Pflegewissenschaftler Frank Weidner betrachtet die Ursachen für den Mangel an qualifizierten Pflegekräften als „teilweise hausgemacht“. Als zentralen Fehler führt er an, dass den professionellen Pflegekräften keine Verantwortung zugetraut werde. Er sagt: Medikamente verordnen, Rezepte ausstellen, Entscheidungen treffen - all das dürfen sie allenfalls in einigen Modellversuchen. Die Pflegerin Lina Gürtler bestätigt, dass sie und ihre Kolleginnen sich gering geschätzt fühlen. „Man hat viel gelernt über Pflegepraxis und Methoden, und dann kann man das in der Praxis gar nicht anwenden“, klagt die Berlinerin.
Unter dem Fachkräftemangel leidet auch die Gastronomie. Der Gastwirt Peter Noventa ist davon nicht betroffen. Denn er beschäftigt in seinem Restaurant Menschen aus aller Welt. Er bildet außerdem ganz gezielt aus: „Wir stellen junge Menschen ein, die sonst keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hätten“, sagt er. Beim Hotel „Deutsches Haus“ in Dinkelsbühl gehören sechs Ukrainerinnen zur Belegschaft. Seit August sind zwei Azubis aus Tadschikistan angestellt. „Die beiden leisten sehr gute Arbeit“, sagt die Geschäftsführerin Elena Kellerbauer.
Die Wohnungslosenhilfe in Nürnberg hat, wie sie sagt, Wohnungslosen in einer „bisher nie da gewesenen“ Weise die Schwelle zur Kontaktaufnahme ermöglicht. Das Konzept ist verblüffend einfach: Sie hat in der Innenstadt einen sogenannten Smart Kiosk aufgestellt. Dahin kommt nun die Klientel, um Handys kostenlos aufzuladen und das WLAN zu nutzen. Der ehemalige Wohnungslose Eric sucht am PC des Kiosks einen Job. Andere, die vorbeikommen, lassen sich beim Ausfüllen von Anträgen helfen.
Bei einem noch nicht anerkannten Flüchtling darf die Sozialhilfe die Kostenübernahme für notwendige medizinische Eingriffe nicht ohne weiteres ablehnen. Das gilt etwa dann, wenn der Geflüchtete keine akuten Schmerzen hat und auch kein medizinischer Notfall vorliegt. Das entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Fall eines Flüchtlingskindes.
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Ihr Markus Jantzer
Frankfurt a. M. (epd). Als Lina Gürtler auf einer onkologischen Station arbeitete, musste sie oft Schmerzpatienten beim Leiden zusehen. „Es gab an den Wochenenden nur einen Bereitschaftsarzt für alle Patienten“, erzählt sie. Der habe viele Patienten natürlich nicht gekannt und sei daher bei der Gabe von Schmerzmitteln vorsichtig gewesen, weil er nicht genau abschätzen konnte, wie sie darauf reagieren würden. Gürtler hingegen kannte die Patienten. Aber Medikamente verabreichen durfte sie als Pflegerin nicht.
Heute arbeitet die Berlinerin in der ambulanten Pflege. Auch hier stößt sie oft an Grenzen. Sie berichtet von einem Fall, bei dem einem Patienten ein Medikament ausgegangen war. „Das Medikament hatte er in seinem Bedarfsplan stehen“, sagt Gürtler. Es wäre also kein Problem gewesen, es zu geben. Aber weil es verschreibungspflichtig war, musste erst ein Arzt kommen und ein Rezept ausstellen.
In der Debatte über die Ursachen des Fachkräftemangels in der Pflege geht es häufig um schlechte Bezahlung oder hohe Arbeitsbelastung. Das sei mitunter auch ein Grund, sagt Gürtler, aber die Ursachen lägen oft anderswo. „Man geht mit Optimismus und Motivation in den Beruf“, beschreibt sie, „und hat viel gelernt über Pflegepraxis und Methoden, und dann kann man das in der Praxis gar nicht anwenden.“ Ein Ohnmachtsgefühl stelle sich dann bei vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen ein. Und das treibe viele aus dem Beruf.
Frank Weidner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung in Köln, bestätigt das. „Die Ursachen für den Fachkräftemangel sind teilweise hausgemacht“, analysiert er. „Die Politik macht immer wieder dieselben Fehler in Unkenntnis der Zusammenhänge.“ Fehler Nummer eins ist ihm zufolge, den Pflegenden keine Verantwortung zuzutrauen. Medikamente verordnen, Rezepte ausstellen, Entscheidungen treffen - all das gestehe man ihnen in Deutschland maximal in einigen Modellversuchen zu.
Die Folge: Pflegekräfte seien frustriert in ihrem Beruf, in dem sie das, was sie theoretisch könnten, nicht tun dürften. Sie verließen ihn oder reduzierten ihre Wochenstunden. Die Ausbildungsstandards abzusenken, um mehr Personal zu finden, habe diesen Fehler noch verschlimmert, sagt Weidner.
Fehler Nummer zwei: den Pflegekräften mehr Geld zu zahlen und ansonsten alles unverändert zu lassen. Mehr Geld sei ja prinzipiell in Ordnung, sagt Weidner, aber wenn die Pflegekräfte ihren Beruf immer noch ätzend fänden, würden sie lieber ihre Stellenumfänge entsprechend reduzieren, um mit dem gleichen Geld mehr Lebensqualität zu haben. Dadurch verdichte sich die Arbeit immer mehr, die Pflegekräfte würden immer unglücklicher im Job - ein Teufelskreis. Mittlerweile arbeitet nicht einmal die Hälfte der Pflegekräfte in Deutschland in Vollzeit.
Andere, mit Deutschland vergleichbare Länder hätten zwar ebenfalls Probleme damit, Pflegefachkräfte zu finden. Das liege zu einem Teil am demografischen Wandel und damit zusammenhängend der einerseits zurückgehenden Zahl an Arbeitskräften insgesamt und der andererseits steigenden Zahl an Pflegebedürftigen, erklärt Weidner. Aber das Problem sei anderswo lange nicht so gravierend wie in Deutschland.
Denn diese Länder, etwa Spanien oder die Niederlande, hätten das Gegenteil von Deutschland gemacht, sagt der Pflegewissenschaftler. Sie hätten das Qualifikationsniveau ihrer Pflegekräfte konsequent ausgebaut. Ergebnis: eine geringere Teilzeitquote und mehr Erfolg beim Anwerben ausländischer Pflegerinnen und Pfleger. „Hätten wir die Quote von 70 Prozent Vollzeitstellen in der Pflege, wie etwa Schweden sie hat, hätten wir kein Problem“, sagt der Experte.
Eine gemeinsame Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen, des Instituts Arbeit und Technik Gelsenkirchen und der Arbeitskammer des Saarlandes bestätigt Weidners Analyse. Demnach könnten sich viele Teilzeitkräfte vorstellen, mehr zu arbeiten, und viele ausgestiegene Pflegekräfte würden zurückkommen, wenn die Arbeitsbedingungen sich verbesserten. Ganz vorne bei den von außen beeinflussbaren Verbesserungswünschen: vereinfachte Dokumentation, Augenhöhe zur Ärzteschaft und mehr Weiterbildung. 330.000 zusätzliche Vollzeitkräfte wären möglich, würde man die Rahmenbedingungen verbessern, heißt es in der Studie.
Weidner sieht das eigentliche Problem unter der Oberfläche. Dass man Pflegekräften keine Kompetenzen zutraue, liege an einem „überkommenen Bild von Pflege in der Gesellschaft“. Verkürzt gesagt, sieht dieses Bild so aus: die Schwester, die den ganzen Tag den Waschlappen schwingt, Bettpfannen leert und ansonsten 100 Mal am Tag „Ja, Herr Doktor“ sagt. Ein Bild, bei dem wohl die konfessionelle Prägung der Pflege in Deutschland eine Rolle spiele, schätzt Weidner. Ein Bild, bei dem es mehr auf barmherziges, mütterliches Verhalten ankomme als auf fachliche Kompetenz. „Dieses Bild zeigt sich immer wieder in Studien“, sagt der Pflegeexperte.
Das kann Gürtler bestätigen. Sie hatte vor ihrer Abiturprüfung schon eine Ausbildungsstelle zur Pflegerin. „Wieso denn das?“, hätten manche ihrer Lehrer gefragt, „du kannst doch viel mehr.“ Auch ihre Freunde hätten sie Dinge gefragt, wie beispielsweise das Wechseln von Laken bei bettlägerigen Patienten funktioniere. „Aber ich bin nie gefragt worden, zu welchen Themen ich Patienten berate“, sagt sie. „Dabei ist das doch eine der Hauptaufgaben in der Pflege.“
Weidner sagt, die Herausforderung, das System zu reformieren, liege auch darin, dass man es gegen die Ärzteschaft tun müsste, die gut organisiert ihren Status verteidige. „Es gibt eine überbordende Arztzentrierung des Systems in Deutschland“, stellt er fest. „Wer da ran will, der muss die Power haben, es mit dem Imperium aufzunehmen.“
Die Bundesärztekammer sieht es auch so, dass „teilweise sehr unterschiedliche Erwartungshorizonte zu den qualifikatorischen Anforderungen in Bezug auf die Übernahme ärztlicher Tätigkeiten durch andere Gesundheitsfachberufe“ aufeinanderträfen. Sie sehe aber ebenfalls die Notwendigkeit, die Aufgabenteilung und die Zusammenarbeit der Berufe im Gesundheitswesen zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu justieren. Oberste Priorität müsse dabei die Patientensicherheit haben.
Pflegeforscher Weidner sagt, er halte es daher für die beste Idee, eine Expertenkommission einzusetzen, die das ganze System von Grund auf reformiert und nicht nur einzelne Segmente davon. Das sei in der Vergangenheit beispielsweise geschehen, als man die Kosten für die Pflege in Kliniken aus den Fallpauschalen herausgelöst habe - mit dem Ergebnis, dass Krankenhäuser nun mehr Geld haben und als Arbeitgeber für Pflegekräfte attraktiver sind als Heime und ambulante Pflegedienste, wo sich der Fachkräftemangel dadurch enorm verschärft habe.
Eine teilweise Akademisierung des Pflegeberufs halte er für den richtigen Weg, sagt Weidner. Und es könne sicher nicht schaden, wenn Pflegende sich endlich organisiert für ihre Belange einsetzten. Also ein Gegenimperium bilden gegen die Ärztevertretungen.
So wie Lina Gürtler. Sie engagiert sich im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe. Und bei einem Aufenthalt im US-amerikanischen Boston hat sie gesehen, welch enorme Verbesserungen eine akademisierte Pflege bringt. Dort habe es einen Zähler gegeben, der die Wochen aufgezeichnet habe, die vergangen waren, seit sich der letzte Patient einen Krankenhauskeim eingefangen habe. Wenn eine auftrat, sei Pflegepersonal auf Ursachenforschung gegangen. Und es habe ethische Fallbesprechungen gegeben, von Pflegepersonal geleitet. „Das ist so gut angenommen worden und hat einen so guten Effekt gehabt, dass da auch Ärzte hinzukamen und sich das angehört haben“, berichtet Gürtler.
Das Imperium pflegt zurück, sozusagen.
Nürnberg, Dinkelsbühl (epd). Das Restaurant Waldschänke im Nürnberger Tiergarten ist gut gefüllt an diesem Nachmittag. Geschäftsführer Peter Noventa betreibt das Restaurant mit Biergarten seit 26 Jahren gemeinsam mit seiner Ehefrau. „Heute ist ein sehr guter Tag“, sagt er und blickt sich um.
Aus der Küche gehen Kellnerinnen und Kellner ein und aus und tragen fränkische Gerichte an die Tische. Über Fachkräftemangel kann Noventa nicht klagen. „Das liegt hauptsächlich daran, dass wir selbst ausbilden“, sagt der 74-Jährige. Der gebürtige Nürnberger beschäftigt in seinem Lokal Menschen aus aller Welt. Derzeit hat er 30 Angestellte.
Eine von ihnen ist Asolat Khaitboeva. Die 25-Jährige arbeitet seit einem Jahr in der Waldschänke. Ihr Deutsch ist sehr gut, sie hat nur einen leichten Akzent. Khaitboeva hat in der Waldschänke eine Ausbildung zur Fachkraft für das Gastgewerbe abgeschlossen. Bald steht eine Prüfung zur Restaurantfachfrau an. Wenn sie besteht, wird sie zwei abgeschlossene Berufsausbildungen haben.
Vor knapp drei Jahren kam die junge Frau von Usbekistan nach Deutschland. Während ihrer zweijährigen Ausbildung wechselte sie den Betrieb und kam zur Waldschänke. „Es gefällt mir sehr gut. Meine Kollegen sind sehr hilfsbereit“, sagt Khaitboeva.
Noventa hat neun Lehrlinge, die eine Ausbildung zum Koch oder zur Servicekraft absolvieren. „Uns ist wichtig, unseren Azubis viel mit auf den Weg zu geben und eine fundierte Ausbildung zu bieten“, sagt Noventa. „Wir stellen junge Menschen ein, die sonst keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hätten“, sagt er.
Um diese zu finden, hält er Kontakt zu Schulen, die ein Berufsvorbereitungsjahr anbieten. Es richtet sich an Schulabgänger, die keinen Ausbildungsbetrieb gefunden haben. „Um diese Leute haben wir uns immer bemüht“, sagte Noventa. „Außerdem beschäftigen wir viele Menschen aus Osteuropa und Asien.“ Manchen von ihnen falle Deutsch schwer, sie seien aber in der Praxis sehr gut.
Matthias Kleinschmidt, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA), hält es für eine gute Strategie, Jugendliche im Berufsvorbereitungsjahr zu kontaktieren. „Wir freuen uns über jeden Ausbildungsbetrieb, der Jugendlichen eine Chance gibt und dabei auch solche Wege geht“, sagte Kleinschmidt dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Ausbildungsbetrieben rät er, bei der Suche nach Auszubildenden die örtliche Agentur für Arbeit einzuschalten. „Nur wenn wir von einem freien Ausbildungsplatz erfahren, können wir ihn Jugendlichen oder jungen Erwachsenen vorschlagen“, sagt Kleinschmidt.
Eine weitere Möglichkeit für Betriebe, geeignete Azubis zu finden, sei es, das BA-Angebot einer Assistierten Ausbildung anzunehmen. „Mit dieser geförderten Unterstützung können gerade Jugendliche mit Sprachdefizit gefördert und für eine Ausbildung motiviert werden“, sagt Kleinschmidt.
Auch das „Deutsche Haus“ im mittelfränkischen Dinkelsbühl beschäftigt Menschen aus dem Ausland. Derzeit arbeiten sechs Ukrainerinnen im Alter von 20 bis 56 Jahren in dem Hotel mit Restaurant. „Die ersten kamen im April letzten Jahres hier an“, sagt Geschäftsführerin Elena Kellerbauer.
„Ich brauche keine Leute, die perfekt Deutsch können, sondern die arbeiten wollen“, sagt die 35-Jährige, die selbst Russischkenntnisse hat. Eine der sechs Ukrainerinnen spreche sehr gut Deutsch. Sie arbeitet an der Rezeption.
„Die anderen arbeiten in der Buchhaltung, in der Küche oder im Housekeeping“, sagt Kellerbauer. Eine von ihnen arbeitet außerdem im Service. „Die Gäste sind total begeistert davon, dass sie ihre Arbeit so gut und mit Freude macht.“ Zweimal in der Woche besuchen die Frauen einen Sprachkurs.
Auch bei der Besetzung ihrer Ausbildungsstellen greift Kellerbauer auf Ausländer zurück. Seit August hat sie zwei Azubis aus Tadschikistan angestellt, die das Sprachniveau B1 haben. „Bis jetzt leisten die beiden sehr gute Arbeit. Ich bin auf Ausländer angewiesen, weil ich kaum deutsche Azubis bekomme.“
Berlin (epd). Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat in einer Fernsehsendung behauptet, das deutsche Sozial- und Gesundheitssystem sei ein wesentlicher Grund für Asylbewerber, nach Deutschland zu kommen. „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“, hatte Merz gesagt. Doch Push- und Pull-Faktoren taugen laut Lukas Fuchs vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin nicht als Erklärmodelle. Mit ihm sprach Nils Sandrisser.
epd sozial: Herr Fuchs, Friedrich Merz hat in einer Fernsehdebatte gesagt, man müsse „endlich mal“ über Pull-Faktoren in der Migration sprechen. Wie ist der Stand der Forschung dazu?
Lukas Fuchs: Ganz allgemein gesagt, sind Merz' Äußerungen überhaupt nicht in der wissenschaftlichen Erkenntnislandschaft verortet und haben auch mit den derzeitigen politischen Realitäten nichts zu tun. Migrationsmodelle, die auf Push-und-Pull-Faktoren fußen, kommen ursprünglich aus der Wirtschaftsforschung und sollen beschreiben, warum Menschen sich bessere Chancen in bestimmten Ländern als in anderen Ländern versprechen. Die Idee der Profitoptimierung dahinter ist sehr neo-klassisch. Gemeinhin gehen wir heute davon aus, dass das deutlich zu platonisch ist, um die Komplexität der Migrationsbewegungen zu verstehen. Das ist kein Modell, um wirklich etwas zu verstehen oder vorherzusagen.
epd: Und welche Rolle spielen die verschiedenen Faktoren in Migrationsbewegungen?
Fuchs: Wir wissen, dass Migrationsbestrebungen sich vornehmlich in Herkunftsländern formieren. Dabei spielen Sicherheit, politisches Klima und wirtschaftliche Perspektiven eine Rolle, zunehmend auch der Einfluss der Erderwärmung - also Push-Faktoren, wenn man so will. Der Begriff „Push-Faktor“ unterstellt aber eine zu große Passivität von Menschen, genau wie der des „Pull-Faktors“. Was machen wir beispielsweise mit dem unumstößlichen Fakt, dass die allermeisten Migranten aus den wohlhabenderen Ländern und Gesellschaften kommen? Das zu betonen ist mir sehr wichtig, weil oft unterstellt wird, dass alle Armen dieser Welt danach streben, nach Europa zu kommen - dem ist aber nicht so. Man kann dieses binäre Push-Pull-Modell also nicht so ohne Weiteres verwenden.
epd: Und warum sind es eher nicht die Armen?
Fuchs: Nicht jeder will, nicht jeder kann. Die gleichen wirtschaftlichen Probleme, die eine Migration erstrebenswert erscheinen lassen können, verhindern häufig eine Migration de facto. Die allermeisten haben nicht das Geld, nicht die Erfahrung und nicht die Netzwerke, um ihre Länder zu verlassen. Bei der Realisierung von Migrationsbestrebungen spielen Möglichkeiten und Zwänge eine Rolle, und zwar eine Balance zwischen Möglichkeiten und Zwängen. Je größer der Zwang, die Heimat zu verlassen - durch Krieg, Vertreibung oder Katastrophen -, desto geringer ist die Rolle der erhofften Perspektiven. Gerade Geflüchtete kommen, um Sicherheit und Stabilität zu finden, nicht Luxus.
epd: Gibt es Beispiele, die dieses wissenschaftliche Konzept verdeutlichen?
Fuchs: Die meisten geflohenen Ukrainer leben in Polen, die meisten geflohenen Syrer in Syriens Nachbarländern, obwohl die Bedingungen woanders besser wären. Das sind Fakten, an denen nicht zu rütteln ist. Das kann verschiedene Gründe haben: Geflüchtete bleiben beispielsweise häufig näher an ihren Familien, die nicht geflohen sind, es kann der Wunsch nach kultureller Nähe sein oder die Abwesenheit von Möglichkeiten, es sicher woandershin zu schaffen. Da verbietet es sich zu sagen, dass die Seenotrettung oder unser Sozialsystem ein entscheidender Pull-Faktor sei. Für beides haben wir Studien, die das widerlegen.
epd: Aber warum werden diese Pull-Faktoren immer wieder in der Migrationsdebatte vorgebracht, wenn die wissenschaftliche Debatte darum eindeutig abgeräumt ist?
Fuchs: Im Kontext von Fluchtmigration sind Unterstellungen, dass Menschen ihre Heimat verlassen, um sich in Deutschland die Zähne machen zu lassen, geradezu infam. Das kommt von jemandem, der entweder selbst so denken würde oder einfach Stimmung machen möchte. Herrn Merz scheint es weniger um ein Verständnis von Migration zu gehen, sondern um die Untergrabung des universellen individuellen Rechts auf Asyl und um eine Einschränkung des Sozialsystems. Es ginge somit nicht um Pull-Faktoren, sondern darum, Systemfaktoren unseres liberalen Systems anzugreifen.
epd: Könnte es nicht auch um eine schlichte Selbstüberhöhung gehen? Wenn man behauptet, dass alle Welt nach Deutschland kommen will, dann preist man damit implizit doch dieses Deutschland als ein Land, in dem alles zum Besten steht.
Fuchs: Es ist natürlich auch so, dass es sehr komplex ist, Migrationsmodelle zu verstehen. Wenn man sich nur auf Pull-Faktoren zurückzieht und behauptet, das seien die entscheidenden Gründe und die wir einfach steuern und beeinflussen könnten, dann ist das attraktiv für eine populistisch simple Lösung für eine komplexe Situation.
Und ja, natürlich spielt das Bild des hervorragenden Eigenen nationalistischem Gedankengut im Sinne von „Wir sind die Größten, zu uns wollen alle kommen und uns hier alles kaputtmachen“ in die Hände. Und ich fürchte, die CDU bewegt sich in diesem Diskurs immer weiter in diese Richtung. Da geht es um Wahlen und um Stimmen, aber vergessen wird leider, wer da rechts außen auch noch lauert. Das wird der CDU am Ende auch auf die Füße fallen.
Frankfurt a.M. (epd). Eine Äußerung von CDU-Chef Friedrich Merz über abgelehnte Asylbewerber sorgt für Diskussionen. „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“, sage Merz in einer Fernsehsendung. Es gebe die „volle Heilfürsorge“ für diese Migranten. Was ist dran?
Tatsächlich haben alle Asylsuchenden spätestens nach 18 Monaten eine Krankenversicherung, auch sogenannte Geduldete - also abgelehnte Asylbewerber, deren Abschiebung ausgesetzt ist. Sie erhalten dieselben Leistungen wie andere Krankenversicherte, müssen aber auch dieselben Zuzahlungen leisten, etwa beim Zahnersatz. Wie das Bundesinnenministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte, gab es Ende 2022 knapp 250.000 geduldete Personen in Deutschland. Merz hatte von 300.000 abgelehnten Asylbewerbern, die nicht ausreisen, gesprochen.
Wenn Asylsuchende in Deutschland ankommen, sind sie zunächst nicht krankenversichert. Sie erhalten nur reduzierte medizinische Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dessen Paragraf 4 sagt hierzu: „Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.“ Laut Bundesgesundheitsministerium gibt es eine Zahnbehandlung demnach nur bei Schmerzen oder akuten Erkrankungen im Mundraum. Auch andere medizinische Hilfe bekommen sie nur dann, wenn sie akut krank sind oder Schmerzen haben.
Vor einer Behandlung müssen Asylsuchende bei einer staatlichen Stelle, etwa dem Sozialamt, einen Behandlungsschein beantragen, der nur für kurze Zeit gilt. Die zuständige staatliche Stelle legt den Umfang der Leistungen fest. Eine Arzneimittelverordnung oder eine Krankenhauseinweisung muss sie erst genehmigen. Einige Bundesländer haben eine elektronische Gesundheitskarte, die den Behandlungsschein ersetzt.
Nach 18 Monaten Wartezeit oder sobald sie einen Schutzstatus erhalten, werden Asylsuchende von den gesetzlichen Krankenkassen betreut. Personen, deren Asylverfahren schon vor Ablauf der 18 Monate mit einer Duldung endet, erhalten aber erst nach dieser Zeit eine Krankenversicherung.
Düsseldorf (epd). In Deutschland ist die berufliche, wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt laut einer Studie weiterhin meist schlechter als die von Männern. Bei der Gleichstellung habe es in den vergangenen Jahren zwar Fortschritte gegeben, teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am 29. September in Düsseldorf mit. Gleichwohl seien zwischen Männern und Frauen bei Erwerbsbeteiligung, Arbeitszeit, Bezahlung, Führungspositionen oder Absicherung im Alter vor allem in Westdeutschland noch recht deutliche Unterschiede festzustellen.
In Ostdeutschland sei der Abstand zwischen den Geschlechtern „spürbar kleiner als im Westen“. Allerdings bewegten sich die Einkommen dort auf insgesamt niedrigerem Niveau.
„Die Ergebnisse unserer Studie belegen weiterhin klar erkennbare Geschlechterungleichheiten zu Ungunsten von Frauen“, sagte die Wissenschaftliche Direktorin des WSI, Bettina Kohlrausch. Sie kritisierte das Tempo bei der Gleichstellung in Deutschland als „zu niedrig“.
In Ostdeutschland erhalten nach Kohlrauschs Darstellung zwölf Prozent der weiblichen Vollzeitbeschäftigten nur maximal 2.000 Euro brutto pro Monat. Der Geschlechterunterschied sei damit zwar kleiner als im Westen - allerdings deshalb, weil männliche Erwerbstätige im Osten häufiger als im Westen nur ein Niedrigeinkommen erzielten.
Auch bei der Erwerbsbeteiligung zeigen sich trotz Annäherungen noch deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Ost- und Westdeutschland. So lag die Erwerbstätigenquote westdeutscher Frauen 2021 mit 71,5 Prozent deutlich unter der von Männern (79,4 Prozent). Allerdings war die Differenz im Jahr 1991 noch fast dreimal so groß. Auch die Erwerbstätigenquote von Frauen in Ostdeutschland war mit 74 Prozent im Jahr 2021 höher als 1991, und der Abstand gegenüber ostdeutschen Männern (78,5 Prozent) von knapp zwölf auf gut vier Prozentpunkte gesunken.
Der Aufholprozess bei der Erwerbsbeteiligung beruht den Angaben zufolge allerdings vor allem auf mehr weiblicher Teilzeitarbeit. Die unterschiedlichen Teilzeitquoten führen auch zu erheblichen Differenzen bei der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit im Job: In den westlichen Bundesländern liegt diese für Frauen bei 30 Stunden, das sind 8,4 Stunden weniger als bei westdeutschen Männern. In den östlichen Bundesländern beträgt die durchschnittliche Arbeitszeit weiblicher Erwerbstätiger 33,9 Stunden. Das sind 4,6 Stunden weniger als bei den Männern.
Arbeiten beide Elternteile, ist vor allem in Westdeutschland die Erziehung der Kinder Frauensache. Leben Kinder in einer Familie, so arbeiten in nur 21,5 Prozent der Haushalte in Westdeutschland beide Partner. In Ostdeutschland ist die Vollzeittätigkeit beider Partner hingegen mit oder ohne Kinder eine häufige Konstellation: Sie findet sich in 63 Prozent der Haushalte ohne Kinder und in 48,7 Prozent der Haushalte mit Kindern.
Die Unterschiede bei Kinderbetreuung und Arbeitszeiten trugen dazu bei, dass die Lohnlücke in Westdeutschland weiterhin deutlich größer ist als in Ostdeutschland: In Westdeutschland lag der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen 2022 um 18,9 Prozent unter dem von Männern, der Abstand war fast dreimal so groß wie in Ostdeutschland (6,9 Prozent).
Um die Gleichstellung zu fördern, spricht sich das Team der Studie unter anderem für den Ausbau der Betreuungsangebote für Kleinkinder und eine finanzielle Aufwertung von frauendominierten Berufen aus. Auch stärkere Anreize für Männer, Sorgearbeit zu übernehmen, seien sinnvoll, hieß es. Zudem fordern das WSI eine Abschaffung des Ehegattensplittings, da dies vor allem in Westdeutschland „ökonomische Fehlanreize“ setze.
Koblenz (epd). Die Frauenrechtsorganisation Solwodi fordert von der Bundesregierung eine gesetzliche Neuregelung der Prostitution. Frauen und Männer in der Prostitution sollten entkriminalisiert werden und umfassend Zugang zu Ausstiegsmöglichkeiten erhalten, erklärte Solwodi am 2. Oktober in Koblenz. Dagegen sollten der Kauf von Sex und die Zuhälterei unter Strafe gestellt werden.
Die Frauenrechtlerinnen erhoffen sich von einer gesetzlichen Neuregelung, die Nachfrage nach Prostitution auszutrocknen und vulnerable Personen vor Ausbeutung zu schützen, wie es hieß. Prostitution verletze die Würde und Gleichberechtigung der Frau, sagte die Vorsitzende von Solwodi Deutschland, Maria Decker. Bezahlter Sex sei niemals einvernehmlich. Prostituierte litten unter Zwangsstrukturen, Gewalt, psychischen Beeinträchtigungen und Traumata, erklärte die Frauenrechtsorganisation.
Mit ihren Forderungen unterstützt Solwodi nach eigenen Angaben einen Beschluss des Europäischen Parlaments. Die Abgeordneten hatten sich am 14. September mehrheitlich für einheitliche Regeln zur Prostitution in den EU-Staaten und für ein Verbot des Kaufs von Sex nach dem unter anderem in Schweden und Norwegen praktizierten „Nordischen Modell“ ausgesprochen.
In Deutschland ist Prostitution seit 2002 als Dienstleistung legalisiert; 2017 trat das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft, mit dem betroffene Frauen besser vor Zwang und Gewalt geschützt werden sollten. Solwodi kritisierte, dass die Legalisierung letztlich zu mehr Menschenhandel und Ausbeutung geführt habe.
Solwodi ist die Abkürzung von „Solidarity with women in distress“ („Solidarität mit Frauen in Not“). Der Verein wurde 1985 von der Ordensschwester Lea Ackermann in Kenia gegründet. Er begann damit, Frauen beim Ausstieg aus der Zwangsprostitution zu unterstützen. 1987 richtete Solwodi auch in Deutschland Beratungsstellen und Notunterkünfte für Frauen ein, die Opfer von Menschenhandel, Zwangsheiraten oder anderen Formen von Gewalt wurden. Die Organisation ist nach eigenen Angaben in 18 Städten in Deutschland mit insgesamt 21 Fachberatungsstellen sowie 14 Schutzeinrichtungen und Wohnprojekten für Frauen und Kinder in Not vertreten.
Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat am 4. Oktober in Berlin seine Pläne für eine Neuordnung der Gesundheitsbehörden vorgestellt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit Sitz in Köln soll in einem neuen Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) mit Sitz in Berlin aufgehen. Mit dem Errichten des neuen Instituts beauftragt ist der bisherige Leiter des Gesundheitsamtes in Köln, Johannes Nießen. Köln bleibt als zweiter Dienstsitz des neuen Bundesinstituts erhalten.
Aus dem Robert Koch-Institut (RKI) sollen alle Abteilungen in das neue Bundesinstitut übergehen, die sich mit der Erfassung und Vorbeugung nicht-übertragbarer Krankheiten beschäftigen. Der ehemals kommissarische Leiter und an diesem Mittwoch ernannte neue Präsident des RKI, Lars Schaade, erklärte, das RKI werde sich künftig ganz auf Infektionskrankheiten konzentrieren können. Zum BIPAM sagte Schaade, es sei richtig, die Vorbeugung gegen die großen Volkskrankheiten in einem Institut zu konzentrieren.
Ziel der Neuordnung ist Lauterbach zufolge, die medizinische Vorbeugung zu verbessern. Deutschland habe mit rund 50 Prozent höheren Ausgaben als im EU-Durchschnitt das teuerste Gesundheitssystem in Europa, die durchschnittliche Lebenserwartung liege aber unter dem EU-Durchschnitt, sagte Lauterbach. Zudem sei die Vorbeugungsmedizin mangelhaft. Das neue Bundesinstitut werde sich vorrangig mit den Krankheiten Krebs, Demenz und koronaren Herzerkrankungen beschäftigen, die mehr als 75 Prozent der Todesursachen ausmachten, sagte Lauterbach.
Die Gesetzgebung zum Behördenumbau soll Ende dieses Jahres beginnen und die Übergangsphase bis Ende 2024 dauern. Ab 2025 ist die bisherige BZgA dann Teil des neuen Bundesinstituts.
Nürnberg (epd). „Ich kenne das alles: kein Guthaben, kein Strom, keine Internetverbindung.“ So bringt der junge Erwachsene Eric seine Erfahrungen als ehemaliger Wohnungsloser auf den Punkt. „Handy aufladen war damals ein großes Drama.“ Nun hat er vom neuen Smart Kiosk in der Fußgängerzone gehört - und schaut vorbei.
Der Smart Kiosk ist in eine umgebaute Bratwurstbude eingezogen und wird vom Don Bosco Jugendwerk Nürnberg betrieben. Außen findet sich ein großer Schrank als Ladestation mit absperrbaren Fächern für sieben Handys. Dort kann man täglich von 6 bis 20 Uhr laden. Außerdem gibt es um den Kiosk herum kostenlosen WLAN-Zugang. Ziel des Jugendwerks ist es, jungen Menschen eine digitale Teilhabe zu ermöglichen.
Ist das Häuschen geöffnet, helfen eine Sozialpädagogin und ein Peer-Berater ratsuchenden Menschen weiter. Das kann einfach Hilfe im Umgang mit digitalen Angeboten sein. Dafür stellt der Smart Kiosk kostenlos einen PC mit Scanner, Fax und Drucker bereit. „Ich finde es megakorrekt, den PC nutzen zu können“, sagt Eric.
Don Bosco habe ihm geholfen, aus seiner Wohnungslosigkeit herauszukommen und eine Ausbildung erfolgreich abzuschließen. „Jetzt bin ich arbeitslos und komme hierher, um am PC eine neue Arbeit zu suchen.“ Nebenbei trinkt er am Smart Kiosk gern einen Kaffee und spricht mit den Mitarbeitenden des Don Bosco-Teams über seine Probleme.
Die Idee für dieses Angebot ist kein Zufall. Das Jugendwerk arbeitet seit Jahren mit „entkoppelten jungen Menschen, die aus den Hilfesystemen herausfallen“, berichtet Stefan Müller, Leiter des Don-Bosco Jugendwerks. Diese, so beschreibt er die Klientel, sind weder für Sozialhilfe noch Leistungen vom Jobcenter erreichbar.
Vor diesem Hintergrund ist nach seinen Worten ein enger Kontakt mit dem Fachgebiet Soziale Arbeit der TH Nürnberg entstanden. Am Ende von wissenschaftlichen Untersuchungen mit wohnungslosen Menschen stand das Konzept für den Smart Kiosk. Das Projekt versteht sich als digitaler Stützpunkt und ergänzt das herkömmliche Angebot der Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe. „Die Untersuchungen zeigen, dass jeder zwar ein Smartphone hat, Wohnungslose aber oft von Strom, WLAN oder Hardware abgeschnitten sind“, sagt Müller.
Durch die zentrale Lage des Kiosks sei eine „bisher nie dagewesene“ niederschwellige Kontaktaufnahme möglich. So lässt sich auch ohne Angst vor Stigmatisierung etwa um Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen nachfragen. Neben einer digitalen Teilhabe gehört zu den Zielen auch eine Beratung, die sich nicht nur um Behördenanträge oder Jobsuche, sondern auch um Freizeitgestaltung dreht. Don Bosco hat durch seine soziale Arbeit ein breites Netzwerk für spezielle Hilfen für entkoppelte Menschen geknüpft. Auf diese Angebote verweist die Smart Kiosk-Beratung als weiterführende Hilfen. Es dürfe nicht wieder vorkommen, dass eine junge Obdachlose im Winter allein ihr Kind im Nürnberger Burggraben zur Welt bringe, erinnert Müller an einen tragischen Fall der Vergangenheit.
Der Smart Kiosk öffnet zunächst an fünf Tagen in der Woche, um Erfahrungen zu sammeln und die Nachfrage einzuschätzen. Bei den Öffnungszeiten habe man sich an der einen Steinwurf entfernten Notschlafstelle SleepIn orientiert, berichtet Peer-Berater Raphael Klein. Denn um 9 Uhr müssen die Jugendlichen und jungen Erwachsenden die Einrichtung verlassen. Die hätten dann zwar geladene Handys, aber oftmals Kontakt- oder Beratungsbedarf. Klein, früher drogenabhängig, ist von dem Projekt überzeugt. Sein Vorteil im Umgang mit den Klienten: „Ich spreche nicht politisch korrekt wie ein Sozialpädagoge.“
Das Konzept des Smart Kiosk ist aus dem 2019 gestarteten Forschungsprojekt „Smart Inklusion für Wohnungslose“ (SIWo) von Soziologieprofessor Frank Sowa von der TH Nürnberg hervorgegangen. „Wir haben festgestellt, dass die Smartphone-Nutzung unter Wohnungslosen genauso ist wie in der Allgemeinbevölkerung. Es gibt kein digital Gap“, sagt er. Allerdings sei die Suche nach einer öffentlich zugänglichen Lademöglichkeit für diese Menschen deutlich komplizierter. „Sie fahren ohne Fahrschein schwarz im Bus, um ihr Handy aufzuladen oder ins Internet zu kommen“, hat der Forscher festgestellt. Manchmal würden sie auch aus Supermärkten mit Ladestationen vertrieben. „Das macht diese Lademöglichkeit für alle - Wohnungslose und Nicht-Wohnungslose - im öffentlichen Raum so wichtig.“
Rostock (epd). Anlauf, Drehung, Wurf, Block. Goalball ist ein extrem dynamischer Sport. Nur zehn Sekunden hat ein Team, um den Ball nach der Abwehr wieder ins Spiel zu bringen. Das Besondere: Alle spielen blind. Den Ball können sie hören, aber nicht sehen.
„Alle tragen eine Dunkelbrille, es kommt also in erster Linie auf den Hörsinn an. Im Ball sind kleine Glocken, man orientiert sich akustisch“, erklärt Charlotte Kaercher. Die 32-Jährige ist deutsche Nationalspielerin und trainiert beim RGC in Rostock. Die Hansestadt ist Goalball-Hochburg und offizieller Bundesstützpunkt. Charlotte Kaercher ist Goalballspielerin mit Leib und Seele. 2007 fing es für sie als Jugendspielerin an.
„Man muss schon positiv bekloppt sein“, sagt sie und lacht. „Die Saison geht das ganze Jahr, viele Turniere sind im Ausland.“ Vom Goalballspielen kann Charlotte nicht leben, nebenher geht sie normal zur Arbeit. Sport, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen, ist nicht einfach. Immerhin - ihr Lebensgefährte spielt auch Goalball.
Die Sportart ist paralympisch. Kilian Kollrep hat früher Handball gespielt. Seit 2019 ist er beim Goalball dabei. Wenn er den Ball wirft, wird das Spielgerät bis zu 70 Stundenkilometer schnell. Auf internationalem Niveau können es bei den Männern sogar 90 km/h sein.
„Ich mag das Zusammenspiel beim Goalball. Das ist noch wichtiger als beim Handball“, sagt der 17-jährige Kollrep. In den Auszeiten wird die Mannschaftstaktik besprochen. „Der Trainer kann im Spiel nichts reinrufen. Deshalb muss das alles in der Auszeit besprochen werden: Welche Laufwege, wo es beim Gegner Lücken gibt, worauf wir in der Verteidigung achten müssen und so weiter.“
„Quiet please. Play!“, kommt die Ansage von Mario Turloff. Er ist Goalballtrainer beim RGC und kümmert sich gerade um den Nachwuchs. Auch bei den Kindern kommen alle Spielkommandos auf Englisch. „Bevor das Spiel freigegeben wird, bitten wir einmal um Ruhe in der Halle“, sagt er. Macht die angreifende Mannschaft zu viel Lärm, gibt es einen Strafstoß.
Ein Spiel dauert zwei mal zwölf Minuten. Auf dem Spielfeld sind immer drei Spieler, drei weitere sitzen auf der Auswechselbank. In den Teams der Bundesliga spielen Menschen mit und ohne Sehbehinderung. Mindestens eine Person auf dem Feld muss in der Sicht eingeschränkt sein. Im Liga-Alltag aber, bei der RGC, ist Goalball vollkommen inklusiv. Darauf ist man hier stolz. Aktuell gehört der Verein aus Rostock zu den Finalisten für den deutschen Engagementpreis 2023.
Für Goalball gibt es hierzulande große Pläne: 2026 könnte sich Deutschland als Austragungsort der Weltmeisterschaften bewerben und der inklusiven Sportart damit bundesweit richtig Schwung geben.
Die vorgesehenen Kürzungen im Bundeshaushalt 2024 betreffen viele Ressorts und Themen. Entsprechend breit sind die Diskussionen. Unter dem Strich geht es nicht nur um Zahlen - eine Summe X weniger für Thema Y -, sondern vor allem geht es um menschliche Schicksale. Die Budgetkürzungen treffen diejenigen, die die Hilfe der Gesellschaft am dringendsten benötigen.
Ausgerechnet jetzt, da viele Herausforderungen anstehen und der Arbeitskräftemangel den gesamten Sektor schwächt, streicht man bei den Wohlfahrtsverbänden. Das ist mehr als mangelnde Wertschätzung. Was die Kürzungen genau bedeuten würden, möchte ich an drei Bespielen darlegen, die die Arbeit des DRK für Menschen in Not unmittelbar betreffen.
Die Zuwanderungszahlen in Deutschland sind so hoch, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Finanzierung von passenden Hilfsangeboten sollte in so einer Situation hochgefahren werden - denkt man zumindest, und so war es auch von der Politik versprochen. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall: Die Gelder für die Migrationsberatung sollen 2024um fast 30 Prozent gekürzt werden, das Budget für die Asylverfahrensberatung de facto um die Hälfte und bei den Psychosozialen Zentren soll die Förderung um fast 60 Prozent runtergehen. Es werden viele Personen keine Beratung mehr erhalten, wenn bei den mehr als 1.400 Migrationsberatungsstellen rund jede dritte Stelle wegfällt. Das hätte Folgen: Die Kürzungen würden die Teilhabe von geflüchteten Menschen an Bildung, Berufsleben und gesellschaftlichem Leben erschweren. Weniger Teilhabe würde sich wiederum negativ auf die Akzeptanz von geflüchteten Menschen, den Arbeitsmarkt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirken.
Noch einschneidender sind die Kürzungen bei den Psychosozialen Zentren. Wir wissen aus Erhebungen, dass 87 Prozent aller geflüchteten Menschen potenziell traumatisierende Ereignisse wie Krieg oder Verfolgung erlebt haben. Angesichts der vielen Neuankommenden und der bereits heute überlasteten Projekte müssten wir uns mehr und nicht deutlich weniger Angebote durch Psychosoziale Zentren leisten.
Was an dieser Stelle wichtig ist zu betonen: Wird in diesen Bereichen gekürzt, geht es nicht nur um kurzzeitige Effekte. Die genannten Kürzungen werden selbst bei späteren Budgeterhöhungen langfristig wirken - in Form von verlorenem Fachpersonal und einem großen Vertrauensverlust zwischen Beratenden und Klienten. Und es steht auch keine alternative Finanzierung in Aussicht. Die Bundesländer werden wohl nicht ausgerechnet beim Thema Migration für den Bund einspringen, denn schon heute wird heftig über die Verteilung der Kosten in diesem Bereich diskutiert.
Doch nicht nur bei Geflüchteten soll gespart werden, auch engagierte Jugendliche wären vom Rotstift betroffen. Jahr für Jahr leisten rund 100.000 Menschen einen Freiwilligendienst. Mit ihrer Arbeit tragen die Freiwilligen zu einem besseren Sozial-, Hilfs- und Kulturangebot bei und bringen frische Impulse in die jeweilige Projektarbeit ein. Insofern ergibt sich an vielen Stellen eine Win-Win-Situation. Angesichts der positiven Bilanz verspricht das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf seiner Homepage: „Politische Aufmerksamkeit gilt vor allem finanziellen und organisatorischen Strukturen, die Trägern mehr Planungssicherheit ermöglichen sollen.“
Doch wie diese Aussage mit vorgesehenen Kürzungen bei den Freiwilligendiensten von rund 25 Prozent im Jahr 2024 vereinbar sind, erscheint unerklärbar. Durch die Einschnitte würde nicht nur das soziale Engagement deutlich geschwächt werden, sondern auch zahlreiche Vereinsstrukturen. Der Nachwuchs würde schlicht fehlen.
Bleibt noch der drohende Kahlschlag bei den Müttergenesungswerken. In über 70 Kliniken können Väter, Mütter und Pflegende eine medizinische Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch nehmen. Voraussetzung dafür ist ein Gesundheitsproblem, das im Zusammenhang mit Belastungen in der Familie steht. Oft verhindern solche Aufenthalte in den Kliniken Schlimmeres.
Bei diesen Einrichtungen ist eine Kürzung von derzeit 5,99 Millionen Euro jährlich auf nur noch 0,4 Millionen Euro vorgesehen. Das entspricht 93 Prozent weniger Geld für diese Angebote. Das geringere Budget trifft Einrichtungen, die ohnehin chronisch unterfinanziert sind und schon lange an der Belastungsgrenze arbeiten. Geplante Bauvorhaben und Modernisierungen könnten nicht realisiert werden. Dieser vorgesehene Einschnitt ist nicht zuletzt angesichts der Auswirkungen der Covid-Pandemie auf Familien weder sinnvoll noch nachvollziehbar. Er würde verheerende und langfristige Folgen haben. Mittelfristig werden noch mehr ausgebrannte Mütter und Väter hängengelassen, mit weitreichenden Folgen auch für die Kinder. Es gäbe oft schwerwiegendere Gesundheitsprobleme und mehr Konfliktpotenzial in Familien. Das ist ein falscher Ansatz, der uns teuer zu stehen kommt.
In Zeiten, in denen der gesellschaftliche Zusammenhalt massiv infrage steht und es enorme Herausforderungen im sozialen Bereich gibt, sind solche Kürzungen verantwortungslos. Ausgerechnet jetzt dort zu sparen, wo das Geld am nötigsten gebraucht wird, ist ein fatales Zeichen an Menschen in Not und an sozial Engagierte, die sich in unserer Gesellschaft für notleidende Menschen einsetzen. Am Ende kosten uns solche Kürzungen ein Vielfaches dessen, was kurzfristig eingespart wird. Die Bundestagsabgeordneten sollten bei den Haushaltsberatungen in den kommenden Wochen solche Einschnitte im Budget abwenden - zum Wohle von uns allen.
Düsseldorf, Hamburg (epd). Gemeinsam mit vier stationären Pflegeeinrichtungen testet die AOK Rheinland/Hamburg ein Pflegekonzept, das Menschen länger mobil und selbstständig halten soll. Das Projekt „SGB Reha“ werde ab Oktober von den ersten vier Einrichtungen in Düren, Hamburg, Krefeld und Rösrath umgesetzt, erklärte die Krankenversicherung am 4. Oktober in Düsseldorf und Hamburg.
Das Konzept sieht vor, dass Alltagsfertigkeiten je nach individuellen Möglichkeiten der Pflegebedürftigen wiederhergestellt werden. Dafür arbeiteten verschiedene Disziplinen aus den Bereichen Therapie, Medizin, Pflege, Betreuung und Pharmazie zusammen. Die psychische als auch die körperliche Verfassung der Bewohnerinnen und Bewohner werde dabei in den Blick genommen und die Therapie in die Pflege und Betreuung integriert. Teil des Konzepts sei auch eine passgenaue Medikation, bei der Wechselwirkungen und Überdosierungen ausgeschlossen werden sollen.
„Es ist sinnvoll, Therapie- und Rehabilitationsleistungen in die soziale Pflegeversicherung zu integrieren“, sagte Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg. Das berge die Chance, Pflege „zugewandter und wirksamer“ zu gestalten. Das Projekt könne Impulsgeber für eine Neugestaltung der Pflegeversicherung werden.
Entwickelt wurde das Konzept von der Evangelischen Altenhilfe Mülheim an der Ruhr. Die Erfahrungen aus den dortigen Einrichtungen zeigten, dass der bestehende Pflegegrad vorübergehend gehalten und teilweise sogar verbessert werden konnte. Vereinzelt sei bei einem besonders positiven Verlauf der Therapie sogar eine Rückkehr in die häusliche Umgebung möglich, hieß es.
Das Projekt SGB Reha („Sektorenübergreifende gerontopsychiatrische Behandlung und Rehabilitation in Pflegeheimen“) wurde 2022 gestartete und läuft über vier Jahre. Es wird laut AOK wissenschaftlich begleitet.
Celle (epd). Ein noch nicht als Flüchtling anerkanntes Kind hat Anspruch auf Sicherung seiner Gesundheit. Selbst wenn es wegen einer Erkrankung keine akuten Schmerzen hat und auch kein medizinischer Notfall vorliegt, darf der Sozialhilfeträger die Kostenübernahme für eine ärztlich angeratene Operation nicht ohne weiteres verweigern, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einem am 27. September veröffentlichten Urteil. Gerade bei Kindern müsse die Behörde genau begründen, warum die Kosten für eine an sich erforderliche Behandlungsmaßnahme nicht übernommen werden sollen, erklärten die Celler Richter, die die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zugelassen haben.
Im Streitfall ging es um ein 2014 geborenes irakisches Flüchtlingskind, das im Februar 2019 zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern nach Deutschland eingereist war. Die Asylanträge der Familie wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Dagegen hatten sie Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben.
Nachdem die Familie in einer niedersächsischen Gemeinde in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht wurde, wurde bei dem Kind eine Gallengangzyste festgestellt. Ärzte rieten zur operativen Entfernung des Geschwulstes. Es gebe zwar derzeit keine Beschwerden. Ohne Operation bestehe aber ein erhöhtes Krebsrisiko.
Das Kind wurde am 5. September 2019 operiert. Dabei wurde festgestellt, dass die Zyste sich bereits entzündet hatte. Die Behandlungskosten beliefen sich auf rund 20.000 Euro.
Der Sozialhilfeträger lehnte die Kostenübernahme ab. Erhalten Flüchtlinge Asylbewerbergrundleistungen, könnten sie nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen eine erforderliche ärztliche oder zahnärztliche Behandlung auf Kosten der Sozialhilfe verlangen. Hier habe aber weder eine akute Erkrankung vorgelegen, noch habe die Fünfjährige Schmerzen gehabt. Der Eingriff sei zwar medizinisch notwendig gewesen. Man hätte aber so lange warten können, bis das Kind sich in Deutschland 18 Monate rechtmäßig aufhält. Ab diesem Zeitpunkt wäre es gesetzlich krankenversichert gewesen, so dass die Krankenkasse für die Operation aufgekommen wäre.
Zudem habe das Krankenhaus wegen des Eingriffs nicht als „Nothelfer“ gehandelt, sodass auch aus diesem Grund die Behandlungskosten nicht erstattet werden könnten. Um von einem „Nothelfer“-Einsatz ausgehen zu können, müsse ein Eilfall vorliegen. Daran fehle es hier.
Das LSG urteilte, dass der Sozialhilfeträger die Behandlungskosten übernehmen muss. Die Gemeinde sei als Sozialhilfeträger zuständig, da das Kind dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe.
Ein vorrangiger Anspruch auf „Krankenhilfe“, bei dem Flüchtlinge vergleichbare medizinische Leistungen erhalten können wie Sozialhilfebezieher, bestehe aber nicht. Denn die Klägerin habe sich zum Zeitpunkt der Operation noch nicht 18 Monate in Deutschland aufgehalten.
Auch bestehe kein Anspruch auf Kostenübernahme wegen des Vorliegens akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Denn es habe sich hier um eine sich langsam entwickelnde und nicht um eine akute Erkrankung gehandelt. Schmerzen habe das Kind nicht gehabt.
Allerdings müsse die Sozialhilfe eine „sonstige Leistung“ gewähren, entschied das LSG. Gerade bei Kindern oder bei Personen, die Folter, Vergewaltigung oder andere schwere Formen von Gewalt erlitten haben, müsse „die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt“ werden. Deutschland sei nicht nur zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums des Kindes verpflichtet. Der Bund sei auch an die UN-Kinderrechtskonvention gebunden, die die Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern - hier der Gesundheit - verlangt.
Der operative Eingriff sei mangels Alternativen zur Sicherung der Gesundheit „unerlässlich“ gewesen. Ohne die Entfernung der Zyste liege das Risiko der Entartung nach 20 Jahren bei über 20 Prozent. Letztlich bestünden keine „hinreichenden Gründe“, „der Klägerin die erforderliche medizinische Hilfe - gegebenenfalls nur vorübergehend - vorzuenthalten“, urteilten die Celler Richter.
Bereits am 10. Juli 2018 hatte das LSG Darmstadt einen Landkreis dazu verpflichtet, die Hepatitis-C-Therapie für einen geduldeten Mann aus Aserbaidschan zu übernehmen. Voraussetzung für die Übernahme von Krankheitskosten sei, dass der Ausländer sich nicht nur kurzfristig in Deutschland aufhält und es sich nicht um die Behandlung einer Bagatellerkrankung handele.
Denn auch geduldete Ausländer im Asylbewerberleistungsbezug hätten Anspruch auf ärztliche Behandlung von akuten Erkrankungen und der Sicherung der Gesundheit. Das Grundgesetz gewähre einen Leistungsanspruch auf Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Dazu gehörten auch Gesundheitsleistungen.
Az.: L 8 AY 19/22 (Landessozialgericht Celle)
Az.: L 4 AY 9/18 B ER (Landessozialgericht Darmstadt)
Karlsruhe (epd). Patienten mit einer unheilbaren Erkrankung können allein wegen der Empfehlung ihres behandelnden Arztes nicht die Kostenerstattung für eine experimentelle Therapie verlangen. Vielmehr komme es darauf an, ob ein „Mindestmaß an wissenschaftlicher Datenlage zu den Erfolgsaussichten des Therapieansatzes“ vorliegt, entschied das Bundesverfassungsgericht am 25. September laut einer am 4. Oktober veröffentlichten Mitteilung.
Nur wenn eine auf hinreichende Indizien „nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht“, könne die gesetzliche Krankenkasse für die Kosten aufkommen, erklärten die Karlsruher Richter.
Im konkreten Fall ging es um einen dreijährigen Jungen, bei dem eine sogenannte GM2-Gangliosidose/Morbus Tay-Sachs-Erkrankung festgestellt wurde. Dabei handelt es sich um eine seltene angeborene Stoffwechselerkrankung, die zu einem fortschreitenden Untergang von Nervenzellen führt. Schwerste Behinderungen und eine dramatisch verkürzte Lebenserwartung sind die Folge. Eine anerkannte Therapie gibt es nicht.
Im Frühjahr 2022 erhielt das Kind auf Krankenkassenkosten ein Arzneimittel, welches bei Gleichgewichtsstörungen zugelassen ist. Als die behandelnde Kinderärztin als experimentelle Therapie dem Jungen die Arznei Miglustat empfahl, welches bei anderen Erkrankungen den Untergang von Nervenzellen bremst, lehnte die Krankenkasse die Erstattung der monatlichen Kosten von mehr als 5.000 Euro ab. Es gebe keine ausreichenden Hinweise, dass die Arznei wirken könne. Das Landessozialgericht (LSG) Celle bestätigte diese Entscheidung.
Eine Verfassungsbeschwerde dagegen hatte nun keinen Erfolg. Der Beschwerdeführer habe eine Grundrechtsverletzung nicht ausreichend begründet, erklärte das Bundesverfassungsgericht. Zwar könne bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen die Krankenkasse die Kosten für experimentelle Therapien übernehmen. Hierfür müsse aber ein „Mindestmaß an wissenschaftlicher Datenlage zu den Erfolgsaussichten des Therapieansatzes“ vorliegen.
Es sei nicht zu beanstanden, dass das LSG die Einschätzung der behandelnden Ärztin als unzureichend angesehen hat. „Hinreichende Indizien“ in Form einer ausreichenden Datenlage, dass die gewünschte Arznei wirksam sei, gebe es nicht. Zwar habe der Junge im Eilverfahren das Arzneimittel zeitweise verschrieben bekommen. Ob die festgestellte Stabilisierung des Gesundheitszustandes auf die experimentelle Therapie oder auf das zuvor eingenommene Medikament gegen Gleichgewichtsstörungen zurückzuführen sei, sei nicht belegt worden.
Az.: 1 BvR 1790/23
Kassel (epd). Jobcenter dürfen wegen des gelegentlichen Umgangs eines Kindes mit seinem getrennt lebenden Vater nicht automatisch der Mutter das Bürgergeld kürzen. Bildet das Kind allein mit seiner Mutter eine Bedarfsgemeinschaft und erhält der getrennt lebende Vater keine Leistungen vom Jobcenter, ist die Kürzung der Sozialleistungen nicht zulässig, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am 28. September bekanntgegebenen Urteil vom Vortag. Eine Anrechnung der Umgangstage bei dem anderen Elternteil ist aber möglich, wenn dieser ebenfalls Leistungen vom Jobcenter erhält.
Im konkreten Fall ging es um einen zum Streitzeitpunkt neunjährigen Jungen, der vom Jobcenter Flensburg Sozialgeld erhielt. Das Kind lebte mehrere Tage pro Woche bei seinem getrennt lebenden Vater.
Da der Junge mehrere Tage mit dem Vater sein Umgangsrecht ausübte, kürzte die Behörde für diese Tage das an die Mutter gezahlte Sozialgeld. Die Mutter hielt dies für ungerecht. In dem Sozialgeld für ihr Kind seien auch Beträge enthalten, mit denen sie für Kleidung oder Haushaltsgeräte ansparen könne. Werde das Sozialgeld wegen des Umgangs mit dem Vater gekürzt, wäre dies im Haushalt der Mutter schwerer möglich.
Das BSG verwies den Fall an das Landessozialgericht Schleswig zurück. Weder sei festgestellt, ob der Vater ebenfalls Leistungen vom Jobcenter erhält, noch ob die Eltern das Umgangsrecht sich gleichermaßen aufteilen.
Befänden sich beide Elternteile im Hilfebezug, liege mit dem Umgang des Kindes eine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft vor. An den Tagen, an denen sich das Kind beim Vater aufhält, könne dieser höhere Leistungen vom Jobcenter verlangen, während die Mutter eine anteilige Kürzung hinnehmen müsse.
Befinde sich aber nur die Mutter im Leistungsbezug, dürfe das Jobcenter das Sozialgeld für die Mutter nicht kürzen, urteilten erstmals die obersten Sozialrichter. Ob dies auch beim sogenannten paritätischen Wechselmodell gilt, bei dem Eltern sich den Umgang mit dem Kind hälftig teilen, ließ das BSG offen.
Az.: B 7 AS 13/22 R
Kassel (epd). Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Anerkennung einer Harnblasenkrebserkrankung als Berufskrankheit nach einer jahrelangen Einwirkung krebserregender Stoffe im Beruf erleichtert. Gibt es keine anderen festgestellten außerberuflichen Ursachen für die Krebserkrankung, kann es allein auf die bestehende abstrakte Gefahr ankommen, dass ein Beschäftigter im Beruf krebserregenden Stoffen ausgesetzt war, urteilten die Kasseler Richter am 27. September. Die Anerkennung als Berufskrankheit sei auch dann möglich, wenn der Arbeitnehmer jahrelang Raucher gewesen war.
Im konkreten Fall arbeitete der Kläger von 1998 bis 2013 als Schweißer in einem Unternehmen, das Großkücheneinrichtungen herstellte. Beim Schweißen musste er unter anderem Schweißnähte auf Risse prüfen. Dabei verwendete er sogenannte azofarbhaltige Sprays, die den krebserregenden Stoff o-Toluidin enthielten.
Als bei dem Mann 2014 eine Harnblasenkrebserkrankung diagnostiziert wurde, führte er dies auf den berufsbedingten Umgang mit dem krebserregenden Stoff zurück. Er beantragte die Anerkennung einer Berufskrankheit und wollte sich so Rentenzahlungen sichern.
Die Berufsgenossenschaft Holz und Metal lehnte die Anerkennung der Berufskrankheit ab. Die Ursache der Erkrankung sei nicht geklärt. Es kämen auch außerberufliche Ursachen in Betracht. So habe der Kläger im Durchschnitt 15 Jahre lang täglich eine Packung Zigaretten geraucht. Ein beruflicher Zusammenhang sei nicht belegt.
Das Landessozialgericht Stuttgart wies den Kläger ab. Zwar hatte ein Gutachter keine außerberuflichen Ursachen für die Harnblasenkrebserkrankung festgestellt. Auch der Nikotinkonsum liege viele Jahre zurück. Dennoch sei nicht bewiesen, dass die berufliche Tätigkeit die Erkrankung verursacht habe.
Das BSG gab jetzt dem Kläger recht. Der Sachverständige habe jegliche außerberuflichen Ursachen ausgeschlossen - und zwar auch den Jahre zurückliegenden Nikotinkonsum. Auch gebe es im Streit keine festgelegten Grenzwerte, ab welcher Einwirkung mit dem krebserregenden Stoff eine Berufskrankheit vorliegen könne. In diesem Fall reiche die bestehende abstrakte Gefährdung für die Anerkennung einer Berufskrankheit aus, entschied das BSG.
Az.: B 2 U 8/21 R
Münster (epd). Eltern eines Kita-Kindes kann laut einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster eine Fahrt zur Kindertagesstätte von bis zu 30 Minuten zugemutet werden. Eine Kommune sei nicht verpflichtet, dem Kind einen Betreuungsplatz in einer deutlich näher gelegenen Einrichtung eines freien Trägers oder in anderen Wunscheinrichtungen zu verschaffen, teilte das OVG am 29. September zu drei gefassten Beschlüssen mit. Damit wurden die Eilanträge von drei Elternpaaren gegen die Stadt Münster zurückgewiesen.
Im ersten Fall war ein Elternpaar, das nach erfolgreicher Klage vor dem Verwaltungsgericht Münster im Juni ein neues Angebot der Stadt erhalten hatte, nicht mit dem Betreuungsplatz zufrieden. Die Tageseinrichtung könne von ihrer Wohnung aus nicht unter zumutbaren Bedingungen erreicht werden, so ihre Argumentation. Sie forderten, die Fahrt dorthin sollte mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr als 15 Minuten dauern.
In den beiden weiteren Fällen wollten zwei andere Elternpaare einen Betreuungsplatz in einer bestimmten, nur wenige hundert Meter vom Wohnort entfernten Kindertagesstätte eines freien Einrichtungsträgers einklagen. Damit waren sie bereits in erster Instanz gescheitert.
Das Oberverwaltungsgericht sah den besonderen Bedarf in allen drei Fällen für nicht ausreichend begründet. Mit dem Angebot eines Betreuungsplatzes in einer Kindertageseinrichtung, die per Auto 4,3 Kilometer beziehungsweise mit dem Fahrrad 3,2 Kilometer vom Wohnort entfernt sei, habe die Stadt Münster den Betreuungsanspruch eines zweijährigen Kindes erfüllt, hieß es. Die Beschlüsse sind unanfechtbar.
Az.: 12 B 683/23, 12 B 811/23, 12 B 854/23
Freiburg (epd). Der Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg bekommt ein neues Vorstandsmitglied: Der Aufsichtsrat des Verbands hat Henric Peeters zum künftigen Vorstand für den Bereich Finanzen und Personal gewählt. Der 57-Jährige kommt aus Nordrhein-Westfalen, wo er Vorsitzender des Caritasverbands Düsseldorf und Caritasdirektor für die Landeshauptstadt Düsseldorf ist.
Peeters, dessen Wahl Erzbischof Stephan Burger bestätigte, wird seine neue Aufgabe in Freiburg zum 1. Januar 2024 antreten. Zusammen mit Diözesan-Caritasdirektorin Birgit Schaer, die zum 1. November den Vorstandsvorsitz übernehmen soll, wird er dann die künftige Führungsspitze des Diözesan-Caritasverbands bilden. Nina Dentges-Kapur, die seit April vorübergehend im Vorstand ist, werde den Verband wie geplant zum Jahresende verlassen und eine neue berufliche Aufgabe übernehmen, hieß es.
Henric Peeters ist Diplom-Betriebswirt und seit 36 Jahren in verschiedenen Funktionen bei der Caritas tätig. Nach seinem Zivildienst, den er 1986 bei der Caritas absolvierte, war er anschließend knapp 20 Jahre Geschäftsführer des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM) in Moers und seit 2003 zusätzlich des Caritasverbands Moers-Xanten. Seit 2017 ist er Vorstandsvorsitzender des Caritasverbands Düsseldorf.
„Wir freuen uns, dass wir eine so erfahrene Führungspersönlichkeit mit ‚Caritas-DNA‘, wie sie Henric Peeters verkörpert, als Vorstandsmitglied für den Diözesan-Caritasverband und damit auch für einen Ortswechsel von Düsseldorf nach Freiburg gewinnen konnten“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Peter Weiß. Er sei zuversichtlich, dass das künftige Führungstandem, bestehend aus der Vorstandsvorsitzenden Birgit Schaer und ihrem Vorstandskollegen Henric Peeters, den Diözesanverband und die Caritas in der Erzdiözese mit neuen Impulsen in eine gute Zukunft führen werden.
Der Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg ist Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg und vertritt als Dachverband mehr als 2.200 Dienste und Einrichtungen. Ihm gehören 26 selbstständige Orts-Caritasverbände in Städten und Landkreisen, neun caritative diözesane Fachverbände sowie mehrere diözesane Arbeitsgemeinschaften verschiedener Fachrichtungen an.
Roman Helbig (34) ist seit 1. Oktober neuer Geschäftsführer der „alsterdorf assistenz ost“. Er war zuletzt stellvertretende Regionalgeschäftsführer in der Diakonie Himmelsthür in Niedersachsen. Helbig tritt die Nachfolge von Thomas Steinberg an, der im Mai 2024 in den Ruhestand gehe, teilte die „alsterdorf assistenz ost“, eine Gesellschaft der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, am 4. Oktober in Hamburg mit. Die „alsterdorf assistenz ost“ unterstützt nach eigenen Angaben mit Angeboten und Projekten Menschen mit Behinderung, Familien, Paare, Kinder und Jugendliche in Hamburgs Osten, in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen. Sie beschäftigt rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Doris Kratz-Hinrichsen (52) ist von CDU und Grünen als einzige Kandidatin für das Amt der Beauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen in Schleswig-Holstein vorgeschlagen worden. Ihre Wahl soll in der nächsten Landtagssitzung erfolgen. Die Referentin des Diakonischen Werks in Rendsburg gilt als Expertin für Flüchtlingsfragen. Sie wäre die erste Hauptamtliche in dem Amt. Der bisherige Flüchtlingsbeauftragte Stefan Schmidt (82) scheidet am 31. Oktober aus. Kratz-Hinrichsen hat in Bremen Soziale Arbeit studiert. Von 1995 bis 2005 war sie zunächst als Beraterin beim Migrationsfachdienst in Pinneberg und schließlich im Migrationsfachdienst Rendsburg tätig. 2005 wechselte sie als Referentin für Asyl und Flucht zum Diakonischen Werk Schleswig-Holstein, wo sie seit 2009 das Team Beratung, Zuwanderung und bürgerschaftliches Engagement leitet.
Elisabeth Peterhoff, Vorstandsmitglied der Rummelsberger Diakonie und Leiterin der Diakoninnengemeinschaft, verlässt das Sozialwerk Ende Januar 2024. Die Diakonin wird die Leitung der Telefonseelsorge Ostoberfranken in Bayreuth übernehmen. Die scheidende Diakonin hatte ihre Leitungsämter seit 2017 inne. Der Sitz im Vorstand bleibt bis zur Wahl einer Nachfolgerin vakant. In der Diakoninnengemeinschaft wird übergangsweise die Leitende Studierendenbegleiterin Diakonin Harriet Tögel die Vertretung der Ältesten wahrnehmen. Die Rummelsberger Diakonie gehört mit einem Jahresumsatz von 330 Millionen Euro zu den großen diakonischen Trägern in Deutschland. Mehr als 6.200 Voll- und Teilzeitbeschäftigte arbeiten in rund 350 Einrichtungen.
Martin Struwe (52), Cuxhavener Seemannsdiakon, hat am 3. Oktober das Bundesverdienstkreuz bekommen. Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer (SPD) übergab ihm den Orden bei einer Feierstunde im Schloss Ritzebüttel. Er erhalte die Auszeichnung stellvertretend für das gesamte Team der Seemannsmission, sagte der Stader Regionalbischof Hans Christian Brandy, Vorsitzender der Deutschen Seemannsmission Hannover. Herausgestellt wurde insbesondere Struwes Einsatz innerhalb eines psychosozialen Notfallteams auf dem Kreuzfahrtriesen „Mein Schiff 3“ während der Pandemie im Mai 2020 in Cuxhaven. Struwe leitet seit 2007 die Seemannsmission in Cuxhaven. Zuvor war er in Finnland und Bremerhaven tätig. In Berlin studierte er an der Evangelischen Fachhochschule soziale Arbeit und absolvierte am Wichern-Kolleg im Evangelischen Johannesstift die Ausbildung zum Diakon.
Cornelia Funke (64) ist mit dem Karl-Kübel-Preis 2023 geehrt worden. Die Kinder- und Jugendbuchautorin erhalte den Preis für ihr Engagement für die Kinder- und Familienförderung, sagte der Stiftungsratsvorsitzende der Karl-Kübel-Stiftung, Matthias Wilkes, bei der Verleihung in Bensheim. In Funkes Büchern gehe es um Freundschaft und Miteinander. Mit ihrer Stiftung „Rim of Heaven“ biete Funke Kindern und Künstlern Begegnungsorte in Italien, wo sie sich entfalten und Gemeinschaft erleben könnten. Das Preisgeld von 25.000 Euro fließe in diese Stiftung. Erstmals wurde der Karl-Kübel-Preis 1990 verliehen. Im vergangenen Jahr wurde der Wirtschaftswissenschaftler und Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus geehrt.
Dirk Neumann, ehemals Vizepräsident des Bundesarbeitsgerichts, ist am 27. September im Alter von 100 Jahren gestorben. Neumann wurde 1965 zum Richter am Bundesarbeitsgericht berufen, 1978 zum Vorsitzenden Richter am BAG und im Februar 1986 zum Vizepräsidenten des Gerichts ernannt. Der gebürtige Sachse wirkte in seiner über 25-jährigen Dienstzeit beim BAG, in der er stets dem Vierten Senat angehörte, an sehr vielen wichtigen Entscheidungen im Tarifvertragsrecht mit und prägte die Rechtsprechung des Gerichts dabei entscheidend.
Elisabeth Kern-Waechter hat den Deutschen Pflegepreis erhalten. Die Krankenschwester gilt als Pionierin der Pflege in der Endoskopie in Deutschland. Die Preisverleihung fand am 28. September auf dem Deutschen Pflegetag statt. Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, sagte, Kern-Waechter stehe wie keine andere Person für die Qualität und Entwicklung der Pflege in der Endoskopie in Deutschland. Ihr sei es zu verdanken, dass die Pflege im Fachbereich der Endoskopie sichtbar geworden sei, sich wesentlich entwickelt und enorm verbessert habe. Sie habe beim Aufbau der zweijährigen Fachweiterbildung Endoskopie wesentlich mitgewirkt.
André Dietz und Shari Dietz wurden mit dem Bobby-Preis 2023 ausgezeichnet. „Dank Familie Dietz wird sichtbar, wie fundamental wichtig Inklusion für die Gesellschaft ist, wie wir alle davon profitieren können“, sagte Ulla Schmidt, die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und Bundesministerin bei der Preisverleihung. Das Ehepaar Dietz aus Bergisch-Gladbach hat ihr Familienleben mit einem Kind mit schwerer geistiger und körperlicher Behinderung einem großen Publikum nahegebracht - mit ihrem Blog, ihren Büchern, zahlreichen Zeitungsartikeln und Fernsehauftritten. Die beiden haben vier Kinder, die heute neun Jahre alte Tochter Mari hat das Angelman-Syndrom und braucht rund um die Uhr Unterstützung. Mit ihrem Buch „Alles Liebe. Familienleben mit einem Gendefekt“ gewähren Shari und André Dietz einen Einblick in ihren Alltag und den damit verbundenen Herausforderungen. Mit dem Medienpreis Bobby würdigt die Lebenshilfe seit 1999 öffentliches Engagement für Menschen mit Behinderung und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
10.-11.10.:
Online-Seminar „Die Schnittstelle Eingliederungshilfe - Pflege gestalten“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-495
11.10.:
Online-Seminar „Sozialdatenschutz in der Online-Beratung - kompakt“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
18.-20.10. Freiburg:
Fortbildung „Kinderschutz in der Familienpflege - Auftrag und Handlungsoptionen im Einsatz“
der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes
Tel.: 0761/200-1700
20.-21.10.:
Online-Tagung „Sterben wollen - Leben müssen - Sterben dürfen? - Von der Kontroverse in die Praxis: Umgang mit den assistierten Suizid“
des Hauses Villigst
Tel.: 02304/755-325
23.-24.10. Erkner:
Seminar „Die Umsetzung des KJSG in der Kindertagesbetreuung - Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven“
Tel.: 030/62980-219
23.-25.10. Hannover:
Fortbildung „Hilfe für wohnungslose Männer und Frauen in besonderen sozialen Schwierigkeiten“
der Bundesakademie für Kirche und Diakonie
Tel.: 030/48837-495
November
7.11.
Online-Seminar „Aktuelle steuerliche Themen in der Abgabenordnung und im Umsatzsteuerrecht - Update für Fortgeschrittene“
Tel.: 030/26309-138
8.11. München
Seminar „Pflegesatzverhandlungen in der stationären Altenhilfe Vorbereitung, Strategie und Verhandlungsführung“
der Unternehmensberatung Solidaris
Tel.: 0221/2093-0
8.-9.11.
Seminar „Grundlagen “Positive Führung„ - wertschätzend und zukunftsorientiert führen“
der Paritätischen Akademie Berlin
Tel.: 030/2758282-21