projekt-Webseite, und weiter: Das „Coronarchiv“ stehe „im Austausch mit verschiedenen internationalen Projekten“, um vergleichende Forschung zu ermöglichen. Denn die Geschichte der Pandemie ist noch lange nicht zuende erzählt.
Leck (epd). Zweimal im Monat organisiert Melanie Hoffmann das Treffen „Kinder mit Extras“ in der Familienbildungsstätte in Leck im Kreis Nordfriesland. Ihr dreijähriger Sohn Max kann hier mit anderen Kindern spielen und Spaß haben. Max hat Trisomie 21, auch bekannt als Down-Syndrom.
Es ist das häufigste mit Behinderung einhergehende Syndrom, das auf einer „veränderten“ Chromosomenzahl im Zellkern beruht. In Deutschland leben 30.000 bis 50.000 Menschen mit Down-Syndrom, in den USA sind es 100.000 bis 150.000. Auf 650 Geburten fällt schätzungsweise eine mit Trisomie 21, heißt es auf der Homepage der Kinder - und Jugendärzte.
„Kinder mit Extras“ hat Melanie Hoffman als Treffpunkt für betroffene Familien ins Leben gerufen. „Das Schöne ist, dass Max Kontakt hat zu anderen Kindern und ich als Mutter mich austauschen kann, über die Probleme, die wir im Alltag haben“, erklärt sie. Mit den anderen Eltern spricht sie über Erkrankungen und Angewohnheiten der Kinder, aber auch darüber, welche Ärzte besucht werden und wo die Eltern positive oder negative Erfahrungen gesammelt haben. Wenn alle da sind, kämen momentan sechs Kinder im Alter von eineinhalb bis acht Jahren zu den Treffen.
Nachdem Max 2021 mit Trisomie zur Welt gekommen ist, fühlte sich Melanie Hoffmann alleine und schlecht informiert: „Wir hier auf dem Land müssen uns unsere Informationen selber aneignen. Vieles geht leider unter.“ Großes Thema bei Familie Hoffmann zurzeit ist die Krankenzusatzversicherung. Die könne bis zum sechsten Lebensmonat abgeschlossen werden, ohne Gesundheitsfragen - etwa nach der Trisomie - beantworten zu müssen. Das habe die 41-Jährige allerdings nicht gewusst. „Jetzt ist er drei und ich hätte sie gerne. Aber jetzt muss ich die Fragen beantworten und die Versicherungen nehmen ihn nicht mehr an.“
Außerdem spüre sie auch die zeitlichen Belastungen zwecks mangelnder Angebote auf dem Land. Die Wartelisten für Logopädie und Physiotherapie im Umkreis seien lang. In größeren Städten würde sie wahrscheinlich schneller einen Platz für Max bekommen, müsse dann aber eine lange Anfahrt in Kauf nehmen. Auch deshalb wünscht sie sich mehr Angebote auf dem Land.
In Flächenländern wie Schleswig-Holstein gebe es häufig geografisch bedingte regionale Unterschiede. „Die Angebote für Menschen mit Behinderung bestehen vorrangig in den Oberzentren und Städten. Für viele Menschen, die in ländlichen Regionen leben und einen Unterstützungsbedarf haben, ist das problematisch“, erklärt Michaela Pries, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein.
Auch deshalb müsse Inklusion immer mehr als Querschnittsaufgabe verstanden werden, sagt Pries. „Inklusion beginnt in den Köpfen, es geht also um 'Haltung'. Dazu müssen Begegnungen und damit einhergehend der Abbau von Berührungsängsten und Vorbehalten möglich sein“, sagt die Landesbeauftragte. Dazu müsse die Öffnung der Regelsysteme, wie Kita, Schule, Beruf und Freizeitangebote, weiter verbessert werden. Damit einher gehe auch eine umfänglichere Barrierefreiheit unter anderem im öffentlichen Raum: „Teilhabe kann eben nur gelingen, wenn alle Menschen gleichermaßen Zugang haben.“ Deshalb fordert sie den Abbau von „Sonderwelten“, in denen Menschen mit Behinderung separiert leben, lernen, arbeiten und wohnen.
Der diesjährige Welt-Down-Syndrom-Tag (21. März) steht unter dem Motto „Improve Our Support Systems“. Das deutsche Down-Syndrom-Infocenter schreibt: „Es geht es dieses Jahr darum, wie wichtig Unterstützung und Unterstützungssysteme für Menschen mit Down-Syndrom sind.“ Menschen mit Down-Syndrom hätten das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. „Doch damit sie ihre Möglichkeiten voll ausschöpfen können, braucht es starke Unterstützungssysteme. Der Welt-Down-Syndrom-Tag 2025 stellt diese Systeme in den Mittelpunkt.“
Die Existenz bestehender Sonderwelten nimmt Melanie Hoffmann deutlich wahr. Das Leben auf dem Land mit Behinderung sei vor allem von mangelnder Sichtbarkeit geprägt. Sie sehe in ihrem Alltag nur wenige Menschen mit Behinderung im öffentlichen Raum. Deshalb veranstaltet Hoffmann am heutigen Welt-Down-Syndrom-Tag bereits zum zweiten Mal ein Fest für Kinder mit Behinderung, deren Eltern, Verwandte, Freunde und werdende Eltern von Kindern mit Trisomie. Die Feier findet dieses Jahr im Tierpark in Gettorf statt. Sie hofft insgesamt hofft sie auf mehr Sichtbarkeit: „Damit die Gesellschaft versteht, wir sind nicht alle gleich, aber wir gehören alle hier her - und sind gut, so wie wir sind.“
Berlin (epd). Das Ergebnis der neuen Erhebung „Jung und vielfältig, aber noch nicht politisch beteiligt? Wege zu mehr Partizipation für junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte“ kommt nicht überraschend, aber ein weiteres Alarmzeichen ist es gleichwohl. Junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sind demnach seltener politisch aktiv als Gleichaltrige ohne Zuwanderungsgeschichte, wie die Untersuchung des wissenschaftlichen Stabs des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) belegt. Beleuchtet wurden die Teilhabechancen junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zwischen 15 und 35 Jahren.
In Deutschland hatte 2023 knapp 30 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund; in etwa die Hälfte aller Personen mit Zuwanderungsgeschichte besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Allerdings spiegelt sich die Vielfalt der Bevölkerung bislang nicht in der politischen Repräsentation wider. Besonders junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sind seltener politisch aktiv (11 Prozent) als Gleichaltrige ohne Zuwanderungsgeschichte (40 Prozent), das verdeutlichen quantitative Daten aus dem SVR-Integrationsbarometer 2024.
„Aus integrationspolitischer Sicht ist das problematisch, weil Teilhabe politische Zugehörigkeit symbolisiert und die Identifikation mit dem Gemeinwesen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken kann“, sagte Nora Storz, Autorin der Studie und Mitarbeiterin im wissenschaftlichen Stab des SVR.
Die Studie entstand im Rahmen des Praxisprojekts „YoungUP!, Junge BIPoC für Teilhabe ermutigen, begeistern und aktivieren“, das vom Förderverein des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats (BZI) verantwortet und von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und zugleich Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus gefördert wird.
Staatsministerin Reem Alabali-Radovan sagte dazu: „Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind noch längst nicht gleichberechtigt in der Politik vertreten. Das ist ein Problem, denn mangelnde Repräsentation schwächt die Demokratie und den Zusammenhalt in unserem Land.“
Mithilfe qualitativer Interviews geht die Studie dem Beteiligungsdefizit junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte auf den Grund. „Einige Befragte sehen ihre Interessen in der aktuellen politischen Landschaft nicht gut vertreten. Sie wünschen sich eine gezieltere Ansprache durch die Politik, zum Beispiel an Orten, die verstärkt von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte frequentiert werden, etwa in Schulen oder benachteiligten Stadtteilen, aber auch in den sozialen Medien“, berichtete Storz. Das würde den Zugang zur Politik erleichtern, denn oft fehle es den Befragten an Wissen über politische Strukturen und Beteiligungsmöglichkeiten.
Dafür ist der Studie zufolge auch politische Bildungsarbeit entscheidend. Die Autorinnen und Autoren empfehlen, Angebote politischer Bildung schon ab dem Grundschulalter an allen Schulformen vorzusehen. Planspiele, Exkursionen und Kooperationen mit außerschulischen Bildungsträgern seien Möglichkeiten, um Politik lebensnah zu vermitteln. „Auch Vereine, Migrantenorganisationen und sonstige zivilgesellschaftliche Akteure können hier eine zentrale Rolle spielen“, hieß es.
„In der parlamentarischen Demokratie sind die Parteien gefordert, sich stärker als bisher für junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu öffnen und ihnen attraktive Angebote zu machen - ganz in ihrem eigenen Interesse“, sagte Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung beim SVR.
Zudem hat der SVR Empfehlungen für die neue Legislaturperiode vorgelegt und politischen Handlungsbedarf umrissen. Die Expertinnen und Experten raten in dem Papier zu einer wirksamen Migrations- und Integrationspolitik mit Maß und Mitte. Und: Migration müsse möglichst effektiv gesteuert werden, „um Fachkräfte zu gewinnen, und die Flüchtlingsaufnahme einerseits und Rückführungen von nicht Schutzberechtigten andererseits menschenrechtskonform und europäisch umzusetzen“.
Weiterhin muss den Fachleuten zufolge Integration und Teilhabe aller gefördert werden und in Wohnraum, Kitas und Schulen investiert werden. Das dient der Akzeptanz von Vielfalt. „Jeder Form von Gewalt und Extremismus oder Diskriminierung muss entschieden entgegengetreten werden“, heißt es in dem Papier. In der neuen Legislaturperiode werde es darum gehen müssen, „im sachlichen Ringen um gute Kompromisse eine ausbalancierte Integrations- und Migrationspolitik umzusetzen“.
Berlin (epd). Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) fordert, in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD die medizinische Versorgung der Menschen in den Krankenhäusern bestmöglich zu sichern. Das sei „keine gewöhnliche Dienstleistung, sondern ein Recht, das sich aus der Würde des Menschen ableitet“, heißt es in einer Mitteilung des Verbandes. Worauf es dabei ankomme, habe der DEVK in seinen Positionen für die 21. Legislatur des Deutschen Bundestages zusammengestellt. Die Kernpunkte darin lauten:
1. Vorhaltefinanzierung neu gestalten: Die aktuellen Regelungen der Vorhaltefinanzierung erhöhen Bürokratie und Komplexität, ohne die angestrebten Ziele zu erreichen. Kurzfristig muss eine Brückenfinanzierung in Form einer pauschalen Erhöhung der Landesbasisfallwerte die finanzielle Lage der Krankenhäuser sichern. Die Finanzierung muss so weiterentwickelt werden, dass sie den tatsächlichen Versorgungsbedarf der Bevölkerung widerspiegelt.
2. Notfallversorgung sektorenübergreifend reformieren: Für die Notfallversorgung ist eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich, die die Strukturreform der Krankenhäuser ergänzt. Neben der Einführung von integrierten Leitstellen und Notfallzentren und eines digitalen Ersteinschätzungsinstruments ist ein bundeseinheitliches Notfallregister verpflichtend einzuführen.
3. Vorgaben für die sektorenübergreifenden Versorger vereinfachen: Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz sollen sich ausgewählte Krankenhäuser zu sektorenübergreifenden Versorgern entwickeln. Diese sichern die wohnortnahe Versorgung. Die aktuellen Vorgaben für diese Einrichtungen sind aber zu komplex und müssen gesetzlich angepasst, radikal vereinfacht und reduziert werden. Es braucht ein garantiertes Gesamtbudget.
4. Dokumentationspflichten auf ein Minimum reduzieren: Ärzte und Ärztinnen verbringen täglich mehrere Stunden mit Bürokratie. Daher muss jede Dokumentationspflicht auf ihre Notwendigkeit und ihr Automatisierungspotenzial überprüft werden.
5. Pflegepersonalbedarfsbemessung (PPR 2.0) auf den Prüfstand stellen: Wesentlichen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus hat die bedarfsgerechte Besetzung mit Pflegepersonal. Durch eine Evaluation bis Ende 2028 sollte die Wirksamkeit der PPR 2.0 geprüft werden. Falls keine messbare Verbesserung erreicht wird, ist die Pflegepersonalbedarfsbemessung auf Basis von PPR 2.0 auszusetzen.
Neustadt (epd). Prince Biju verstand nicht, was er an den Kopf geworfen bekam. „Du gehst hier raus“, rief ein Patient dem groß gewachsenen Inder böse entgegen, als dieser das Krankenzimmer betrat. Der 21-Jährige stand da gerade am Beginn seiner dreijährigen dualen Ausbildung zum Pflegefachmann. „Ich verstand den Mann nicht richtig, konnte nicht antworten“, erinnert er sich.
Mittlerweile ist sein Deutsch richtig gut, und er könnte auch Anfeindungen etwas entgegensetzen. Den fremdenfeindlichen Vorfall habe er aber für sich abgehakt, sagt er. Einmal in der Woche besucht er in Neustadt an der Weinstraße einen Berufssprachkurs für Auszubildende zur Pflegefachkraft, die aus dem Ausland nach Deutschland gekommen sind.
Immer montags treffen sich Prince Biju, Mame Awa Samb aus dem Senegal, Ijlal El Guess, Ilyas Rafia und Abdelmonaim Ahfir aus Marokko, Albana Uka aus dem Kosovo und andere junge Pflege-Azubis im Bildungszentrum für Berufe im Gesundheitswesen: Eineinhalb Stunden, manchmal sogar einen ganzen Tag lang, machen sie sich fit in Deutsch.
„In der Pflege ist Kommunikation mit Patienten, Ärzten und Pflegepersonal sehr wichtig“, sagt Sprachlehrerin Annette Quantz. In dem besonderen Sprachkurs geht es um Hörverstehen, pflegerische und medizinische Fachsprache, aber auch um die Alltagssprache. Quantz kommt vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands, finanziert wird der spezielle Kurs vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Die Zahl der Auszubildenden in der Pflege, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, steige an, berichtet Nadine Scherer, die Leiterin der Pflegeschule. Mehr als 50 Prozent des Pflegefachpersonals habe einen Migrationshintergrund. Obwohl ausländische Bewerberinnen und Bewerber oft über ein gutes B2-Sprachniveau verfügten, sei es nötig, deren Deutsch- und Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern.
Zudem ließen sich durch den Kurs Ausbildungsabbrüche aufgrund von Sprachproblemen vermeiden, betont Scherer. Mit Blick auf den Fachkräftemangel in der Pflege sei es dringend nötig, die jungen Leute aus dem Ausland zu halten. Fast alle der ausländischen Schüler seien für den anspruchsvollen Pflegeberuf geeignet, „aber die Sprachbarrieren sind zu hoch“, sagt Scherer. Einige mussten deshalb die Ausbildung zum Ende der Probezeit noch einmal neu beginnen.
Auf dem Kursprogramm steht an diesem Nachmittag das Thema Pflegedokumentation, das im Alltag eine sehr wichtige Rolle spielt. „Ist '1A' im Bericht eine gute Formulierung?“, will Sprachlehrerin Quantz von ihrer Klasse wissen. „Nein, das kann man nicht machen“, meldet sich Mame Awa Samb aus dem Senegal. Alle sind hoch konzentriert, die Stimmung ist gut. Die jungen Leute sind wissbegierig und helfen sich gegenseitig. Für sie sei die Pflegeausbildung eine neue Perspektive für ein gutes Leben, sagt Schulleiterin Scherer. Aber sie hätten auch Angst, zu versagen, der Druck sei daher hoch.
Prince Biju hat sich mit Bedacht für eine Ausbildung in Deutschland entschieden. „Sie ist besser als in Indien, wo man dafür bezahlen muss, oder in den USA und Kanada“, sagt er. In einer dualen Ausbildung besuche man als Azubi die Schule und sammele zugleich praktische Erfahrung. Und man verdiene Geld und sei unabhängig, sagt er.
Einige der Pflegeauszubildenden haben schon in ihrer Heimat Sprachkurse besucht, so wie der 24-jährige Marokkaner Ilyas Rafia. Sprachlehrerin Quantz spielt eine Hörprobe ein: „Können Sie mir eine Schlaftablette bringen?“ fragt eine Dame in zitterigem Hochdeutsch. Das geht, aber die Grenzen des Sprachverstehens seien erreicht, wenn Dialekt gesprochen werde, erzählen die jungen Leute.
Bei einem Punkt werden die jungen Arbeitsmigranten ganz ernst: Nicht immer fühle man sich willkommen in dem Land, das die neue Heimat werden solle. Anfeindungen, wie Prince Biju sie erfahren hat, rassistische oder diskriminierende Sprüche, gebe es schon, berichtet die Senegalesin Samb. Aber sie reckt trotzig den Kopf: „Mir ist das egal, ich mache Augen und Ohren zu“, sagt die 29-Jährige. „Ich arbeite und bezahle meine Steuer hier. Ich habe ein Ziel, ich schaffe das, egal was passiert.“
Stuttgart, Heidelberg (epd). Die Pläne des baden-württembergischen Sozialministeriums zum Bürokratieabbau in Pflegeheimen stoßen auf scharfe Kritik. „Die Abschaffung der Landesheimmitwirkungsverordnung wäre ein Schritt nach hinten“, sagte Claudia Stockert aus Heidelberg, Vorstandsmitglied des Bonner BIVA-Pflegeschutzbunds, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der baden-württembergische Landesseniorenrat wiederum sprach laut Ärztezeitung von einem „sozialpolitischen Dammbruch“.
Die Verordnung stammt aus den 1970er Jahren und bildet die Rechtsgrundlage für die Mitwirkung von Heimbewohnern. Ziel ist es, deren Selbstständigkeit und die Selbstbestimmung sowie die Mitwirkung bei Entscheidungen, die sie betreffen, zu sichern. Die Rechte der teilweise betagten Bewohner können laut Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz an Interessenvertreter abgetreten werden.
Die Beiräte treten als Vermittler zwischen Heimbewohnern und Heimleitung auf. Sie bilden zudem eine weitere Kontrollinstanz neben der Heimaufsicht durch die Stadt- und Landkreise. So müssen Heimbeiräte über Veranstaltungen, Kostensteigerungen oder die Übernahme von Heimen informiert werden; zugleich tragen sie als Sprachrohr der Bewohnerinnen und Bewohner deren Erwartungen und Bedürfnisse an die Heimleitungen heran.
„Ich frage mich, wie die Mitwirkung erhalten werden kann, wenn diese Verordnung ersatzlos gestrichen wird“, sagte Stockert. Sie befürchte, dass die Selbstbestimmungsrechte der Bewohner stark eingeschränkt würden. Die Sozialwissenschaftlerin sieht das mit großer Sorge: „Die Menschen bezahlen teilweise 3.000 bis 3.500 Euro im Monat Eigenanteil und werden quasi entmündigt.“
Auch die geplante Einschränkung von Qualitätskontrollen stößt auf Kritik. Laut dem Entwurf des Ministeriums soll künftig alle fünf Jahre statt wie bisher einmal jährlich routinemäßig kontrolliert werden. Ambulant betreute Wohngruppen sollen danach ganz von Kontrollen ausgenommen sein. Alle fünf Jahre eine Kontrolle sei „sehr, sehr wenig“, gibt Stockert zu bedenken. Schließlich gehe es in den Heimen um selbstbestimmtes Leben und um ein Sterben in Würde. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels bräuchte es in Zukunft eher „mehr als weniger Kontrolle.“ Eine Umfrage des BIVA-Pflegeschutzbundes unter den rund 1.500 Pflegeheimen in Baden-Württemberg ergab, dass 97 Prozent der Befragten die Mitwirkung beibehalten möchten.
Das Ministerium legt Wert darauf, dass es sich um ein sehr frühes Verfahrensstadium zur Änderung des Wohn-, Teilhabe und Pflegegesetzes (WTPG) handelt. Ziel sei es, „die bisherigen Regelungen zu entbürokratisieren und zu flexibilisieren“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. „Die Heimaufsichtsbehörden sollen nach dem derzeitigen Sachstand von reinen Routinekontrollen entlastet werden, um ihre Kapazitäten zielgerichtet in Einrichtungen einzusetzen, die Probleme oder Qualitätsmängel aufweisen und einer engen Begleitung durch die Heimaufsichtsbehörde bedürfen“, heißt es.
Angedacht sei zudem, „den Beratungsauftrag der Heimaufsicht“ zu stärken und so den Schutz der Bewohner sicherzustellen. Dem Ministerium zufolge werde es zunehmend schwieriger, Personen zu finden, die sich in einen Heimbeirat wählen lassen. Auf dem Prüfstand stehe daher „die alte und bürokratische Landesheimmitwirkungsverordnung mit ihren sehr kleinteiligen Anforderungen.“ Die Mitwirkung und Mitgestaltung der Bewohnerinnen und Bewohner werde jedoch auch im geänderten WTPG „gefördert und unterstützt.“
Unterstützung für die Änderungen kommt indes von der Evangelischen Heimstiftung, die in Baden-Württemberg mehr als 90 stationäre Pflegeheime betreibt. „Die Mission von Minister Lucha in der Entlastungsallianz kann ich nur unterstützen“, teilte Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider dem epd in einer schriftlichen Stellungnahme mit. „Die Pflegeheime und die Pflegedienste sind im Würgegriff der Bürokratie.“
Die Befürchtungen einzelner Interessenverbände, der Schutz der Heimbewohner könnte leiden, seien seiner Überzeugung nach unbegründet. Jede Pflegeeinrichtung habe ein eigenes, sehr hohes Interesse, eine bestmögliche Pflege und Betreuung sicherzustellen. Kontrollen der Heimaufsicht und des Medizinischen Dienstes werde es weiterhin geben.
„Mutig und ohne Vorbehalte unterstützungswürdig finde ich den Vorstoß von Herrn Lucha, die strikten Regelungen der Landesheimbauverordnung zu lockern“, so Schneider. Damit könnten Pflegeplätze wieder billiger und flexibler angeboten werden.
Frankfurt a.M. (epd). Geht es darum, jemanden kennenzulernen, ist das echte Leben inzwischen fast zum Nebenschauplatz geworden: Wer Kontakt knüpfen möchte, begibt sich ins Internet. Das tat auch Sandra (Name geändert), Patientin der Münchner Paartherapeutin Sharon Brehm. Die 25-Jährige wurde auch rasch fündig: „Nach nur wenigen Malen des Kontakts hatte sie ihre neue Onlinebeziehung schon als tief und intensiv empfunden“, berichtet Brehm. Dann sei von jetzt auf nachher keine Antwort mehr gekommen: „Das erlebte sie wie einen Aufprall von Wolke sieben auf die Erde.“
Völlig unerwartet verschwindet ein anderer Mensch. Zum Teil gibt es überhaupt keine Möglichkeit mehr, ihn zu erreichen. Die Handynummer wurde nie weitergegeben. Das Profil im Netz wird gelöscht. Wie ein Geist löst sich der andere auf. Daher heißt dieses Phänomen „Ghosting“. In privaten Beziehungen ist es schon länger bekannt.
Auch in der Arbeitswelt scheint Ghosting zuzunehmen. Davon erzählt die Psychologin Ulrike Witt. Gefördert werde Ghosting in der Arbeitswelt durch den Mangel an Personal, erklärt sie. In bestimmten Branchen, etwa im Einzelhandel oder in der Gastronomie, haben Interessenten eine große Auswahl an Arbeitgebern. Sie bewürben sich darum meist auf mehrere Stellen. Sagen vielleicht mehrfach zum Bewerbungsgespräch zu. Kommen dann aber nicht, und zwar ohne sich abzumelden. In diesem Ausmaß, sagt Witt, habe es das früher nicht gegeben: "Da sagte man ab.”
Witt ging in einer im Januar veröffentlichten Einzelhandelsstudie auf Ghosting ein. Weil die Problematik wächst, fand sie heraus, haben immer mehr Arbeitgeber so genannte Preboarding-Konzepte. Das bedeutet: Sobald jemand den Arbeitsvertrag unterschrieben hat, wird er ins Unternehmen eingebunden. Teilweise deutlich vor dem ersten Arbeitstag. Die neuen Mitarbeiter lernen schon mal das Unternehmen und ihre künftigen Kollegen kennen. Viel wird getan, damit sie tatsächlich zum ersten Arbeitstag erscheinen.
Man könne den Ghostern nicht böse Absicht unterstellen, so die Forscherin. Häufig scheint es reine Gedankenlosigkeit zu sein: Ergibt sich etwas Besseres, ist man einfach weg. Dennoch: Dass schlichte Höflichkeitsformen verschwinden, die früher gang und gäbe waren, sei keine gute Entwicklung.
Auch im Gesundheitswesen tritt Ghosting auf. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung und Professor für Neurologie an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Nürnberg, erlebt das mitunter in seiner Spezialsprechstunde. „Diejenigen, die am meisten Tamtam um einen Termin machen, die sofort kommen wollen, sind die, die dann einfach nicht auftauchen“, berichtet er. Weil Ghosting zunehme, ließen sich immer mehr Ärzte bei der Terminvergabe die Adresse des Patienten geben. Tauche jemand nicht auf, werde eine Rechnung geschickt.
Harald Ebert, Leiter der Don-Bosco-Förderberufsschule in Würzburg, erlebt ebenfalls Ghosting, und zwar eng verknüpft mit der Problematik der Schulvermeidung. Schülerinnen und Schüler, so Eberts Überzeugung, möchten, dass ihre Abwesenheit wahrgenommen wird. "Werden junge Menschen an Schultagen vermisst, versuchen wir deshalb, telefonisch Kontakt aufzunehmen oder fragen im Freundeskreis oder in der Klasse vorsichtig nach”, erklärt er.
Durch die Sozialarbeiter der Schule, die den ghostenden Schüler kontaktieren, werde das plötzliche Verschwinden meist erklärbar, sagt der Pädagoge: „Wir hören von psychischen Belastungen, Beziehungskrisen, Mobbing, Schwangerschaften oder sexuellem Missbrauch.“ Für Ebert kann Ghosting zum Teil als selbstverletzendes Verhalten interpretiert werden: „Die kleine Schwester des Abbrechens von Beziehungen heißt Einsamkeit.“
Dass beides in einem Zusammenhang steht, konstatiert auch der Neurologe Erbguth. Sowohl Ghosting als auch Einsamkeit, sagt er, nähmen parallel zu. Folgen habe das Phänomen Ghosting in Beziehungen aber vor allem für die Geghosteten. Wissenschaftliche Analysen liegen zwar nach Erbguhts Wissen noch nicht vor. Zur Auswirkung von Ghosting allerdings gebe es Untersuchungen: „Wir wissen, was im Hirn passiert.“
Ein Geghosteter fühle sich als jemand, den man benutzt und dann weggeworfen hat, erklärt Erbguth. Ghosting könne sehr schmerzhaft sein. Im Kernspin könne sichtbar gemacht werden, dass Reaktionen auf einen solchen Schmerz im Gehirn genau dort prozessiert werden, wo auch körperlicher Schmerz verarbeitet wird.
Das Fatale ist laut Erbguth dass der Ghoster oft noch lange im Gehirn des Geghosteten herumgeistert. Zum hundersten Mal stelle sich der Verlassene die Frage: Warum ist das passiert? Was habe ich falsch gemacht? Die Betreffenden verhielten sich hinterher oft übervorsichtig: „Lassen sie sich doch mal wieder auf jemanden ein und passiert das noch mal, ist das der Gau.“
Auch die Therapeutin Brehm sagt, die Auswirkungen des Ghostings seien mitunter drastisch: „Wer geghosted wird, kann das Vertrauen in andere Menschen und in sich selbst verlieren.“ Die Gründe des Ghostings dürfe man aber nicht in einen Topf werden, warnt sie. Natürlich gebe es die herzlosen Ghoster, denen andere egal seien. Es könne aber auch sein, sagt Brehm, dass ein Ghoster vorher mehrfach versucht hat, seine Bedürfnisse zu kommunizieren und immer wieder gescheitert ist. Die Welt sei auch hier nicht nur Schwarz und Weiß.
Berlin (epd). Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) und das Deutsche Institut für Menschenrechte fordern von der künftigen Bundesregierung entschiedene Schritte gegen Wohnungslosigkeit. Das müsse „als ein prioritäres Ziel im Koalitionsvertrag verankert werden“, heißt es in einer Mitteilung der BAG W vom 18. März. Alle politischen Ziele zur Überwindung von Obdachlosigkeit „sollten in einer nationalen Gesamtstrategie festgelegt werden“, teilte das Institut mit.
„Wohnen darf nicht zu einem Luxusgut werden. Die Bereitstellung von bedarfsgerechtem Wohnraum muss schnell umgesetzt werden, um die sozialen Notlagen zu verringern und zu vermeiden“, mahnte Susanne Hahmann, Vorsitzende der BAG W.
Die Zahl der wohnungslosen Menschen ist in Deutschland ist nach ihren Angaben in den zurückliegenden Jahren auf mindestens 531.600 gestiegen. Dabei seien Menschen, denen Wohnungslosigkeit aufgrund von Zwangsräumungen und Räumungsklagen unmittelbar drohe, noch nicht eingerechnet. „Eine Trendumkehr ist dringend erforderlich, jedoch findet sich im aktuellen Sondierungspapier kein Wort zur Überwindung von Wohnungslosigkeit.“
Trotz der alarmierenden Entwicklungen würden aktuell in vielen Kommunen zentrale Hilfeangebote gestrichen, weil sie als „freiwillige Leistungen“ gelten. Das sei fatal, so Hahmann. „Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass die soziale Infrastruktur im Sondervermögen für Infrastruktur berücksichtigt wird.“
Die BAG W forderte Union und SPD auf, den Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit fortzuführen und die erforderlichen Maßnahmen mit einem ausreichenden Budget abzusichern. Es gelte, die drohende soziale Krise abzuwenden.
„Um zu verhindern, dass noch mehr Menschen ihre Wohnung verlieren, braucht es wirksame Maßnahmen zur Mietpreisregulierung sowie eine Stärkung des Mietrechts. Dazu gehört zwingend eine Ausweitung der Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung, also die Möglichkeit, dass eine Kündigung unwirksam ist, wenn die Mietschulden nachgezahlt werden“, sagte Claudia Engelmann, stellvertretende Abteilungsleiterin Menschenrechtspolitik am Deutschen Institut für Menschenrechte.
Auch müsse deutlich mehr als bisher in den sozialen Wohnungsbau investiert werden. Hier seien Bund und Länder gemeinsam in der Pflicht. Darüber hinaus könne der Bund ein Förderprogramm zur Anschubfinanzierung kommunaler Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit auflegen.
Der aktuelle Wohnungslosenbericht der Bundesregierung vom Januar 2025 zeigt laut Engelmann auch: „Diesen Menschen fehlt nicht nur eine Wohnung, sie haben häufig auch keine angemessene Gesundheitsversorgung und sie erfahren Gewalt und Diskriminierung. Ihre Rechte auf Wohnen, Gesundheit oder auf Schutz vor Gewalt sind so massiv eingeschränkt.“
Berlin (epd). Der Deutsche Fundraising Verband sieht einen zunehmenden Trend von Vermächtnissen für einen gemeinnützigen Zweck. Jede fünfte Person in Deutschland zwischen 50 und 70 Jahren könne sich vorstellen, eine gemeinnützige Organisation im Testament zu bedenken, teilte der Fundraising Verband am 17. März in Berlin unter Verweis auf eine Umfrage mit.
Noch höher sei diese Bereitschaft bei denjenigen, die in den vergangenen zwölf Monaten einmal gespendet haben. In dieser Gruppe könnten sich bei den 50- bis 59-Jährigen fast ein Drittel „das gemeinnützige Vererben“ vorstellen; in der Gesamtgruppe der zwischen 50 und 70 Jahre alten Spender noch mit 27,2 Prozent mehr als ein Viertel.
Vorherrschend sei allerdings der Wunsch, mit dem Erbe „die eigenen Angehörigen zu versorgen“ (72 Prozent). Zudem glaube ein Fünftel (20,5 Prozent), dass das Erbe zu klein sei und „man damit nichts bewegen könne“. Die beliebtesten Zwecke bei potenziellen Erblassern seien der Tierschutz (39,8 Prozent), Umwelt- und Naturschutz (27 Prozent) sowie die Kinder- und Jugendhilfe (23,5 Prozent).
Die Geschäftsführerin des Fundraising Verbandes, Larissa Probst, betonte, die Umfrageergebnisse böten große gesellschaftlichen Chancen: „Die positive Beschäftigung mit dem Älterwerden wird kombiniert mit der gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft über das eigene Leben hinaus.“
Die Sprecherin der Initiative „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum“, Susanne Anger, erklärte, „viele Menschen suchen verstärkt nach alternativen Wegen, ihre Werte an die nächste Generation weiterzugeben“. Die Frage „Was bleibt, wenn ich nicht mehr da bin?“ bewege immer mehr Menschen im Land: „In dem Wunsch, mit seinem Erbe einen guten Zweck zu bedenken, liegt daher bedeutendes Potenzial für das Gemeinwohl.“
Die Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bildung, Katja Hintze, betonte, „gerade auch kleinere Beträge können viel bewirken und Bleibendes schaffen“. Es brauche das zivilgesellschaftliche Engagement in Form von Erbschaften und Spenden.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, Holger Hofmann, bestätigte, auch seine Organisation erfahre immer stärker Unterstützung durch Vermächtnisse und Erbschaften: „Wir erleben eine immer größere Bereitschaft der Menschen, sich für eine Testamentsspende zu entscheiden.“
Laut dem Spendenmonitor 2024 haben die Menschen in Deutschland vergangenes Jahr rund sechs Milliarden Euro gespendet, pro Kopf 174 Euro. Großspenden von mehr als 1.500 Euro wurden dabei nicht berücksichtigt. Damit stieg die Durchschnittsspende gegenüber dem Vorjahr um vier Euro und die Spenderquote um 1,6 Prozent auf 50,2 Prozent.
Im Auftrag des Deutschen Fundraising Verbandes und in Kooperation mit der Initiative „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum“ wurden den Angaben zufolge zwischen Mitte Oktober und Mitte November 2024 insgesamt 2.674 Personen zwischen 50 und 70 Jahren befragt. Die Umfrage zum „gemeinnützigen Vererben“ erfolgte erstmals im Rahmen der regelmäßigen „Spendenmonitor“-Umfrage durch das Marktforschungsinstitut Bonsai. Die Initiative „Mein Erbe tut Gutes“ ist ein Zusammenschluss von 26 gemeinnützigen Organisationen.
Bonn (epd). Der Verein donum vitae hat zum Auftakt der Koalitionsgespräche von Union und SPD sechs frauen-, familien- und gesundheitspolitischen Forderungen an die künftige Bundesregierung gerichtet. „Wir fordern alle Beteiligten auf, die aktuellen Bedarfe von Frauen und Familien stärker in den Blick zu nehmen und notwendige Verbesserungen voranzubringen“, erklärte Olaf Tyllack, der Vorsitzende des Vereins, in Bonn. „Als einer der größten Träger von Schwangerschafts(konflikt)beratungsstellen sehen wir in der psychosozialen Beratung zu allen Fragen von Sexualität, Familienplanung und Schwangerschaft sowie in der damit verbundenen medizinischen Versorgung verschiedene Lücken.“
Der Verein formuliert in seinem Papier Forderungen in sechs Handlungsfeldern, darunter wird auch der Ausbau zielgruppensensibler und bedarfsgerechter Beratung genannt. Dazu braucht es den Angaben nach eine bundesweite gesetzliche Regelung zur digitalen Beratungsangeboten, deren Verhältnis zur Präsenzberatung regelt sowie eine rechtssichere, datenschutzkonforme Ausgestaltung und Umsetzung solcher Formate gewährleistet. Die Refinanzierung digitaler Beratungsformate müsse auf Bundes- und Landesebene sichergestellt werden.
In der Schwangerschafts(konflikt)beratung müsse zudem ein gesetzlicher Anspruch auf Sprachmittlung verankert werden, damit auch Menschen mit Migrationsgeschichte die Hilfen nutzen könnten. Und: Der Zugang zu psychosozialen Beratungsstellen und zu Gynäkologinnen muss auf allen Ebenen inklusiv und barrierefrei gestaltet werden.
Auch wirbt der Verein dafür, kinder- und familienfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu heißt es in dem Papier: „Es braucht dringend bessere kinder- und familienfreundliche Rahmenbedingungen, die es Frauen im Schwangerschaftskonflikt ermöglichen, sich für ihr Kind zu entscheiden, ohne in wirtschaftliche Not zu geraten und ohne durch dessen Geburt einen strukturellen Nachteil zu erleiden.“ Zum Beispiel durch geminderte Bildungschancen, berufliche Einschränkungen und verringerte Möglichkeiten zur Altersversorgung. Wohnungsmangel in vielen Großstädten und Ballungsgebieten, fehlende verlässliche Betreuungsinfrastrukturen, insbesondere in der Kita- und Ganztagsbetreuung, sowie steigende Lebenshaltungskosten führten dazu, dass insbesondere Familien, die bereits Kinder haben, oft Zweifel haben, sich für ein Leben mit einem weiteren Kind zu entscheiden. Unverzichtbare Unterstützung für Frauen, Kinder und Familien in den ersten drei Lebensjahren böten die Frühen Hilfen, deren Finanzierung gesichert und ausgebaut werden müsse.
Donum vitae zufolge gibt es sowohl bei der medizinischen Versorgung rund um die Geburt als auch beim Schwangerschaftsabbruch Defizite und somit dringenden Handlungsbedarf. „Während der Schwangerschaft, rund um die Geburt und in den ersten Wochen mit dem Neugeborenen sind Frauen und Familien zu häufig nicht gut versorgt. Dadurch erleben viele Frauen eine traumatische Geburt.“ Hierzu trügen insbesondere strukturelle Defizite wie eine unzureichende Finanzierung und mangelhafte Personalausstattung in Kliniken und im ambulanten Bereich bei. „Viele Frauen finden keine wohnortnahen Geburtseinrichtungen oder werden gar in der akuten Geburtssituation an einem Kreißsaal abgewiesen, wenn alle Plätze belegt sind. Das muss sich dringend ändern.“ Gefordert wird daher eine den Bedarfen der Frauen und Familien angemessene wohnortnahe geburtshilfliche Versorgung.
Die weiteren Forderungen betreffen bundesgesetzliche Regelung zur Kostenübernahme bei Verhütungsmitteln, die Stärkung von Programmen und Projekten der sexuellen Bildung und die Neubewertung der Folgen von Pränataldiagnostik in der Schwangerschaft.
„Alle Beratungsangebote, finanziert durch die öffentliche Hand, müssen als niedrigschwellige, barrierefreie und datenschutzkonforme Formate für alle Ratsuchenden zur Verfügung stehen“, so Vorsitzender Tyllack. Zusätzlich gelte es, die verschiedenen Angebote für Frauen und Familien eng miteinander zu verzahnen, damit alle Betroffenen individuell und passgenau unterstützt werden können."
Berlin (epd). Nach Ansicht eines Bündnisses von 21 Verbänden und Initiativen muss die kommende Bundesregierung eine Reform des Familienrechtes angehen. Nachdem die Ampel mit dem Vorhaben scheiterte, sei es „jetzt entscheidend, Reformen weiter voranzubringen. Wir fordern, dass die vielfach anerkannten Reformbedarfe nicht noch einmal vertagt werden“, heißt es in einer Mitteilung des Bündnisses vom 18. März. Überfällige Veränderungen im Familien- und Familienverfahrensrecht, die den Gewaltschutz und das Unterhaltsrecht im Fokus haben, müssten sich im Koalitionsvertrag wiederfinden.
So werben die Organisationen zum Beispiel dafür, dass der Gewaltschutz gesetzlich im Sorge- und Umgangsrecht verankert und der Schutz von gewaltbetroffenen Personen im familiengerichtlichen Verfahren verbessert wird. Weiter heißt es, die „Gleichwertigkeit aller Betreuungsmodelle sowohl im Familienrecht des BGB als auch bei der Regelung der Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung im SGB VIII muss deutlich und die Beratungslandschaft gestärkt werden.“
Zudem erhoffen sich das Bündnis, dass die Unterhaltsregeln für alle Betreuungsmodelle gesetzlich verankert werden: „Die unterhaltsrechtlichen Folgen für alle Betreuungsmodelle sollen als Stufenmodell ausgestaltet und im Gesetz festgeschrieben werden.“ Schließlich sind sich die Unterzeichner des Appells einig, dass das Unterhaltsrecht so reformiert werden muss, dass die Schwelle für den Beginn eines asymmetrischen Wechselmodells neben dem zeitlichen Kriterium die Verantwortungsübernahme berücksichtigt und eine ausreichende Entlastung im Alltag abbildet."
Wichtig sei zudem, dass das Existenzminimum des Kindes in beiden Haushalten in keinem Fall unterschritten wird und die entstehenden wechselbedingte Mehrkosten berücksichtigt werden. „Oberster Maßstab für Reformen im Kindschafts- und Unterhaltsrecht muss das Kindeswohl sein. Im Zweifel müssen die Interessen der Erwachsenen dahinter zurücktreten“, betonen die Verbände.
Zu den Mitgliedern des Bündnisses gehören unter anderem das Zukunftsforum Familie, die AWO, der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, der Sozialdienst katholischer Frauen und die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie.
Rostock (epd). Gleiche Arbeit muss dem Urteil zufolge nicht gleich bezahlt werden. Verdient eine neu eingestellte Arbeitnehmerin mehr als ihr Kollege, der die gleichen Aufgaben hat, muss das noch nicht gegen den sogenannten arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in Rostock in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 28. Januar. Demnach kann der Arbeitgeber im Rahmen seiner Vertragsfreiheit eine höhere Vergütung vereinbaren, insbesondere auch dann, wenn die neue Kollegin höhere Berufsabschlüsse mitbringt oder über mehr Berufserfahrung verfügt.
Im Streitfall war der heute 36-jährige Kläger als Personalleiter mit einem Monatsverdienst von 4.200 Euro beschäftigt. Seit dem Jahr 2021 hatte er sich mehrfach erfolglos bei seinem Arbeitgeber um eine Gehaltserhöhung bemüht.
Im Dezember 2022 wurde ein weiterer Personalleiter eingestellt. Der verfügte im Gegensatz zum Kläger über ein abgeschlossenes Studium als Diplom-Ökonom sowie Berufserfahrung in einer Wirtschaftsagentur. Seine Vergütung betrug 10.000 Euro monatlich. Das Arbeitsverhältnis endete jedoch bereits nach knapp drei Monaten.
Zum 1. Juli 2023 wurde dann eine Frau als zusätzliche Personalleiterin eingestellt, ebenfalls mit einem Monatsgehalt von 10.000 Euro. Zudem erhielt sie Provisionen und einen Dienstwagen. Sie hatte ein Masterstudium abgeschlossen und in mehreren mittelständischen Unternehmen gearbeitet.
Als dem Kläger zum 31. Dezember 2024 gekündigt wurde, erhob er Kündigungsschutzklage, über die noch nicht entschieden ist. Im vorliegenden Verfahren verlangte er rückwirkend ab Oktober 2020 ebenfalls eine monatliche Vergütung in Höhe von 10.000 Euro. Die Arbeitgeberin habe gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, indem sie ihm monatlich 5.800 Euro weniger gezahlt habe als den neu eingestellten Kollegen, führte er zur Begründung an.
Es müsse der Grundsatz „gleiche Arbeit, gleicher Lohn“ gelten. Unterschiedliche Qualifikation und Berufserfahrung spielten bei der Entlohnung nur eine untergeordnete Rolle. Innerhalb der Gruppe der Personalleiter sei er deutlich schlechter behandelt worden, befand der Kläger.
Das LAG wies die Klage auf höhere Vergütung aber ab. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich „regelmäßig kein Anspruch auf eine höhere Vergütung, wenn die Arbeitgeberin später eingestellten, mit gleichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmern ein deutlich höheres Gehalt zahlt als einem zuvor eingestellten Arbeitnehmer“. Das gelte insbesondere dann, wenn die hinzukommenden Arbeitnehmer über höhere Berufsabschlüsse und mehr Berufserfahrung verfügten, so die Rostocker Richter unter Verweis auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 24. Januar 2024.
Danach dürfe zwar ein einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer vergleichbaren Gruppe bei der Vergütung nicht willkürlich schlechter gestellt werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstiger einleuchtender Grund für die unterschiedliche Bezahlung nicht finden lasse.
Im konkreten Fall, so das LAG, habe es jedoch einen sachlichen Grund für die höhere Vergütung des neu eingestellten Mannes und der Frau gegeben. Beide hätten im Gegensatz zum Kläger über einen Universitätsabschluss und mehr Berufserfahrung verfügt. Die Arbeitgeberin könne einen einzelnen Arbeitnehmer in zulässiger Weise begünstigen. Die Vertragsfreiheit gehe dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Dieser verbiete aber eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer. Willkürlich sei der Kläger nicht entlohnt worden.
Schließlich gebe es keine Indizien dafür, dass der Kläger wegen seines männlichen Geschlechts benachteiligt worden sei. Die unterschiedliche Vergütung stelle hier keine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbotene Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Zwar habe die Frau deutlich mehr verdient als der Kläger. Der zunächst eingestellte männliche Arbeitnehmer habe aber genauso viel verdient wie die Frau. Das Geschlecht habe für die höhere Vergütung demnach keine Rolle gespielt, entschied das Gericht.
Das BAG hatte am 21. Januar 2021 aber auch geurteilt, dass ein Indiz für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegen kann, wenn Frauen weniger als das „mittlere Einkommen“ der Männer in gleicher Position verdienen. Kann der Arbeitgeber den Diskriminierungsvorwurf nicht entkräften, könnten betroffene Frauen ihren Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche Arbeit leichter durchsetzen, hieß es.
Az.: 5 Sla 159/24 (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern)
Az.: 4 AZR 362/22 (Bundesarbeitsgericht, Gleichbehandlung)
Az.: 8 AZR 488/19 (Bundesarbeitsgericht, Diskriminierung, Frauen)
Erfurt (epd). Arbeitgeber können den Zugang einer Kündigung allein mit dem Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens und dem Sendungsstatus der Zustellung noch nicht ausreichend nachweisen. Erst wenn der Arbeitgeber auch einen Auslieferungsbeleg für das Einwurf-Einschreiben vorlegen oder einen Zeugen für den Zugang des Schreibens benennen kann, kann der Arbeitnehmer den Erhalt der Kündigung nicht mehr bestreiten, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 17. März veröffentlichten Urteil.
Im konkreten Fall ging es um eine medizinische Fachangestellte. Als deren Arbeitgeber den konkreten Verdacht hatte, dass die Frau den Impfpass ihres Ehemanns gefälscht und ihm drei Impfungen mit einem Corona-Impfstoff bescheinigt hatte, wurde ihr am 26. Juli 2022 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2022 gekündigt.
Der Arbeitgeber hatte die Kündigung als Einwurf-Einschreiben bei der Post aufgegeben. Die Klägerin bestritt den Erhalt der Kündigung. Daraufhin legte der Arbeitgeber den Einlieferungsbeleg des Einwurf-Einschreibens sowie den Ausdruck des Sendungsstatus vor, wonach das Schreiben am 28. August 2022 zugegangen ist.
Sowohl das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg als auch das BAG urteilten, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst habe. Der Arbeitgeber habe nicht ausreichend belegt, dass die Kündigung in die „tatsächliche Verfügungsgewalt“ der Klägerin - hier ihren Briefkasten - gelangt sei, so das BAG. Allein der Einlieferungsbeleg und der Sendungsstatus reichten als Nachweis nicht aus.
Aus dem Einlieferungsbeleg gehe nur hervor, dass das Schreiben versandt worden sei. Wann und wo es zugestellt wurde, sei unklar. Auch der Sendungsstatus, der dieselbe Sendungsnummer wie der Einlieferungsbeleg enthalte, biete keine Gewähr für einen Zugang. Er sage nichts darüber aus, ob der Postzusteller tatsächlich eine besondere Aufmerksamkeit auf die konkrete Zustellung in den Briefkasten der Klägerin gerichtet habe. Erforderlich sei vielmehr ein Auslieferungsbeleg, der den Einwurf in den Hausbriefkasten auch mit Unterschrift des Zustellers bestätige. Diesen habe der Arbeitgeber aber nicht vorgelegt. Der Arbeitgeber hätte die Möglichkeit gehabt, den Beleg innerhalb von 15 Monaten bei der Deutschen Post AG anzufordern.
Az: 2 AZR 68/24
Hannover (epd). Kinder mit Beeinträchtigungen haben nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Hannover Anspruch auf Bereitstellung eines bedarfsgerechten Kindergartenplatzes. Dies geht aus einem im Eilverfahrenen getroffenen Beschluss hervor, wie das Gericht am 13. März mitteilte. Demnach ist die Region Hannover als Jugendhilfeträgerin verpflichtet, einem vierjährigen autistischen Jungen einen geeigneten Kita-Platz anzubieten und entsprechende Kapazitäten zu schaffen.
Der Fachbereich Teilhabe der Region Hannover hatte den Angaben zufolge vergeblich versucht, einen Betreuungsplatz für den Jungen zu finden, verwies schließlich aber darauf, dass die Frühförderung von Kindern mit Beeinträchtigungen als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem 9. Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) ausgestaltet sei. Dem widersprachen die Richter: Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nach Paragraf 24 in SGB VIII gelte auch für Kinder mit Integrationsbedarf.
Die Eltern des Jungen hatten dem Gericht zufolge im Mai 2024 beim Fachbereich einen Integrations-Kindergartenplatz oder einen Platz in einem heilpädagogischen Kindergarten beantragt. Im Januar stellten sie einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht.
Wenn die Kommune weiterhin keinen geeigneten Platz bereitstelle, können die Eltern einen Vollstreckungsantrag stellen, wie eine Sprecherin des Gerichts erläuterte. Dann drohe der Region Hannover ein Zwangsgeld. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Den Parteien steht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zu.
Az.: 3 B 581/35
Augsburg (epd). Patienten müssen Fahrten zu Nachsorge- oder Kontrolluntersuchungen in einer Klinik alle sechs bis acht Wochen selbst bezahlen. Eine „hohe Behandlungsfrequenz“ und damit eine ausnahmsweise Kostenübernahmepflicht der Krankenkassen liegt dann nicht vor, entschied das Sozialgericht Augsburg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 23. August 2024.
Bei dem 1954 geborenen Kläger musste krankheitsbedingt die Harnblase entfernt werden. Er erhielt eine sogenannte Neoblase, die aus Dünndarmgewebe besteht. Seitdem leidet er an einer chronischen Nierenbeckenentzündung. Zur Nachsorge und Kontrolle muss er alle sechs bis acht Wochen in das Krankenhaus. Um dorthin gelangen zu können, ist er auf einen Krankenwagen angewiesen.
Von seiner gesetzlichen Krankenkasse verlangte er die Kostenübernahme für die Fahrdienste. Er berief sich auf die Krankentransport-Richtlinie. Danach muss die Krankenkasse in besonderen Ausnahmefällen auch Fahrten zur ambulanten Behandlung „bei zwingender medizinischer Notwendigkeit“ übernehmen. Das Therapieschema muss eine „hohe Behandlungsfrequenz“ über einen längeren Zeitraum vorsehen. Das gilt etwa bei Dialysebehandlungen. Aber auch schwerbehinderten Menschen mit den Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung), „Bl“ (blind) oder „H“ (hilflos) können die Übernahme der Fahrkosten von ihrer Krankenkasse verlangen.
Die Krankenkasse des Klägers lehnte den Antrag des Versicherten jedoch ab. Weder bestehe eine entsprechende Behinderung noch liege eine „hohe Behandlungsfrequenz“ vor, begründete die Kasse ihre Weigerung.
Das Sozialgericht bestätigte nun die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse. Bei dem Kläger liege keine Schwerbehinderung mit den entsprechenden Merkzeichen vor. Er sei nicht hilflos oder gehbehindert. Von einer „hohen Behandlungsfrequenz“ sei bei den alle sechs- bis achtwöchigen Kontroll- und Nachsorgeuntersuchungen nicht auszugehen, so das Gericht.
Nach der „vielfältigen Rechtsprechung“ mehrerer Landessozialgerichte seien die Anforderungen beispielsweise bei wöchentlichen Terminen erfüllt, bei einer Nachsorge alle zwei Monate dagegen noch nicht. Das LSG Erfurt habe auch bei einer monatlichen Behandlung über 19 Monate eine „hohe Behandlungsfrequenz“ verneint. Damit müsse der Kläger die Krankentransportkosten zur ambulanten Behandlung aus eigener Tasche bezahlen, so das Urteil.
Az.: S 3 KR 147/24
Hamburg (epd). Ein Pflegebett mit einem 1,70 Meter hohen Gitter und einem sogenannten Überkletterschutz kann Eltern die Pflege ihres schwer geistig behinderten Kindes erleichtern. Anders als in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder sonstigen Einrichtungen muss ein Gericht die freiheitsentziehende Maßnahme im elterlichen Haushalt nicht vorher genehmigen, entschied das Sozialgericht Hamburg in einem am 10. März veröffentlichten Urteil.
In dem Fall ging es um einen schwerst geistig behinderten autistischen Jungen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. Der von seinen Eltern gepflegte Siebenjährige hat einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus, ist motorisch unruhig und verfügt über ein herabgesetztes Schmerzempfinden. Er kann sich nur nonverbal mitteilen, ein Gefahrenbewusstsein ist nicht vorhanden.
Nachts verspürt das Kind immer wieder den Drang, aus dem bisherigen Bett mit einem über einen Meter hohen Gitter zu klettern. Dabei kam es bereits zu einem Sturz. Aus Angst, dass ihr Kind sich auf diese Weise erneut nachts verletzen könnte, haben die Eltern ein Babyfon installiert. Durchschlafen können sie seitdem nicht mehr.
Bei ihrer Krankenkasse beantragten sie die Kostenübernahme für ein Pflegebett mit einem 1,70 Meter hohen Gitter und einem Überkletterschutz. Die Krankenkasse lehnte das ab. Das neue Bett würde keine Erleichterung der Pflege darstellen, weil das Kind nicht bettlägerig sei. Schließlich sei das neue Bett als freiheitsentziehende Maßnahme zu werten, sodass darüber erst ein Gericht genehmigen müsse, befand die Kasse.
Das Sozialgericht urteilte nun jedoch, dass dem Kind das neue Bett mit einem hohen Gitter und einem Überkletterschutz zusteht. „Ein Pflegebett mit hohen Gittern und Überkletterschutz kann zur Entlastung der Pflegenden und zur Aufrechterhaltung ihrer Pflegenbereitschaft beitragen, indem es kurze Augenblicke der Pflegepause gewährt - insbesondere auch bei der nächtlichen Pflege“, stellte das Gericht fest.
Schließlich sei auch keine richterliche Genehmigung für die Verwendung des Pflegebettes mit seinen 170 Zentimeter hohen Seitengittern erforderlich. Das sehe das Gesetz nur für bei einer Unterbringung im Krankenhaus, im Heim oder einer vergleichbaren Einrichtung vor, nicht aber im elterlichen Haushalt, so das Gericht.
Az.: S 9 KR 3758/22
Luxemburg (epd). Nationale Behörden müssen das Geschlecht von transgeschlechtlichen Flüchtlingen in offiziellen Registern berichtigen. Dabei dürfen sie nicht den Nachweis einer geschlechtsangleichenden Operation zur Voraussetzung machen, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 13. März in Luxemburg entschied.
Das Urteil betrifft eine iranische Person, die als Frau geboren wurde, sich aber als Mann identifiziert und 2014 in Ungarn als Flüchtling anerkannt wurde. Grund für die Anerkennung als Flüchtling war offenbar die Transsexualität. Im Flüchtlingsregister wurde der Trans-Mann dennoch als weiblich eingetragen. Sein Antrag auf Berichtigung wurde 2022 mit der Begründung abgelehnt, dass keine Operation nachgewiesen worden sei.
Der EuGH stellte klar, dass die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) das Recht auf Korrektur unrichtiger personenbezogener Daten gewährt. Nationale Behörden dürften die Berichtigung nicht verweigern, selbst wenn es im nationalen Recht kein Verfahren zur Anerkennung von Transidentität gibt.
Ein OP-Nachweis sei nicht erforderlich, da dies gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit und den Schutz der Privatsphäre verstoße, hieß es. Ein solcher Nachweis sei weder notwendig noch verhältnismäßig, um die Zuverlässigkeit eines öffentlichen Registers zu gewährleisten. Ein ärztliches Attest mit Psychodiagnostik reiche aus.
Das Urteil stärkt die Rechte transidenter Personen in der EU und setzt klare Grenzen für nationale Behörden bei der Erfassung von Geschlechtsidentitäten.
Az.: C-247/23
Chemnitz (epd). Die AWO Sachsen hat einen neuen Chef: Jens Krauße, seit 2008 stellvertretender Landesvorsitzender, führt künftig den Wohlfahrtsverband. Simone Lang, Vorsitzende der AWO Aue-Schwarzenberg, wurde als stellvertretende Vorsitzende bestätigt. Zweiter stellvertretender Vorsitzender ist Jürgen Tautz, ehemaliger Geschäftsführer der AWO Chemnitz. Margit Weihnert, die seit 2004 an der Spitze der sächsischen Arbeiterwohlfahrt stand, kandidierte nicht mehr für das Amt der Landesvorsitzenden.
Krauße ist seit 2001 hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Großhartau im Landkreis Bautzen. Mitglied in der AWO ist er seit 1999. Er hat zudem den Vorsitz der AWO im Kreisverband Bautzen inne.
„Ich freue mich darauf, meine Erfahrungen einzubringen und dazu beizutragen, in diesen herausfordernden Zeiten Verbesserungen für die Menschen zu gestalten“, sagte Jens Krauße. Als Landesvorsitzender der AWO Sachsen wolle er sich insbesondere für ein respektvolles Miteinander und den gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen. Nur gemeinsam mit allen Kräften der Zivilgesellschaft könne man die großen Aufgaben der Zukunft lösen. Der beschlossene Leitantrag „Die Bedeutung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Sachsen als wichtiger Akteur in der Freien Wohlfahrtspflege“ sei dafür eine wertvolle Grundlage.
Margit Weihnert sagte, die Entscheidung, sich aus der Vorstandsarbeit des Landesverbandes zurückzuziehen, sei ihr nicht leicht gefallen. „Ich möchte mich bei euch allen für die jahrelange sehr gute Zusammenarbeit, das gemeinsame faire Ringen um die besten Lösungen und das gemeinsame uneingeschränkte Eintreten für die Werte unserer AWO von ganzem Herzen bedanken.“ Jens Krauße wünschte sie alles Gute: „Es wird so manches dicke Brett zu bohren sein, um den Menschen, die unsere Unterstützung benötigen, in der Landes- und Bundespolitik auch zukünftig Gehör zu verschaffen.“
Frank Johannes Hensel, langjähriger Diözesancaritasdirektor im Erzbistum Köln, ist zum Vorsitzenden des Caritasrates gewählt worden. Der Caritasrat hat 29 stimmberechtigte Mitglieder und übt die Aufsicht über den Vorstand aus. Der erste stellvertretende Vorsitzende ist satzungsgemäß der Vorsitzende der Finanzkommission des Deutschen Caritasverbandes, Matthias Berger. Zur zweiten stellvertretenden Vorsitzenden des Caritasrates wurde Yvonne Fritz, Vorständin des Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein, gewählt. Alle drei sind bis zum Ablauf der Amtszeit des Caritasrates im Herbst 2028 gewählt.
Jochen Sautermeister (49), Moraltheologe, Psychologe und Philosoph, ist von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in den Deutschen Ethikrat berufen worden. Er ist Nachfolger von Armin Grunwald, dessen Amtszeit am 13. Februar abgelaufen ist. Sautermeister ist Professor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn. Sautermeister studierte Theologie, Psychologie und Philosophie und hat zudem hat ein Diplom als Ehe-, Familien- und Lebensberater. Neben seinem Engagement im Deutschen Ethikrat ist er unter anderem Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, stellvertretendes Mitglied der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung am Robert Koch-Institut und Mitglied des Sachverständigenrats zum Schutz vor sexuellem Missbrauch und Gewalterfahrungen bei der Deutschen Bischofskonferenz.
Michael Kröger hat am 1. März den Vorsitz des Vorstands im Hospital zum Heiligen Geist in Hamburg übernommen. Er folgt auf Frank Schubert, der aus persönlichen Gründen sein Amt niedergelegt hat. Kröger ist seit 2019 Mitglied des Vorstands. Nach seinem Studium an der Christian-Albrechts-Universität Kiel sammelte er über 20 Jahre Erfahrung in der Beratung und Neuaufstellung gemeinnütziger Unternehmen. Die durch Krögers Aufstieg vakant werdende Vorstandsposition soll zeitnah neu besetzt werden. Bis dahin führt er die Stiftung in Einzelvertretung.
André Diecks übernimmt zum 1. Mai ein Vorstandsamt beim Caritasverband Emsdetten-Greven. Gemeinsam mit Klaus Wilp bildet er künftig eine Doppelspitze. Er ist Nachfolger von Doris Abeler an, die altersbedingt aus dem Amt scheidet. Diecks verfügt über langjährige Erfahrung im Sozialwesen und umfassende Fachkenntnisse in der Leitung und Weiterentwicklung sozialer Einrichtungen. Zuvor war er Geschäftsführer der Caritas St. Martinus Pflege GmbH sowie der St. Raphael Stift Werlte GmbH.
Silvia Schneider und Gerhard Reese bekommen den Deutschen Psychologie Preis 2025. Beide hätten mit ihren Forschungen „maßgeblich zur Verbesserung der Lebensbedingungen junger Menschen beitragen. Sie setzen sich sowohl für den Zugang zu psychologischer und psychotherapeutischer Gesundheitsversorgung als auch für eine nachhaltige und sozial gerechte Umwelt ein“, hieß es zur Begründung der Ehrung. Professorin Silvia Schneider von der Ruhr-Universität Bochum erhält die Auszeichnung für ihre Pionierarbeit in der Erforschung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen. Professor Gerhard Reese von der RPTU Kaiserslautern-Landau wird für seine wegweisende umweltpsychologische Forschung zur Förderung nachhaltigen Handelns und gesellschaftlichen Zusammenhalts geehrt. Die Preisverleihung findet am 10. Oktober in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Berlin statt.
März
27.3.:
Online-Fortbildung „Psychisch kranke Eltern und ihre Kinder - Eine professionelle Herausforderung im pädagogischen Aufgabenfeld“
der Paritätischen Akademie NRW
Tel.: 0202/2822-247
April
1.4.:
Online-Seminar „Gesetzliche Grundlagen zur neuen Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0157/77692794
1.4.:
Online-Seminar „Update Gemeinnützigkeitsrecht“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 0157/77692794
1.-3.4. Freiburg:
Fortbildung „Betriebswirtschaft in der Caritas: BWL Grundlagen für Verantwortliche ohne kaufmännische Ausbildung“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
3.4. Köln:
Seminar „Controlling in der stationären Altenhilfe - Planung, Reporting und Analyse“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-519
3.-4.4. Berlin:
Seminar „Das operative Geschäft: Steuerung und Controlling in der Eingliederungshilfe“
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/288 31 06
7.4.:
Online-Seminar „(Gewerbe-)Mietrecht für freie Träger der Jugendhilfe“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/27582-8227
10.4. München:
Seminar „Besteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-0
Mai
5.-7.5. Berlin:
Zertifizierter Kurs „Selbstmanagement mit dem Zürcher Ressourcen-Modell“
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/2883106
5.5.-30.6.:
Online-Kursreihe „Führung auf Distanz - Verteilte Teams mit agilen und digitalen Werkzeugen führen“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/2001700
6.5. Stuttgart:
Seminar „Arbeitsrecht für Führungskräfte und Personaler. der Zyklus eines Arbeitsverhältnisses - aus Sicht der Personalabteilung“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-548
12.5. - 30.6.:
Online-Kurs: „Rechtliche Beratung in der Wohnungslosenhilfe“
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/2883106
20.5.:
Seminar „Optimierung des Berichtswesens - Effiziente Kennzahlenanalyse für Führungskräfte“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/2001700