

Berlin (epd). Nach Berechnungen des Sozialverbands Deutschland wäre der Sozialstaat auch ohne zusätzliche Belastungen für kleine und mittlere Einkommen finanzierbar. Dazu müssten gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie eigentlich vorgesehen aus Steuermitteln bezahlt werden, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele bei der Vorstellung der Berechnungen am 21. Januar in Berlin. Dabei mahnte der VdK Steuer- und Versicherungsreformen an.
Beispiele für sogenannte versicherungsfremde Leistungen, die eigentlich aus Steuern zu finanzieren sind, seien etwa Rentenbeiträge für pflegende Angehörige oder Sozialversicherungsbeiträge für Ehepartner und Kinder, erklärte Bentele. Es führe zu sozialer Ungerechtigkeit, wenn diese Leistungen aus den Töpfen der Sozialversicherungen bezahlt würden. Denn Beamte, Politiker und Selbstständige zahlten in diese Töpfe nicht ein.
„Für uns ist klar, dass diese Praxis aufhören muss“, sagte Bentele. „Politische Vorhaben, die die gesamte Gesellschaft betreffen, müssen auch von der gesamten Gesellschaft finanziert werden - also aus den Steuereinnahmen.“ Dann könnten die Beitragssätze schon heute ohne jede Reform insgesamt um mehr als vier Prozentpunkte niedriger liegen als bislang.
Bentele sagte weiter, nahezu alle Parteien hätten dem VdK versichert, versicherungsfremde Leistungen aus Steuern bezahlen zu wollen. Passiert sei das bislang angesichts angespannter Haushalte in Bund und Ländern aber nicht. Hier werde „Vertrauen in den Sozialstaat auf dem Altar der schwarzen Null geopfert“, kritisierte die Präsidentin.
Für eine Senkung der Beiträge ohne zusätzliche Haushaltsbelastungen seien mehr Steuereinnahmen nötig. Um diese zu erzielen, schlägt der VdK unter anderem die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie der Einkommenssteuer vor. Freibeträge sollten hier jeweils dafür sorgen, dass nur Menschen mit hohen Einkünften und Vermögen belastet würden. Zudem solle Steuerhinterziehung entschiedener bekämpft werden.
Der VdK forderte außerdem die Einführung einer Bürgerversicherung. Der Leiter der Abteilung Sozialpolitik des VdK, Jonas Fischer, sagte, der „Alltag der Zweiklassenmedizin“ zerstöre das Vertrauen in die Sozialsysteme. Neben einer einheitlichen und solidarischen Kranken- und Pflegeversicherung fordert der VdK ein einheitliches Rentensystem, bessere Armutsbekämpfung und mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderung.
In einer Reform müsse das komplette Gesundheitssystem „vom Kopf auf die Beine gestellt werden“, sagte Bentele. Notwendig seien beispielsweise eine bessere Notfallversorgung und eine Aufhebung der strikten Trennung zwischen den ambulanten und stationären Sektoren.
Bei der Erarbeitung der Vorschläge hatte der VdK mit der Nichtregierungsorganisation FiscalFuture zusammengearbeitet. Carl Mühlbach von FiscalFuture sagte, in Deutschland seien Vermögen so ungleich verteilt wie in keiner anderen Demokratie. Diese wachsende Kluft sei eine immense Gefahr für demokratische Gesellschaften.
Den Vorschlag des Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck, Sozialversicherungsbeiträge auf Kapitaleinkommen zu erheben, begrüßte Mühlbach. Er gehe grundsätzlich in die richtige Richtung, jedoch sei die konkrete Ausgestaltung noch unklar. Es brauche eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, damit die Bezieher großer Einkommen einen stärkeren Beitrag leisteten.
Deutliche Kritik übte der VdK an der Art, wie die Diskussion um Habecks Vorschlag geführt wird. Jonas Fischer kritisierte den populistischen Vorwurf, dass der Vorschlag auf die Sparbücher kleiner Leute abziele. „Wir sehen einen Mechanismus in dieser Debatte, wie wir ihn häufig erleben“, sagte Fischer, „Angestellte und Arbeiter werden herangezogen, um hohe Vermögen zu schützen.“ Bentele sprach von einer „Irreführung in der Diskussion“. Es gehe nicht um die Menschen, „die sich 50 Euro im Monat aufs Sparbüchle legen“, sagte sie.