Rostock (epd). Anlauf, Drehung, Wurf, Block. Goalball ist ein extrem dynamischer Sport. Nur zehn Sekunden hat ein Team, um den Ball nach der Abwehr wieder ins Spiel zu bringen. Das Besondere: Alle spielen blind. Den Ball können sie hören, aber nicht sehen.
„Alle tragen eine Dunkelbrille, es kommt also in erster Linie auf den Hörsinn an. Im Ball sind kleine Glocken, man orientiert sich akustisch“, erklärt Charlotte Kaercher. Die 32-Jährige ist deutsche Nationalspielerin und trainiert beim RGC in Rostock. Die Hansestadt ist Goalball-Hochburg und offizieller Bundesstützpunkt. Charlotte Kaercher ist Goalballspielerin mit Leib und Seele. 2007 fing es für sie als Jugendspielerin an.
„Man muss schon positiv bekloppt sein“, sagt sie und lacht. „Die Saison geht das ganze Jahr, viele Turniere sind im Ausland.“ Vom Goalballspielen kann Charlotte nicht leben, nebenher geht sie normal zur Arbeit. Sport, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen, ist nicht einfach. Immerhin - ihr Lebensgefährte spielt auch Goalball.
Die Sportart ist paralympisch. Kilian Kollrep hat früher Handball gespielt. Seit 2019 ist er beim Goalball dabei. Wenn er den Ball wirft, wird das Spielgerät bis zu 70 Stundenkilometer schnell. Auf internationalem Niveau können es bei den Männern sogar 90 km/h sein.
„Ich mag das Zusammenspiel beim Goalball. Das ist noch wichtiger als beim Handball“, sagt der 17-jährige Kollrep. In den Auszeiten wird die Mannschaftstaktik besprochen. „Der Trainer kann im Spiel nichts reinrufen. Deshalb muss das alles in der Auszeit besprochen werden: Welche Laufwege, wo es beim Gegner Lücken gibt, worauf wir in der Verteidigung achten müssen und so weiter.“
„Quiet please. Play!“, kommt die Ansage von Mario Turloff. Er ist Goalballtrainer beim RGC und kümmert sich gerade um den Nachwuchs. Auch bei den Kindern kommen alle Spielkommandos auf Englisch. „Bevor das Spiel freigegeben wird, bitten wir einmal um Ruhe in der Halle“, sagt er. Macht die angreifende Mannschaft zu viel Lärm, gibt es einen Strafstoß.
Ein Spiel dauert zwei mal zwölf Minuten. Auf dem Spielfeld sind immer drei Spieler, drei weitere sitzen auf der Auswechselbank. In den Teams der Bundesliga spielen Menschen mit und ohne Sehbehinderung. Mindestens eine Person auf dem Feld muss in der Sicht eingeschränkt sein. Im Liga-Alltag aber, bei der RGC, ist Goalball vollkommen inklusiv. Darauf ist man hier stolz. Aktuell gehört der Verein aus Rostock zu den Finalisten für den deutschen Engagementpreis 2023.
Für Goalball gibt es hierzulande große Pläne: 2026 könnte sich Deutschland als Austragungsort der Weltmeisterschaften bewerben und der inklusiven Sportart damit bundesweit richtig Schwung geben.