

Künstliche Intelligenz (KI) scheint derzeit die Zukunft in nahezu allen Lebensbereichen zu sein. Das gilt auch für die Pflege. Noch ist der Einsatz von KI dort nur sporadisch. Aber das wird sich absehbar ändern, und damit auch althergebrachte Arbeitsverläufe. Dabei soll KI kein Personal ersetzen oder gar Pflegebedürftige alleine betreuen. Es geht eher um Hilfestellung bei der Arbeit an Patienten oder bei der Dokumentation. Vieles bei der Anwendung von KI in der Pflege ist indes noch unklar.
Die vorgezogene Bundestagswahl steht bevor, und die meisten Parteien haben ihre Wahlprogramme oder zumindest deren Entwürfe veröffentlicht. Darin haben sie ihre Pläne zu Themen dargelegt, die für die Sozialbranche von Belang sind. In dieser Ausgabe startet epd sozial eine Reihe von Auflistungen, was genau die Parteien in ihren Programmen und Entwürfen planen. Los geht es mit den verwandten Themen Pflege und Sozialbeiträge.
Viele Menschen sind von Einsamkeit schwer belastet, besonders Menschen in sozialen Randlagen. Ein Projekt der Diakonie München in der Siedlung Neuperlach geht gegen die Einsamkeit an. Bewohnerinnen und Bewohner aus den umliegenden Hochhäusern kommen bei der Diakonie unter Leute, sie erhalten aber auch konkrete Hilfen, etwa bei Fragen rund ums Jobcenter, ums Aufenthaltsrecht oder bei Mietproblemen.
Erst erklären, dann schneiden. So lässt sich ein Urteil des Bundesgerichtshofs zur Aufklärungspflicht vor medizinischen Eingriffen zusammenfassen. Denn ein schriftlicher Aufklärungsbogen, den der Patient sich zuvor durchlesen soll, reicht dem Gericht zufolge nicht aus. Ein Gespräch darüber ist Pflicht, denn nur dann lassen sich Rückfragen stellen. Bei diesem Gespräch allerdings muss es nicht haarklein um jede medizinische Feinheit gehen. Eine Aufklärung „im Großen und Ganzen“ reiche dann aus, entschied der Gerichtshof.
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Ihr Nils Sandrisser
Frankfurt a.M. (epd). Noch ist dieses erdachte Szenario Science-Fiction, doch in wenigen Jahren könnte es auf Demenzstationen Realität werden: Senior Günther steht mitten in der Nacht auf und möchte einkaufen gehen. Der am Eingang der Station wachende Serviceroboter Pepper bemerkt das. Er rollt langsam auf den verwirrten Günther zu und fragt ihn freundlich, was er vorhabe. Die Maschine weiß, dass es tief in der Nacht ist, und weil sie auch Günthers Demenz kennt, erfolgt der Rat, doch wieder ins Bett zu gehen.
Lässt sich der Heimbewohner jedoch nicht beirren, dann benachrichtigt der Roboter das Pflegepersonal, das dann einschreiten kann. Auch Notfälle wie etwa folgenreiche Stürze erkennt die Maschine und kann alleine Hilfe holen. Vorteil des Technikeinsatzes: Pflegefachkräfte müssen nicht ständig vor Ort sein. Das ermöglicht effektive Ruhephasen und vermeidet Personalengpässe, sollte zugleich ein Notfall auftreten.
Beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Pflege geht es laut Experten nicht darum, Personal zu ersetzen oder Pflegebedürftige alleine von Robotern zu betreuen zu lassen. Schon der Gedanke ist abwegig, zumal der Einsatz von Robotern wie Pepper, Nao, Navel und Co technisch noch längst nicht ausgereift ist. Vielmehr sollen „intelligente“ Systeme wie ChatGPT und eben auch Roboter das Fachpersonal entlasten. Beispielsweise indem sie organisatorische Aufgaben, Analysen und das Monitoring übernehmen. Das gibt es, anders als interaktive Roboter, bei Trägern der Pflege bereits öfter als gemeinhin erwartet.
Der 1,2 Meter hohe humanoide Roboter Pepper, der unter verschiedenen Namen firmiert, ist weiß und hat kugelrunde Augen. Auf seinem Bauch ist ein Bildschirm angebracht. Er kann menschliche Gefühle erkennen und darauf reagieren sowie Mimik und Gestik seines Gegenübers analysieren. „Sein kindlich-stilisiertes Design verbirgt jegliche Technik und erhöht die soziale Akzeptanz“, wirbt der Hersteller auf seiner Homepage. „Pepper ist auf Veranstaltungen ein echter Publikumsmagnet. Zugleich ist er ein sympathisches Beispiel für die Anwendung von KI“, sagt Nadine Kaltschmidt vom Mittelstand-Digital Zentrum Magdeburg.
Roboter könnten in Pflegeheimen vielseitig zum Einsatz kommen, zum Beispiel als Hebehilfe. Sie eignen sich auch, Transportaufgaben zu übernehmen, wie die Wäsche, das Geschirr einzusammeln, Schränke aufzufüllen, ganze Bereiche zu reinigen oder das Bewegungstraining von pflegebedürftigen Personen anzuleiten. All das wären indes nur ergänzende Dienste, die jedoch das Arbeitspensum von Pflegefachkräften reduzieren würden.
„Der Einsatz sozialer Robotik in der Pflege ist kein Selbstläufer, sondern muss gut begleitet und evaluiert werden“, sagt Judith Schoch vom Institut für Innovation, Pflege und Alter (IPA). Es hat für die Evangelische Heimstiftung in Stuttgart über ein Jahr lang den Einsatz von zwei Navel-Robotern in ihren Einrichtungen wissenschaftlich untersucht. Sie kamen in der Alltagsbegleitung mehrmals pro Woche zum Einsatz, sowohl in Gruppen als auch in Einzelgesprächen. Man habe wissen wollen, „ob soziale Robotik im Pflegeheim funktioniert und was sie den Menschen bringt - sowohl den Pflegebedürftigen als auch den Mitarbeitenden“.
Die Mitarbeitenden sehen den Angaben nach durchaus das Potenzial des sozialen Roboters, die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern und perspektivisch Mitarbeitende zu entlasten. „Allerdings nur dann, wenn sich wesentliche Funktionen künftig verbessern: Mobilität, Reaktionszeit sowie Sprach- und Gesichtserkennung“, so die Heimstiftung. Und, auch das ist interessant: Es gab wenig ethische Bedenken gegen den Robotereinsatz, weder bei Mitarbeitenden noch bei Angehörigen oder Kunden. Deshalb hat die Heimstiftung bereits zusätzlich zwei neue Roboter gekauft.
Dass künftig Roboter alleine die Pflege übernehmen, hält der Robotik-Experte Professor Sami Haddadin von der Technischen Universität München für ausgeschlossen: „Dieses Szenario hat sich in vielen Köpfen festgesetzt, wird aber keine Realität.“ Weil Robotik und Künstliche Intelligenz die Fachkräfte nicht ersetzen könnten, nur unterstützen. Haddadins Vision ist es, „dass Roboterassistenten dem Pflegepersonal in 20 Jahren sehr viele Aufgaben abnehmen“. Dann, so der Direktor des Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI) der Technischen Universität München, „können sich Fachkräfte wieder mehr den zwischenmenschlichen, verbindenden Tätigkeiten widmen“.
Das sieht auch Professor Patrick Jahn so. Der Professor für Versorgungsforschung aus Halle sagte der B. Braun-Stiftung: „Die KI ist dann gut, wenn sie in der Hand der Profis bleibt. Wir sollten sie als Werkzeug verstehen und nicht als Möglichkeit, unsere Arbeit abzugeben. Mir ist auch aktuell keine KI bekannt, die das leisten kann.“
Fachleute erwarten zwar, dass die KI-Nutzung auf breiter Ebene in die Sozialwirtschaft einziehen und den Sektor grundlegend revolutionieren wird. Doch das wird noch dauern. Denn vieles bei der Anwendung sei noch unklar. Etwa, welche Chancen und Risiken daraus erwachsen und auf welche Weise sie die verschiedenen Arbeitsfelder der Branche verändern werden.
Das belegt auch die Studie „Künstliche Intelligenz in der Sozialwirtschaft“ aus dem Vorjahr. Dort steht zu lesen: „Der tatsächliche Einsatz von KI-gestützten Anwendungen ist in der Sozialwirtschaft noch gering ausgeprägt. Bei der verwaltungs- oder steuerungsbezogenen Nutzung sind Chatbots wie ChatGPT und der KI-gestützte Rechnungseingang am weitesten verbreitet.“ Noch geringer als im Verwaltungsbereich sei die KI im Rahmen der direkten Klientenarbeit verbreitet. Am häufigsten genutzt würden hier die KI-gestützte Sprachübersetzung in der Arbeit mit fremdsprachigen Menschen und die Kommunikationshilfen für Menschen mit sprachlichen Beeinträchtigungen, schreiben die Autoren Helmut Kreidenweis und Maria Diepold von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Die Diakonie Stiftung Salem in Minden, die rund 3.000 Mitarbeitende beschäftigt, nutzt KI in der Pflegedokumentation. Sie verwendet das Programm „voize“, eine Sprach-App, mit der die Dokumentation direkt am Bett oder beim Bewohner in das Smartphone eingesprochen wird. Nach einem Testlauf wurden sieben stationäre Einrichtungen durch eine Projektmanagerin geschult und innerhalb von fünf Tagen mit „voize“ ausgestattet, sagte Carsten Wöhler, Prokurist und Geschäftsbereichsleiter Pflege & Leben der Diakonie Stiftung Salem dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Wir sehen damit eine Beschleunigung der Arbeitserbringung. Es bleibt durch die schnellere Dokumentation gewonnene Zeit für die Betreuung der Bewohner übrig.“
Die Anwendung der App führt nach seinen Worten zu „einer epochalen Veränderung der Arbeitsabläufe im Pflegeprozess“. Bisher wurde teilweise Stunden später die erledigte Arbeit schriftlich am PC dokumentiert. Nun passiere das meist unmittelbar per Spracheingabe. „Weil in der Regel nicht jeder Mitarbeiter flüssig in einem Zehnfingersystem am PC schreibt, jedoch flüssig sprechen kann, entstehen Effizienzgewinne“, so Wöhler. Weiterhin werde die Sprachdokumentation in Grammatik und Interpunktion fehlerfrei übertragen. Vorteil: Prüfinstitutionen könnten ohne langes Rätselraten lesen, welche Tätigkeit die einzelne Pflegekraft für die Bewohner erbracht hat.
Jede Innovation habe Befürworter und Kritiker, merkt der Prokurist an: „Letztlich überwiegen für die Mitarbeitenden und die Leitungskräfte jedoch die Vorteile aus der Sprachdokumentation in Form der Klarheit, Korrektheit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit.“
Frankfurt a.M. (epd). Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Sammelbegriff für Verfahren, die es Computern ermöglichen, Aufgaben zu erfüllen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern, heißt es in einer Definition der AOK. Anders ausgedrückt: KI bündelt die Fähigkeit von Maschinen oder Software, menschenähnliche Intelligenzleistungen zu erbringen. Dazu gehören das Lernen, das Verstehen von Sprache, das Lösen von Problemen, das Treffen von Entscheidungen und das Erkennen von Mustern.
KI-Systeme sind hoch entwickelte Computercodes, die Algorithmen und Daten nutzen, um aus Erfahrungen zu lernen und ihre Leistung im Laufe der Zeit zu verbessern. Deshalb ist hier auch vom „maschinellen Lernen“ die Rede. Es gibt viele verschiedene Bereiche der KI-Anwendung, etwa bei der Sprachverarbeitung, einer Interaktion zwischen Computern und menschlicher Sprache, um Texte zu verstehen und zu generieren.
Dass sich hier im Gesundheits- und Pflegewesen noch ungeahnte Möglichkeiten eröffnen, hat mit der Zunahme der Datenfülle zu tun. Durch die elektronische Patientenakte (ePA), die jetzt sukzessive eingeführt wird, und die zunehmende Vernetzung im Medizinsektor werden Daten verfügbar, die von der KI genutzt werden können. So kann KI kann etwa eine umfassende Auswertung der verfügbaren Daten medizinische Entscheidungen unterstützen. Bestimmte Heilverfahren können mithilfe von KI besser bewertet werden, bevor sie in der medizinischen Praxis angewendet werden.
Auch im Bereich der Pflege gibt es vereinzelt bereits KI-Anwendungen, etwa bei der automatisierten Dokumentation von Pflegeleistungen. Ziel ist es, Pflegefachkräfte in ihrem Arbeitsalltag entlasten. Langfristig soll so eine intensivere Betreuung der Patientinnen und Patienten ermöglicht und die personelle Ausfallquote aufgrund mentaler Überlastung verringert werden. Auch durch Roboter, die aber bislang eher selten zum Einsatz kommen, wie etwa der humanoide „Pepper“.
Dabei übernehmen die Maschinen nicht allein physische Aufgaben wie das Verteilen von Mahlzeiten oder Medikamenten an Patienten. Wenn KI und Robotik zusammentreffen, kann KI bewegungsfähigen Robotern unter anderem beibringen, Bewegungsabläufe immer besser zu koordinieren. Und auch eigenständig zu handeln: Dann kann der Roboter etwa nach einem Sturz eines Patienten, dessen Notlage er erkennt, selbst Hilfe holen. Diese technischen Pflegeassistenten erinnern an die Einnahme von Tabletten, helfen beim Heben sowie in der Bewegungstherapie oder unterstützen an Demenz Erkrankte beim Gehirntraining.
Berlin (epd). Im September 2024 wurde in Berlin das „Kompetenzzentrum für Digitalisierung und Pflege“ gegründet. Neun Verbände aus dem Sozial-, Pflege- und Gesundheitswesen haben sich bei ihrem Zusammenschluss zum Ziel gesetzt, „die Digitalisierung der Pflege nicht nur halbherzig anzugehen, sondern als strategischen Prozess zu gestalten“. Grundlage ist das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG).
Es gehe um die Schaffung von Standards, die die digitale Transformation der Pflege bis 2025 und darüber hinaus maßgeblich beeinflussen werden, die Pflege zu entlasten, Mitarbeitende zu unterstützen und dabei menschlich zu bleiben. Und weiter heißt es: „Es besteht enormes Potenzial, das mit einem durchdachten, langfristigen Plan und einer klaren Strategie genutzt werden muss.“
Forderungen des Bündnisses im Überblick:
1. Strategieplan für die Zukunft: - bis 2025 sollen Standards und Leitfäden für die Digitalisierung entwickelt werden - bis 2026 muss die Digitalisierung in der Pflege messbar verbessert werden, mit einem klaren, nationalen Strategieplan
2. Digitale Teilhabe fördern: - es sollen neue Berufsfelder an der Schnittstelle von Pflege und Technik geschaffen werden - Digitalkompetenzen müssen in der Aus- und Weiterbildung verbindlich verankert werden, um die Akzeptanz und das Verständnis für digitale Lösungen zu fördern
3. Klarer Rechtsrahmen und sichere Finanzierung: - die Refinanzierung gesetzlicher Regelungen muss reformiert werden, um sowohl Investitionen als auch Betriebskosten und IT-Ressourcen abzudecken - die erzielten Einsparungen durch Digitalisierung müssen den Pflegeeinrichtungen zugutekommen
4. Investitionen in Infrastruktur und Innovation: - ein eigener Fonds für Digitalisierung und Innovation in der Pflege muss geschaffen werden, um moderne Infrastrukturen für die ambulante und stationäre Pflege zu ermöglichen
Berlin (epd). Am 23. Februar wird der neue Bundestag gewählt. Die Parteien setzen im Wahlkampf durchaus unterschiedliche Schwerpunkte. Doch zu dem großen Thema Pflege finden sich Aussagen in allen Wahlprogrammen. Der Evangelische Pressedienst (epd) listet die Eckpunkte auf:
SPD: Für die häusliche Pflege schlägt die SPD Familienpflegezeit und Familienpflegegeld vor, ähnlich dem Elterngeld. Bei der stationären Pflege planen die Sozialdemokraten eine Begrenzung der Eigenanteile auf 1.000 Euro. Die SPD hält bundesweite Vorgaben für die Personalschlüssel im Gesundheitswesen für nötig und will zudem „gute Löhne“.
CDU/CSU: Die Union will die Angehörigen von Pflegebedürftigen finanziell entlasten. Pflegeaufgaben sollen sich zudem mit der Berufstätigkeit besser vereinbaren lassen. Beim Fachkräftemangel in der Pflege setzt die Union auf „attraktive Arbeitsbedingungen wie planbare Einsatzzeiten und Springerpools zum Abfedern von Belastungsspitzen, Aufstiegsmöglichkeiten, neue Berufsbilder und Anwerbungen im Ausland“.
Grüne: Die Grünen, die ihr Programm am 26. Januar beschließen werden, wollen mit besseren Arbeitsbedingungen frühere Pflegekräfte zurückgewinnen und dazu eine „Rückkehroffensive“ starten. Außerdem solle es bessere Aufstiegschancen geben und „mehr Kompetenzen für den Pflegeberuf“. In der häuslichen Pflege wollen die Grünen Freistellungen vom Beruf für Pflegeaufgaben erleichtern und eine Arbeitszeitreduzierung finanziell abfedern.
FDP: Die FDP will neue Pflegekräfte im In- und Ausland gewinnen. Zudem soll das Personal unter anderem durch „Automatisierung und Robotik“ entlastet werden. Durch den Ausbau von Kurz- und Tagespflege sollen pflegende Angehörige entlastet werden.
Linke: Die Linke fordert „für alle Beschäftigten sechs Wochen Freistellung bei vollem arbeitgeberfinanziertem Lohnausgleich beim ersten Auftreten eines familiären Pflegefalls“. Auch sollten pflegende Angehörige „Geldleistungen und Rentenpunkte“ bekommen. In der stationären Pflege will die Partei die Eigenanteile erst deckeln und später abschaffen. Sie fordert eine „bundesweite Offensive zur Rückanwerbung für Pflegekräfte“, will Personalschlüssel gesetzlich festschreiben und plädiert für „flächendeckende Entlastungstarifverträge“.
AfD: Die AfD will die häusliche Pflege „deutlich höher finanziell honorieren“. Zur Frage von Eigenanteilen in der stationären Pflege, zum Fachkräftemangel und zu Arbeitsbedingungen findet sich im Programmentwurf der AfD nichts.
BSW: Das BSW spricht davon, mehr Pflegepersonal auszubilden und dieses auch besser zu bezahlen. Die Eigenanteile in der stationären Pflege müssen laut dem Programmentwurf des BSW „deutlich sinken“. Zur häuslichen Pflege steht im Entwurf nichts.
Frankfurt a.M. (epd). Für die Bundestagswahl am 23. Februar haben sich alle Parteien das Thema der Sozialbeiträge vorgenommen. Allerdings mit teilweise unterschiedlichen Ergebnissen, wie die Auflistung des Evangelischen Pressediensts (epd) zeigt:
SPD: Die Sozialdemokraten wollen die Sozialbeiträge für Versicherte sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nicht nur stabil halten, sondern zugleich Ungleichheiten zwischen verschiedenen Versichertengruppen beseitigen. Sie streben eine Bürgerversicherung an, „die allen Menschen gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen in gleicher Qualität ermöglicht“, wie es in ihrem Programm heißt. Beiträge der Versicherten sollten sich noch stärker als bislang an deren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientieren. Beamtinnen und Beamte des Bundes sollen durch pauschale Beihilfen „ein echtes Wahlrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung“ erhalten.
CDU/CSU: Die Unionsparteien wollen die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen stabilisieren, indem sie den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen fördern und „mehr Effizienz beim Einsatz von Beitragsgeldern“ anstreben. Bei der Pflege setzt die Union auf Pflegezusatzversicherungen. Die könnten die Finanzlücke in der Pflege schließen, heißt es im Wahlprogramm. Solche Modelle sollten außerdem steuerlich besser absetzbar sein.
Grüne: Sozialbeiträge sollen nach dem Willen der Grünen künftig nicht nur von Löhnen und Gehältern gezahlt werden, sondern auch aus Kapitaleinkünften. Die Grünen wollen Versicherte und Arbeitgeber von den versicherungsfremden Leistungen entlasten. Damit sind beispielsweise die Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen oder die Beiträge für Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld gemeint. Sie sollen aus Steuermitteln bezahlt werden. Auch die Grünen sehen in einer Bürgerversicherung bei Kranken- und Pflegekassen die Zukunft. Den Rentenbeitrag stabil und zugleich das gesetzliche Rentenniveau bei mindestens 48 Prozent halten wollen sie, indem sie den Mindestlohn anheben sowie qualifizierte Zuwanderung und sozialversicherungspflichtige Job zu guten Löhnen fördern. Auch bei der Rente wollen die Grünen den Übergang in eine Bürgerversicherung. In einem ersten Schritt dorthin sollen Abgeordnete und Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen. Ergänzend dazu soll die Rente eine Kapitaldeckung erhalten, gespeist von Darlehen und Eigenmitteln des Bundes.
FDP: Die FDP will die Menschen selbst entscheiden lassen, wann sie in Rente gehen, solange danach keine Sozialleistungen beantragt werden müssen. Daneben soll es nach dem Willen der Freien Demokraten eine Aktienrente geben, für die ein Teil der Rentenbeträge in unabhängig verwalteten Fonds angelegt wird. Außerdem fordert die FDP steuerlich geförderte Depots für eine private Altersvorsorge. Einen Anstieg der Sozialbeiträge auf mehr als 40 Prozent insgesamt wollen die Freien Demokraten ausschließen. Um das zu erreichen, brauche es mehr „kapitalgedeckte Elemente“ in Renten- und Pflegeversicherung.
Linke: Alle Menschen mit Erwerbseinkommen sollen nach den Plänen der Linken in eine „solidarische Erwerbstätigenversicherung“ einzahlen. Zusätzlich soll sich die Beitragsbemessungsgrenze verdoppeln. So soll das Rentenniveau auf 53 Prozent steigen können. Auch bei der Kranken- und Pflegeversicherung setzt die Linke auf eine Bürgerversicherung, hier will sie die Beitragsbemessungsgrenze komplett abschaffen. Die Krankenkassenbeiträge sollen so auf 13,3 Prozent sinken.
AfD: Die AfD will laut ihrem Programmentwurf die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung senken, indem sie beide Versicherungsarten zusammenlegt. Das solle Verwaltungskosten sparen. Außerdem sollen Beiträge für Bürgergeldempfänger komplett aus dem Bundeshaushalt kommen.
BSW: Für Kranken- und Pflegeversicherung fordert das BSW in seinem Programmentwurf eine Bürgerversicherung und die Abschaffung der Zusatzbeiträge. Eine Bürgerversicherung will das BSW auch bei der Rente.
Erfurt (epd). Insgesamt 212 Patienten haben im zurückliegenden Jahr den sogenannten „Anonymen Krankenschein Thüringen“ (AKST) für 650 Behandlungen genutzt. Dabei richtet sich das Angebot des gleichnamigen Vereins an geschätzt bis zu 21.000 Menschen im Freistaat, sagt der Projektkoordinator des gemeinnützigen Vereins, Tim Strähnz.
An derzeit 37 Ausgabestellen in ganz Thüringen könnten Patienten über den Verein einen begutachtenden Arzt konsultieren, um einen sogenannten Anonymen Krankenschein zu erhalten. Dieser garantiere eine Kostenübernahme bis zu 500 Euro für medizinische Behandlungen in einer jeweils frei zu wählenden Arztpraxis. Die für den Mediziner abrechenbaren Leistungen entsprechen dabei in weiten Teilen denen der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch teurere Behandlungen seien möglich, müssen jedoch im Voraus beim AKST beantragt werden.
Unzufrieden mit der scheinbar geringen Inanspruchnahme des Angebots ist Strähnz nicht. Im Gegenteil: Die Zahlen stiegen von Jahr zu Jahr an. Und die Projektmittel im Thüringer Landeshaushalt seien begrenzt - im Vergangenen Jahr auf rund 465.000 Euro. „Der Anstieg ist aus unserer Sicht auch weniger auf den gestiegenen Bedarf, als vielmehr auf einen gewachsenen Bekanntheitsgrad unseres Angebots zurückzuführen“, sagt er. Zum Start des Modellprojekts im Jahr 2017 seien gerade mal 76 Krankenscheine für 40 Patienten abgerechnet worden.
Damals verfolgte das im Jahr zuvor vom Freistaat aufgelegte Angebot laut Thüringer Sozialministerium vor allem Ziel, auch Ausländern ohne gültigen Aufenthaltsstatus in Thüringen eine medizinische Versorgung zu ermöglichen. Auf dem Höhepunkt des Zustroms für Geflüchteten nach Deutschland mussten Betroffene in Thüringen ihre Ausweisung befürchten, sobald sie Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen würden.
„Schnell hat sich jedoch herausgestellt, dass nicht nur Geflüchtete Bedarf an dem Angebot anmeldeten“, sagt die Sprecherin des Thüringer Sozialministeriums, Silke Wiesenthal. Das soziale Netz der Bundesrepublik weise Lücken auf. Soloselbstständige, Obdachlose, Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen oder Suchtkranke müssten mitunter hohe Hürden überwinden, um in die Krankenversicherung zurückzukehren.
Deshalb wird jedem Antragsteller parallel zur Klärung seiner medizinischen Probleme ein sogenanntes Clearingverfahren angeboten. Dabei sucht der Verein gemeinsam mit dem Patienten nach Möglichkeiten, den Versicherungsschutz über die gesetzliche Krankenversicherung wiederherzustellen. 2023 konnte der Verein in etwa einem Drittel der 80 Patienten, die ein Clearing durchlaufen haben, die Krankenversicherung wieder herstellten oder einen anderen Kostenträger für die Behandlung finden, sagt Stähnz: „Grundsätzlich gilt aber: Viele Betroffene kennen ihre Rechte nicht.“
Auch Detlef nutzt den Anonymen Krankenschein. Er hat es eigener Darstellung aufgegeben, sich mit „der Kasse rumzustreiten“. Der Erfurter ist längst Rentner und lebt seit mehr als einem Jahr ohne festen Wohnsitz in der Landeshauptstadt. Jahrelang selbstständig gewesen, habe er irgendwann die Beiträge für die private Krankenversicherung nicht mehr bezahlen können. Die Behandlung per anonymem Krankenschein stellt für ihn einen vergleichsweise einfachen Weg dar, einen behandelnden Arzt zu finden. Die Möglichkeit nutze er aber nur, wenn es wirklich sein müsse, beteuert er. „Ich will niemandem zur Last fallen.“
Dabei bräuchte er den AKST möglicherweise gar nicht in jedem Fall. Seit der Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherungspflicht im Jahr 2009 ist eine Kündigung durch den Versicherer, die zum vollständigen Verlust des Krankenversicherungsschutzes führen würde, grundsätzlich nicht mehr möglich. Laufen Beitragsschulden auf, kann der Leistungsanspruch lediglich deutlich eingeschränkt werden.
Gemäß Sozialgesetzbuch V sind gesetzlich krankenversicherte Menschen zwar prinzipiell noch versichert, können aber nur noch etwa Behandlungen bei akuten Erkrankungen und Schmerzen in Anspruch nehmen. Ähnliches gilt auch für die private Krankenversicherung. Oftmals werden die säumigen Versicherungsnehmer aber nicht auf diese Möglichkeiten hingewiesen.
Thüringen ist Vorreiter bei der Ausgabe von Anonymen Kranken- oder Behandlungsscheinen, aber längst nicht mehr das einzige Bundesland, das Betroffenen in identischer oder leicht abgewandelter Form Hilfe anbietet. Unterstützung dieser Art gibt es zum Beispiel auch durch Clearingstellen in Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin, die jedoch allesamt nur eine begrenzte Zahl von Behandlungen pro Jahr ermöglichen. In Sachsen, wo es diese Hilfe nur in Leipzig gibt, wurden 2023 rund 1.200 Behandlungen registriert.
Daneben weitverbreitet ist etwa auch das Modell einer direkten Hilfe über ehrenamtlich organisierte Sprechstunden. Ob mit oder ohne Krankenschein: Der Bedarf an solchen Angeboten ist flächendeckend hoch. Laut Statistischem Bundesamt lebten 2019 zwar weniger als ein Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland ohne Krankenversicherungsschutz. Hochgerechnet auf heutige Zahlen entspricht das einer Versorgungslücke von 460.000 Personen.
Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Anonyme Behandlungsschein- und Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz (BACK) geht von Hunderttausenden Betroffenen in Deutschland aus, zumal etwa Obdachlose oder Rentner in der Regel gar nicht erwerbstätig, dafür aber überproportional häufig ohne Versicherungsschutz seien. Zwar habe die noch amtierende Bundesregierung laut Koalitionsvertrag für Menschen mit ungeklärtem Versicherungsstatus, wie insbesondere Wohnungslose, den Zugang zur Krankenversicherung im Sinne der Betroffenen klären wollen. Doch bewegt habe sich seit 2021 nichts, so die Kritik des Verbands. Vorerst bleiben die Modelle für die Behandlung von Menschen ohne Gesundheitsversorgung dauerhafte Notlösungen.
Münster (epd). Menschen mit Behinderung dürfen nicht zum „Problem“ definiert werden. Das sagt die Sozialpädagogin und katholische Theologin, Sabine Schäper, mit Blick auf behinderte Minderjährige, die ihre Umgebung durch ein besonders auffälliges Sozialverhalten in schwierige Situationen bringen können. Es gelte „zu verstehen, welche innere Not hinter dem herausfordernden Verhalten liegt“. Mit der Professorin der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Münster sprach Markus Jantzer.
epd sozial: Frau Professorin Schäper, was ist für „herausfordernde Verhaltensweisen“ von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung kennzeichnend?
Sabine Schäper: Menschen verhalten sich in einer Weise, die andere als „herausfordernd“ erleben, wenn sie sich selbst subjektiv in einer herausfordernden Situation befinden. Etwa wenn ihre Bedürfnisse nachhaltig nicht berücksichtigt werden, wenn sie sich bedrängt fühlen durch strukturelle oder von anderen Personen ausgeübte Zwänge oder wenn sie sich in einem emotionalen Ausnahmezustand befinden. Kinder und Jugendliche mit Behinderung erleben häufiger als andere solche Grenzsituationen, weil sie in stärker institutionalisierten Lebenswelten leben, weil sie in der Art, wie sie ihre Emotionen äußern, von anderen nicht verstanden werden oder weil sie selbst nicht verstehen, was um sie herum geschieht.
epd: Welche herausfordernden Verhaltensweisen kommen die vergleichsweise häufig vor?
Schäper: Bei Kindern mit kognitiven Beeinträchtigungen kommen von anderen als herausfordernd erlebte Verhaltensweisen häufiger vor. Dazu gehören Studien zufolge auffälliges Sozialverhalten, das Ausdruck emotionaler Not sein kann, wie Weinen, Schreien. Auch verbal aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, also Beleidigung und Drohung kommen vor, aber auch fremdaggressives Verhalten, das mit Verletzung anderer Personen oder auch der Zerstörung von Sachen einhergeht. Manchmal werden auch schlicht ungewöhnliche, manchmal originelle Verhaltensweisen, als „herausfordend“ bezeichnet, weil sie andere irritieren, etwa stereotype Wiederholungen von Bewegungsmustern.
epd: Eltern sowie Betreuerinnen und Betreuer sind besonders gefordert, wenn eine Person mit Behinderung sich häufig fremdaggressiv verhält. Wie reagieren in der Regel die Bezugspersonen auf solches Verhalten?
Schäper: Ein „in der Regel“ gibt es hier nicht, es sind immer zugespitzte Situationen, die hoch komplex und von vielen Bedingungen bestimmt sind. Manchmal ist sofort erkennbar, was ein problematisches Verhalten auslöst: eine der Person nicht hinreichend verstehbar gemachte, aber irritierende Veränderung, die Ablehnung eines dringenden Bedürfnisses, manchmal aber auch Schmerzen oder emotionale Belastungen, die nicht rechtzeitig erkannt werden. Eine besondere Schwierigkeit besteht dann, wenn der Anlass oder Auslöser nicht erkennbar ist. Je weniger in einer konkreten Situation klar ist, warum sich eine Person fremdaggressiv verhält, umso weniger adäquat kann eine Antwort darauf sein. Je hilfloser sich Betreuungspersonen fühlen, umso mehr greifen sie auf rigorose und begrenzende Situationen zurück. Sofern eine entsprechende Genehmigung vorliegt, werden mitunter freiheitsentziehende Maßnahmen angewandt.
epd: Wie können die Verantwortlichen intervenieren und dabei auch die Interessen und Bedürfnisse der Person, die fremdaggressiv reagiert, beachten?
Schäper: Die Berücksichtigung dieser Interessen ist schon der Schlüssel hin zu einer Lösung: Der Impuls, die Aggression gegen andere oder gegen Sachen zu richten, ist ja in der Regel Ausdruck einer inneren Not, aus der es keinen anderen Ausweg zu geben scheint. Also gilt es zu verstehen, welche innere Not hinter dem Verhalten liegt: Sind es gegebenenfalls tatsächlich unsichtbare körperliche Schmerzen, auf die jemand aufmerksam machen will? Sind die Verhaltensweisen Ausdruck eines bestimmten Willens, der nicht berücksichtigt wird? Ist die Person mit einer Anforderung, die an sie gestellt wird, überfordert? Fehlen ihr Möglichkeiten, sich zu artikulieren?
epd: Sind angesichts der aktuellen personellen Lage in Behinderteneinrichtungen überhaupt Reaktionen möglich, die nicht vor allem aus Sanktionen, Ausschlüssen und Fixierungen bestehen?
Schäper: Die Entwicklung einer Haltung des zugewandten Verstehens ist keine Frage der personellen Ressourcen, weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht. Selbstverständlich braucht es fachliches Wissen und methodisches Können, etwa im Bereich Unterstützter Kommunikation oder positiver Verhaltensunterstützung, um gemeinsam Alternativen zu herausfordernden selbst- und fremdgefährdenden Verhaltensweisen zu entwickeln. Das kann ein langwieriger Prozess sein, der aber auf lange Sicht wiederum ressourcenschonend ist, weil rigorose Reaktionen das Problem nur situativ begrenzen - und das gegebenenfalls unter Ausübung oder Inkaufnahme von Zwang -, statt es nachhaltig zu lösen.
epd: Welche wirksame Unterstützung für Familien herausfordernden Kindern ist angeraten?
Schäper: Das ist eine wichtige Frage. In der Tat fehlt es oft an leicht zugänglicher Unterstützung von Familien - sowohl in Bezug auf die adäquate Versorgung etwa mit pflegerischer Unterstützung oder mit Hilfsmitteln als auch in Bezug auf Beratungsangebote. Insbesondere Familien mit Migrationsgeschichte erleben die komplizierten administrativen Wege als Dschungel, in dem der Zugang zu Hilfen vielfach versperrt ist. Die neu installierte Funktion der Verfahrenslotsinnen und -lotsen, die im Jugendamt angesiedelt ist und Familien durch den Dschungel der unterschiedlichen Leistungsansprüche hindurch berät und begleitet, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Eine solche Funktion braucht es niederschwellig und flächendeckend. Zudem helfen eine frühe Unterstützung im Rahmen der Frühförderung, eine gute und wohnortnahe Versorgung mit Kita-Plätzen und eine bedarfsgerechte Beschulung. Bei psychischen Problemen oder Erkrankungen, die bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung auch vermehrt vorkommen, braucht es zudem niedrigschwellige Zugänge und entsprechende Fachkompetenzen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der psychotherapeutischen Versorgung. All diese präventiven Maßnahmen helfen, eine Eskalation von Verhaltensweisen zu verhindern.
epd: Ist eine dauerhaft wirksame Unterstützung angesichts limitierter öffentlicher Budgets überhaupt realistisch?
Schäper: Selbstverständlich ist sie das, wenn man nicht allzu kurzfristig denkt, sondern die langfristigen Effekte einer nachhaltig guten und frühzeitigen Unterstützung betrachtet. Zudem sollte sich der Gesellschaft im 21. Jahrhundert nicht die Frage stellen, ob eine adäquate Unterstützung realistisch ist - Menschen haben einen Rechtsanspruch auf eine teilhabeförderliche Begleitung und auf ein Aufwachsen in Sicherheit. Nur wenn wir die Bildungs- und Entwicklungschancen der nachwachsenden Generationen stärken, werden wir als Gesellschaft eine Zukunft haben. Es muss darum gehen, sicherzustellen, dass die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung selbstverständlich berücksichtigt werden, dass es Menschen gibt, die ihre Bedürfnisse verstehen und ihnen zur Durchsetzung verhelfen, und dass es ausreichend fachlich qualifiziertes Personal gibt, das sie in ihren Bildungs-, Entwicklungs- und Teilhabebedürfnissen unterstützt.
epd: Was sind Ihre dringendsten Empfehlungen, um die Situation für alle Beteiligten zu verbessern?
Schäper: Zunächst einmal muss das Thema sichtbar werden in einer Weise, die nicht die Menschen mit Behinderung als Problem etikettiert. Dieses Interview ist selbst ein wichtiger Beitrag dazu. Das Verstehen-Wollen und Verstehen-Können ist ein zentraler Anker für die gemeinsame Suche nach alternativen Verhaltensweisen, die die Person in die Lage versetzen, auf das herausfordernde Verhalten zu verzichten. Begleitende - Eltern wie professionelle Bezugspersonen - brauchen Beratung und Unterstützung, um diesen Verstehensprozess gemeinsam gehen zu können. Und sie brauchen die Sicherheit, in ihrer Hilflosigkeit selbst durch ein Netzwerk guter Begleitung getragen zu sein.
Gießen, Marburg (epd). Die Corona-Infektion fühlte sich für Edith Gerlach an wie eine „dicke Erkältung“. „Aber zwei Wochen später kam ich keine Treppe mehr hoch“, erzählt die 45-Jährige. Ihre Hausärztin hegte schnell den Verdacht, dass es Long Covid sein könnte und schickte sie zum Durchchecken ins Krankenhaus. Die Ärzte fanden nichts, „außer, dass ich komplett unbelastbar war“. Heute, gut zwei Jahre später, kann Gerlach nicht mehr arbeiten, nur an manchen Tagen Auto fahren. Haushalt, Kinder - fast alles übernimmt ihr Mann.
Wenige Monate nach dem ersten bestätigten Corona-Fall in Deutschland am 28. Januar 2020 gab es bereits Hinweise auf längerfristige Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Die Fachleute nennen es Long Covid oder Post Covid, je nachdem, wie lange die ursprüngliche Covid-Erkrankung zurückliegt. Mittlerweile rechnen Experten mit mehr als einer Million Long-Covid-Erkrankten in Deutschland.
In einem gemütlichen Raum in der Stadtmitte von Gießen treffen sich an diesem Wintertag einige Mitglieder der örtlichen Long-Covid-Selbsthilfegruppe. 50 Leute gehören der Gruppe an - aber längst nicht jeder und jede schafft es zu den Treffen.
Guido Bock ist allein da. Seine Frau erkrankte vor zwei Jahren an Covid-19. „Sie hat sich davon nicht mehr erholt“, sagt er. Heute sei die Mittfünfzigerin ein Pflegefall, ihr Mann der Pfleger. Beide sind Ärzte. Seine Frau arbeitet längst nicht mehr, Guido Bock wechselt jetzt die Stelle, um flexibler zu sein. Er erzählt: Seine Frau leide unter stärksten Schmerzen, sie nehme Schmerzmittel, ihr Tag-Nacht-Rhythmus sei verschoben. Nach kleinsten Belastungen, etwa Arztterminen, sei sie tagelang entkräftet. „Anfangs haben wir gedacht, man trainiert halt ein bisschen. Bis wir merkten: Durch Belastung wird es immer schlimmer.“
Der Marburger Kardiologe Bernhard Schieffer erklärt, dass etwa 100 verschiedene Symptome mit Post Covid in Verbindung stehen. Zu den häufigsten gehörten anhaltende Müdigkeit, reduzierte Leistungsfähigkeit, Nervenbeschwerden sowie kognitive Störungen. Schieffer, der die Post-Covid-Ambulanz am Universitätsklinikum Marburg leitet, berichtet, dass die Ambulanz bis zum Sommer vollständig ausgebucht ist. Zeitweise standen tausende Patienten auf der Warteliste, viele von ihnen in großer Verzweiflung.
„Wir haben in allen Selbsthilfegruppen enormen Zulauf“, berichtet die Vorsitzende des Vereins ME-Hilfe, Gritt Buggenhagen. Die Multisystemerkrankung ME/CFS tritt etwa bei der Hälfte der Long-Covid-Patienten auf. Betroffene hätten mit Stigmata zu kämpfen, erklärt Buggenhagen, viele erhielten Fehlbehandlungen wie Psycho- oder Aktivierungstherapien. In den Gruppen höre sie häufig: „Seit der Reha geht gar nichts mehr.“ Viele seien durch den Rat, mehr Sport zu treiben, tiefer in die Krankheit gerutscht.
Der Wissenschaftler Schieffer betont, dass trotz intensiver Bemühungen nach wie vor erhebliche Herausforderungen bei der Behandlung von Post-Covid-Patienten bestünden. Bisherige medikamentöse Ansätze hätten sich als erfolglos erwiesen. Allerdings zeichneten sich neue, vielversprechende Forschungsansätze im Bereich der Immunologie sowie der Kardiologie ab, die das Herz-Kreislaufsystem beträfen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir in fünf Jahren eine standardisierte Diagnostik und Therapie für Post-Covid entwickeln werden“, sagt Schieffer.
Die Leute aus der Gießener Selbsthilfegruppe sagen: Long Covid werde von der Gesellschaft nicht verstanden. Die Krankheit passe in kein Schema. Bei etlichen aus der Gruppe verschlechtere sich die Gesundheit. Guido Bock berichtet, dass einige Bekannte „erschrocken“ reagierten. Kontakte brächen weg. „Es ist ein furchtbarer Zustand. Man verschwindet von der Bildfläche.“
Christoph Sander (Name geändert) schildert, wie auch er zwei Jahre nach seiner Corona-Infektion noch immer nicht wieder auf die Beine kommt. Das Ehrenamt beim Sanitätsdienst gab er auf, vom Sportverein meldete er sich ab. „Aus dem Urlaub komme ich raus, wie ich reingegangen bin.“ Jetzt seien seine Rest-Urlaubstage, mit denen er sich durch den Arbeitsalltag gehangelt habe, aufgebraucht. Wie es weitergeht, weiß er nicht.
Es gibt auch Mut machende Beispiele. Ute Noll sagt: „Von Anfang an war ich rundum gut versorgt. Ein Glücksfall.“ Anfang 2021 erkrankte sie schwer am Coronavirus: Notarzt, Krankenhaus, Corona-Station. Aber schon damals kam zweimal am Tag eine Physiotherapeutin zu ihr. In der Reha lernte sie, sich damit abzufinden, dass bestimmte Dinge nicht mehr gehen. Sie habe angefangen, genau zu überlegen, „wo ich meine Kraft einsetze“.
„Pacing“ heißt diese Strategie, die eigenen Energiereserven zu managen. Auch Edith Gerlach musste lernen, sehr gut auf ihren Körper zu hören, regelmäßig Puls und Atem zu kontrollieren. Ein kleiner Druck im Auge zeige an, wenn Überlastung drohe, sagt sie. Dann packt sie schnell ihre Sachen zusammen und geht.
Berlin (epd). Nach Berechnungen des Sozialverbands Deutschland wäre der Sozialstaat auch ohne zusätzliche Belastungen für kleine und mittlere Einkommen finanzierbar. Dazu müssten gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie eigentlich vorgesehen aus Steuermitteln bezahlt werden, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele bei der Vorstellung der Berechnungen am 21. Januar in Berlin. Dabei mahnte der VdK Steuer- und Versicherungsreformen an.
Beispiele für sogenannte versicherungsfremde Leistungen, die eigentlich aus Steuern zu finanzieren sind, seien etwa Rentenbeiträge für pflegende Angehörige oder Sozialversicherungsbeiträge für Ehepartner und Kinder, erklärte Bentele. Es führe zu sozialer Ungerechtigkeit, wenn diese Leistungen aus den Töpfen der Sozialversicherungen bezahlt würden. Denn Beamte, Politiker und Selbstständige zahlten in diese Töpfe nicht ein.
„Für uns ist klar, dass diese Praxis aufhören muss“, sagte Bentele. „Politische Vorhaben, die die gesamte Gesellschaft betreffen, müssen auch von der gesamten Gesellschaft finanziert werden - also aus den Steuereinnahmen.“ Dann könnten die Beitragssätze schon heute ohne jede Reform insgesamt um mehr als vier Prozentpunkte niedriger liegen als bislang.
Bentele sagte weiter, nahezu alle Parteien hätten dem VdK versichert, versicherungsfremde Leistungen aus Steuern bezahlen zu wollen. Passiert sei das bislang angesichts angespannter Haushalte in Bund und Ländern aber nicht. Hier werde „Vertrauen in den Sozialstaat auf dem Altar der schwarzen Null geopfert“, kritisierte die Präsidentin.
Für eine Senkung der Beiträge ohne zusätzliche Haushaltsbelastungen seien mehr Steuereinnahmen nötig. Um diese zu erzielen, schlägt der VdK unter anderem die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie der Einkommenssteuer vor. Freibeträge sollten hier jeweils dafür sorgen, dass nur Menschen mit hohen Einkünften und Vermögen belastet würden. Zudem solle Steuerhinterziehung entschiedener bekämpft werden.
Der VdK forderte außerdem die Einführung einer Bürgerversicherung. Der Leiter der Abteilung Sozialpolitik des VdK, Jonas Fischer, sagte, der „Alltag der Zweiklassenmedizin“ zerstöre das Vertrauen in die Sozialsysteme. Neben einer einheitlichen und solidarischen Kranken- und Pflegeversicherung fordert der VdK ein einheitliches Rentensystem, bessere Armutsbekämpfung und mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderung.
In einer Reform müsse das komplette Gesundheitssystem „vom Kopf auf die Beine gestellt werden“, sagte Bentele. Notwendig seien beispielsweise eine bessere Notfallversorgung und eine Aufhebung der strikten Trennung zwischen den ambulanten und stationären Sektoren.
Bei der Erarbeitung der Vorschläge hatte der VdK mit der Nichtregierungsorganisation FiscalFuture zusammengearbeitet. Carl Mühlbach von FiscalFuture sagte, in Deutschland seien Vermögen so ungleich verteilt wie in keiner anderen Demokratie. Diese wachsende Kluft sei eine immense Gefahr für demokratische Gesellschaften.
Den Vorschlag des Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck, Sozialversicherungsbeiträge auf Kapitaleinkommen zu erheben, begrüßte Mühlbach. Er gehe grundsätzlich in die richtige Richtung, jedoch sei die konkrete Ausgestaltung noch unklar. Es brauche eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, damit die Bezieher großer Einkommen einen stärkeren Beitrag leisteten.
Deutliche Kritik übte der VdK an der Art, wie die Diskussion um Habecks Vorschlag geführt wird. Jonas Fischer kritisierte den populistischen Vorwurf, dass der Vorschlag auf die Sparbücher kleiner Leute abziele. „Wir sehen einen Mechanismus in dieser Debatte, wie wir ihn häufig erleben“, sagte Fischer, „Angestellte und Arbeiter werden herangezogen, um hohe Vermögen zu schützen.“ Bentele sprach von einer „Irreführung in der Diskussion“. Es gehe nicht um die Menschen, „die sich 50 Euro im Monat aufs Sparbüchle legen“, sagte sie.
München (epd). Unscheinbar duckt sich der Flachbau zwischen die Hochhäuser am Sudermannbogen im Münchner Stadtteil Neuperlach. Doch die Fenster des Stadtteilbüros sind zugepflastert mit bunten Plakaten, die den Passanten von weitem entgegenleuchten: Sie verkünden die Termine von Kleiderkammer und Krabbelgruppe, laden ein zu Spieltreffs, Seniorenstammtisch oder Computerclub. Natalie Geiger leitet die Einrichtung der Diakonie München und Oberbayern. „Bei uns findet jeder seinen Platz“, sagt die junge Frau.
Das gilt für die Besucherinnen und Besucher, die vor allem aus den umliegenden Hochhäusern kommen. Wer Hilfe bei Alltagsproblemen braucht, findet sie bei der „Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit“, kurz KASA. Von Jobcenterthemen über häusliche Gewalt und Mietproblemen bis zur Klärung von Aufenthaltsfragen - hier kommt alles auf den Tisch der Spezialisten.
Einen Platz für Menschen, die Anschluss suchen, bietet wiederum der „Treffpunkt“ des Stadtteilbüros. Den größten Bedarf haben Senioren und Familien, die erst seit Kurzem in Deutschland sind. „Die Rollenverteilung ist dort oft sehr klassisch: Der Mann arbeitet sechs Tage im Schichtbetrieb, die Frau bleibt mit den Kindern allein daheim“, sagt Geiger. In den Krabbelgruppen finden die Mütter Anschluss, verbessern mit der Zeit ihr Deutsch und werden nebenbei weniger abhängig vom Partner oder der Familie.
Bei den Senioren wiederum sei die Einsamkeit oft „massiv“. „Viele haben in den 1970er Jahren hier eine Wohnung gekauft; jetzt ist der Partner bereits tot oder im Pflegeheim, und sie kommen kaum noch raus.“ Das Seniorenessen am Donnerstag sei für viele der einzige Termin in der Woche, um unter andere Menschen zu kommen. Entertainment interessiert dabei die wenigsten Besucherinnen und Besucher, berichtet Maria Düllmann. Die 74-Jährige kocht seit zwölf Jahren einmal im Monat für die rund 25 Gäste. „Die meisten wollen einfach nur ratschen“, weiß sie.
Doch was ist mit jenen, die nicht mal mehr den Weg zum Seniorennachmittag bewältigen können? Um sie kümmern sich die Ehrenamtlichen im „Projekt häusliche Versorgung“. Tina Tiikkainen zum Beispiel besucht jede Woche zwei Seniorinnen und ein Ehepaar. „Die beiden sind 80 Jahre alt und wohnen im dritten Stock ohne Aufzug“, schildert die 62-Jährige die schwierige Situation. Eine Zeit lang konnte die Ehefrau noch mit zum Einkaufen gehen, doch jetzt schafft sie die Treppen nicht mehr. Tiikkainen geht für ihre Schützlinge zum Supermarkt, in die Apotheke, zur Post. Etwa zwei Stunden wende sie pro Haushalt dafür auf. „Manchmal ist es mehr“, sagt die Ehrenamtliche.
Düllmann und Tiikkainen helfen aus doppelter Überzeugung. Natürlich wollen sie die unterstützen, die einsam und hilfsbedürftig sind. Aber sie wollen auch selbst aktiv bleiben, ihre Gaben einbringen. „Ich mach' das, solange ich kann - man rutscht dann nicht selbst in die Einsamkeit“, sagt Düllmann, die nach dem Tod ihres Mannes schon lange allein lebt. Neben der Diakonie engagiert sie sich noch bei der katholischen Frauengruppe, sie geht wandern und macht Sport. „Wenn du nichts zu tun hast, fängst du an nachzudenken, was dir fehlen könnte“, sagt die ehemalige Krankenschwester.
Natalie Geiger bestätigt das. Obwohl die Ehrenamtlichen des Stadtteilbüros häufig im gleichen Alter seien wie die Besucherinnen und Besucher, wirkten sie viel fitter: „Ehrenämter sind eine gute Prävention gegen Krankheit, sie bringen soziale Kontakte und halten geistig aktiv.“ Der Wunsch, sich für die Mitmenschen zu engagieren, verbinde die rund 90 Ehrenamtlichen im Sudermannbogen. „Es ist egal, ob jemand Ärztin ist oder Analphabet, denn der gemeinsame Nenner ist der gleiche“, sagt Geiger.
Mit Ideenreichtum und Networking bieten Einrichtungen wie das Stadtteilbüro Neuperlach dem Phänomen Einsamkeit die Stirn. 15 davon gibt es im Stadtgebiet München, dazu kommen die 33 Alten-Service-Zentren. Um noch mehr Einsame zu erreichen, wären mehr Fachkräfte in der aufsuchenden Sozialarbeit nötig, meint Natalie Geiger. „Aber auch die Ehrenamts-Strukturen kann man definitiv noch ausbauen“, sagt sie. Damit jede und jeder einen Platz findet in der Gemeinschaft.
Hannover (epd). Lea-Sophie steht in den Räumen der Jugendberufshilfe „Juniver“ in Hannover vor einer großen weißen Tafel und zögert. „Tagesstruktur“ hat Pädagogin Aristi Dimou in großen Lettern auf das Whiteboard geschrieben. Lea-Sophie, die in Wirklichkeit anders heißt, ergänzt: pünktlich aufstehen, Hygiene, frühstücken. Und dann? Sie überlegt: „Tasche packen“ schreibt die 23-Jährige. „Genau“, sagt Dimou, „und noch einmal prüfen, ob Du alles dabei hast, was Du für den Tag benötigst“.
„Juniver“ ist ein Projekt der Diakonie Hannover, unterstützt vom Jobcenter der Agentur für Arbeit und der Stadt Hannover. Sozialarbeiter und Pädagogen kümmern sich um junge Menschen bis 24, die, wie Leiter Peter Ahlers sagt, „gestrauchelt sind“. Sie haben keinen Schulabschluss oder trotz Abschluss den Übergang ins Berufsleben nicht geschafft. „Der Bedarf wird immer größer“, sagt Ahlers.
Das bestätigt auch das Statistische Bundesamt. Lag die Quote der sogenannten „frühen Schulabgänger“ in Deutschland 2013 bei 9,8 Prozent, so stieg sie 2023 auf 12,8 Prozent. „Frühe Schulabgänger“ sind 18- bis 24-Jährige, die maximal einen Sekundarstufe-I-Abschluss haben und „gegenwärtig keine allgemeine oder berufliche Bildung erfahren“. Zum Vergleich: In den Niederlanden, Luxemburg oder Belgien betrug die Bildungsabbrecherquote 2023 rund sechs Prozent, in Kroatien, Polen oder Griechenland sogar nur zwischen rund zwei bis vier Prozent.
In Deutschland verfügen in der Altersgruppe unter 35 Jahren laut dem Berufsbildungsbericht 2024 des Bundesbildungsministeriums 19,1 Prozent über keinen Berufsabschluss. Das sind fast 2,9 Millionen junge Menschen.
Die Gründe dafür sind laut Ahlers vielfältig: instabile Familienverhältnisse, psychische Erkrankungen, Sucht, Mobbing, Gewalt. „Ein Abwärtsstrudel“, sagt er. Das Team von „Juniver“ bietet Orientierung, Stabilisierung sowie Erfolgserlebnisse durch erste berufliche Qualifikationen in Gastronomie, Handwerk und Handel. Ziel: Die Jugendlichen in ein Praktikum vermitteln, eine Lehre, einen Job.
Lea-Sophie nimmt an einem Schulungsangebot für Menschen mit psychischen Problemen teil. Die junge Frau mit dem trotzig-traurigen Gesicht und der Mütze mit den Teufelshörnern hat 2018 ihren Hauptschulabschluss gemacht und danach Misserfolge, Frustrationen, Ausgrenzung erlebt, wie sie berichtet.
In der Hauswirtschaftsschule sei sie mit ihren Klassenkameraden nicht klargekommen, sagt sie. Es folgte eine Berufsschule für Holzverarbeitung. Aber auch hier fand sie keinen Anschluss. „Ich war einsam und genervt.“ Zu Hause lief es ebenfalls nicht gut. „Es gab viel Druck, ich hatte keine Kraft mehr, zum Glück habe ich inzwischen eine eigene Wohnung.“
Drei Stunden am Tag kommt Lea-Sophie zu „Juniver“: „Damit ich nicht nur zu Hause sitze“. Dimou kennt ihre Traurigkeit und Wut. „Wir geben hier Zeit“, sagt sie, „wir machen winzige Schritte, aber auch die verändern die Richtung.“
Dimou schildert, oft hätten die Eltern selbst keinen Job, seien depressiv, alkoholkrank, Tagesstruktur fehle. Für die Kinder bedeute das eine Rollenumkehr. Statt Geborgenheit zu erfahren, müssten sie sich um Geschwister und Eltern kümmern. „Netflix und Videospiele bis in die Nacht, keine Kontrolle, keine Grenzen - und morgens kommen sie nicht aus dem Bett.“
Das Problem steigender Bildungsabbrecherquoten ist in Industrie und Wirtschaft hinlänglich bekannt. Jeder Schulabbrecher sei eine fehlende Fachkraft von morgen, sagt Sönke Feldhusen, Sprecher für berufliche Bildung bei der Industrie- und Handelskammer Niedersachsen. „Die Ausbildungsreife wird von Unternehmen schon lange als unzureichend bewertet.“ Die Verantwortung sieht Feldhusen in der Bildungspolitik. Sie müsse dafür sorgen, dass Kita- und Ganztagsbetreuung sowie frühkindliche Bildung und Sprachstandsfeststellungen vor der Einschulung ausgebaut werden.
Im August brachte der Bund mit dem „Startchancenprogramm“ nach eigenen Angaben das größte Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg. Mit einem Investitionsvolumen von 20 Milliarden Euro sollen über zehn Jahre rund 4.000 Brennpunktschulen gefördert werden.
Menschen mit Bildungsabbrüchen unterstützt das Bundesprojekt „Assistierte Ausbildung“ der Agentur für Arbeit. Betriebe erhalten Hilfe von Ausbildungsbegleitern, wenn sich abzeichnet, dass Azubis etwa wegen schlechter Noten, sozialer Probleme oder Prüfungsangst ihre Lehre nicht fortsetzen können.
Auch das vom Bundesbildungsministerium geförderte Coachingprogramm „VerA“ zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen kann Hilfe bieten. Dessen „Senior Experten Service“ bietet eine Eins-zu-eins-Begleitung von Azubis durch Fach- und Führungskräfte im Ruhestand. 80 Prozent der Begleitungen sind nach Angaben der Initiative erfolgreich.
„Ein schlechter oder fehlender Schulabschluss muss keine Sackgasse sein“, betont die IHK Niedersachsen. Lea-Sophie und den anderen jungen Leuten bei „Juniver“ dürfte diese Feststellung ebenso Mut machen wie die des Sozialpädagogen Ahlers. Er attestiert den Jugendlichen Leistungsbereitschaft: „Wenn sie Lob und positives Feedback bekommen, wenn sie sich selbstwirksam erleben, dann kann man zusehen, wie sie sich aufrichten.“
Frankfurt a.M. (epd). Die Ampel-Regierung ist Geschichte, und ob vorgelegte Gesetzentwürfe vor der Wahl den Bundestag passieren werden, ist völlig offen. Viele Reformen, die die Sozialbranche mitunter seit Jahren fordern, liegen auf Eis. Zum Teil ist der Frust der Verbände groß, denn viele Probleme werden nicht kleiner, im Gegenteil. Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Die Ampel-Regierung ist Geschichte, und ob noch vorgelegte Gesetzentwürfe den Bundestag passieren werden, ist völlig offen. Kindergrundsicherung, Schutz von Frauen vor Gewalt, Pflegefinanzierung oder Reformen bei der Vergütung von Betreuern: In welchem sozialpolitischen Bereich ist das Scheitern von angekündigten Reformen besonders bitter?
Michael Groß: Wenn man nach der größten verpassten Chance sucht, kommen leider einige ungehaltene Versprechen aus dem Koalitionsvertrag infrage. Denn obgleich die Ampel beim Bürgergeld, beim Wohngeld oder bei der Erhöhung des Kindersofortzuschlags notwendige und wichtige Schritte gegangen ist: Eine echte Fortschrittskoalition im Sinne von sozialem Fortschritt war sie nicht. Aktuell kommt einem bei diesem Thema zuallererst das Ausbleiben einer echten Pflegereform in den Sinn: Seit Jahren steigen die Beiträge und Eigenanteile, die Menschen leisten müssen, um gute Pflege zu erhalten. Die Pflegeversicherung ist zu einer Rumpf-Versicherung verkommen, die man nicht einmal mehr als Teilkasko-Versicherung bezeichnen kann. Was wir bräuchten, um Altersarmut zu bekämpfen und gute Pflege zu gewährleisten, wäre aber eine Vollversicherung, an der alle sich beteiligen.
Joachim Rock: Besonders bitter ist das Scheitern der Bundesregierung dabei, mit der Einführung von Bürgergeld und Kindergrundsicherung eine bedarfsgerechte und unbürokratische Neuordnung der Grundsicherung vorzunehmen. Auch die Neubestimmung des Existenzminimums für Kinder blieb auf der Strecke. Die Bundesregierung hat es versäumt, den Sozialstaat gleichzeitig leistungsfähiger und leichter zugänglich zu machen. Sie hat sich im Irrgarten des Mit-, Neben- und Gegeneinanders von Gesetzen, Verordnungen und Zuständigen verlaufen und verstrickt.
epd: Auch wenn viele Reformansätze wohl gescheitert sind, bleiben die Probleme etwa in der Pflege ebenso weiter bestehen wie der Fachkräftemangel, die zunehmende Armut und das Fehlen bezahlbarer Wohnungen. Für welche dieser sozialpolitischen Herausforderungen wird auch die künftige Bundesregierung schnell Lösungen aufzeigen müssen?
Rock: Die ungelösten Probleme bleiben auf der Tagesordnung, neue treten hinzu. Die Regelungen zur Mietpreisbremse laufen zum Jahresende 2025 aus, die geplante Verlängerung hat bislang keine Mehrheit. Die steigenden Wohnkosten sind der Kern einer neuen sozialen Frage. Sie bleibt bisher unbeantwortet, viele Mieterinnen und Mieter schauen sorgenvoll in die Zukunft. Auch das Rentenniveau ist nur noch 2025 bei mindestens 48 Prozent abgesichert. Sinkt es weiter, wird die Rente zwar nominell nicht geringer, sie wird aber immer weniger Wert haben. Das beträfe etwa 26 Millionen Renten. Rentnerinnen und Rentner würden von der Einkommensentwicklung abgehängt.
Groß: Neben der Reform der Pflegeversicherung muss eine neue Bundesregierung dringend am Thema Kinderarmut dranbleiben. Mit dem Versuch, eine Kindergrundsicherung zu schaffen, ist die Ampel zwar gescheitert. Aber sie hat ein Debattenfenster geöffnet, das viel Aufmerksamkeit erzeugt hat. Hier gilt es nun, schnell und pragmatisch weiterzuarbeiten, und zwar mit tragfähigen Konzepten. Als Arbeiterwohlfahrt fordern wir unter anderem, die Kinderfreibeträge für Betreuung, Erziehung und Ausbildung für wohlhabende Haushalte zu senken. Mit den bis zu 3,5 Milliarden Euro, die man dadurch einsparen würde, könnte sehr einfach der Regelsatz für Kinder im Bürgergeldbezug erhöht werden. Wirksame, umsetzbare und verteilungspolitisch gerechte Maßnahmen wie diese muss eine neue Regierung auf den Weg bringen.
epd: Die Wirtschaft schwächelt, einen Haushalt 2025 gibt es noch nicht, bislang stehen die Zeichen überall auf Sparen - und die Schuldenbremse gibt es auch noch. Betroffen vom Rotstift wären viele soziale Bereiche, die Integrationskurse ebenso wie die Freiwilligendienste. Wo also soll das Geld herkommen, das es braucht, um die soziale Infrastruktur zumindest zu sichern und wo wäre es am besten investiert?
Groß: Um handlungsfähig zu werden und soziale Gerechtigkeit zu ermöglichen, muss der Staat zunächst seine Einnahmenseite verbessern. Vermögen und hohe Einkommen müssen stärker besteuert werden, statt bei Ausgaben für den Zusammenhalt zu sparen. Darüber hinaus muss eine neue Bundesregierung die Schuldenbremse abschaffen. Denn Investitionen in die soziale Infrastruktur und soziale Sicherheit sind Zukunftsinvestitionen und dürfen nicht buchstäblich ausgebremst werden. Sollte nur eine Reform der Schuldenregel angegangen werden, dann muss diese eine klare „goldene Regel“ für soziale Investitionen beinhalten.
Rock: 2025 ist ein Jahr der Entscheidung für die Wohlstands- und Sozialstaatsentwicklung in Deutschland. Mit über einer Billion Euro wird zwar viel verteilt, aber zu wenig umverteilt. Die Kinder besonders einkommensstarker Familien sind dem Staat immer noch deutlich mehr wert als andere, wie man an den gegenüber dem Kindergeld erhöhten Vorteilen durch Steuerfreibeträge für einkommensstarke Familien sieht. Dass die Alterssicherung von Pensionären deutlich besser finanziert wird als von Rentnerinnen und Rentnern, ist immer weniger zu rechtfertigen. Heute stammen nur noch 70 Prozent der Einkommen aus Arbeit, 30 Prozent stammen aus anderen Einkommen, etwa Kapitalerträgen und Vermietungen. Letztere werden kaum zur Finanzierung des Sozialstaates herangezogen, das verstärkt Ungleichheit zusätzlich. Das müssen wir ändern, weil die Versorgung mit notwendigen Diensten für Bildung und Erziehung, für Pflege- und Sorgearbeit, für Integration und Beschäftigungsförderung akut gefährdet ist. In diesen Bereichen bevorzugt auf gemeinnützige Angebote zu setzen, wäre ein wichtiger Beitrag zu einer nachhaltigen Sozialpolitik.
Schwäbisch Hall/Neuendettelsau (epd). Paukenschlag in der evangelischen Sozialbranche: Mathias Hartmann, Vorstandsvorsitzender des evangelischen Sozialunternehmens Diakoneo mit Hauptsitz im mittelfränkischen Neuendettelsau, tritt von seinem Amt zurück. Wie das Unternehmen am 22. Januar mitteilte, verlasse der 60-Jährige Diakoneo. Seine Position werde nicht nachbesetzt, seine Aufgaben werden von den übrigen Vorständen mit übernommen. Der Pfarrer und Diakoniewissenschaftler war seit 2015 Diakoneo-Chef.
Diakoneo hatte zuletzt mit Problemen zu kämpfen. Der Klinik-Bereich des Sozialunternehmens schrieb trotz verschiedener Konsolidierungsversuche teilweise Millionendefizite. Nach monatelangen Verhandlungen hatte Diakoneo zum 1. Januar 2025 seine Klinik „Diak“ in der baden-württembergischen Kreisstadt Schwäbisch Hall an den Landkreis verkauft - und der Kommune 37 Millionen Euro an „negativem Kaufpreis“ überwiesen. Für die Cnopfsche Kinderklinik und das Klinikum Hallerwiese in Nürnberg sucht Diakoneo weiter einen Käufer.
Der gebürtige Frankfurter Hartmann ist von Beruf Pfarrer. Er studierte evangelische Theologie in Erlangen und durchlief sein Vikariat im nahe gelegenen Herzogenaurach. Danach zog es ihn nach Bamberg, wo er zunächst als Studentenpfarrer tätig war. Zum Diakoneo-Vorgänger Diakonie Neuendettelsau kam Hartmann 2003, dort wurde er später als Abteilungsdirektor Bildung des Sozialwerks Mitglied im Vorstand. Die Fusion der Diakonie Neuendettelsau und des Diakoniewerks Schwäbisch-Hall zu Diakoneo im Jahr 2019 war sein Projekt.
In der knappen Diakoneo-Mitteilung werden „persönliche Gründe“ für Hartmanns Rückzug genannt. Hartmann selbst wird mit den Worten zitiert, er werde Diakoneo und seinen Mitarbeitern „immer verbunden bleiben“. Kuratoriumsvorsitzender Pfarrer Werner Schwartz würdigte Hartmanns Verdienste für Diakoneo. Er wünsche ihm „persönlich und beruflich nur das Beste“. In der Mitteilung wird zudem gewürdigt, dass Hartmann das Unternehmen „für andere Kulturen und Religionen“ wesentlich vorangetrieben habe.
Hinter den Kulissen war schon länger spekuliert worden, ob die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch in der Diakoneo-Führung zu Konsequenzen führen werden. Vom Hartmann-Weggang waren in Kirche und Diakonie dann doch einige sehr überrascht. Bayerns Diakonie-Präsidentin Sabine Weingärtner sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage: „Es tut mir leid, dass die Situation des Diakoneo nun zu dieser Konsequenz führt.“ Die Diakonie Bayern verliere damit auch „ein wichtiges Mitglied“ im diakonischen Rat.
Wie es mit dem evangelischen Sozialunternehmen weitergeht, ist unklar - zumal der Chefposten unbesetzt bleibt. Branchenkenner sagten dem epd, auch eine Zerschlagung des Sozialunternehmens sei denkbar. Der dauerhaft defizitäre Klinikbereich könnte möglichst kostenneutral abgegeben oder abgewickelt werden, die Behinderten- und Altenhilfe möglicherweise von einem anderen diakonischen Träger übernommen werden. Nach epd-Informationen sollen wichtige Entscheidungen dazu noch vor Mitte Februar fallen.
Diakoneo ist mit rund 10.000 Mitarbeitenden einer der größten diakonischen Träger in Deutschland und der größte Süddeutschlands. Heute gehören Seniorenheime, Behinderteneinrichtungen, Schulen und Kliniken dazu. Gegründet wurde sie am 9. Mai 1854 von Wilhelm Löhe als Diakonissenanstalt.
Hannover (epd). Die Missbrauchsbetroffene Katharina Kracht fordert ein Jahr nach Veröffentlichung der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) weitere Aufarbeitungsprojekte. Jede Landeskirche und jeder Diakonieverband müsse eigene Studien in Auftrag geben, sagte Kracht im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Diese sollten die immer wieder auftauchenden, verharmlosenden Narrative zum Vorschein bringen.“
Sie befürchte allerdings, dass die Kirchen nur noch kleinere Studien für einzelne Fälle in Auftrag geben werden, sagte Kracht, deren Fall Gegenstand der ForuM-Studie war. Dabei gehe der Blick auf solche Narrative verloren. Kracht hatte auch beratend an der Missbrauchsstudie der Universität Osnabrück zum katholischen Bistum Osnabrück mitgewirkt.
Die dortigen Wissenschaftler hatten erstmals verharmlosende Erzählungen herausgearbeitet. Demnach wurde etwa sexualisierte Gewalt häufig als Liebesbeziehung tituliert oder damit erklärt, dass der Täter eine krankhafte Neigung habe. „Diese Narrative gibt es genauso in der evangelischen Kirche und es wäre sinnvoll, sie in großen Studien sichtbar zu machen“, sagte Kracht.
Kracht forderte die evangelische Kirche zugleich auf, sich bezüglich der Anerkennungszahlungen an der katholischen Kirche zu orientieren. Diese zahle deutlich mehr, seit sich ein Betroffener gerichtlich 300.000 Euro Schmerzensgeld erstritten habe. „Denn Geld ist Lebensqualität“, betonte Kracht.
Vor allem müsse die Kirche für diejenigen Menschen, die in Heimen der Diakonie schwer missbraucht wurden, schnell ein Nothilfesystem entwickeln. „Viele der Betroffenen sind 70, 80 Jahre alt und leben in Armut, weil sie keine Ausbildung machen konnten und schwer traumatisiert sind.“ Ein Nothilfesystem sollte unbürokratische Zahlungen zusätzlich zur Rente oder zum Bürgergeld ermöglichen.
Beim Umgang der evangelischen Kirche mit Betroffenen sieht die Mitbegründerin der Initiative „Vertuschung beenden“ kaum Fortschritte. Die Betroffenenvertreter im Beteiligungsforum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hätten keine demokratische Legitimation, sondern seien von kirchlichen Gremien bestimmt worden.
Die EKD hätte mit Betroffenen über deren Beteiligung diskutieren sollen, kritisierte Kracht. Sie hätte etwa online und über Gemeindebriefe dazu aufrufen können. Das sei aber nicht geschehen. „Darüber hinaus müssten auch Betroffene beteiligt werden, die der Kirche nicht nahestehen.“
Die Beteiligung Betroffener im Rahmen der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen, die bundesweit zum Teil noch in der Gründung sind, betrachtet Kracht ebenfalls mit Skepsis. „In diesen Kommissionen geht es nur um Aufarbeitung. Wichtigstes Thema sind aber im Moment für die Betroffenen die Anerkennungszahlungen.“
Karlsruhe (epd). Ärztinnen und Ärzte müssen Patienten vor einem medizinischen Eingriff in einem „vertrauensvollen Gespräch“ mündlich über Chancen und Risiken der Behandlung aufklären, sagt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Es reiche nicht aus, dass medizinische Risiken nur im Aufklärungsbogen umfassend aufgeführt sind, den der Patient gelesen und unterzeichnet hat, entschied der BGH in einem am 21. Januar veröffentlichten Urteil.
Der Kläger aus Südhessen hatte sich 2015 wegen zunehmender Schmerzen im rechten Sprunggelenk in die Praxis eines Unfallchirurgen begeben. Die körperliche Untersuchung und Röntgenaufnahmen ergaben, dass der Mann sogenannte freie Gelenkkörper aus Knorpel und Knochen im Fuß hatte. Der Chirurg schlug eine ambulante Arthroskopie vor, bei der die Gelenkkörper minimalinvasiv entfernt werden. Im August 2016 wurde er in der Praxis und einen Monat später erneut in einer Klinik operiert.
Bereits vor dem zweiten Eingriff klagte der Mann über zunehmende Schmerzen und eine Überempfindlichkeit des Fußrückens. An der Einstichstelle des Arthroskops wurden ein gutartiges Nervengeschwulst und eine Nervenschädigung festgestellt.
Der Patient verlangte von dem Arzt Schadensersatz. Er sei nicht ausreichend über die medizinischen Risiken - insbesondere Nervenschäden - und Behandlungsalternativen aufgeklärt worden. Der Arzt habe ihm nicht mitgeteilt, dass die Operation nur relative Erfolgschancen habe und nicht alle freien Gelenkkörper entfernt werden könnten. Aufgrund der Operation sei er nun erwerbslos und zu 60 Prozent schwerbehindert. Der Arzt hielt sowohl die mündliche als auch die schriftliche Aufklärung für richtig. Der Kläger habe den Aufklärungsbogen gelesen und unterzeichnet. Darin seien die Risiken des Eingriffs genannt worden.
Der BGH urteilte, dass es für den Schadensersatzanspruch darauf ankomme, ob der Patient mündlich ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei. Dies müsse das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt erneut prüfen. Für eine wirksame Einwilligung des Patienten in eine Operation müssten die in Betracht kommenden Risiken zwar nicht medizinisch exakt beschrieben werden. Es genüge eine Aufklärung „im Großen und Ganzen“. Dem Patienten müsse aber eine allgemeine Vorstellung vom Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Zugunsten des Klägers könne unterstellt werden, dass er über das Risiko einer Nervenschädigung mündlich nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei.
Bei der Aufklärung dürfe der Arzt nur ergänzend auf schriftliche Unterlagen als Gedächtnisstütze verweisen, urteilte der BGH. Erfolge keine mündliche Benennung der Risiken, könne der Patient nicht selbstbestimmt über den Eingriff entscheiden. Denn nur im Gespräch könne er Rückfragen stellen. Über schwerwiegende und das weitere Leben belastende Risiken sei „grundsätzlich auch dann aufzuklären, wenn sie sich nur selten verwirklichen“. Allein der Verweis auf den Aufklärungsbogen reiche nicht aus. Kern der Aufklärung müsse das „vertrauensvolle Gespräch“ sein.
Nach einem Urteil des OLG Hamm vom 9. Dezember 2014 muss eine mangelhafte Patientenaufklärung aber nicht automatisch zu einem Schmerzensgeldanspruch führen. Denn Sinn und Zweck der Aufklärung über Operationsrisiken sei es, den Patienten in die Lage zu versetzen, sich für oder gegen den Eingriff zu entscheiden. Es bestehe daher kein Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Patientenaufklärung, wenn sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung für den Eingriff entschieden hätte.
In einem weiteren Urteil vom 21. November 2023 verpflichtete der BGH behandelnde Ärzte dazu, Patienten auch über eine mögliche Änderung der Operationsmethode aufzuklären. Habe ein Arzt trotz Hinweisen auf eine mögliche Operationserweiterung oder einen Wechsel der Operationsmethode diesen Patienten darüber nicht informiert, müsse er „soweit dies möglich ist, die Operation beenden, den Patienten nach Abklingen der Narkosewirkungen entsprechend aufklären und seine Einwilligung in den weitergehenden Eingriff einholen“.
Lässt sich ein Patient mit alternativmedizinischen Verfahren behandeln, muss der Arzt nach einem Urteil des OLG Dresden vom 23. Juli 2024 nicht nur die Vor- und Nachteile erläutern, sondern auch, warum vom schulmedizinischen Standard abgewichen wird. In der Grundaufklärung müsse auf die unzureichenden Wirksamkeitsnachweise der alternativmedizinischen Behandlung hingewiesen werden. Wird dies unterlassen, kann ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld bestehen.
Az.: VI ZR 188/23 (Bundesgerichtshof über mündliche Aufklärung)
Az.: 26 U 88/13 (Oberlandesgericht Hamm)
Az.: VI ZR 380/22 (Bundesgerichtshof zu Operationsmethoden)
Az.: 4 U 1610/21 (Oberlandesgericht Dresden)
Karlsruhe (epd). Eine getrennt lebende und unterhaltspflichtige geschiedene Ehefrau muss als Mitglied einer Wohngemeinschaft (WG) keinen höheren Unterhalt für ihre beim Vater lebenden Kinder zahlen. Einsparungen, die beim Zusammenleben in einer WG entstünden, führten zwar zu Einschränkungen beim Wohnen, die eine Kürzung des Selbstbehalts jedoch nicht rechtfertigten, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 20. Januar veröffentlichten Beschluss.
Im entschiedenen Fall hatten sich geschiedene Eltern um die Höhe des Unterhalts für die beiden gemeinsamen neun Jahre alten Kinder gestritten. Der Vater hatte für seine bei ihm lebenden Kinder mehr Kindesunterhalt verlangt. Die aus der Ukraine stammende geschiedene Ehefrau lebt inzwischen in einer eigenen Mietwohnung und hatte ihre nach Deutschland geflüchtete Mutter aufgenommen.
Der Vater meinte, dass seine Ex-Partnerin durch das Zusammenleben mit ihrer Mutter Kosten für Miete und den Lebensunterhalt spare. Damit sinke ihr Selbstbehalt, sodass sie mehr Kindesunterhalt zahlen müsse. Zudem sei ihr eine Nebentätigkeit neben ihrer Ausbildung zur Steuerfachgehilfin mit 30 Wochenstunden zuzumuten. Weil sie das nicht getan habe, müssten ihr fiktive Nebeneinkünfte zugerechnet werden, die ebenfalls höhere Kindesunterhaltszahlungen begründeten, so der Vater der Kinder.
Der BGH entschied jedoch, dass zwar durchaus das Zusammenleben mit einem neuen Partner eine Kürzung des Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen begründe. Denn solch eine Bedarfsgemeinschaft trete füreinander ein und teile sich gemeinsam die Kosten für die gemeinsam genutzte Wohnung. Das gelte jedoch nicht, wenn der Unterhaltspflichtige wie im vorliegenden Fall in einer WG lebe.
Zwar komme es auch hier zu Einsparungen. Diese seien aber regelmäßig mit Einbußen bei der Nutzung der Wohnfläche verbunden. Eine Bedarfsgemeinschaft und ein Einstehen füreinander lägen nicht vor. Auch ein fiktives Nebeneinkommen könne der Mutter nicht zugerechnet werden, weil ihr Arbeitgeber eine Nebentätigkeit verboten habe.
Az.: XII ZB 78/24
Celle (epd). Das Jobcenter kann laut einer Entscheidung des niedersächsischen Landessozialgerichtes Bürgergeldempfängern mit Immobilien unter Umständen die Leistungen streichen. Wenn jemand ein großes oder gar zu großes Einfamilienhaus gebaut habe, könne er dessen Wert zur Sicherung des Lebensunterhaltes nutzen und gelte nicht als hilfsbedürftig, teilte ein Gerichtssprecher am 20. Januar mit.
Das Gericht in Celle hatte über den Eilantrag einer Familie aus dem Emsland entschieden. Diese hatte laut den Angaben ihr selbstbewohntes Hausgrundstück für 514.000 Euro verkauft, nachdem sie während des Bürgergeldbezugs ein neues Haus gebaut hatte. Das Jobcenter strich daraufhin die Leistungen.
Dagegen wandte sich laut dem Gericht die Familie. Sie argumentierte, das neue Haus sei geschütztes Vermögen und dürfe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts herangezogen werden. Das Landessozialgericht entschied in seinem Urteil vom 7. Januar jedoch, das neue Hausgrundstück mit mehr als 250 Quadratmetern Wohnfläche und sieben Bewohnern stelle kein geschütztes Vermögen dar. Durch Beleihung sei eine Sicherung des Lebensunterhalts möglich.
Auch die von der Familie vorgebrachte Berufung auf eine gesetzliche Karenzzeit von zwölf Monaten, während der selbst großzügige Wohnverhältnisse voll finanziert werden müssten, sah das Gericht nicht. Die Karenzzeit solle dabei helfen, plötzliche Härten abzufedern, damit Menschen nicht sofort ihr angespartes Vermögen aufbrauchen müssten, wenn sie nur vorübergehend auf Bürgergeld angewiesen seien, hieß es.
Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Notlage, sondern um langjährige Leistungsbezieher, die ihre Wohnsituation und ihr Immobilienvermögen optimieren wollten. Das allerdings sei nicht die Aufgabe der Jobcenter.
Az: L 11 AS 372/24 B ER
Celle (epd). Krankgeschriebene Arbeitslose müssen für den Erhalt von Arbeitslosengeld I einen Umzug unverzüglich der Bundesagentur für Arbeit melden. Weder reiche ein Nachsendeantrag aus, noch dass der Behörde das Schreiben eines Rehaträgers über eine bewilligte Reha vorliegt, in dem die neue Anschrift enthalten ist, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am 15. Januar veröffentlichten Urteil.
Geklagt hatte eine heute 28-jährige Frau, die ab August 2016 eine Berufsausbildung zur medizinischen Fachangestellten absolvierte. Wegen einer längeren Erkrankung bezog sie von ihrer Krankenkasse bis zum 4. Mai 2019 Krankengeld. Anschließend meldete sie sich arbeitslos.
Die Agentur für Arbeit bewilligte ihr Arbeitslosengeld I. Die Klägerin hatte den Erhalt eines Merkblatts unterschrieben, in dem sie darauf hingewiesen wurde, der Behörde unverzüglich einen Umzug mitzuteilen. Ein Nachsendeantrag reiche danach nicht aus. Die Agentur für Arbeit erhielt zudem die Mitteilung eines Rentenversicherungsträgers, dass der Frau im Februar und März 2020 eine Rehamaßnahme bewilligt worden sei.
Als die Arbeitslose der Agentur für Arbeit telefonisch am 18. Dezember 2019 mitteilte, dass sie bereits am 1. September umgezogen sei, wurde die Arbeitslosengeld-Bewilligung aufgehoben. Sie habe versäumt, ihre neue Anschrift unverzüglich mitzuteilen. Zudem sollte sie das seit 1. September erhaltene Arbeitslosengeld zurückerstatten, insgesamt 1.269 Euro.
Die dagegen gerichtete Klage der Arbeitslosen hatte vor dem LSG keinen Erfolg. Die Klägerin habe ihre Mitteilungspflicht zumindest grob fahrlässig verletzt, indem sie ihre neue Anschrift erst zweieinhalb Monate später mitgeteilt habe. Dadurch habe sie Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung nicht zeit- und ortsnah Folge leisten können. Sie hätte die unverzügliche postalische Erreichbarkeit sicherstellen müssen. Ein Nachsendeantrag genüge dem nicht.
Zwar habe der Agentur für Arbeit auch eine Mitteilung des Reha-Trägers über eine bewilligte Reha mitsamt neuer Anschrift vorgelegen. Der Hinweis auf eine neue Anschrift bei einem anderen Sozialleistungsträger genüge aber regelmäßig nicht der Mitteilungspflicht gegenüber der Agentur für Arbeit, so das LSG.
Az.: L 11 AL 20/23
Hannover (epd). In Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern muss bei der beabsichtigten Kündigung eines Arbeitnehmers immer zuvor der Betriebsrat angehört werden. Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die sich in der sechsmonatigen sogenannten Wartezeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses befinden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen in einem kürzlich in Hannover veröffentlichten Urteil vom 5. November 2024.
Das Kündigungsschutzgesetz gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die länger als sechs Monate in einem Betrieb mit mehr als zehn Mitarbeitern beschäftigt sind. Der Betriebsrat muss über die genauen Kündigungsgründe unterrichtet werden. Bei einer Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses, also innerhalb der sogenannten Wartezeit, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne Rücksicht auf soziale Belange des Arbeitnehmers frei kündigen.
Im entschiedenen Fall wurde der Klägerin innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit gekündigt. Der Arbeitgeber teilte dem Betriebsrat als Grund mit, dass die Frau sich immer wieder laute Streitereien mit Kollegen liefere. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. Die Betriebsratsanhörung sei formelhaft gewesen und reiche für eine Kündigung während der Wartezeit nicht aus. So sei nicht vorgetragen worden, wann, wo, mit welchen Kollegen und zu welchem Thema es Streitereien gegeben habe.
Das LAG wies die Kündigungsschutzklage ab. Während der Wartezeit dürfe der Arbeitgeber Mitarbeiter frei kündigen. Anders als nach der sechsmonatigen Wartezeit müsse der Arbeitgeber bei einer vorher ausgesprochenen Kündigung dem Betriebsrat nur jene Umstände mitteilen, aus denen er „subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet“. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, seine Entscheidung der Arbeitnehmervertretung detailliert zu begründen.
Hier habe der Arbeitgeber dem Betriebsrat ausreichende Gründe mitgeteilt, die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich gewesen seien. Er habe den Betriebsrat nicht darüber informieren müssen, wann, wo und mit wem die Klägerin in Streit geraten sei.
Az.: 10 Sa 817/23
Berlin (epd). Nicole Trieloff, die neue Bundesgeschäftsführerin der evangelischen arbeitsgemeinschaft familie (eaf), wurde zu ihrem Amtsantritt von Präsident Professor Martin Bujard begrüßt. „Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit Nicole Trieloff. Sie wird die Arbeit unseres Verbandes durch ihre profunden fachlichen Kenntnisse und vielfältigen Erfahrungen sehr bereichern und neue Impulse setzen.“ Es komme darauf an, dass die eaf „weiterhin als starke Stimme für Familien in Kirche und Gesellschaft präsent ist“, so Bujard.
„Ich freue mich sehr darauf, die Arbeit des Verbandes fortzuführen“, betonte Trieloff. „Gerade in stürmischen Zeiten ist es entscheidend, Familien als Rückgrat der Gesellschaft zu stärken und ihnen die Unterstützung zu geben, die sie brauchen, um den wachsenden Anforderungen standzuhalten. Dabei geht es auch darum, Kindern ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen und so hoffnungsvolle Perspektiven für die Zukunft zu schaffen.“
Trieloff ist mit den Themen und Anliegen der eaf bestens vertraut. Als Diplom-Sozialpädagogin blickt sie auf langjährige Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien zurück. Von 2016 bis 2021 war sie Geschäftsführerin des Christlichen Sozialwerks Berlin, eines freien Trägers der Jugendhilfe. Anschließend wechselte sie in die politische Verbandsarbeit, wo sie zuletzt als Referentin für Kinderarmut und soziale Ungleichheit bei der Kinderrechtsorganisation Save the Children Deutschland tätig war.
Die evangelische arbeitsgemeinschaft familie ist der familienpolitische Dachverband in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Monika Funk, Diözesan-Caritasdirektorin, hat für den Caritasverband für das Bistum Erfurt für die nächsten zwei Jahre den Vorsitz der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen übernommen. Sie übernahm das Amt turnusgemäß von Katja Glybowskaja vom AWO-Landesverband übernommen. Lars Oschmann vom DRK-Landesverband wird in dieser Zeit als stellvertretender Vorsitzender fungieren. „Gemeinsam werden wir für gute Lebensbedingungen eintreten, die Gesellschaft und den Zusammenhalt mit den vielfältigen Angeboten stärken, damit Thüringen sozial, bunt und lebenswert bleibt“, sagte Funk.
Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), wird seine Amtszeit um ein Jahr verlängern. Aufgrund des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze sollte er eigentlich am 1. Juli 2025 in den Ruhestand treten. Seine Amtszeit wurde nun bis zum 30. Juni 2026 verlängert. Das für die Nachbesetzung verantwortliche Bundesbildungsministerium hatte zuvor mit Blick auf die bevorstehenden Neuwahlen zum Deutschen Bundestag am 23. Februar das laufende Verfahren unterbrochen. Es soll in der neuen Legislaturperiode wieder aufgenommen werden.
Marcus Luttmer ist neuer Geschäftsführer des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe). Der Sozialwissenschaftler, der zuletzt bei der Stadt Osnabrück für die Kitas verantwortlich war, hat seine Tätigkeit zum 1. Januar aufgenommen. Er folgt auf Karsten Herrmann, der das Amt vor anderthalb Jahren kommissarisch übernommen hatte und jetzt als Stellvertreter tätig ist. Das 2007 gegründete nifbe begleitet und unterstützt eigenen Angaben zufolge die Qualitätsentwicklung der Kitas in Niedersachsen. Es initiiert unter anderem landesweite Qualifizierungsprogramme wie aktuell zum Thema Gesundheit und Wohlbefinden in der Kita.
Saskia Louwers wird zum 1. April Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Südtondern. Sie folgt auf Volker Schürmann, der in den Ruhestand geht. Die gebürtige Hamburgerin ist bisher als Verwaltungsdirektorin der Deutschen Rentenversicherung Nord verantwortlich für die Kinder- und Jugendreha-Kliniken auf Amrum und Sylt gewesen. Zu ihren künftigen Aufgaben gehört auch, gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Husum, Jens Grehm, die nächsten Schritte zur Zusammenlegung der beiden Diakonischen Werke zu planen und umzusetzen. Im Diakonischen Werk Südtondern arbeiten den Angaben zufolge zurzeit rund 130, im Diakonischen Werk Husum rund 330 Menschen.
Wolfgang Bauer erhält am 6. Februar den Journalistenpreis der Caritas in Baden-Württemberg. Er wird für seine Reportage „In der Warteschleife“ ausgezeichnet, die in der Wochenzeitung „Die Zeit“ erschienen ist. Das Preisgeld beträgt 3.000 Euro. Der Text behandelt das Schicksal von Flüchtlingen, die vor den Taliban nach Deutschland kamen. Je einen zweiten Preis (1.500 Euro) erhalten das Autorenduo Lukas Fleischmann und Ralph Würschinger für den Podcast „Jenseits der Schwerkraft“ der Badischen Zeitung in Freiburg sowie die Reporterin Miriam Staber für die Film-Reihe „Unser Markt: Arbeit für Menschen mit und ohne Behinderung“, die in der SWR-Landesschau ausgestrahlt wurde. Der Caritas-Journalistenpreis wird von den beiden Caritasverbänden für die Erzdiözese Freiburg und der Diözese Rottenburg-Stuttgart vergeben. Für den 36. Caritas-Journalistenpreis lagen insgesamt 134 Wettbewerbsbeiträge zur Prüfung vor.
Hans-Dieter Weigardt, Geschäftsführer der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM), ist einstimmig zum neuen Vorstandsvorsitzenden des Krankenhausverbands Essen gewählt worden und übernimmt zusätzlich die Geschäftsführung. Seine Vorgängerin Cornelia Sack hatte ihr Amt aufgrund einer beruflichen Veränderung niedergelegt: Sie wechselt vom St. Josef Krankenhauses Werden zum Agaplesion Bethesda Krankenhaus Wuppertal. Zu neuen stellvertretenden Vorsitzenden wurden Daniela Levy, Geschäftsführerin der Ruhrlandklinik der Universitätsmedizin Essen, und Hendrik Nordholt, Geschäftsführer der Katholischen Einrichtungen Ruhrgebiet Nord (KERN), gewählt. Auch sie wurden ohne Gegenstimmen für eine Amtszeit von drei Jahren bestätigt. Der Krankenhausverband Essen verfolgt das Ziel, die Stadt Essen und das Ruhrgebiet als zentrale Gesundheits- und Versorgungsregion weiter zu stärken.
Februar
5.2. Münster:
Seminar „Vergütungssatzverhandlungen in der Eingliederungshilfe“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-519
6.2. Münster:
Seminar „Strategisches Dienstplanmanagement in der stationären Altenhilfe - Nettopersonalberechnung, Arbeitsanalyse und Dienstplanung“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-519
12.2.:
Online-Kurs „Digitale Öffentlichkeitsarbeit und Social-Media für soziale Einrichtungen“
der Paritätischen Akademie Süd
Tel.: 01577 7692794
13.2.:
Online-Seminar "Power statt Pause: Motivation und Gesundheit im Turbo-Check
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/2883106
18.2.:
Online-Seminar „Achtsamkeit und Lebensphasen in der Personalverantwortung“
der Akademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 0172/3012819
19.2.:
Webinar „Soziale Arbeit über Grenzen hinweg - Länderübergreifende Zusammenarbeit in Kinderschutzfällen mit Auslandsbezug unter besonderer Beachtung von Fällen von Handel mit und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen“
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/62980-424
19.2. Mainz:
Seminar „Strategisches Dienstplanmanagement in der stationären Altenhilfe“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 02203/8997-519
21.-22.2. Königswinter:
Seminar „Alle im Boot? Schwer erreichbare Zielgruppen in Beteiligungsprozess einbeziehen“
Tel.: 0228/6042428
26.2.:
Online-Seminar „Die flexible Stiftung - Zuwendungen richtig gestalten“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 089/179005-27
März
10.-12.3.:
Online-Seminar „Beratungsresistent - Lösungsorientiert handeln unter schwierigen Bedingungen“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbands
Tel.: 0761/200-1706
19.-20.3.:
Online-Seminar „Der Einsatz von Einkommen und Vermögen in der Sozialhilfe (SGB XII)“
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Tel.: 030/62980-606