Die vorgesehenen Kürzungen im Bundeshaushalt 2024 betreffen viele Ressorts und Themen. Entsprechend breit sind die Diskussionen. Unter dem Strich geht es nicht nur um Zahlen - eine Summe X weniger für Thema Y -, sondern vor allem geht es um menschliche Schicksale. Die Budgetkürzungen treffen diejenigen, die die Hilfe der Gesellschaft am dringendsten benötigen.
Ausgerechnet jetzt, da viele Herausforderungen anstehen und der Arbeitskräftemangel den gesamten Sektor schwächt, streicht man bei den Wohlfahrtsverbänden. Das ist mehr als mangelnde Wertschätzung. Was die Kürzungen genau bedeuten würden, möchte ich an drei Bespielen darlegen, die die Arbeit des DRK für Menschen in Not unmittelbar betreffen.
Die Zuwanderungszahlen in Deutschland sind so hoch, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Finanzierung von passenden Hilfsangeboten sollte in so einer Situation hochgefahren werden - denkt man zumindest, und so war es auch von der Politik versprochen. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall: Die Gelder für die Migrationsberatung sollen 2024um fast 30 Prozent gekürzt werden, das Budget für die Asylverfahrensberatung de facto um die Hälfte und bei den Psychosozialen Zentren soll die Förderung um fast 60 Prozent runtergehen. Es werden viele Personen keine Beratung mehr erhalten, wenn bei den mehr als 1.400 Migrationsberatungsstellen rund jede dritte Stelle wegfällt. Das hätte Folgen: Die Kürzungen würden die Teilhabe von geflüchteten Menschen an Bildung, Berufsleben und gesellschaftlichem Leben erschweren. Weniger Teilhabe würde sich wiederum negativ auf die Akzeptanz von geflüchteten Menschen, den Arbeitsmarkt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirken.
Noch einschneidender sind die Kürzungen bei den Psychosozialen Zentren. Wir wissen aus Erhebungen, dass 87 Prozent aller geflüchteten Menschen potenziell traumatisierende Ereignisse wie Krieg oder Verfolgung erlebt haben. Angesichts der vielen Neuankommenden und der bereits heute überlasteten Projekte müssten wir uns mehr und nicht deutlich weniger Angebote durch Psychosoziale Zentren leisten.
Was an dieser Stelle wichtig ist zu betonen: Wird in diesen Bereichen gekürzt, geht es nicht nur um kurzzeitige Effekte. Die genannten Kürzungen werden selbst bei späteren Budgeterhöhungen langfristig wirken - in Form von verlorenem Fachpersonal und einem großen Vertrauensverlust zwischen Beratenden und Klienten. Und es steht auch keine alternative Finanzierung in Aussicht. Die Bundesländer werden wohl nicht ausgerechnet beim Thema Migration für den Bund einspringen, denn schon heute wird heftig über die Verteilung der Kosten in diesem Bereich diskutiert.
Doch nicht nur bei Geflüchteten soll gespart werden, auch engagierte Jugendliche wären vom Rotstift betroffen. Jahr für Jahr leisten rund 100.000 Menschen einen Freiwilligendienst. Mit ihrer Arbeit tragen die Freiwilligen zu einem besseren Sozial-, Hilfs- und Kulturangebot bei und bringen frische Impulse in die jeweilige Projektarbeit ein. Insofern ergibt sich an vielen Stellen eine Win-Win-Situation. Angesichts der positiven Bilanz verspricht das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf seiner Homepage: „Politische Aufmerksamkeit gilt vor allem finanziellen und organisatorischen Strukturen, die Trägern mehr Planungssicherheit ermöglichen sollen.“
Doch wie diese Aussage mit vorgesehenen Kürzungen bei den Freiwilligendiensten von rund 25 Prozent im Jahr 2024 vereinbar sind, erscheint unerklärbar. Durch die Einschnitte würde nicht nur das soziale Engagement deutlich geschwächt werden, sondern auch zahlreiche Vereinsstrukturen. Der Nachwuchs würde schlicht fehlen.
Bleibt noch der drohende Kahlschlag bei den Müttergenesungswerken. In über 70 Kliniken können Väter, Mütter und Pflegende eine medizinische Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch nehmen. Voraussetzung dafür ist ein Gesundheitsproblem, das im Zusammenhang mit Belastungen in der Familie steht. Oft verhindern solche Aufenthalte in den Kliniken Schlimmeres.
Bei diesen Einrichtungen ist eine Kürzung von derzeit 5,99 Millionen Euro jährlich auf nur noch 0,4 Millionen Euro vorgesehen. Das entspricht 93 Prozent weniger Geld für diese Angebote. Das geringere Budget trifft Einrichtungen, die ohnehin chronisch unterfinanziert sind und schon lange an der Belastungsgrenze arbeiten. Geplante Bauvorhaben und Modernisierungen könnten nicht realisiert werden. Dieser vorgesehene Einschnitt ist nicht zuletzt angesichts der Auswirkungen der Covid-Pandemie auf Familien weder sinnvoll noch nachvollziehbar. Er würde verheerende und langfristige Folgen haben. Mittelfristig werden noch mehr ausgebrannte Mütter und Väter hängengelassen, mit weitreichenden Folgen auch für die Kinder. Es gäbe oft schwerwiegendere Gesundheitsprobleme und mehr Konfliktpotenzial in Familien. Das ist ein falscher Ansatz, der uns teuer zu stehen kommt.
In Zeiten, in denen der gesellschaftliche Zusammenhalt massiv infrage steht und es enorme Herausforderungen im sozialen Bereich gibt, sind solche Kürzungen verantwortungslos. Ausgerechnet jetzt dort zu sparen, wo das Geld am nötigsten gebraucht wird, ist ein fatales Zeichen an Menschen in Not und an sozial Engagierte, die sich in unserer Gesellschaft für notleidende Menschen einsetzen. Am Ende kosten uns solche Kürzungen ein Vielfaches dessen, was kurzfristig eingespart wird. Die Bundestagsabgeordneten sollten bei den Haushaltsberatungen in den kommenden Wochen solche Einschnitte im Budget abwenden - zum Wohle von uns allen.