Frankfurt a.M. (epd). Georg Blaurock ist der erste. Bei einer Versammlung in Zürich am Abend des 21. Januar 1525 steht er auf und bittet den Prediger Konrad Grebel „um Gottes willen, dass er ihn taufen möge mit der rechten christlichen Taufe auf seinen Glauben und seine Erkenntnis“. So beschreibt es die „Hutterer Chronik“. Grebel nimmt laut dem Bericht eine Schöpfkelle voll Wasser und gießt es über Blaurock. Alle anderen Anwesenden lassen sich ebenfalls taufen.
Dieses Ereignis vor 500 Jahren gilt als die erste Erwachsenentaufe. Das Problem dabei: Sie war aus kirchlicher Sicht verboten. Denn alle, die sich an diesem Abend taufen lassen, waren natürlich schon als Kinder getauft worden.
Es ist die Zeit der Reformation. Acht Jahre zuvor - im Jahr 1517 - hat Martin Luther (1483-1546) mit seinem Thesenanschlag in Wittenberg kirchliche Missstände angeprangert. Die Täufer-Bewegung ist ein weiterer Flügel des reformatorischen Aufbruchs. Sie setzt sich für radikalere Reformen im Christentum ein als beispielsweise Luther und Ulrich Zwingli (1484-1531).
Schon seit einigen Jahren ziehen einige Protestanten, vor allem in Süddeutschland und der Schweiz, die Kindertaufe in Zweifel. In ihrem Verständnis ist die Taufe ein Bündnis mit Gott, das auf einem persönlichen Bekenntnis beruht, zu dem nur mündige Erwachsene fähig sind. Die Kindertaufe ist für sie bloß ein „unnütz Waschen des Kinderkopfes“.
Der Göttinger Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann sieht in der Ablehnung der Kindertaufe eine mehr oder weniger offene Kampfansage an die anderen Reformatoren. Denn sie bedeute, „die Erbsündenlehre beziehungsweise das ihr zugrundeliegende Menschenbild und das mit ihr verbundene Erlösungskonzept infrage zu stellen, dazu die Rolle der Amtsgeistlichkeit und nicht zuletzt die Notwendigkeit der Heilsanstalt Kirche“. Die Täufer treten für eine Kirche ohne Hierarchie und Klerus ein.
Kaufmanns Hamburger Kollege Fernando Enns nennt noch weitere Gründe, die die Täufer in scharfen Gegensatz zu den weltlichen und geistlichen Autoritäten bringen. Die Ablehnung der Kindertaufe habe nicht nur an den Grundfesten der Kirche gerüttelt, sondern der Gesellschaft insgesamt. „Taufbücher sind damals so etwas wie das Einwohnermeldeamt“, sagt er. „Man kann nicht Bürger eines Landes sein, ohne getauft zu sein.“
Am 18. Januar 1525 droht der Zürcher Rat, jeden zu verbannen, der sein Kind nicht innerhalb von acht Tagen nach dessen Geburt taufen lässt. Drei Tage später belegt der Rat die Prediger Konrad Grebel und Felix Manz mit Redeverbot. Am Abend dieses Tags versammeln sich die Täufer, es kommt zu eben jener ersten Erwachsenentaufe.
Im März 1526 droht die Stadt Zürich jedem Täufer mit dem Tod. Der Prediger Manz wird im Januar 1527 im Fluss Limmat ertränkt. Viele Täufer verlassen Zürich. Dort, wo sie sich niederlassen, entstehen neue Täufergemeinden, hauptsächlich im Elsass, am Niederrhein und in den Niederlanden.
Das Zürcher „Täuferproblem“ wird so eines für das ganze Reich. Reformatoren wie Luther oder Philipp Melanchthon (1497-1560) bekommen Angst, sie könnten die Unterstützung ihrer weltlichen Herrscher verlieren, wenn sich die Reformation in die radikale Richtung der Täufer entwickelt. Sie drängen die Fürsten dazu, die Täufer zu verfolgen. Seit einem Reichstag in Speyer im Jahr 1529 droht den Täufern reichsweit die Todesstrafe, im „Augsburger Bekenntnis“ von 1530 gelten sie als Ketzer. Überall im Reich lodern die Scheiterhaufen. Auch der erste erwachsene Täufling Blaurock wird 1529 im Feuer getötet.
Dennoch gelingt es den Täufern im westfälischen Münster, bei einer Ratswahl die Mehrheit zu erringen. In der Folge entsteht das sogenannte Täuferreich von Münster, in dem die Ideen des Täufertums zu einem radikalen Exzess getrieben werden. Weil alle Menschen Christi nachfolgen sollen, verbieten die neuen Herren der Stadt Privateigentum. In Bilderstürmen verwüsten sie Kirchen und Klöster, verbrennen Bücher, schlagen Kunstgegenstände kurz und klein. Andersdenkende lassen sie hinrichten.
Die Täufer gehen vom nahen Ende der Welt aus und sehen Münster als ein neues Jerusalem. Als dessen „König“ lässt sich der Täuferführer Jan van Leiden krönen. Der Fürstbischof von Münster macht dem Täuferreich im Juni 1535 schließlich ein Ende. Seine Truppen belagern und stürmen die Stadt, töten in einer Gewaltorgie Hunderte Täufer.
Ein halbes Jahr darauf werden die Körper Jan van Leidens und zweier weiterer Täufer öffentlich mittels glühender Zangen auseinandergerissen. Ihre geschundenen Leichen lässt man jahrzehntelang zur Abschreckung in Käfigen vom Turm der Lambertikirche hängen. Die Käfige hängen dort noch heute. Nach Münster setzen sich bei den Täufern jene durch, die strikte Gewaltfreiheit vertreten. Erwachsenentaufe und strenger Pazifismus sind noch heute Prinzipien von Nachfahren der Täufer-Bewegung wie den Mennoniten.
Der Hamburger Theologe Enns sieht in der Verfolgung der frühen Täufer einen der Faktoren für das Überleben der Bewegung. „Märtyrerblut ist enorm fruchtbar“, sagt er. Wer so für seinen Glauben leide, mache ihn für andere attraktiv. Zudem habe sich das Täufertum auch durch vertriebene Glaubensflüchtlinge verbreitet, beispielsweise nach Nordamerika. Ein weiterer Erfolgsfaktor seien die modernen Ideen der Täufer gewesen: die Trennung von Kirche und Staat oder die freie Religionsausübung. Damals noch die Position einer radikalen Minderheit, sind solche Ideen heute Allgemeingut.
Rom (epd). Gleich zu Jahresbeginn hat Papst Franziskus im Vatikan Geschichte geschrieben: Zum ersten Mal hat er einer Frau die Leitung einer Vatikanbehörde überantwortet. Die italienische Ordensschwester Simona Brambilla ist künftig die Chefin im „Dikasterium für die Institute des gottgeweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens“. Oder einfacher formuliert: Sie ist die Ministerin, die für die katholischen Ordensleute weltweit verantwortlich ist.
Laut vatikanischem Presseamt ist die 59-Jährige die erste Präfektin in der Geschichte des Kirchenstaats. Die Behörde, die sie nun leitet, dürfte sie bereits in- und auswendig kennen. Bislang rangierte Brambilla, die früher als Krankenschwester und Missionarin tätig war, im Amt der Sekretärin als Nummer zwei in der Führungsebene, hinter João Kardinal Braz de Aviz.
Dass die promovierte Psychologin nun die Leitung der Behörde übernimmt, ist eine Folge aus der Kurienreform von Papst Franziskus aus dem Jahr 2022. In der Apostolischen Konstitution „Praedicate Evangelium“ hatte der Papst die höchsten Ämter der Kurie für Laien geöffnet. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis eine Frau von ihm zur Ministerin ernannt wird.
Im Pontifikat von Franziskus ist der Anteil von Frauen, die im Vatikan in Führungspositionen sitzen, deutlich gestiegen. So werden beispielsweise die Vatikanischen Museen seit 2016 von der Kunsthistorikerin Barbara Jatta geleitet. 2022 wurde Schwester Raffaella Petrini zur Vize-Regierungschefin des Vatikanstaats ernannt und spricht bei der Auswahl der Bischöfe mit.
Auch sonst werden Frauen immer wieder von Franziskus in den Fokus gerückt. 2016 hat er das Ritual der Fußwaschung an Gründonnerstag - eine Geste der Demut - offiziell auch für Frauen geöffnet. Im vergangenen Jahr nahmen daran erstmals ausschließlich Frauen teil, Gefangene einer römischen Haftanstalt. Franziskus' Vorgänger hatten nur geweihten Priestern die Füße gewaschen.
Es hat sich in den vergangenen Jahren also einiges getan, was die Stellung von Frauen in der katholischen Kirche angeht. Doch ist das mehr ein schleichender Prozess als eine echte Revolution. Und geradlinig ist der Weg bei Weitem nicht.
So hatte der Papst mit der im vergangenen Herbst zu Ende gegangenen Weltsynode zwar Frauen neue Wege der Teilhabe eröffnet - und dennoch viele enttäuscht. Zum ersten Mal hatten nicht nur Bischöfe, sondern auch Ordensvertreter und Laien bei einer Bischofssynode ein Stimmrecht, unter ihnen rund 50 Frauen. Doch die Frage des Zugangs von Frauen zu Weiheämtern wurde nicht geklärt. Frauen können in der katholischen Kirche noch immer nicht zu Diakoninnen oder Priesterinnen geweiht werden und viele bezweifeln, dass sich daran in naher Zukunft etwas ändern wird.
Was während Teil eins der Synode eine viel diskutierte Frage war, wurde vor Teil zwei im vergangenen Jahr von Papst Franziskus persönlich aus dem zu debattierenden Themenkatalog ausgeklammert. Eine Kommission hat sich der Frage der Stellung der Frau in der Kirche angenommen und soll dem Papst bis Juni die Ergebnisse ihrer Beratung vorlegen. Die Arbeitsgruppe ist im Dikasterium für Glaubensfragen angegliedert - und rein männlich besetzt.
Vor allem in Deutschland ist dieses Vorgehen auf Kritik gestoßen. „Ich bin damit nicht zufrieden“, sagte Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Ende Oktober zum Abschluss der Weltsynode. Auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, wertete deren Ergebnisse bezüglich der Rolle der Frau in der katholischen Kirche als Enttäuschung. Nach wie vor schätze die Kirche die Frauen unter anderem für ihre Mütterlichkeit und Warmherzigkeit, „nicht aber für Fähigkeiten des Führens, des Entscheidens, der Bekleidung kirchlicher Weiheämter“, sagte sie.
Auch die erste Ministerin im Vatikan ist nicht der große Durchbruch. Simona Brambillas Zuständigkeitsbereich ist vor allem „weiblich“. In der katholischen Kirche gibt es rund 178.000 Ordensmänner, aber fast 600.000 Ordensfrauen. Die restlichen 15 Ministerien im Vatikan, in denen es um Glaubensfragen oder Finanzen geht, werden weiter von Männern verantwortet.
Ein weiterer Fakt, der die Euphorie über die Ernennung einer Frau zur Ministerin dämpft: Brambilla ist zwar die einzige weibliche Dikasteriumsleiterin, also Präfektin, wie die Minister im Vatikan heißen. Mit ihrer Ernennung bekommt die Führungsriege der Behörde aber auch einen neuen Posten: Brambilla hat nicht nur wie üblich einen Sekretär. Als neue Hierarchie zwischen ihr und der Nummer zwei wird Brambilla ein Pro-Präfekt zur Seite gestellt. Warum, dazu äußerte sich der Vatikan bislang nicht. Zur Besetzung schon: Den Posten bekleidet Kardinal Angel Fernandez Artime. Ein geweihter Mann.
Wuppertal (epd). In der Debatte um die Zukunft der Kirchlichen Hochschule (KiHo) in Wuppertal wirbt ein Bündnis für einen „Bildungscampus Heiliger Berg“. Das vom städtischen SPD-Bundestagsabgeordneten Helge Lindh gegründete Bündnis KiHo Wuppertal plädiert damit für einen Mix von Bildungseinrichtungen unter einem Dach, deren thematischer Schwerpunkt in gesellschaftlichen Zukunftsfragen sowie kirchlichen und religiösen Themen liegt, wie es am 6. Januar erklärte. Die Hochschule selbst solle weiterhin Bachelor- und Masterstudiengänge für angehende Pfarrer und Pfarrerinnen anbieten.
Das Konzept knüpft an einen Beschluss der Evangelischen Kirche im Rheinland an. Sie ist eine der beiden Trägerkirchen der KiHo und hatte in einer Synode im vergangenen Sommer beschlossen, den Aufbau eines theologischen Bildungscampus zu prüfen und die Hochschule grundlegend zu reformieren. Ein genaues Konzept soll der nächsten Synode im Februar vorgelegt werden. Ob die Hochschule bestehen bleibt, ist Teil des Prüfauftrags der Synode.
Das aus Bürgerinnen und Bürgern der Stadt bestehende Bündnis warnt in seinem Entwurf ausdrücklich vor einer Schließung. Dies wäre ein „fatales Signal“, weil künftig auch an den Universitäten theologische Fakultäten bedroht seien - als Folge sowohl der allgemein sinkenden Studierendenzahlen als auch des zu erwartenden weiteren „Relevanzverlustes“ der Kirchen in der Gesellschaft. Die Rettung der KiHo sei auch eine „zivilgesellschaftliche Aufgabe“, betonte Lindh.
Das Bündnis fühlt sich der besonderen Geschichte aus der Tradition der Bekennenden Kirche mit der Barmer Erklärung verpflichtet. Diese historisch einmalige Einrichtung und der Heilige Berg insgesamt hätten große Potenziale für Wuppertal und die Region.
Eine grundlegende Entscheidung über die Zukunft der KiHo stand an, weil der Trägervertrag eine Kündigung Ende 2025 ermöglicht. Die Evangelische Kirche von Westfalen als zweite Trägerin will im Zuge ihrer Haushaltskonsolidierung ihren Beitrag an die KiHo nach eigener Ankündigung „deutlich“ verringern. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) schmilzt ihren Zuschuss in den kommenden Jahren ab. Aktuell wenden die Kirchen zusammen rund 4,24 Millionen Euro pro Jahr für die KiHo auf.
Die KiHo Wuppertal wurde 1935 in der Zeit des Kirchenkampfes von der Bekennenden Kirche gegründet. Angesichts der nationalsozialistischen Gleichschaltung und Zerschlagung theologischer Fakultäten an den staatlichen Universitäten sollte die Ausbildung des theologischen Nachwuchses unabhängig vom NS-Staat erfolgen.
Düsseldorf, Fulda (epd). Der Streit um den von Religionskritikern gegründeten alternativen Verein für den Evangelischen Kirchentag 2027 in Düsseldorf steht vor einer gütlichen Einigung. „Wir haben nach Abwägung aller Optionen beschlossen, der Löschung unseres Vereins nicht zu widersprechen“, sagte der Vorsitzende der satirischen „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland“ sowie Vorstandsmitglied des „40. Deutscher Evangelischer Kirchentag Düsseldorf 2027 e.V.“, Mario Ickert, am 10. Januar. Der Verein erfüllt damit einen Antrag, der vom Verein zur Förderung des Deutschen Evangelischen Kirchentages eingereicht wurde. Zudem vermeiden sie eine weitere juristische Auseinandersetzung.
Die nicht ganz ernst gemeinte Gründung des Vereins durch die Religionskritiker hatte in den Tagen zuvor für Irritationen gesorgt. Der Trägerverein des Kirchentages in Fulda hatte die Löschung des Vereinsnamens gefordert. Den Namen „40. Deutscher Evangelischer Kirchentag Düsseldorf 2027 e.V.“ hatten sich die Religionskritiker im Oktober 2024 durch eine Eintragung ins Vereinsregister des Amtsgerichts in Fulda gesichert.
Durch die Beilegung des Namensstreites könne die „Kirche nun Subventionen in Höhe von 13 Millionen Euro abrufen“, betonte Ickert. Mit ihrer medienwirksamen Aktion wollten die Religionskritiker darauf aufmerksam machen, dass der Kirchentag auch von der öffentlichen Hand mitfinanziert wird, obwohl in der NRW-Landeshauptstadt lediglich 13 Prozent Protestanten leben.
Als „subversiven Streich zur Verdeutlichung des engen Verhältnisses von Staat und Kirche“ bewertete Mitstreiterin Ricarda Hinz das Vorgehen der Religionskritiker. Sie hatte 2023 als Vorsitzende des „Düsseldorfer Aufklärungsdienstes“ ein Bürgerbegehren gegen die öffentliche Finanzierung des evangelischen Kirchentages angestrengt.
Die Religionskritiker hatten am 9. Januar in Düsseldorf unter dem Motto „Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache“ ein Alternativprogramm für den Kirchentag vorgestellt und gefordert, dass der Kirchentag ein Programm präsentiert, das auch Menschen anspricht, die nicht gläubig seien. Die Stadt Düsseldorf machte deutlich, dass die von ihr in Aussicht gestellten Zuwendungen in Höhe von 5,8 Millionen Euro nicht von dem alternativen Trägerverein abgerufen werden könnten.
Düsseldorf, Bielefeld (epd). Mit einer bundesweiten Kampagne werben die evangelische und die katholische Kirche vor der Bundestagswahl für Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt in der Gesellschaft. Unter dem Motto „Für alle. Mit Herz und Verstand“ werde die Bevölkerung dazu aufgerufen, durch aktive Teilnahme an den Wahlen die Demokratie zu stärken und extremistischen Positionen entgegenzuwirken, erklärten die rheinische und die westfälische Kirche am 9. Januar, die sich an der Kampagne beteiligen.
Die Diskussionen nach den schrecklichen Anschlägen von Solingen und zuletzt Magdeburg zeigten deutlich, wie wichtig es sei, Hetze und Polarisierung entgegenzutreten und den sozialen Zusammenhalt zu stärken, erklärte der rheinische Präses Thorsten Latzel. Der leitende Geistliche äußerte sich besorgt über eine „massive Gefährdung der Demokratie“ in den USA, in vielen Ländern Europas und auch in Deutschland.
In einem Brief rief er die Pfarrerschaft, Religionslehrer sowie Presbyterien und Kreissynodalvorstände in den rheinischen Gemeinden dazu auf, „aus unserem christlichen Glauben heraus klar für Werte von Menschlichkeit, Nächstenliebe und gesellschaftlichem Zusammenhalt einzutreten.“
Der Theologische Vizepräsident der westfälischen Kirche, Ulf Schlüter, rief dazu auf, sich an der Wahl zu beteiligen: „Wer wählen geht, kann Extremismus und Freiheitsfeinden aktiv eine entschiedene Absage erteilen“. Die evangelische Kirche habe erst nach den Verbrechen des Nationalsozialismus den Wert eines demokratischen Staatswesens erkannt. „Umso entschiedener wollen und werden wir heute für eine Verfassung einstehen, in der Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt Grundlage der Gesellschaft sind“, unterstrich Schlüter, der die westfälische Kirche kommissarisch leitet.
Initiatoren der kirchlichen Kampagne sind die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens und die katholische Kirche in Sachsen. Bundesweit beteiligen sich weitere Landeskirchen, Bistümer und kirchliche Verbände, darunter unter anderem die rheinische Kirche und die Evangelische Kirche von Westfalen. Weitere Unterstützer sind die evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz. Von katholischer Seite unterstützen die Bistümer Osnabrück, Würzburg und Trier die Kampagne. Die vorgezogene Bundestagswahl findet am 23. Februar statt.
Wien, Bielefeld (epd). Mit Blick auf die voraussichtliche Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich warnt der Wiener Theologe Ulrich Körtner davor, voreilig Parallelen mit der Situation in Deutschland zu ziehen. „Die politische Landschaft in beiden Ländern ist zu unterschiedlich“, sagte der Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die FPÖ sei in Österreich bereits seit Jahrzehnten etabliert und habe mehrfach Regierungsverantwortung getragen. Ihre rechtsextremen Tendenzen stellten gleichwohl eine ernste Gefahr für Österreich und Europa dar. Am 6. Januar hatte Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen den rechtsnationalen Politiker und FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung beauftragt.
Körtner mahnte, die historischen und politischen Kontexte beider Länder zu berücksichtigen und warnte vor vereinfachenden Schlussfolgerungen. Die jetzige Situation sei entstanden, weil alle Parteien eine Regierung mit Kickl kategorisch ausschlossen: „Das genaue Gegenteil ist eingetreten.“ Die FPÖ ist mit fast 29 Prozent stärkste Kraft geworden, die ÖVP hat mit rund 26 Prozent ihr schlechtestes Wahlergebnis in der Geschichte eingefahren. Die SPÖ liegt bei rund 21 Prozent. Die ehemals staatstragenden Parteien, die lange die Große Koalition gebildet haben, also ÖVP und SPÖ, sind Körtner zufolge „im Grunde ideologisch ausgelaugt, aber auch in ihrer Pragmatik“.
Körtner, der evangelische Theologie in Bethel, Münster und Göttingen studiert hatte und auch mal Gemeindepfarrer in Bielefeld war, äußerte sich zudem vorsichtig zu Vergleichen zwischen FPÖ und AfD. Die FPÖ sei mit der AfD verschwistert, aber die FPÖ habe eine andere Entstehungsgeschichte als die AfD. „Es gibt einen Strang in der Geschichte der FPÖ, der geht zurück auf die 1848er Revolutionszeiten.“ Zudem sei die FPÖ in der Fläche schon lange vertreten. Es gebe viele FPÖ-Bürgermeister und die Partei sei momentan in fünf Landesregierungen mit vertreten. In der Steiermark stelle die FPÖ erstmals den Landeshauptmann. Das habe es zuletzt in Kärnten mit Jörg Haider (1950-2008) vor Jahrzehnten gegeben.
Insgesamt nehme auch der Einfluss der Kirchen und der christlichen Prägekräfte in der österreichischen Gesellschaft und Politik dramatisch ab, räumte der Theologe ein. Kirchenpolitisch bedeutsam sei, dass der christlich soziale Flügel in der ÖVP, der sich auf die katholische Soziallehre gestützt haben, „völlig marginalisiert ist“. Von den ganzen christlichen Inhalten sei bei der ÖVP nicht mehr viel übrig geblieben.
Für viele sei die innere Verbindung zum Christentum weggebrochen, sagte Körtner weiter. Unabhängig davon, wie jetzt diese Koalitionsverhandlungen laufen und ob Kickl am Ende Kanzler wird oder nicht: „Der Einfluss des Christentums, ob nun katholisch oder evangelisch, der ist spürbar zurückgegangen.“ Für Deutschland wäre das in manchem vergleichbar.
Frankfurt a.M/Bonn (epd). Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Friedrich Kramer, hat sich hoffnungsvoll zu einer möglichen Feuerpause in der Ukraine geäußert. „Donald Trump hat, hemdsärmelig wie er ist, gesagt, dass er den Krieg an einem Tag beenden wird. Da bin ich gespannt. Das ist sehr kompliziert“, sagte der mitteldeutsche Bischof dem evangelischen Magazin „chrismon“ (6. Januar, online): „Aber ich bin vorsichtig optimistisch, dass es bald zu einem Waffenstillstand kommt.“
Es sei eine Illusion gewesen, zu glauben, Europa könne durch Waffenlieferungen und Sanktionen so viel Einfluss nehmen, dass dieser Krieg für die Ukraine gewonnen wird, fügte Kramer hinzu: „Aber ein Waffenstillstand bedeutet nicht gleich Frieden.“
Ein Waffenstillstand kann laut Kramer nur der erste Schritt sein: „Es kommt dann darauf an, wofür dieser Waffenstillstand genutzt wird; nur um weiter aufzurüsten und sich zu stabilisieren, um dann wieder anzugreifen? Oder bemüht sich die internationale Gemeinschaft und schafft eine demilitarisierte Zone und ein Einfrieren des Konflikts?“
Es gebe immer Verhandlungsmöglichkeiten. Die These, man könne mit Putin gar nicht verhandeln, sei „ja an sich schon Kriegsrhetorik“, sagte der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland: „Denn es gab den Getreidedeal, es gibt immer wieder Gefangenenaustausche. Der Krieg ist für Putin und die russische Regierung auf Dauer auch nicht zu tragen. Er ist nicht zuletzt finanziell desaströs.“
Die Intensität der weltweiten Konflikte habe zugenommen, räumte Kramer ein: „Vor allem durch den Krieg in der Ukraine, der brutalste Dimensionen hat.“ Und auch durch den Krieg im Nahen Osten. Aber es gebe weltweit auch Fortschritte. Als Beispiele nannte Kramer den Großraum USA-Kanada. Dort habe seit dem Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 kein Krieg mehr stattgefunden. Kramer: „Schauen Sie nach Europa, auch hier ist ein großer neuer Friedensraum nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden.“
Rom (epd). Papst Franziskus hat für das Jahr 2025 zu einer „Diplomatie der Hoffnung“ aufgerufen. „Angesichts der immer realer werdenden Gefahr eines Weltkriegs besteht die Berufung der Diplomatie gerade darin, den Dialog mit allen zu fördern, auch mit jenen Gesprächspartnern, die als 'unbequem' gelten“, sagte der Papst am 9. Januar in Rom beim Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps im Vatikan.
Der Dialog sei „der einzige Weg, um die Ketten des Hasses und der Rache zu sprengen, die gefangen halten, und um die Waffen des menschlichen Egoismus, des Stolzes und der Überheblichkeit zu entschärfen, die die Wurzel jedes kriegstreibenden und zerstörerischen Strebens sind“, sagte Franziskus.
Der Papst appellierte auch dazu, die multilateralen Institutionen zu reformieren. Diese schienen nicht mehr in der Lage zu sein, Frieden und Stabilität zu gewährleisten und wirklich effizient auf die neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu reagieren. Jede Reform müsse jedoch auf den Grundsätzen der Subsidiarität und Solidarität sowie der Achtung der gleichberechtigten Souveränität der Staaten beruhen. Es bestehe die Gefahr einer „Zersplitterung in Clubs von Gleichgesinnten, die nur denjenigen Zugang gewähren, die ähnlich denken“, gab der Papst zu bedenken.
Der Heilige Stuhl unterhält aktuell diplomatische Beziehungen zu 184 Staaten. Nach einer kurzen Begrüßung der Botschafterinnen und Botschafter, die am Vatikan akkreditiert sind, reichte der Papst das vorbereitete achtseitige Redemanuskript an einen Mitarbeiter weiter, der es stellvertretend für ihn vorlas. Franziskus hat noch immer mit einer Erkältung zu kämpfen, die er sich kurz vor Weihnachten eingefangen hat.
In seiner Rede warnte das katholische Kirchenoberhaupt vor einer „ideologischen Kolonialisierung“, die versuche, Traditionen, Geschichte und religiöse Bindungen der Völker auszulöschen. „Es handelt sich um eine Mentalität, die, indem sie behauptet, die ihrer Meinung nach ‚dunklen Seiten der Geschichte‘ überwunden zu haben, einer Cancel Culture Raum gibt“, sagte der Papst.
Diese „Cancel Culture“ toleriere keine Unterschiede und konzentriere sich auf die Rechte des Individuums, sagte der Papst weiter. Dabei vernachlässige sie die Pflichten gegenüber anderen, „insbesondere gegenüber den Schwächsten und Verletzlichsten.“ So widerspreche unter anderem ein sogenanntes „Recht auf Abtreibung“ den Menschenrechten.
Bonn (epd). Der Braunschweiger Theologe Gottfried Orth hat Friedensaktivisten angesichts weltweiter Konflikte und Remilitarisierung zu Mut aufgerufen. „Friedensarbeit ist ein Pilgerweg“, sagte Orth am 11. Januar bei einem Vortrag in der Friedenswerkstatt des Arbeitskreises Frieden der ökumenischen Netze und Gruppen in der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) in Bonn. Allerdings habe sich die Lage seit dem 6. November vergangenen Jahres dramatisch verändert. An diesem Tag gewann Donald Trump die Präsidentschaftswahlen in den USA und zugleich zerbrach in Deutschland die Ampel-Koalition.
Bis zu diesem Tag habe er angenommen, dass viele Menschen, die viele kleine Schritte gehen, das Gesicht der Welt verändern könnten und dieser Prozess nahezu unumkehrbar sei, sagte Orth. Seit dem 6. November sei er aber sicher: „Jetzt bin ich in der Wüste auf diesem Pilgerweg.“ Diese Erfahrung sei ihm und wohl auch seiner Generation bislang fremd gewesen, sagte der 73-jährige Experte für gewaltfreie Kommunikation. „Dass wir eine solche Niederlage der Remilitarisierung unserer Politik und Gesellschaft inklusive der Kirchen erleiden, hätte ich nie geahnt.“
Antwort darauf müsse ein verändertes Verhalten sein. Es gelte, „Gott als Quelle der Hoffnung, der Gerechtigkeit, der Wahrheit und der Liebe wieder auszugraben, damit wir handlungsfähig bleiben“, sagte der emeritierte Theologieprofessor der TU Braunschweig. Dazu gehöre, „dass wir in den Katastrophen anfangen müssen, das zu leben, was die Katastrophen verhindert hätte: Verbundenheit, Mitgefühl, Ehrlichkeit, Demut und den Mut, an das Gute im Menschen zu glauben“.
Zugleich trat Orth dafür ein, aktiv zu werden und sich in der Öffentlichkeit für Frieden, Abrüstung und Gewaltfreiheit einzusetzen. Er erinnerte an die Mahnwachen in deutschen Stadtzentren in den 1980er Jahren. Es brauche heute wieder Menschen, die öffentlichkeitswirksame Aktionen wie etwa Flashmobs umsetzten. Kritisch äußerte sich der Religionspädagoge zur Rolle der Kirchen. In der Vergangenheit hätten sich in Deutschland und weltweit Christinnen und Christen aus der ökumenischen Bewegung für die Friedensarbeit begeistern lassen. „Davon ist heute in unseren Kirchen kaum mehr etwas zu spüren.“
Rathenow (epd). 4.800 Kilometer, elf Länder, acht Monate, ein Ziel: Am 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Weltkriegsendes 1945 soll in Berlin ein Friedenstreck aufbrechen. Mit Pferd und Wagen wollen die Frauen und Männer eine aus Militärschrott gegossene Glocke aus Deutschland, dem Land der Täter, nach Israel bringen. Am 8. Mai soll es losgehen. Zum Weihnachtsfest 2025 wollen die Friedensfahrer Jerusalem erreichen.
Die Idee ist vor ein paar Jahren entstanden, lange vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, lange vor dem Hamas-Überfall auf Israel und dem darauf folgenden Krieg. Der erste Treck habe historisierend und an Migrationsgeschichten erinnernd von Brügge im belgischen Flandern nach Brück im brandenburgischen Fläming geführt, erzählt Pfarrer Helmut Kautz. Dann ging es zum 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs 2018 mit einer Friedensglocke nach Weliki Nowgorod in Russland.
„Da kam dann die Frage auf, was machen wir danach“, erzählt der 54-jährige, der so etwas wie das öffentliche Gesicht der Friedensfahrer ist und zugleich Begeisterung und eine Art Verwunderung über den eigenen Wagemut ausstrahlt, wenn er über die Pläne spricht: „Und dann entstand die Idee, nach Jerusalem zu fahren, und diese Idee hat sich in unseren Köpfen Nester gebaut.“ Seitdem wird trainiert, auch einmal jährlich mit einem mehrwöchigen Treck mit Pferd und Wagen durch deutsche Regionen und ins benachbarte Ausland.
Eine der Mitstreiterinnen ist Viola Köhler. Die frühere Hausärztin aus Rathenow macht ihr Gespann mit zwei ausrangierten Trabrennpferden an diesem Wintertag für eine Trainingsfahrt bereit. Decken für die beiden Wallache werden gebraucht. Es sieht nach Regen aus, schnell wird noch eine Plane über den Wagen gezogen. Dann geht es los, ein paar Straßen entlang, dann durch den Wald bei Rathenow, rund zehn Kilometer werden es an diesem Tag.
Dass sie einen Wagen auf längeren Strecken durchs Land ziehen sollen, hätten die beiden Pferde erst lernen müssen, erzählt die 66-Jährige. Am Berg nicht einfach stehenbleiben, weil es anstrengend wird, gemeinsam mit passendem Tempo laufen, obwohl die Traber auf der Rennbahn normalerweise gegeneinander antreten. Rund 60 Kilometer pro Woche sind die Tiere mit Wagen und Wagenlenkerin auf Achse.
Nach Weliki Nowgorod sei sie mehr aus Abenteuerlust mitgefahren, erzählt Viola Köhler. Die Friedensidee habe sie zunächst eher belächelt. „Dann habe ich miterlebt, wie wir bei der Fahrt durch die Pferde mit den Menschen ins Gespräch gekommen sind“, sagt sie: „Das war sehr bewegend. Und dann habe ich mir gedacht, wenn ich mit meinen Pferden Frieden bringen kann, fernab von der großen Politik, dann mache ich das.“
Die unsichere Lage in einigen Ländern, die der Treck ab Mai durchqueren will, treibt die Friedensfahrer um. Vorsichtshalber werden deshalb zwei Varianten geplant, wenn es brenzlig wird, könnte der Treck in der Türkei aufs Schiff wechseln und auf dem Seeweg nach Israel gelangen. Doch Kopfzerbrechen bereiten auch ganz andere Sachen. Eine davon ist eine Mücke in Rumänien, die für Pferde gefährliche Krankheiten übertragen kann. Auch dafür muss eine Lösung her.
Für die Fahrt würden noch rund 200.000 Euro benötigt, erzählt Pfarrer Kautz. Das Futter für die Tiere und andere notwendige Sachen sollen davon bezahlt werden. Drei Gespanne sind bisher für die gesamte Tour fest eingeplant, eine Krankenschwester will mitfahren, ein Zimmermann, zwei Landwirte, ein deutscher Wirt aus Sri Lanka, Kirchenmitglieder und Atheisten. Viola Köhler wird nur am Anfang mit dabei sein. Mehr als drei Wochen am Stück schaffe sie als Wagenlenkerin ohne Ablösung nicht mehr, sagt sie.
Helmut Kautz ist fest entschlossen, trotz der aktuellen Kriege und Konflikte an der Friedensvision festzuhalten. „Wir haben zwar keine Antworten, aber wir wollen das nicht verloren geben, dass einmal Frieden sein wird“, sagt der Pfarrer der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Die Glocke aus Militärschrott soll am Ende an eine Schule in Jerusalem übergeben werden, an der Araber, Juden, Muslime und Christen gemeinsam lernen und unterrichten.
Münsterschwarzach (epd). Pater Anselm Grün sagt es in seinem bekannten bedächtigem Tonfall: „Nein, mit diesem Vorsatz bin ich seit Jahren nicht sonderlich erfolgreich.“ Der Autor zahlreicher Bestseller über Spiritualität und Lebenskunst spricht vom Kürzertreten im Alter. Er versuche durchaus, in sich hineinzuhören, erklärt er nur wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag am 14. Januar: „Was soll ich noch weitermachen, womit soll ich lieber aufhören und loslassen?“
Er lehne durchaus auch Aufträge und Termine ab: „Aber letztlich bleibt doch noch sehr viel in meinem Terminkalender hängen.“
„Bestsellerautor“ oder „Medienstar“, das sind Bezeichnungen, die Anselm Grün gar nicht gerne mag. Und wer ihn schon einmal in seinem Büro in der Benediktinerabtei Münsterschwarzach bei Würzburg besucht hat, erlebt auch niemanden mit Star-Allüren. Durch verwinkelte Gänge führt der Weg in seine Schreibstube. An dem alten Holzschreibtisch voll mit Bücherstapeln sitzt Grün regelmäßig - inzwischen vor allem am frühen Nachmittag - und schreibt. Seit er 2013 die wirtschaftliche Leitung der Abtei und damit das Amt des Cellerars abgegeben hat, ist das Schreiben neben der Leitung von Kursen und Seminaren seine Hauptbeschäftigung.
Momentan arbeitet er an einem Buch über Hoffnung, wie er erzählt. Zum einen habe Papst Franziskus das Heilige Jahr, das am 24. Dezember begonnen hat, unter das Motto „Pilger der Hoffnung“ gestellt. Und zum anderen glaubt Pater Anselm, „dass Hoffnung gerade jetzt, in diesem Moment, ein ganz wichtiges Thema ist“, denn die Menschen seien eher voller Skepsis und Angst. Gerade in solchen Zeiten bräuchten die Menschen Trost. Nur fänden den immer weniger Menschen im Glauben. Das liege auch an der Kirche, sagt Grün. Sie sollte „nicht so viel moralisieren“, sondern die Menschen „begleiten bei den Fragen des Lebens“, findet der Mönch.
Dass Pater Anselm, der im Januar 1945 als Wilhelm Grün in der Rhön geboren wurde, einmal Mönch werden könnte, das lag durchaus in der Familie. Mehrere seiner Onkel und Tanten gehörten Ordensgemeinschaften an. Grün stammt aus kinderreichem Elternhaus, mit 13 Jahren kam er ins Internat der Benediktinerabtei nach Münsterschwarzach, später besuchte er das Würzburger Riemenschneider-Gymnasium und machte dort das Abitur. Mit 19 Jahren trat er schließlich selbst in den Orden ein. Er studierte Theologie und Philosophie in St. Ottilien und in Rom, promovierte dort und studierte später auch noch Betriebswirtschaftslehre.
Schreiben war zunächst vor allem eine Leidenschaft, bis es auch eine gute Einnahmequelle für die Abtei und deren Vier-Türme-Verlag wurde. Mehr als 14 Millionen Bücher hat Grün nach Angaben der Abtei weltweit verkauft, man komme auf mehr als 300 lieferbare Titel. Selbst ins Chinesische wurden viele seiner Werke übersetzt.
Kritiker werfen ihm die Vermengung christlicher Inhalte mit denen anderer Religionen vor. „Esoteriker im Habit“, nannte ihn einst ein konservatives katholisches Medium. Aber auch etlichen Evangelikalen ist er zu wenig bibeltreu. Den Bestsellerautor ficht das nicht sonderlich an, auch wenn er die Kritiker ernst nimmt - zumindest, wenn sie sachlich argumentierten, sagte er einst dem Evangelischer Pressedienst (epd).
Gelassen, so wirkte Grün ohnehin schon immer. Inzwischen scheint er beinahe tiefenentspannt: „Ich arbeite, solange ich Lust dazu habe.“ Er sehe sein Alter „nicht als Begrenzung“, auch wenn er es natürlich inzwischen durchaus spüre. „Ich fühle mich aber grundsätzlich fit“, obwohl er nicht bewusst Sport treibe. Das Geheimnis seiner geistigen und körperlichen Vitalität, glaubt der Benediktinerpater, liege wohl auch an der „gleichmäßigen Lebensführung des Klosteralltags“. Bis heute steht er jeden Tag um halb fünf morgens auf, um am Chorgebet der Abtei teilzunehmen. Es folgten Schweigemeditation und Gottesdienst, erst danach gibt es Frühstück.
Er sei „sehr dankbar für sein bisheriges Leben“ und seine Gesundheit, sagt Pater Anselm. Und er wisse, dass das keine Selbstverständlichkeit sei und sich das mit 80 Jahren auch schnell ändern könne: „Aber ich wäre auch bereit zu gehen, wenn Gott es so will.“ Vorher ist aber sicher noch Zeit für ein paar Bücher.
Frankfurt a.M./Marpingen (epd). Der Papst wählt markige Worte. „Ein wilder und unerwarteter Sturm herrscht nun in eurem Land“, schreibt Pius IX. im Februar 1875 in seiner Enzyklika „Quod nunquam“ an die Bischöfe in Preußen. Und weiter: „Der göttliche Richter wird diese unwürdigen Männer verdammen.“
Mit diesen „unwürdigen Männern“ dürfte Pius zuallererst den preußischen Ministerpräsidenten und deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck gemeint haben. Denn unter dessen Ägide setzen Preußen und das 1871 gegründete Deutsche Reich schon seit Jahren die katholische Kirche unter enormen Druck. Als „Kulturkampf“ ist dieser Streit heute bekannt, in dem die Behörden Priester und Bischöfe gängeln und sogar verhaften, Orden verbieten und in der Öffentlichkeit gegen Gläubige vorgehen.
Dabei ist der Kulturkampf kein rein deutsches Phänomen, auch in anderen europäischen Ländern geraten Kirche und Staat aneinander. Drei Gründe benennt der Historiker Benjamin Ziemann von der britischen Universität Sheffield für diesen Konflikt: Erstens eine liberale Elite, die sich als Vorkämpfer für eine gesellschaftliche Öffnung betrachte, zweitens eine katholische Kirche, die auf einen antimodernen Kurs einschwenke, und drittens ein Interesse insbesondere der Unterschichten an Frömmigkeit. „Hier prallen zwei Gesellschaftsmodelle aufeinander“, erklärt der Forscher.
In Deutschland beginnt der Kulturkampf schon vor der Reichsgründung 1871, zuerst in Baden. In deutschen Landen tobt der Kampf besonders heftig, denn sie sind - im Unterschied zu den meisten anderen Staaten in Europa - konfessionell gemischt. Die Protestanten sind nicht nur die Mehrheit im Reich, sondern auch generell staatsnäher als die Katholiken - schon allein deswegen, weil die Fürsten die Oberhäupter ihrer evangelischen Landeskirchen sind.
Hinzu kommen politische Gründe. Katholiken machen gut ein Drittel der Reichsbevölkerung aus. Sie wählen relativ treu die Zentrumspartei als ihre parlamentarische Vertretung. Das Zentrum ist dadurch eine respektable politische Macht. Zwar ist es loyal zum Reich, arbeitet im Reichstag aber auch mit partikularistischen Minderheiten zusammen, etwa den katholischen Polen und Elsässern. Zudem steht die Zentrumspartei in politischer Opposition zu den Konservativen und Nationalliberalen, auf die sich die Bismarck'sche Regierung weitgehend stützt.
Das macht die Zentrumspartei für Bismarck zum roten Tuch. Er bezeichnet deren Anhänger in Bausch und Bogen als Reichsfeinde.
Rom tut wenig, um dieses Misstrauen zu zerstreuen, im Gegenteil. Vor Jahren schon ist die katholische Kirche auf einen antimodernen Kurs eingeschwenkt. 1875 eskaliert der Konflikt dann vollends. Schon einen Tag nachdem Papst Pius seine Enzyklika „Quod nunquam“ veröffentlicht hat, am 6. Februar 1875, beschließt das Deutsche Reich die Zivilehe, die es in Preußen schon ein Jahr lang gibt: Ab dem 1. Januar 1876 müssen im gesamten Reich Ehen vor einem Standesbeamten geschlossen werden.
Ein ganzes Bündel von Gesetzen folgt. Schon seit 1871 werden Geistliche mit Haftstrafen belegt, wenn sie sich im Amt politisch äußern. 1875 sind ein Viertel der katholischen Pfarrstellen unbesetzt, entweder weil ihre Inhaber im Gefängnis oder untergetaucht sind. Keiner der elf Bischöfe in Preußen ist mehr im Amt, fünf von ihnen sogar in Haft.
Die Katholiken geben nicht klein bei, sie mobilisieren und schotten sich in ihrem eigenen Milieu ab. Katholische Vereine für alle möglichen Bereiche des Lebens entstehen.
Als 1876 drei Mädchen in Marpingen im Saarland die Jungfrau Maria erschienen sein soll und in der Folge Tausende Gläubige nach Marpingen kommen, schickt der preußische Staat Soldaten, um mit aufgepflanzten Bajonetten die Pilger auseinanderzujagen. Die drei Mädchen und der örtliche Pfarrer werden kurzzeitig eingesperrt. „Die preußischen Behörden glauben, sie könnten auf den katholischen Saarländern herumtrampeln“, beschreibt Ziemann.
1877 und 1878 wird das Zentrum bei Wahlen zweitstärkste Kraft im Reichstag. Bismarck erkennt schließlich, dass er den Konflikt nicht gewinnen kann. Eine Möglichkeit zur Deeskalation bietet schließlich der Wechsel auf dem Heiligen Stuhl 1878. Papst Leo XIII. ist kompromissbereiter als Pius. Verhandlungen beginnen, doch es dauert bis 1886/87, dass die sogenannten Friedensgesetze viele Daumenschrauben gegen Katholiken lösen.
Einige der Maßnahmen bleiben aber in Kraft - und sind es bis heute. Die Trennung von Kirche und Staat beispielsweise, die staatliche Schulaufsicht oder die Zivilehe. Der Jesuitenorden bleibt bis 1917 verboten. Spitzel sitzen noch einige Zeit lang in Gottesdiensten und zeigen Priester an, etwa 1905 einen Pfarrer im südbadischen Stetten, der seinen Gläubigen gepredigt hatte: „Wenn ihr liberal wählt, verrecken euch die Kälber.“
Im heutigen Streit um Kruzifixe und Kopftücher in Klassenzimmern oder Gerichtssälen sieht Ziemann ähnliche Mechanismen am Werk wie damals: „Es geht jeweils darum, welchen Raum Religion in der Öffentlichkeit einnehmen darf.“
Frankfurt a.M. (epd). Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) hat zur Gebetswoche für die Einheit der Christen vom 18. bis 25. Januar eingeladen. Die Texte stammten von Brüdern und Schwestern der norditalienischen ökumenischen Gemeinschaft Bose, teilte der ökumenische Dachverband am 8. Januar in Frankfurt am Main mit. Die Gebetswoche stehe unter dem Zitat „Glaubst du das?“ aus dem Johannes-Evangelium und nehme Aussagen altkirchlicher Kirchenväter auf.
Der zentrale Gottesdienst zur Gebetswoche finde in Deutschland am 19. Januar im Essener Dom statt. Er werde von Vertretern der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen sowie Persönlichkeiten der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD) gestaltet. Die Predigt halte der ACK-Vorsitzende, Erzpriester Radu Constantin Miron. Der Gottesdienst soll live über gebetswoche.de übertragen werden.
Im Jubiläumsjahr des Konzils von Nizäa stehe die Bedeutung des Glaubens und das Glaubensbekenntnis im Mittelpunkt der ökumenischen Feier des Wortes Gottes, hieß es weiter. In diesem Jahr jährt sich zum 1.700. Mal das erste ökumenische Konzil der Welt im Jahr 325. Es gilt als ein Schlüsselmoment in der Geschichte des christlichen Glaubens.
Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) wurde 1948 von fünf Kirchen gegründet. Inzwischen gehören ihr achtzehn Kirchen unterschiedlicher Traditionen an, weitere sieben Kirchen sind Gastmitglieder und fünf ökumenische Organisationen haben Beobachterstatus. Die Geschäftsstelle der ACK in Deutschland, die „Ökumenische Centrale“, hat ihren Sitz in Frankfurt am Main.
Frankfurt a.M. (epd). Der Ökumenische Bibelsonntag findet in diesem Jahr am 26. Januar statt. Wie die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) am 7. Januar in Frankfurt am Main mitteilte, steht er unter dem Leitwort „Wenn es Himmel wird - Zeichen der Gegenwart Gottes“. Der Bibelsonntag wird seit mehr als 40 Jahren von katholischen, evangelischen und orthodoxen Gemeinden in Deutschland jeweils am letzten Sonntag im Januar begangen.
Der Bibelsonntag soll die Bibel als das alle Christinnen und Christen verbindende Buch ins Zentrum stellen und wird häufig als Abschluss oder Eröffnung der ökumenischen Bibelwoche gefeiert, hieß es weiter. Die Erfahrung zeige, dass das gemeinsame Gespräch mit der Bibel oft dort am fruchtbarsten sei, wo Menschen verschiedener Konfessionen über die Heilige Schrift zusammenkommen.
Der ökumenische Bibelsonntag wurde den Angaben zufolge 1982 eingerichtet. 2019 habe Papst Franziskus den „Sonntag des Wortes Gottes“ eingeführt. Die Deutsche Bischofskonferenz beschloss laut ACK im selben Jahr aufgrund der besonderen ökumenischen Situation in Deutschland die Einrichtung eines „Sonntags des Wortes Gottes“. Seit 2021 findet er zusammen mit dem ökumenischen Bibelsonntag am letzten Sonntag im Januar statt.
Hannover (epd). In Hannover soll es bald eine ungewöhnliche Kirchengemeinde geben, in der neben evangelischen Christen auch Katholiken, Muslime und Menschen ohne Konfession Mitglied werden können. Die künftige Diakoniegemeinde Stephansstift in Hannover-Kleefeld sucht dafür nun Gemeindegründerinnen und Gemeindegründer, wie die Dachstiftung Diakonie am Wochenende mitteilte. Die Neugründung verstehe sich dabei nicht als Konkurrenz zu bestehenden evangelischen Kirchengemeinden, sondern als neuartige Ergänzung, als sogenannte Personalgemeinde.
Die Grundidee der neuen Kirchengemeinde sei, eine kulturell bunte und religiös vielfältige Gemeinschaft zu bilden, in der die Mitglieder selber das Programm und die Angebote bestimmen können. Ein Schwerpunkt des Gemeindelebens würden sicher Hilfsangebote sein, hieß es - etwa für Menschen im Kirchenasyl.
Es könne auch um neue Formen von Spiritualität und Rituale gehen oder um Lebensbegleitung von Gemeindemitgliedern, die auf dem Stephansstiftsgelände in Jugendgruppen oder Altenheimen leben. Patenschaften für Projekte in der nahegelegenen Schule seien ebenfalls denkbar. Die offizielle Gründung der neuen Gemeinde ist für den 11. Mai vorgesehen.
Gütersloh (epd). Die Gütersloher Martin-Luther-Kirche ist auch in diesem Jahr Treffpunkt der Vesperkirche. Vom 2. bis 9. Februar werden wieder unterschiedlichste Menschen der Stadt-Gesellschaft unter dem Kirchendach zusammengekommen, um an gedeckten Tischen gemeinsam zu essen und sich auszutauschen, teilten die Organisatoren mit. Zum einwöchigen Programm gehören zudem musikalische Einlagen oder Aktionen wie Haare schneiden und frisieren.
Die Vesperkirche in Gütersloh startet am Sonntag, 2. Februar, um 10 Uhr mit einem interreligiösen Gottesdienst. In der darauf folgenden Woche hat die Martin-Luther-Kirche als „Esszimmer für alle“ täglich von 7.30 bis 19 Uhr ihre Türen offen. Es gibt Frühstück von 7.45 bis 10 Uhr und Mittagessen in der Zeit 12 bis 14 Uhr. Ein Kaffee- und Kuchenbuffet wird nachmittags von 15.30 bis 18.30 Uhr angeboten. Eintritt und Mahlzeiten sind frei. Die Vesperkirche trägt sich durch Spenden von Gruppen, Institutionen, Firmen und Einzelpersonen in der Region.
Für die Vesperkirche können sich Freiwillige noch bis zum 22. Januar über die Homepage https://www.vesperkirche-guetersloh.de/ anmelden. Ihre Aufgabe sind, die Gäste zu begrüßen, sie an den Tischen zu bedienen, Essen auszuteilen und Geschirr zu spülen. Auch für eine Back-Aktion werden noch Interessierte gesucht, die Lust haben, in der Schulküche der örtlichen Volkshochschule einen Kurs für Vesperkirchen-Kuchen zu leiten (Informationen und Anmeldung per Mail info@vesperkirche-guetersloh.de).
Das aus Süddeutschland stammende Konzept der Vesperkirche wurde im westfälischen Raum erstmals 2018 in der Gütersloh umgesetzt. In Nordrhein-Westfalen gibt es weitere Vesperkirchen in Bielefeld, die in diesem Jahr vom 11. bis 25. Februar öffnet, sowie in Velbert und Wülfrath.
Bonn (epd). Die international vereinbarte 1,5-Grad-Schwelle ist 2024 erstmals seit Beginn der Wetteraufzeichnung im Mittelwert überschritten worden. Wie der EU-Klimadienst Copernicus am 10. Januar in Bonn mitteilte, war es vergangenes Jahr im weltweiten Durchschnitt um 1,6 Grad Celsius wärmer als zur vorindustriellen Zeit (Referenzzeitraum: 1850 bis 1900). Ein Temperaturrekord wurde auch für Europa aufgestellt. Fachleute mahnten angesichts der Daten mehr Bemühungen beim Klimaschutz an - auch mit Blick auf den Bundestagswahlkampf in Deutschland.
Laut den Copernicus-Daten war 2024 das wärmste Jahr, das bisher gemessen wurde. Die globale Oberflächentemperatur lag demnach im Schnitt bei 15,1 Grad Celsius, nochmal 0,12 Grad über dem Wert des bisherigen Rekordjahres 2023. Die 1,5-Grad-Grenze sei damit auch im Zweijahresschnitt für 2023/24 überschritten worden.
Zwar hat auch das regionale Klimaphänomen El Niño, das das Wetter weltweit beeinflusst, dabei eine Rolle gespielt. Aber die Hauptursache für die Erwärmung ist der Klimawandel, der maßgeblich durch den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 verursacht wird.
Die Daten zeigten einmal mehr unmissverständlich, „dass das Klima sich weiter erwärmt“, erklärte Copernicus-Direktor Carlo Buontempo. Der Klimaforscher Mojib Latif warnte: „Wir leben inzwischen in einer neuen Welt, die wir nicht kennen und an die wir nicht angepasst sind.“ Die Trends der vergangenen Jahrzehnte seien „ohne den menschlichen Einfluss nicht zu erklären“, sagte der Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung dem „Science Media Center“ (SMC).
Von symbolischer Bedeutung ist vor allem das Überschreiten der 1,5-Grad-Schwelle. Mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 hatte sich die Weltgemeinschaft das Ziel gesetzt, die Erderwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Wird diese Temperatur dauerhaft überschritten, drohen laut Weltklimarat mehr Extremwetterereignisse wie Starkniederschläge oder Dürren. Zudem drohen Schäden für das Klimasystem, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Dazu zählt etwa das Abschmelzen der Eisschilde.
Zwar ist das 1,5-Grad-Ziel noch nicht verfehlt, denn dafür müsste die Temperatur über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren im Mittelwert darüber liegen. Doch viele Fachleute halten dies für wahrscheinlich: „Physikalisch ist das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, unerreichbarer denn je“, sagte etwa Johanna Baehr vom Institut für Meereskunde der Universität Hamburg dem SMC und forderte: Ziel müsse nun sein, so wenig wie möglich darüber hinauszugehen.
Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, beklagte eine Klima-Ignoranz im Bundestagswahlkampf. „Manche tun so, als gehöre Klimaschutz zum Luxusgedöns nach dem Motto: Wenn wir politisch nix mehr zu tun haben, wenn die Wirtschaft wieder richtig brummt, dann machen wir mal wieder Klimapolitik“, sagte Edenhofer der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Dass der Klimawandel längst massive Schäden hervorrufe, sei „auch in diesem Bundestagswahlkampf irgendwie in Vergessenheit geraten“.
Auch Europa war laut den Daten mit Rekordtemperaturen konfrontiert. So habe die aufs Jahr berechnete Durchschnittstemperatur hier bei 10,69 Grad Celsius gelegen - und damit 0,28 Grad über dem bisherigen Höchststand von 2020. Im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020 entspricht dies einem Anstieg von 1,47 Grad.
Obwohl sich der Temperaturrekord für 2024 angesichts mehrerer monatlicher Hochstände abgezeichnet hatte, wurden im vergangenen Jahr beim internationalen Klimaschutz kaum Fortschritte gemacht. Die UN-Klimakonferenz in Baku im November endete ohne neue Verabredungen zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts betonte in Berlin, dass Deutschland sich bei den internationalen Klimaverhandlungen weiter ambitioniert einbringen wolle.
Berlin (epd). Die Treibhausgasemissionen sind im vergangenen Jahr in Deutschland laut vorläufigen Zahlen des Thinktanks Agora Energiewende deutlich gesunken. Wie die Organisation am 7. Januar mitteilte, ging der CO2-Ausstoß 2024 um drei Prozent auf 656 Millionen Tonnen zurück. Damit wurde das Jahresziel nach dem neuen Klimaschutzgesetz um 36 Millionen Tonnen CO2 übererfüllt. Gründe für den Rückgang waren den Angaben zufolge vor allem die geringere Kohleverstromung und die stark gestiegene Stromerzeugung aus den erneuerbaren Energien.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begrüßte das Ergebnis. Die Erneuerbaren seien das Zugpferd für den Klimaschutz und senkten die Strompreise, sagte er: „Jetzt gilt es: Kurs halten, keine Rückwärtsrolle, sondern Verlässlichkeit und Planungssicherheit für Wirtschaft und Verbraucher.“ Die Strompreise müssen Habeck zufolge weiter gesenkt werden.
Im Vergleich zum Referenzjahr 1990 gingen die deutschen Treibhausgasemissionen 2024 insgesamt um 48 Prozent zurück. Das deutsche Klimaziel für 2030 sieht eine Einsparung von 65 Prozent vor.
Auch wenn das Jahresziel übererfüllt wird, verfehlt Deutschland EU-Vorgaben um rund 12 Millionen Tonnen CO2. Das liegt an den jeweils schlechten Werten im Gebäude- und Verkehrssektor. Anders als im deutschen Klimaschutzgesetz müssen nach EU-Klimaschutzverordnung verbindliche Sektorziele erreicht werden.
Zwar sind die Emissionen im Gebäudebereich um zwei Millionen Tonnen CO2 gesunken. Das führt der Thinktank aber hauptsächlich auf den verringerten Heizbedarf wegen milder Temperaturen zurück. Im Verkehrssektor wurde ebenfalls nur eine geringfügige Reduktion von zwei Millionen Tonnen CO2 gegenüber dem Vorjahr erreicht. Agora Energiewende zufolge ist das auf den geringeren Lkw-Verkehr infolge der schwächelnden Wirtschaft zurückzuführen.
Habeck räumte ein: „Beim Verkehr müssen wir noch mehr tun.“ Er lobte das Deutschlandticket, mahnte aber gleichzeitig an, die E-Mobilität noch weiter voranzutreiben. Im Gebäudebereich sehe man mit den steigenden Antragszahlen für den Umstieg auf klimaneutrales Heizen Erfolge, sagte der Grünen-Politiker. Es sei aber ein „langer Weg.“ Er warnte davor, die Förderung zusammenzustreichen oder gar abzuschaffen.
Der Direktor von Agora Energiewende, Simon Müller, sieht die Verunsicherung bei Haushalten und Unternehmen als zentralen Grund für den Mangel an Klimaschutz in den Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr. „Diese führte zu einer allgemeinen Investitionszurückhaltung - trotz 2024 insgesamt rückläufiger Stromkosten“, sagte er. Die nächste Legislaturperiode sei entscheidend, um die für die nationalen und europäischen Klimaziele notwendigen Investitionen zu tätigen, betonte Müller.
Berlin (epd). Experten haben vor einer dramatischen weltweiten Wasserkrise gewarnt. Der Wasserkreislauf des Planeten gerate durch Übernutzung, Verschmutzung und die Zerstörung intakter Landschaften zunehmend aus dem Gleichgewicht, hieß es am 8. Januar bei der Vorstellung des „Wasseratlas 2025“ in Berlin. Es müsse dringend gegengesteuert und die Ressource Wasser zugleich gerechter verteilt werden. Der Wasseratlas wurde vom Umweltverband BUND und der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung erstellt.
Industrie, Digitalisierung, die Produktion von Kleidung, Fahrzeugen und Nahrungsmitteln beanspruchten weltweit große Mengen an Wasser, hieß es weiter. Dies gefährde Ökosysteme, die Nahrungsmittelversorgung und die Wasserqualität. Die Klimakrise, die durch erhöhte Temperaturen auch zu sinkenden Grundwasserspiegeln führe, verstärke diese Entwicklung zusätzlich.
Imme Scholz vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung betonte, besonders in ärmeren Ländern und Regionen verstärkten Wassermangel und Extremwetterereignisse wie Dürren und Überschwemmungen die Armut, gefährdeten lokale Lebensgrundlagen und führten zu Migration und Konflikten. Weltweit würden inzwischen jährlich mehr als 120 Fälle von Wasserkonflikten registriert. Mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung habe keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Scholz sagte, durch Konsum, wachsenden Wohlstand und damit einhergehende veränderte Ernährungsgewohnheiten gerate die Ressource Wasser zusätzlich unter Druck. Jedes Produkt enthalte auch verstecktes Wasser. So werde für die Herstellung eines Baumwoll-T-Shirts der Trinkwasserbedarf eines Menschen für zwei Jahre eingesetzt. Von dem durch einen fleischlosen Tag eingesparten Wasser könnte man anderthalb Jahre duschen, sagte Scholz. In Deutschland würden im Schnitt direkt und indirekt pro Person rund 7.200 Liter Wasser am Tag verbraucht.
Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt sagte, Deutschland verliere trotz hoher Niederschlagsmengen viel Wasser: „Unser Land trocknet aus, und wir schauen zu.“ Zum Schutz der Ressource Wasser seien verbindliche politische Regeln nötig, die auch die Industrie und die Landwirtschaft in die Pflicht nehmen, betonte er. Durch höhere Wasserentnahmegebühren sollten mehr Anreize zum Wassersparen geschaffen werden. Verursacher von Verschmutzungen müssten an den entstehenden Kosten beteiligt werden.
Bandt sagte, die Renaturierung von Flussauen und trockengelegten Mooren könne dazu beitragen, wieder mehr natürliche Wasserspeicher zu schaffen. Zu den zentralen Lösungsmechanismen der Wasserkrise gehöre unter anderem ein Ordnungsrecht mit Verboten und Geboten. Dies habe bereits zu geringeren Stickstoffeinträgen aus der Landwirtschaft und einem Rückgang bestimmter hochgefährlicher Chemikalien in Flüssen geführt.
Der BUND-Vorsitzende forderte, die EU-Agrarförderung stärker für den Schutz der Ressource Wasser und für Renaturierungsmaßnahmen einzusetzen. EU-Flusssanierungsprogramme müssten beschleunigt und wirksamer umgesetzt werden. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, gegenzusteuern. Dem sollten sich auch die zur Bundestagswahl antretenden Parteien stellen.
Ahaus, Düsseldorf (epd). Das nordrhein-westfälische Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat Kritik von Umweltgruppen an baulichen Mängeln des Ahauser Zwischenlagers zurückgewiesen. „Im Jahr 2018 wurde der Einbau einer Stützenkopfverspannung der Dachkonstruktion durch die Betreiberin gegenüber der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde beantragt und diese hat der Umsetzung der Maßnahme im aufsichtlichen Verfahren zugestimmt“, teilte das Ministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Diese bauliche Maßnahme sei 2020 fachgerecht abgeschlossen worden und die Mängel somit beseitigt. „Weitere Mängel in der Struktur oder Statik des Brennelemente-Zwischenlagers Ahaus liegen nicht vor“, hieß es.
„Das Brennelemente Zwischenlager Ahaus unterliegt der kontinuierlichen staatlichen Aufsicht durch die atomrechtliche Aufsichtsbehörde“, erläuterte das Ministerium. Dementsprechend fänden in regelmäßigen Abständen Überprüfungen der Anlage in Form von Begehungen, Aufsichtsgesprächen und Sachverständigen-Kontrollen statt. „Auch der geschilderte Fall ist in diesem rechtlich verbindlich geregelten Verfahren vor vier Jahren abgeschlossen worden“, hieß es.
Anti-Atomkraft-Gruppen hatten in einem offenen Brief an NRW-Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne), die zugleich Chefin der NRW-Atomaufsicht ist, Aufklärung über Sicherheitsgefahren im Ahauser Zwischenlager durch bauliche Mängel gefordert. „Nach uns jetzt zugegangenen Informationen haben sich an den Seitenwänden und der Decke der Ahauser Lagerhalle gravierende Mängel in der Statik gezeigt, die zu einem Auseinanderdriften der Wände geführt haben“, hieß es. Die Außenwände seien provisorisch durch starke Drahtseile miteinander verbunden worden.
Einer der wesentlichen Kritikpunkte von Umweltgruppen am Atommülllager in Ahaus sei seit Jahren die Struktur der dortigen Lagerhalle, hieß es in dem veröffentlichten Schreiben weiter. Deren Wände und Decke mit nur 20 Zentimeter Durchmesser wiesen im Vergleich zu allen später entwickelten Zwischenlager-Generationen eine viel zu geringe Wand- und Deckenstärke auf.
In dem Brief forderten sie von Ministerin Neubaur eine Bewertung des Falls und mögliche Maßnahmen zur Behebung des Problems. „Wir fordern deshalb insbesondere im Hinblick auf die drohende Langzeitlagerung von Atommüll in Ahaus den Neubau eines erheblich robusteren Gebäudes“, hatte Felix Ruwe von der Bürgerinitiative Ahaus erklärt. So habe das zuletzt gebaute Zwischenlager in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern eine Wand- und Deckenstärke von bis zu 180 Zentimetern.
Das Zwischenlager Ahaus wurde in den 1980er Jahren errichtet. Dort lagern nach Behördenangaben 329 Castoren mit hochradioaktiven Abfällen. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung hat zudem in Ahaus die Zwischenlagerung von 152 Castor-Behältern mit knapp 290.000 abgebrannten kugelförmigen Brennelementen aus einem stillgelegten Versuchsreaktor im rheinischen Jülich gestattet. Die abgebrannten Brennelemente sollen über die Straße von Jülich nach Ahaus transportiert werden. Im vergangenen Jahr fand eine Probefahrt für kommende Castor-Transporte quer durch NRW statt.
Kerpen (epd). Umweltschützer wollen trotz Verbots einer Mahnwache ihre Proteste gegen eine geplante Rodung des Sündenwäldchens am Tagebau Hambach fortsetzen. Gegen die nicht erteilte polizeiliche Genehmigung einer ursprünglich bis Ende Februar angemeldeten Mahnwache vor Ort wollten die beteiligten Umweltschutzinitiativen nun rechtlich vorgehen, teilte der Waldpädagoge Michael Zobel am 8. Januar mit. Die Mahnwache sei weiterhin angemeldet und finde statt. Am 12. Januar startete um 12 Uhr von der Kirche Manheim aus ein Spaziergang „zum Schutz des Sündenwäldchens und weiterer wichtiger Grünstrukturen“.
Die behördliche Begründung für das am 7. Januar erteilte Versammlungsverbot der Mahnwache - blockierte Betriebszufahrten und Rettungswege - seien haltlos, sagte Zobel. Laut Medienberichten hingegen waren vereinzelt Barrikaden aus Sperrmüll errichtet worden, und der Energiekonzern RWE beklagte einen zerstochenen Reifen eines Dienstfahrzeugs. Seit September halten sich Aktivisten in dem Waldstück auf.
Umwelt- und Bürgerinitiativen, zu denen auch HambiSupportAachen, Buirer für Buir und Mawalü gehören, rufen zur Teilnahme an friedlichen Protestspaziergängen und Mahnwachen auf. Sie verweisen zudem auf eine Online-Petition für die Rettung des Ortes Manheim und des Waldstücks.
Wie der Energiekonzern RWE Power AG zu Wochenbeginn dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigt hatte, finden derzeit keine Rodungsarbeiten statt. Ein konkreter Zeitplan könne noch nicht benannt werden. Die Inanspruchnahme der Fläche auf dem RWE-Betriebsgelände sei im Zuge von planmäßigen und von der Bezirksregierung Arnsberg genehmigten Arbeiten zur Gestaltung des künftigen Hambacher Sees erforderlich. Das gewonnene Material werde „für den Aufbau von sicheren und stabilen Böschungen“ benötigt. Dies sei gemäß der Leitentscheidung vorgesehen und vom Braunkohlenausschuss beschlossen worden. Kohle solle dort nicht gefördert werden.
Gegen die Zulassung eines neuen Hauptbetriebsplans für die RWE Power AG, der die Fortführung des Braunkohle-Tagebaus ab dem 1. Januar 2025 regelt, hatte der NRW-Landesverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am 3. Januar beim Oberverwaltungsgericht in Münster eine Klage eingereicht. Der Hauptbetriebsplan umfasst die weitere Abbaggerung der sogenannten Manheimer Bucht in den kommenden drei Jahren. In dem Geltungsbereich lägen wichtige Grünzüge und das etwa sechs Hektar große Sündenwäldchen.
Zudem hat der BUND NRW den Erlass einer Zwischenverfügung beantragt, mit der Rodungsmaßnahmen im Umfeld des Hambacher Waldes unterbunden werden sollen. Ziel sei es, Biotopverbundstrukturen zu retten. Der Landesgeschäftsführer der Umweltschutzorganisation, Dirk Jansen, erläuterte, es drohe eine ökologische Verinselung des Hambacher Waldes. Der Hambacher Wald oder Hambacher Forst besteht heute aus Teilflächen. 2018 wurde ein Rodungsstopp für den Hambacher Wald verhängt.
Berlin (epd). Das Gürteltier ist Zootier des Jahres 2025. „Mit ihrem einzigartigen Knochenpanzer haben sie 60 Millionen Jahre Erdgeschichte überdauert, doch heute kämpfen viele Gürteltierarten um ihr Überleben“, teilte der Verband der Zoologischen Gärten am 13. Januar in Berlin mit. Die Mehrzahl der 23 Gürteltierarten lebe in Mittel- sowie Südamerika und repräsentiere eine faszinierende Vielfalt hinsichtlich Größe, Aussehen, Lebensweise und Fortpflanzung.
Die im Zoologisch-Botanischen Garten Wilhelma Stuttgart vorgestellte Zootier-des-Jahres-Kampagne 2025 widme sich dem Schutz dieser besonderen Säugetiere, hieß es. Schirmherr der diesjährigen Artenschutzkampagne ist Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne). „Gürteltiere sind stille Botschafter des Artenschutzes“, sagte er. Doch selbst diese „kleinen Naturwunder“ seien verletzlich und mittlerweile zunehmend bedroht. Der Mensch greife viel zu stark in ihre Lebensräume ein und zerstöre damit ihre Lebensgrundlage.
Während manche der Vertreter sich bislang auch im Umfeld des Menschen als recht anpassungsfähig erwiesen, kämpften mehrere Gürteltierarten akut um ihren Fortbestand, erklärte der Verband der Zoologischen Gärten: „Und das, obwohl Gürteltiere als einzige Säugetiere einen Panzer aus kleinen miteinander verbundenen Knochenplatten besitzen. Der Panzer ist flexibel, was es einigen Arten ermöglicht, sich bei Gefahr und zum Schutz vor Fressfeinden zusammenzurollen.“
Die industrielle Landwirtschaft dringt den Angaben zufolge mit ihren Reis-, Soja-, Nutzholz- und Palmölplantagen sowie mit Nutztierhaltung immer weiter in ihre Lebensräume vor. Auch die Förderung von Erdöl und anderen Bodenschätzen beeinträchtige das Überleben der Tiere. Besonders nachts würden sie zu Opfern des Straßenverkehrs. Zusätzlich steige der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft, wodurch Insekten, wichtigste Nahrungsgrundlage der Gürteltiere, dezimiert würden.
Zoologische Gärten halten und züchten in der Natur gefährdete Tierarten in koordinierten Erhaltungszuchtprogrammen. Seit 2016 macht die Zootier-Kampagne auf bedrohte Tierarten aufmerksam, die oft im Schatten anderer Tiere und damit weniger im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit stehen.
Greifswald (epd). Spinnen können mit ihren Beinen riechen. Laut einer internationalen Studie nutzen Spinnenmännchen haarähnliche Sinnesorgane (Sensillen) mit Poren, um Duftstoffe zu erkennen, wie die an der Untersuchung beteiligte Universität Greifswald mitteilte. An allen Beinen der Wespenspinne (Argiope bruennichi) gebe es Tausende Sensillen, mit denen die männliche Spinnen die Sexuallockstoffe der Weibchen wahrnehmen könnten.
Bei einer vergleichenden Untersuchung von 19 Spinnenarten wurden diese Sinnesorgane den Angaben zufolge bei den meisten, aber nicht bei allen Arten gefunden. „Dies deutet darauf hin, dass die Geruchswahrnehmung mit Sensillen nicht das Grundmuster bei allen Spinnen ist“, sagte Arbeitsgruppenleiterin Gabriele Uhl dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Wochenende.
„Wir brauchten eine 50.000-fache Vergrößerung, um die Poren erkennen zu können“, sagte die Direktorin des Zoologischen Instituts und Museums an der Uni Greifswald. Die Poren liegen in der Wand der Sinneshaare. Ähnlich wie bei Insekten seien diese Haare innen mit einer wässrigen Flüssigkeit (Lymphe) gefüllt, die wiederum Fortsätze von Nervenzellen enthalten. Untersuchungen an der schwedischen Universität Lund zeigten, dass diese auf den artspezifischen Sexuallockstoff der Weibchen reagieren.
Die Ergebnisse der Studie wurden im Januar in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht.
Riesa (epd). Mehrere tausend Menschen haben am 11. Januar im sächsischen Riesa gegen den AfD-Bundesparteitag protestiert. Die Polizei sprach von rund 10.000 Demonstranten, das Protest-Bündnis „widersetzen“ von etwa 15.000. Der Zusammenschluss aus linken und zivilgesellschaftlichen Gruppen, Gewerkschaften und Kirchengruppen wertete am 12. Januar die Aktionen als „vollen Erfolg“. Zugleich kritisierte eine Bündnis-Sprecherin aber Grundrechtseinschränkungen durch die Polizei.
So sei ein Demonstrationszug mit tausenden Teilnehmern zu einer Kundgebung unweit des Parteitags in der „WT Arena“ zwei Stunden von der Polizei festgesetzt worden. Zudem kam es während der Proteste offenbar zu einem schweren Fall von Polizeigewalt.
Der sächsische Landtagsabgeordnete Nam Duy Nguyen (Linke) berichtete, er sei von einem Beamten der niedersächsischen Polizei ins Gesicht geschlagen worden, obwohl er sich mit einem Ausweis deutlich sichtbar und lautstark als „Parlamentarischer Beobachter“ ausgewiesen habe. Er habe durch den Schlag vorübergehend „schwarzgesehen“ und Verletzungen im Mund- und Kieferbereich erlitten, berichtete er dem „Stern“ (Online). Er musste demnach ärztlich behandelt werden. Auch einer seiner Begleiter sei umgestoßen worden.
„Das war eine Frontalattacke, wie ich sie noch nie erlebt habe“, sage der Abgeordnete. Von der sächsischen Landesregierung erwartet er eine vollständige Aufarbeitung des Vorfalls: „Es muss klar werden, dass solche Vorfälle Konsequenzen haben.“ Hier müsse sich „definitiv die niedersächsische Polizei verantworten“.
Sachsen Innenminister Armin Schuster (CDU) und der Dresdner Polizeipräsident Lutz Rodig kündigten am 11. Januar an, den Vorfall mit höchster Priorität aufzuklären. Es werde wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt. „Es tut uns sehr leid, dass ein Abgeordneter und sein Begleiter im Zuge des Polizeieinsatzes zu Schaden kamen“, erklärte der Polizeipräsident: „Dies war mit Sicherheit nicht die Intention unseres polizeilichen Handelns.“
Zum allgemeinen Verlauf des Einsatzes sagte Rodig, das erklärte Ziel, dass der Parteitag stattfinden könne, sei erreicht worden. Zugleich habe die Polizei den Protest in Sicht- und Hörweite des AfD-Tagungsortes ermöglicht. Innenminister Schuster sprach von einem „extrem anspruchsvollen Einsatz“. Die sächsische Polizei war nach eigenen Angaben mit Einsatzkräften aus zehn weiteren Bundesländern und der Bundespolizei vor Ort.
Einzelne Gruppen von Demonstranten waren bereits in der Nacht aus dem ganzen Bundesgebiet angereist und blockierten ab dem frühen Morgen Straßen nach und in Riesa. Die Polizei ging zum Teil mit Schlagstöcken und Pfefferspray dagegen vor. Auch Wasserwerfer und Räumpanzer standen bereit. Wegen der Blockaden konnte der Parteitag erst mit zweistündiger Verspätung beginnen.
Die Polizei sprach nach dem Einsatz von sechs leicht verletzten Kollegen und 34 registrierten Straftaten. Ermittelt werde unter anderem wegen Körperverletzung, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Nötigung und Sachbeschädigung. Laut Beobachtern kam es auch zu Ingewahrsamnahmen von Demonstranten. Konkrete Zahlen kenne man aber noch nicht, sagte die Bündnis-Sprecherin am 12. Januar.
Marburg (epd). Das „Unwort des Jahres 2024“ lautet „biodeutsch“. Mit diesem Wort werde eine „rassistische, biologistische Form von Nationalität konstruiert“, sagte die Jurysprecherin der sprachkritischen Aktion, Constanze Spieß, am 13. Januar in Marburg. Das Wort diene im Zusammenhang mit Substantiven wie „Biodeutsche“ dazu, „Menschengruppen, die vor dem Gesetz gleich sind, ungleiche Eigenschaften zuzuschreiben und sie somit hierarchisch zu klassifizieren“. Diese Unterteilung in angeblich „echte“ Deutsche und in Deutsche zweiter Klasse sei eine Form von Alltagsrassismus.
Der Begriff „biodeutsch“ sei ursprünglich ironisch als satirischer Ausdruck verwendet worden, erklärte Spieß, Professorin für Pragmalinguistik an der Universität Marburg. Die Jury kritisiere nicht den ironisch-satirischen, sondern den diskriminierenden Sprachgebrauch: „Dabei wird 'Deutschsein' naturbezogen begründet, um eine Abgrenzung und Abwertung von Deutschen mit Migrationsbiografie vorzunehmen.“ Durch die nicht-ironische Verwendung des Wortes werde ein biologischer Zusammenhang von Nationalität und „Deutschsein“ hergestellt, den es nicht gebe.
Auf Platz zwei bei der Unwort-Wahl landete der Begriff „Heizungsverbot“. Dieser Begriff stelle eine irreführende Bezeichnung dar, kritisierte die Jury. Im Zusammenhang mit dem zu Beginn des vergangenen Jahres reformierten Gebäudeenergiegesetz diskreditiere er klimaschützende Maßnahmen. Das Gesetz verbiete weder das Heizen noch Heizungen, sondern schreibe beim Neueinbau von Heizungen einen Anteil erneuerbarer Energien vor.
Das persönliche Unwort der diesjährigen Jury-Gäste Saba-Nur Cheema und Meron Mendel lautet „importierter Antisemitismus“. Dieser Ausdruck suggeriere, dass Judenhass vor allem mit dem Zuzug von Migranten aus arabischen Ländern zu einem Problem geworden sei. In rechten Kreisen werde der Begriff verwendet, um Muslime und Migranten auszugrenzen und vom eigenen Antisemitismus abzulenken.
Insgesamt waren 3.172 Einsendungen mit 655 verschiedenen Ausdrücken eingegangen. Rund 80 von ihnen entsprachen den Unwort-Kriterien. „Biodeutsch“ gehörte mit zehn Einsendungen zu den häufig vorgeschlagenen Begriffen. Das am häufigsten eingesendete Wort war „Nutztier“ (1.227 Mal), danach folgte „kriegstüchtig“ (58 Mal).
Zur Jury gehören neben der Vorsitzenden Spieß die drei Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler Kristin Kuck (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg), Martin Reisigl (Universität Wien) und David Römer (Universität Kassel) sowie die Journalistin Katharina Kütemeyer. Als jährlich wechselnde Mitglieder waren in diesem Jahr die Publizisten Saba-Nur Cheema und Meron Mendel beteiligt.
Im vergangenen Jahr hatte die Jury „Remigration“ zum Unwort gewählt, mit dem rechte Parteien und rechtsextreme Gruppierungen die Forderung nach einer Zwangsausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte beschönigend tarnten. 2022 lautete das Unwort „Klimaterroristen“, mit dem Aktivisten gegen die Klimaerhitzung diffamiert und kriminalisiert würden. 2021 spießte das Unwort „Pushback“ die verharmlosende Bezeichnung für die menschenfeindliche Zurückweisung von Flüchtlingen an der EU-Grenze auf.
Dortmund (epd). Das muslimische Grabfeld auf dem Dortmunder Hauptfriedhof wird zurzeit um einen neuen Gebetstisch sowie um eine Waschstelle erweitert. „Der Gebetstisch wird dazu genutzt, den Verstorbenen im Sarg für das muslimische Totengebet aufzubahren“, sagte der Geschäftsleiter der Friedhöfe Dortmund, Gernot Willeke, am 9. Januar. „Der Blick der Verstorbenen ist genau wie der Gebetstisch gen Mekka gerichtet.“
Bei dem neuen Gebetstisch handelt es sich um eine 1.000 Kilogramm schwere Granitplatte, die gen Mekka gerichtet und für muslimische Beisetzungen benötigt wird. Auch die neue Waschstelle besteht aus einem Granitstein. Um das Totengebet zu sprechen, müssen sich Muslime im Vorfeld rituell waschen. Bei der Planung hat sich die Stadt Dortmund nach eigenen Angaben mit den muslimischen Gemeinden abgesprochen, damit der neue Gebetstisch und die Waschstelle den religiösen Anforderungen entsprechen.
„Wir sind froh und dankbar, dass das nun mit der neuen Waschstelle von der Stadt möglich gemacht wurde“, sagte der Sprecher der muslimischen Gemeinden in Dortmund, Imam Ahmad Aweimer. „Vor allem für Muslime, die eine längere Anreise haben, ist es wichtig, dass sie sich vor dem Totengebet mit fließendem Wasser reinigen können.“ Der Impuls zu der Erweiterung des Grabfeldes um den Gebetstisch und die Waschstelle kam laut Aweimer von einem muslimischen Ratsmitglied.
Im Islam werden die Verstorbenen nicht in einem Sarg, sondern in einem weißen Tuch begraben. Laut Friedhöfe-Geschäftsleiter Willeke hat die Stadt dafür eine Ausnahmeregelung: Zwar müssen die Verstorbenen in einem Sarg transportiert und aufgebahrt werden. Am Grab selbst werden die Verstorbenen allerdings aus dem Sarg gehoben und können im Tuch begraben werden.
Aktuell finden noch Bauarbeiten statt, sodass die offizielle Eröffnung erst im Frühjahr stattfinden wird. Zwar wurden der Gebetstisch und der Granitstein für die Waschstelle bereits kurz vor Weihnachten aufgestellt. Auch neue Wasserleitungen wurden verlegt. Allerdings muss die Wasserstelle noch ans Wassernetz angeschlossen werden, außerdem sollen noch die Wege saniert sowie die Bedachung der Gebetsstelle begrünt werden. Dies sei aufgrund der aktuellen Witterungsbedingungen erst im Laufe der nächsten Wochen möglich, erklärte Willeke. Die Waschstelle kann zwischen Ostern und Ende Oktober benutzt werden. Im Winter wird das Wasser auf den städtischen Friedhöfen abgestellt, um Frostschäden zu verhindern.
Das muslimische Grabfeld gibt es seit 1996 auf dem Dortmunder Hauptfriedhof. Dort finden laut Stadt jährlich im Schnitt 70 muslimische Bestattungen statt. 2024 waren es 82. Das muslimische Grabfeld sei seit seiner Gründung immer weiter gewachsen, sagte Willeke. Es habe mittlerweile mehr als 740 Grabstellen. „Wir hoffen, der neue Gebetsplatz wird von den Menschen gut angenommen“, erklärte er. Laut Friedhöfe Dortmund belaufen sich die Kosten des neuen Gebetsplatzes und der dazugehörigen landschaftsbaulichen Arbeiten auf 92.000 Euro.
Berlin/Köln (epd). Die Zahl der rechtsextremen Straftaten in Deutschland hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Allein bis Ende November verzeichnete die Polizei bundesweit 33.963 Delikte im Bereich „politisch motivierte Kriminalität - rechts“, wie aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht. Über die Zahlen, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegen, hatte zuerst das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (6. Januar) berichtet.
Im Jahr 2023 hatte das Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt 28.945 rechtsmotivierte politische Straftaten verzeichnet. 2024 ist die Zahl demnach um mindestens 17 Prozent angestiegen. Die abschließende Zahl für vergangenes Jahr dürfte wegen im Dezember begangener Straftaten und verspäteter Nachmeldungen noch höher sein. Seine Jahresstatistik für 2024 wird das BKA voraussichtlich im Mai vorstellen.
Von den fast 34.000 registrierten Straftaten im vergangenen Jahr waren 1.136 Gewaltdelikte, im gesamten Jahr 2023 waren es 1.270, wie aus der Antwort hervorgeht. Den größten Anteil der Straftaten machten 2024 demnach Propagandadelikte (21.311) und Volksverhetzungen (5.097) aus, die Polizei verzeichnete außerdem 1.942 Sachbeschädigungen.
Bei den rechtsextrem motivierten Gewalttaten verzeichnete die Polizei bis Ende November fünf versuchte Tötungsdelikte - eins mehr als im Gesamtjahr 2023. Registriert wurden zudem fast 1.000 Körperverletzungen (988) und 17 Brandstiftungen.
Zu den vom BKA als rechtsextrem eingestuften Gewalttaten kommen weitere Gewaltdelikte durch sogenannte „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, die in einer eigenen Kategorie im Bereich der „nicht zuzuordnenden“ politischen Kriminalität aufgeführt werden. Wie aus den Angaben des Bundesinnenministeriums hervorgeht, wurden im vergangenen Jahr 98 Gewaltdelikte „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ zugerechnet.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete und Rechtsextremismus-Expertin Martina Renner sprach von einer alarmierenden Entwicklung. „Die Zahlen steigen in den vergangenen Jahren kontinuierlich um 20 bis 25 Prozent“, sagte sie. „Durchgreifende Maßnahmen der Innenpolitik, diese gefährliche Entwicklung zu stoppen, sind nicht in Sicht.“
Renner verwies dabei auch auf einen Zusammenhang zwischen dem Aufstieg der AfD und der wachsenden rechten Gewalt. Dieser sei erwiesen, erklärte die Linken-Abgeordnete und sprach sich für ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD aus.
Berlin (epd). Im vergangenen Jahr sind in Deutschland deutlich weniger Asylanträge gestellt worden. Wie aus der am 9. Januar vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge veröffentlichten Jahresstatistik hervorgeht, gab es 2024 knapp 230.000 Erstanträge auf Schutz in Deutschland. Das waren gut 30 Prozent weniger als im Jahr zuvor. 2023 gingen beim Bundesamt fast 100.000 Asylerstanträge mehr ein, insgesamt rund 329.000.
Hauptherkunftsländer der Asylantragsteller waren 2024 wie im Jahr zuvor Syrien, Afghanistan und die Türkei. Knapp 77.000 Asylerstanträge wurden allein von Syrerinnen und Syrern gestellt. Von Afghaninnen und Afghanen gingen mehr als als 34.000 Anträge ein. Nicht in der Statistik enthalten ist die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine, die kein Asylverfahren durchlaufen müssen. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 haben mehr als eine Million Menschen aus dem Land in Deutschland Schutz gesucht.
Die Zahl der Asylanträge ist insbesondere seit der Einführung von Grenzkontrollen stark zurückgegangen. Im November und Dezember 2024 gingen jeweils nur rund halb so viele Asylerstanträge ein wie in den Vergleichsmonaten des Vorjahres.
Durch die Kontrollen an allen deutschen Grenzen würden Schleuserrouten durchkreuzt und grenzüberschreitende Kriminalität bekämpft, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Nach ihren Worten sind durch die Kontrollen 1.800 Schleuser festgenommen und mehr als 40.000 Personen zurückgewiesen worden. „Wir werden die Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen deshalb über März 2025 hinaus fortsetzen“, kündigte Faeser an.
Gesunken ist im vergangenen Jahr auch die sogenannte Schutzquote, also der Anteil positiv beschiedener Anträge. Sie lag nach Angaben des Bundesamtes 2024 bei weniger als der Hälfte. 44,4 Prozent der Anträge endeten mit der Rechtsstellung als Flüchtling, dem untergeordneten subsidiären Schutz oder einem Abschiebeverbot. 2023 lag die Quote positiv beschiedener Anträge noch bei 52 Prozent.
30,5 Prozent der Anträge wurden der Statistik zufolge im vergangenen Jahr abgelehnt. Der Rest - gut ein Viertel der Anträge - endete mit formellen Entscheidungen. Allein knapp elf Prozent der Entscheidungen waren im vergangenen Jahr den Angaben zufolge dem Dublin-Verfahren zuzuordnen. Dabei wird die Zuständigkeit eines anderen europäischen Staates geprüft und keine inhaltliche Prüfung des Schutzgesuchs vorgenommen.
Düsseldorf (epd). Seit dem 7. Januar werden in Nordrhein-Westfalen die ersten Bezahlkarten für Flüchtlinge vergeben. In einem ersten Schritt wird die „Social Card“ in fünf Landeseinrichtungen - jeweils eine pro Regierungsbezirk - an Leistungsempfänger verteilt, wie das Ministerium für Flucht und Integration in Düsseldorf mitteilte. Danach soll die Bezahlkarte innerhalb von drei Monaten über das Landessystem in den weiteren derzeit 50 Einrichtungen des Landes ausgerollt werden. Mit der Bezahlkarte können Asylsuchende monatlich bis zu 50 Euro abheben. In Härtefällen kann die Summe auch höher sein.
Bislang erfolgt einmal wöchentlich die Ausgabe von Bargeld in den Flüchtlingseinrichtungen. Dieses Verfahren wird nun durch die Ausgabe der Bezahlkarte ersetzt, wie es hieß. In den kommenden Wochen sind zudem Informationsveranstaltungen für alle Kommunen zur Einführung der Bezahlkarte geplant, damit die Ausgabe in den Kommunen ab dem zweiten Quartal beginnen kann.
Zugleich steht es den Kommunen in NRW frei, die sogenannte Opt-Out-Regel zu nutzen und weiterhin gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz Geldleistungen, Sachleistungen oder Wertgutscheinen auszugeben. Die Kommunen, die ebenfalls wie das Land eine Bezahlkarte ausgeben wollen, können auf bestehende Datensätze zu den Leistungsempfängern zugreifen und diese vom Land übernehmen.
Das Land NRW hat gemeinsam mit 13 anderen Bundesländern einen Dienstleister für die Bezahlkarte beauftragt. Für die Finanzierung der Einführung und des Betriebs der Bezahlkarte wurden rund zwölf Millionen Euro im Haushalt bereitgestellt.
Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) verwies darauf, dass Familien auch nach Ausgabe der Bezahlkarte weiterhin „Bargeld zur Verfügung haben, um beispielsweise Kinderkleidung auf Flohmärkten günstiger kaufen zu können, wo eine Kartenzahlung in der Regel nicht möglich ist“. In NRW gelte die gleiche Bargeldgrenze für Kinder wie für Erwachsene.
Die Bezahlkarte kann den Angaben nach sowohl als Karte als auch über eine App auf dem Smartphone genutzt werden. Kartenanbieter ist das Unternehmen Visa. Eingesetzt werden kann die Bezahlkarte deutschlandweit im stationären Einzelhandel und im Onlinehandel. Bislang umfasst das Netz der Händler mehr als 15.000 Geschäfte. Nicht eingesetzt werden kann die Karte im Ausland und für Geldtransfers ins Ausland, sexuelle Dienstleistungen und Glücksspiel. Ebenfalls ist es nicht möglich, die Karte zu überziehen.
Dessau-Roßlau (epd). Rund 700 Menschen haben laut Polizei am 7. Januar mit einer Demonstration in Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) an den vor 20 Jahren in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Asylbewerber Oury Jalloh erinnert. Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ als Veranstalterin sprach von rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Demonstration führte vom Dessauer Bahnhofsvorplatz durch die Innenstadt und sollte am Abend mit einer Kundgebung beendet werden.
Bereits am Vormittag hatten sich laut Polizei 16 Personen, darunter Dessau-Roßlauer Stadträte und Vertreter des Multikulturellen Zentrums der Stadt, vor dem Dessauer Polizeirevier versammelt. In dem Gebäude starb der Mann aus Sierra Leone am 7. Januar 2005, nachdem er zuvor festgenommen worden war. Er verbrannte in einer Polizeizelle im Keller des Reviers, fixiert auf einer angeblich feuerfesten Matratze.
Die Todesumstände gelten in dem Fall bis heute als ungeklärt. Nach offizieller Darstellung soll Jalloh die Matratze, auf der er starb, selbst entzündet haben. Mehrere Gutachter äußerten allerdings Zweifel an dieser Version. Die Organisatoren der Demonstration gehen davon aus, dass der Mann getötet wurde und werfen der Polizei Mord vor. Im Jahr 2012 wurde ein Dienstgruppenleiter der Polizei wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Mit einer Verfassungsbeschwerde wollte der Bruder des Opfers, Saliou Diallo, erreichen, dass erneut in dem Fall ermittelt wird. Auch er geht laut Unterstützerkreis von einer vorsätzlichen Tötungsabsicht aus. Die Beschwerde wurde vor rund zwei Jahren abgewiesen. Laut der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ wurde am 3. Juli 2023 eine weitere Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Diese sei ebenfalls abgewiesen worden, da die viermonatige Abgabefrist nach der ablehnenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts um einen Tag überschritten worden sei.
Die Initiative forderte, die mittlerweile abgeschlossenen Ermittlungen im Fall Jalloh wieder aufzunehmen, sobald neue Beweise vorliegen. Sie bezeichnete die Tötung des Manns aus Sierra Leone als Mord, der nicht verjähre.
Auch in einem weiteren Fall gebe es neue Hinweise, hieß es. Im Dezember 1997 war der Maschinenbauingenieur Hans-Jürgen Rose in Dessau betrunken aufgegriffen und in das gleiche Polizeirevier gebracht worden. Wenige Stunden später wurde Rose schwerverletzt unweit des Reviers gefunden und erlag seinen Verletzungen. Auch diese Todesumstände sind bis heute ungeklärt. Dieser Fall sei Teil eines „Oury-Jalloh-Komplexes“, der aufgelöst und die Täter zur Verantwortung gezogen werden müssen, betonte die Initiative.
Die Polizei war am7. Januar in Dessau-Roßlau nach eigenen Angaben mit einem Großaufgebot im Einsatz. Vor Ort waren unter anderem Einsatzkräfte der sachsen-anhaltischen Landesbereitschaftspolizei sowie Polizeikräfte aus Berlin und der Bundespolizei. In der Innenstadt von Dessau kam es zu Verkehrseinschränkungen.
Düsseldorf (epd). Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW, Bettina Gayk, rät der Landesregierung, das Polizeigesetz für Nordrhein-Westfalen grundlegend zu überarbeiten. Es gebe Schwachstellen im Gesetz, unter anderem im Zusammenhang mit polizeilichen Überwachungsbefugnissen und der Überprüfung von Mitarbeitern von Unternehmen, die für Großereignisse tätig sind, erklärte sie am 7. Januar in Düsseldorf. Gayk verwies auf verschiedene Urteile des Bundesverfassungsgerichts.
In seiner jüngsten Entscheidung (AZ: 1 BvL 3/22) habe das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Vorschriften im Polizeigesetz NRW, die eine längerfristige Observation unter Anfertigung von Bildaufnahmen und -aufzeichnungen zulassen, mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, erläuterte Gayk. Die „Eingriffsschwelle“ für solche tiefen Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte seien nicht bestimmt genug geregelt und müsse dem Gericht zufolge höher angesetzt werden.
Die NRW-Beauftragte begrüßte die Entscheidung des Gerichts und wies darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht bereits im Dezember 2022 Teile des Polizeigesetzes von Mecklenburg-Vorpommern für verfassungswidrig erklärt hatte. Auch daraus ergebe sich Anpassungsbedarf für NRW, erklärte sie. So müssten unter anderem jene Regeln angepasst werden, die den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung betreffen. Bis Ende 2025 hat die NRW-Landesregierung Gayk zufolge nun Zeit, das Polizeigesetz NRW entsprechend anzupassen.
Gleiches gelte für ein Urteil des Verfassungsgerichts zu polizeilichen Datenanalyseverfahren aus 2023 (AZ: 1 BvR 154719, 1 BvR 2634/20), erklärte die NRW-Beauftragte. Darin mache das Gericht Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen die Polizei Datenanalysen realisieren darf. „Die entsprechende Norm für NRW entspricht diesen Vorgaben nicht“, kritisierte die Datenschutzbeauftragte.
Auch aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr zu den Befugnissen des Bundeskriminalamts (AZ: 1 BvR 1160/19) sollten nach Ansicht von Gayk Konsequenzen gezogen werden. In NRW regele nur eine Verwaltungsvorschrift das Wesentliche zur Aufbewahrung von Daten zu einer Person, gegen die beispielsweise ein Strafverfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt worden ist. „Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu aber deutlich darauf hingewiesen, dass dies im Gesetz selbst geregelt werden muss“, betonte sie.
Zudem sieht Gayk Handlungsbedarf mit Blick auf Großereignisse wie Sportturniere oder exponierte Konzerte und Festivals. Es fehle im NRW-Polizeigesetz eine ausdrückliche Regelung, die der Polizei in bestimmten Fällen erlaube, die dort tätigen Unternehmer oder deren Helfer zu überprüfen. Bislang arbeite die Polizei hier lediglich mit Einwilligungen der betroffenen Personen. „Dies ist in vielen dieser Konstellationen jedoch nicht ausreichend“, unterstrich sie.
Düsseldorf, Essen (epd). Die Polizei in NRW verzeichnet wieder steigende Zahlen bei der Kinder- und Jugendkriminalität. 2023 wurden insgesamt 107.962 Kinder, Jugendliche und junge Heranwachsende unter 21 Jahren als Tatverdächtige ermittelt, wie aus dem Lagebild Jugendkriminalität hervorgeht, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Das sei ein Plus von 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe hatten zuerst darüber berichtet.
Den höchsten Anstieg um 7,4 Prozent auf 22.496 gab es laut Lagebild bei der Zahl tatverdächtiger Kinder unter 14 Jahren. Die Zahl jugendlicher Tatverdächtiger unter 18 Jahren legte um 6,1 Prozent auf 47.602 zu, bei Heranwachsenden lag der Anstieg bei 3 Prozent auf 37.864.
Innenminister Herbert Reul äußerte sich besorgt über die Entwicklung. „Dass immer mehr junge Menschen auf die schiefe Bahn geraten, müssen wir sehr ernst nehmen“, erklärte der CDU-Politiker am 9. Januar in Düsseldorf. Es sei wichtig, kriminelle Karrieren zu beenden, bevor sie Fahrt aufnehmen. Die gestiegene Jugendkriminalität sei nicht nur ein Problem der Jugend, „sondern ein Weckruf an uns alle“, betonte Reul. Lehrkräfte und Pädagogen spielten eine entscheidende Rolle, aber auch Eltern seien in der Pflicht, Kindern Respekt und gewaltfreie Konfliktlösungen beizubringen.
Die Zahl der aufgeklärten Straftaten, die von Tatverdächtigen unter 21 Jahren begangen wurden, ist laut Lagebild 2023 im Vergleich zum Vorjahr von gut 140.000 auf knapp 155.000 gestiegen. Im Zehnjahresvergleich gab es allerdings in den Jahren 2014 bis 2016 bereits höhere Fallzahlen. Die große Mehrheit der mutmaßlichen Täter sind dem Bericht zufolge junge Männer. Rund 32 Prozent der Tatverdächtigen hatten keinen deutschen Pass.
Die häufigsten Delikte junger Tatverdächtiger waren Diebstahl, Körperverletzung und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Am stärksten zugenommen haben Raubdelikte, hier verzeichnet das Lagebild einen Anstieg um 24,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Gestiegen ist dem Bericht zufolge aber auch die Zahl junger Opfer von Straftaten. 75.088 Kinder, Jugendliche und Heranwachsende waren 2023 davon betroffen. Das waren 8,3 Prozent mehr als im Vorjahr, im Vergleich zu 2014 lag der Anstieg sogar bei 38,4 Prozent.
Berlin (epd). Nach mehreren gravierenden Vorfällen zu Silvester mit Toten und Verletzten fordern rund zwei Millionen Menschen ein bundesweites privates Böllerverbot. Die Unterschriften für zwei entsprechende Petitionen wurden am 6. Januar in Berlin an das Bundesinnenministerium übergeben. Allein die von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin gestartete Online-Petition hatte bis 6. Januar mehr als 1,4 Millionen Unterstützer. Die zweite Online-Petition wurde von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) initiiert. Beide Unterschriftensammlungen laufen weiter.
Die Verbotskampagne unter dem Motto „#BöllerCiao“ wird von insgesamt rund 35 Organisationen getragen, darunter auch von der Bundesärztekammer, dem Deutschen Tierschutzbund und dem Deutschen Naturschutzring. Staatssekretärin Juliane Seifert (SPD) aus dem Bundesinnenministerium sagte bei der symbolischen Übergabe der Unterschriften, es sei wichtig, dass die Menschen in Deutschland friedlich Silvester feiern können. Gegen Chaoten und Gewalttäter müsse vorgegangen werden.
Seifert sprach sich wie zuvor Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) gegen ein allgemeines privates Böllerverbot zu Silvester aus. Es sollten stattdessen mehr Möglichkeiten für Feuerwerksverbotszonen geschaffen werden, sagte sie. Dafür gebe es jedoch bisher keine Mehrheit im Bundesrat. Geplant sei unter anderem, den Erwerb sogenannter Kugelbomben unter Strafe zu stellen. Durch Explosionen in Deutschland illegaler Kugelbomben gab es in der Silvesternacht Tote, Schwerverletzte und teils hohen Sachschaden.
Zur Übergabe der Unterschriften wurde Faeser am 6. Januar auch symbolisch ein schlechtes Arbeitszeugnis ausgestellt. „Frau Faeser hat ihre Pflichten und Verantwortungen stets komplett ignoriert“, hieß es darin: „Danke für Nichts“. Von der Umwelthilfe hieß es, die Bilanz der Bundesinnenministerin beim Thema Silvesterfeuerwerk sei verheerend. Im „Arbeitszeugnis“ hieß es weiter, „wir wünschen ihr mehr Verantwortungsbewusstsein für ihren weiteren Berufsweg“.
Die Initiatoren der Petitionen betonten, zum Jahreswechsel sei eine weitere Silvesternacht mit tausenden teils schweren Verletzungen, enormer Belastung der Atemluft und gezielten Angriffen auf Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr einhergegangen. Mindestens fünf Menschen hätten ihr Leben verloren. Trotz vehementer Warnungen der GdP und zahlreicher weiterer Akteure sei das Bundesinnenministerium jedoch bislang untätig geblieben. Zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt sei nun sofort ein bundesweites Böllerverbot notwendig.
In einem offenen Brief der Kampagne der DUH an die Bundesinnenministerin heißt es, das private Silvesterfeuerwerk sei „in der heutigen Zeit der falsche Start in ein neues Jahr“. Die Unmengen an Böllern und Raketen seien nicht nur gefährlich und gesundheitsschädlich, sie verschmutzten auch die Umwelt. Das Abbrennen von Feuerwerkskörpern führe dazu, dass immer wieder mit schlechter Luft und hohen Feinstaubwerten ins neue Jahr gestartet werde.
Berlin, Essen (epd). In den deutschen Kommunen sind einer Studie zufolge viele Sportstätten in einem besorgniserregenden Zustand. 59 Prozent der befragten Städte, Gemeinden und Landkreise gaben an, dass der Investitionsrückstand bei ihren Sporthallen „gravierend“ oder „nennenswert“ ist, wie aus der Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Bei Hallenbädern sagten das sogar 62 Prozent.
Dabei gehe es vor allem um den energetischen Zustand der Gebäude, den Zustand der Gebäudehüllen sowie den der sanitären und technischen Anlagen, hieß es. Die Studie wurde von der staatlichen Förderbank KfW in Auftrag gegeben. Zuerst hatten die Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (12. Januar) darüber berichtet.
Ohne Sanierung müssen laut der Umfrage in den kommenden drei Jahren voraussichtlich 16 Prozent der Freibäder, 15 Prozent der Eissporthallen und 14 der Hallenbäder schließen. „Das drohende Wegfallen von fast einem Sechstel der Schwimmbäder erscheint besonders gravierend, da diese für das Erlernen des Schwimmens zentral sind und die Zahl der Nicht-Schwimmer laut DLRG seit Jahren ohnehin schon steigt“, sagte KfW-Kommunalexpertin Stefanie Brilon.
In 40 Prozent der befragten Kommunen können bereits jetzt einzelne Sportangebote wegen des baulichen Zustands der Sportanlagen gelegentlich nicht mehr stattfinden, wie es weiter hieß. 36 Prozent der Kommunen befürchten demnach, das Sportangebot in den kommenden Jahren reduzieren zu müssen.
Investitionen in die Sportinfrastruktur zählen laut KfW zu den freiwilligen Leistungen der Kommunen. Sie kämen in der Haushaltspriorisierung erst nach den Pflichtaufgaben wie Schulen, Verwaltung oder Brandschutz zum Zuge und stünden im Wettbewerb mit anderen freiwilligen Leistungen wie Kultur und Wirtschaftsförderung. „Angesichts der angespannten finanziellen Situation können viele Kommunen entsprechende Investitionen nicht aus den laufenden Haushalten stemmen“, heißt es in der Untersuchung.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sprach von einer „dramatischen Entwicklung“. Die drohende Schließung von Sportstätten sei „ein fatales Signal an den Breitensport und den Schwimmunterricht“, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger den Funke-Zeitungen. Er forderte Bund und Länder auf, die finanzielle Unterstützung für Neubauten und Sanierungen sicherzustellen. Eine große Investitionsoffensive in die Sportinfrastruktur sei unausweichlich.
Für die Studie wurden im Oktober des vergangenen Jahres 307 Städte, Gemeinden und Landkreise zur Situation der kommunalen Sportanlagen befragt. Die Erhebung sei zwar nicht bundesweit repräsentativ, vermittele jedoch einen belastbaren Eindruck der kommunalen Wahrnehmung, erklärte die KfW.
Frankfurt a. M. (epd). Ausgerechnet ein imposanter älterer Herr mit buschigem Schnurrbart, weißem Hemd, schwarzer Fliege und Tropenhelm avancierte in der jungen Bundesrepublik zum Idol einer ganzen Generation. Der Missionsarzt Albert Schweitzer (1875-1965), der in einer abgelegenen zentralafrikanischen Dschungelregion im heutigen Gabun ein Krankenhaus betrieb, war bekannter als die meisten Sportler und Filmstars. Seine ethischen und theologischen Gedanken machten den „Urwalddoktor“ zum Wegbereiter der Tierschutz- und der Friedensbewegung. Vor 150 Jahren, am 14. Januar 1875, wurde der Theologe, Arzt und Friedensnobelpreisträger im Elsass geboren.
Schweitzer wuchs als Untertan des deutschen Kaisers in Günsbach in der Nähe von Colmar auf, wurde nach 1918 französischer Staatsbürger. Eine Antwort, ob er sich mehr als Deutscher oder als Franzose fühle, blieb er zeit seines Lebens schuldig. „Ich bin ein Mann von Günsbach und ein Bürger der Welt“, erklärte er auf Nachfrage. Seine Absage an jeglichen Nationalismus war einer der Gründe dafür, dass der Elsässer kurz nach dem Zweiten Weltkrieg so viele Menschen faszinierte.
„Vielleicht muss man aus dieser Weltecke kommen, um so denken zu können“, sagt Peter Oldenbruch. Der Ruhestandspfarrer aus Rheinland-Pfalz ist einer von vielen, für die Schweitzer einst zu einer prägenden Persönlichkeit wurde. Schon als Schüler hörte er gerne eine Schallplatte, auf der der Urwaldarzt aus seinem Leben berichtete, wie er sich erinnert. In Oldenbruchs Abitur-Klasse beschlossen außer ihm noch zwei weitere Jungen, evangelische Theologie zu studieren. Und bei allen dreien habe dieser Entschluss auch etwas mit Schweitzer zu tun gehabt.
Albert Schweitzer hatte bereits ein Studium der Theologie, Philosophie und Kirchenmusik absolviert, als er den Entschluss fasste, Notleidenden zu helfen. Deshalb studierte er zusätzlich Medizin und zog kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs ins damalige Französisch-Äquatorialafrika, wo er in Lambaréné am Ogooué-Fluss das erste Krankenhaus weit und breit gründete. Die Patienten wurden dort kostenlos behandelt und mussten teilweise über hundert Kilometer weit mit dem Kanu herantransportiert werden. Ganz in der Nähe entstand mit Schweitzers Nobelpreisgeld später eine Ansiedlung für Leprakranke.
In Afrika entwickelte der Theologe sein Konzept der „Ehrfurcht vor dem Leben“, in dem er forderte, allen Geschöpfen mit Hochachtung zu begegnen - nicht nur den Angehörigen verfeindeter Völker, sondern auch Tieren und Pflanzen: „Dem wahrhaft ethischen Menschen ist alles Leben heilig, auch das, das uns vom Menschenstandpunkt aus als tieferstehend vorkommt.“ Leben in Not zu helfen, sei die eigentliche Bestimmung des Menschen.
Dass der deutsch-französische Tropenarzt insbesondere in Deutschland eine heute kaum noch vorstellbare Berühmtheit erlangte, hatte auch viel damit zu tun, dass es nach dem Ende der NS-Diktatur nur wenige Persönlichkeiten gab, auf die sich viele Deutsche als Vorbilder einigen konnten. So wurde Schweitzer zum umjubelten „guten Deutschen“, nach dem bereits zu Lebzeiten Straßen benannt wurden.
Als er nach dem Zweiten Weltkrieg schon weltberühmt war, verschaffte Schweitzer als prominenter Fürsprecher der Bewegung gegen die wachsende Gefahr eines Atomkrieges Gehör. 1954 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Nicht zwischenstaatliche Verträge oder internationale Institutionen wie die Vereinten Nationen könnten ein Ende aller Kriege bewirken, sondern einzig eine ethische Grundhaltung, erklärte er in seiner Nobelpreisrede. Die Menschheit müsse jeden Krieg verwerfen, „weil er uns der Unmenschlichkeit schuldig werden lässt“.
Manchen wurde es schon damals zu viel mit dem Rummel um den allseits geehrten und verehrten Doktor. „Er sieht aus wie ein naher Verwandter des lieben Gottes. Und er benimmt sich so“, ätzte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ 1960. „Er wird von einer Menschheit, die nicht nach seiner Moral leben will, als größter Moralist gefeiert. Nicht bereit, ihm zu folgen, ist sie bereit, ihm zu huldigen.“
Manches an Schweitzers Weltbild wirkt aus heutiger Sicht sehr fragwürdig. So blieb sein Blick auf die Menschen in Zentralafrika stets vom europäischen Kolonialismus geprägt. Die Unabhängigkeit der Afrikaner betrachtete er mit Argwohn, weil er ihnen nicht zutraute, dass sie ohne wohlwollende Hilfe der Weißen zurechtkommen könnten.
Bis heute gibt es Institutionen, die sich dem Universalgelehrten und seinem Wirken verbunden fühlen, etwa das Deutsche Albert-Schweitzer-Zentrum in Offenbach. Auch das Albert-Schweitzer-Spital in Lambaréné existiert nach wie vor. Mittlerweile wird es überwiegend vom Staat Gabun finanziert.
Sponsoren in Europa unterstützten die Klinik unter anderem bei der Medikamentenbeschaffung und bei einem mobilen Mutter-Kind-Dienst, berichtet Roland Wolf vom deutschen Lambaréné-Hilfsverein. Zwischenzeitlich sah es um die Zukunft der Klinik düster aus, aber zuletzt habe die Regierung ihre Subventionen wieder deutlich erhöht. „Es geht dem Spital etwas besser“, berichtet Wolf. 2023 habe Lambaréné erstmals seit längerer Zeit keine roten Zahlen geschrieben.
Berlin, Bonn (epd). Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) feiert kommende Woche 100-jähriges Bestehen. Anlässlich des Gründungstags am 13. Januar 1925 hob DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee die Relevanz des internationalen wissenschaftlichen Austauschs hervor. „Gerade in geopolitisch turbulenten Zeiten sind die durch die Arbeit des DAAD geknüpften wissenschaftlichen Netzwerke unverzichtbar“, sagte er.
Grenzüberschreitender akademischer Austausch sei wichtig, um Innovationen voranzutreiben und den Wohlstand zu sichern, etwa durch die Gewinnung internationaler Fachkräfte, erklärte Mukherjee. Zudem sei internationale wissenschaftliche Kooperation unerlässlich, um die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bewältigen.
In den 1920er Jahren war der Heidelberger Student Carl Joachim Friedrich in die USA gereist, um dort die ersten 13 Stipendien für deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einzuwerben. Sein Ziel war es, auf diesem Weg die wissenschaftliche Isolierung Deutschlands zu überwinden. 1925 gründete er mit anderen Studierenden den Akademischen Austauschdienst in Heidelberg, später zog er nach Berlin. Während der NS-Zeit passte sich der DAAD der nationalsozialistischen Ideologie an und wurde 1945 aufgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der DAAD 1950 in Bonn neu gegründet.
Heute fördert der DAAD als weltweit größte akademische Austauschorganisation jährlich rund 150.000 Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Stipendien oder in Projekten. Sein weltweites Netzwerk umfasst dabei knapp 60 Büros sowie rund 400 Lektorate und Dozenturen an Hochschulen auf allen Kontinenten. Seit seiner Gründung 1925 hat der Verein nach eigenen Angaben rund drei Millionen Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit gefördert.
Das Jubiläum soll am 6. Mai mit einem Festakt im Berliner Humboldt Forum gefeiert werden. Zahlreiche Veranstaltungen im In- und Ausland, darunter Treffen von ehemaligen und aktuellen Geförderten in Städten wie Heidelberg und New York, begleiten die Feierlichkeiten. Zudem hat das Bundesfinanzministerium dem DAAD zu Ehren eine Sonderbriefmarke herausgegeben.
Düsseldorf/Siegen (epd). 25 weiterführende Schulen in NRW werden im Rahmen eines Pilotprojekts testen, inwieweit generative Künstliche Intelligenz (KI) im Mathematik- und Deutschunterricht sinnvoll eingesetzt werden kann. Die Schulen erproben ab dem 1. Februar die Verfahren in Klassen der Sekundarstufe I, wie das NRW-Schulministerium am 10. Januar in Düsseldorf mitteilte. Das Projekt mit dem Titel „Künstliche Intelligenz im Mathematik- und Deutschunterricht (KIMADU)“ wird von der Universität Siegen begleitet. „KI hat großes Potential für das Lehren und Lernen und wird aus dem Alltag unserer Schülerinnen und Schüler nicht mehr wegzudenken sein“, sagte Schulministerin Dorothee Feller (CDU).
Das Projekt wird demnach an den Schulen bis zum 31. Juli 2027 durchgeführt. Hierfür stellt die Landesregierung über eine Million Euro bereit. Die Schulen erhalten einen Zugang zu verschiedenen Large Language Models (LLM), mit denen sie Lehr- und Lernmöglichkeiten fachbezogen entwickeln und im Unterricht erproben können. Die ausgewählten Schulen verteilen sich auf die fünf Regierungsbezirke in NRW, wobei alle Schulformen mit Sekundarstufe I vertreten sind.
Ausgewählt wurden die beteiligten Schulen von der oberen Schulaufsicht und dem Projektteam der Universität Siegen auf der Grundlage der eingereichten Bewerbungen und der schuleigenen Konzepte rund um die Themen Digitalisierung und KI. „Der Einsatz von KI wird eine Lehrkraft niemals ersetzen können, kann aber den Unterricht ergänzen: KI kann den einzelnen Schülerinnen und Schülern unmittelbares und direktes Feedback geben, gezielt auf ihre individuellen Stärken und Schwächen eingehen und sie damit in ihrem Lernprozess unterstützen“, betonte Ministerin Feller.
Large Language Models sind Sprachmodelle, die mit großen Datenmengen trainiert wurden und auf dieser Basis Texte und Antworten generieren. Wissenschaftler der Universität Siegen werden die teilnehmenden Schulen fachlich unterstützen.
Saarbrücken, Mainz (epd). Das ZDF und das Saarland kooperieren in einem Pilotprojekt zur Medienbildung an Schulen. Ausgewählte und altersgerechte Bildungsinhalte des Mainzer Senders sind über die länderübergreifende Bildungsmediathek Mundo abrufbar, die direkt in die saarländische Bildungscloud „Online Schule Saar“ (OSS) eingebunden werden können, wie das ZDF und das saarländische Bildungsministerium am 8. Januar mitteilten.
Lehrkräften stehen demnach Inhalte aus Sendungen wie „Terra X“, „logo!“ oder „WISO“ zur Verfügung. Hinzu kämen Beiträge über Medienbildung und zum Erkennen von Desinformation. Das Pilotprojekt ist den Angaben zufolge Teil der Initiative „ZDF goes Schule“, die im Oktober 2024 begonnen hat. Der Mainzer Sender will mit der Initiative nach eigenen Angaben sein Engagement sowie sein Angebot für die Bildung von Kindern und Jugendlichen ausbauen, leichtere Zugänge zu Bildungsinhalten schaffen und deutschlandweit ein Netzwerk an Partnerschulen aufbauen.
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) bezeichnete die Kooperation als Gewinn. „Wir müssen junge Menschen gegen die zunehmende Manipulation und Desinformation wappnen, die über die Sozialen Medien auf sie einprasseln“, betonte sie. „Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche lernen, Inhalte kritisch zu hinterfragen und Falschinformationen zu entlarven.“ Dafür fänden die Lehrkräfte in dem ZDF-Angebot nun fundierte Quellen für ihren Unterricht.
Saarbrücken (epd). Saarländerinnen und Saarländer können ab sofort über die Internetseite der Landesregierung auf bürokratische Hürden hinweisen. „Bürokratieabbau ist dringender denn je“, sagte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) am 8. Januar auf ihrem Neujahrsempfang in Saarbrücken. Die gemeldeten Hindernisse würden geprüft und die Regierung wolle möglichst für Abhilfe sorgen. Auf der Internetseite www.saarland.de/buerokratiemelder können Bürgerinnen und Bürger die betreffende Behörde angeben und die Bürokratiekritik in maximal 3.000 Zeichen schildern.
Düsseldorf, Berlin (epd). Die Landeswahlleiterin für Nordrhein-Westfalen verweist zur Bundestagswahl auf die Fristen für eine Briefwahl aus dem Ausland. Spätestens bis zum 2. Februar müssen Wahlberechtigte, die im Ausland wohnen und keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik haben, einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen, wie Monika Wißmann am 8. Januar in Düsseldorf erklärte. Die Formulare sind auf der Internetseite der Bundeswahlleiterin zu finden oder können bei der zuständigen Auslandsvertretung angefordert werden.
Die Bundestagswahl ist für den 23. Februar angesetzt. Der Termin war ursprünglich im September geplant. Nachdem die Ampel-Koalition zerbrochen war und das Parlament Bundeskanzler Kanzler Olaf Scholz (SPD) das Vertrauen entzogen hatte, wurde der Termin vorgezogen.
Düsseldorf/Bonn (epd). Der Bonner Virologe Hendrik Streeck erhält am 15. Januar das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) werde Streeck sowie sechs anderen Personen den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland im Namen des Bundespräsidenten in der Düsseldorfer Staatskanzlei überreichen, teilte die Staatskanzlei mit. Der 47-jährige Streeck ist Chefvirologe der Universitätskliniken Bonn und wurde während der Corona-Krise bundesweit bekannt.
Zur Begründung für die Auszeichnung an den Mediziner hieß es, Streeck habe sich neben seiner Arbeit in der HIV-Forschung weit über das übliche berufliche Maß hinaus engagiert. In der Covid-19-Pandemie wirkte der Virologe in verschiedenen Gremien mit, auch im Expertenrat Corona der Landesregierung Nordrhein-Westfalen sowie im Corona-Expertenrat des Bundeskanzleramts, wie die Staatskanzlei erklärte. Streeck tritt bei der kommenden Bundestagswahl am 23. Februar als Direktkandidat für Bonner CDU an.
Der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ist die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland und ehrt besondere Leistungen für das Gemeinwesen. Gewürdigt werden am kommenden Mittwoch in der Staatskanzlei Frauen und Männer, die sich unter anderem noch in Bereichen wie Heimatpflege, Sport, Bildung und Kommunalpolitik einsetzen.
Düsseldorf (epd). Der SPD-Sozialpolitiker und frühere deutsche Botschafter in Israel, Rudolf Dreßler, ist tot. Er sei am 8. Januar im Alter von 84 Jahren gestorben, teilte der SPD-Landesverband in Düsseldorf mit. Mit dem Tod von Dreßler verliere man einen „engagierten Sozialpolitiker, einen Kämpfer für die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, einen herzlichen Genossen und einen guten Freund“, erklärten die SPD-Landesvorsitzenden Achim Post und Sarah Philipp.
Dreßler war von 2000 bis 2005 deutscher Botschafter in Israel. Zuvor hatte er verschiedene Ämter im Bundestag inne: Ab 1982 war er Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und ab 1987 für 13 Jahre stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag.
Von 1984 bis 2000 führte er die SPD-eigene Arbeitsgemeinschaft für Arbeit (AfA) und gehörte in dieser Zeit dem SPD-Parteivorstand an. Von 1986 bis 1996 war er Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Wuppertal, von 1980 bis 2000 zudem direkt gewähltes Mitglied des Bundestages.
Dreßler wurde am 17. November 1940 in Wuppertal geboren. Als gelernter Schriftsetzer und freier Mitarbeiter arbeitete er früh bei verschiedenen Zeitungen und engagierte sich dort für die Rechte der Arbeitnehmer. Im Jahr 1969 übernahm er den Betriebsratsvorsitz bei der „Westdeutschen Zeitung“ und wurde im selben Jahr SPD-Mitglied.
Frankfurt a.M. (epd). Die Zahl der Organspender ist im vergangenen Jahr auf einem ohnehin niedrigen Niveau noch einmal leicht zurückgegangen. 953 Menschen hätten 2024 nach ihrem Tod Organe für eine Transplantation gespendet, nach 965 ein Jahr zuvor, teilte die Deutsche Stiftung Organtransplantation am 10. Januar in Frankfurt am Main mit. Die Zahl der Spenderorgane sank von 2.877 im Jahr 2023 auf 2.854. Gleichzeitig warten laut der Stiftung in Deutschland 8.260 Menschen auf ein Spenderorgan.
Auf eine Million Einwohnerinnen und Einwohner kamen somit rechnerisch 11,4 Organspenderinnen und -spender. Deutschland nehme damit im internationalen Vergleich einen der hinteren Plätze ein, erklärte die Stiftung unter Verweis auf die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant.
In den insgesamt 43 deutschen Transplantationszentren wurden den Angaben zufolge mehr Organe eingesetzt als hierzulande entnommen: Patienten und Patientinnen in Deutschland erhielten im vergangenen Jahr insgesamt 3.013 Organe. 2023 lag die Zahl bei 2.986. Da manche Kranken mehrere Organe erhielten, war die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger 2024 mit 2.902 niedriger als die Zahl der eingesetzten Organe. Ein Jahr zuvor profitierten 2.866 Menschen in Deutschland von einer Organspende.
Der Medizinische Vorstand der Stiftung, Axel Rahmel, nannte die Situation der mehr als 8.000 Menschen auf der Warteliste „dramatisch“, weil in vielen Fällen die Organspende ihre einzige Chance sei zu überleben. „Es ist daher eine unerträgliche Situation, dass wir zwar die medizinischen Möglichkeiten haben, Leben zu retten, uns aber die Organe dafür fehlen“, kritisierte Rahmel.
Er bemängelte, 2024 habe nur von 15,3 Prozent der möglichen Organspender ein schriftlicher Wille vorgelegen, von denen Dreiviertel (75,4 Prozent) in eine Organentnahme nach ihrem Tod eingewilligt hätten. „Mussten die Angehörigen hingegen nach eigenen Wertvorstellungen entscheiden, lag die Zustimmungsrate wohl aus Unsicherheit in der belastenden Situation nur bei 25,4 Prozent“, unterstrich der Ärztliche Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation.
Rahmel appellierte daher an die Bevölkerung, zu Lebzeiten eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen und diese in einem Organspendeausweis, in einer Patientenverfügung oder im digitalen Organspende-Register festzuhalten. Die sogenannte Widerspruchsregelung befürwortete die Stiftung, wenngleich nicht zu erwarten sei, dass sie „die eine magische Maßnahme“ sei, die zu einem sprunghaften Anstieg der Organspenderzahlen führen werde.
Bisher braucht es ausdrücklich die Erlaubnis der Spender, damit ihre Organe nach ihrem Tod für Transplantationen genutzt werden können. Die Widerspruchsregelung sieht dagegen vor, dass bei einem hirntoten Menschen Organe entnommen werden dürfen, wenn die betreffende Person dem zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Mitte Juni hatte eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten einen Antrag zur Einführung einer Widerspruchsregelung vorgestellt, über die der Bundestag Anfang Dezember in erster Lesung beriet.
Am häufigsten wurden 2024 hierzulande laut der Stiftung Menschen nach ihrem Tod Nieren (1.391) entnommen, dahinter folgten Lebern (785) und Herzen (315). 290 Mal entnahm ärztliches Personal toten Spendern Lungen, 71 Mal Bauchspeicheldrüsen und zwei Mal Därme.
Hamburg (epd). In der kleinen, hellen Praxis von Alexandra Ueberschär in Hamburg gibt es eine weich gepolsterte Fläche mit Kissen. Dort behandelt sie Menschen, denen körperliche Nähe fehlt. Ueberschär ist Kuscheltherapeutin. „Berührung ist wie Nahrung“, sagt die gelernte Krankenpflegerin. „Wir brauchen Berührung, um uns selbst wahrzunehmen, um uns gesund zu fühlen und auch, um uns zu regulieren, wenn wir besonders im Stress sind.“
Zum Beruf als Krankenpflegerin kam bei Ueberschär die Weiterbildung als sogenannte Multilevel-System-Coachin. Bei ihrer Arbeit mit Menschen, die seelische Hilfe suchten, stellte sie fest, dass Reden allein nicht immer reicht. „Ich habe gemerkt, dass die Menschen, die mir gegenübersitzen, mehr brauchen.“
Vor dem Kuscheln gibt es immer ein therapeutisches Gespräch. Ueberschär will verstehen, woher das Gefühl der Einsamkeit und der Berührungsmangel kommen. Manche ihrer Patienten haben eine Trennung hinter sich, andere haben Missbrauchserfahrungen gemacht. „Viele Bekannte sagen zu mir, dass sie nie mit Fremden kuscheln könnten“, sagt die Kuscheltherapeutin. „Dann antworte ich: Ich auch nicht. Wir fangen erst an zu kuscheln, wenn wir uns nicht mehr fremd sind.“
Wie viele Sitzungen nötig sind, ist sehr unterschiedlich, erklärt die Kuscheltherapeutin. In einer akuten Trauerphase kann schon nach wenigen Kuscheleinheiten eine Besserung eintreten. Wenn ein Trauma oder eine lange Einsamkeit zugrunde liegen, dauert es oft länger. Die Behandlung muss privat bezahlt werden, die Krankenkassen übernehmen sie nicht.
Trotzdem interessieren sich immer mehr Menschen für die Kuscheltherapie. „Die Corona-Zeit hat ein stärkeres Bewusstsein geweckt für die Themen Einsamkeit und das Fehlen von Berührung“, meint Ueberschär.
Das erlebt auch Tobias Heinrich. Er arbeitet als psychologischer Psychotherapeut in Hamburg. Gerade in Großstädten seien Einsamkeit und fehlende menschliche Nähe keine seltenen Diagnosen, sagt er. „Berührungsmangel ist ein ganz großes Thema. In Großstädten ist für Erwachsene das Thema Berührung außerhalb von Sexualität echt schwierig geworden.“
Sexuelle Kontakte können das Fehlen von Nähe nicht unbedingt ausgleichen, weiß der Psychotherapeut. Ein Berührungsmangel lässt sich auch in der Chemie des Körpers nachweisen. „Es ist bekannt, dass das Oxytocin ein Neurotransmitter und Hormon ist, das Glücks- und Wohlgefühl auslöst. Und dieser Stoff wird durch Berührung aktiviert“, sagt Heinrich.
Wie intensiv die Berührung bei der Kuscheltherapie ist, hängt immer von der Patientin oder dem Patienten ab. Vom Handhalten oder Kopf in den Schoß legen, bis zur kompletten Umarmung. Ueberschär hofft, dass ihre Patienten durch das Kuscheln wieder das Selbstvertrauen gewinnen, auch mit anderen Menschen körperliche Nähe zu erfahren und so die Einsamkeit hinter sich lassen können.
Berlin/Dortmund (epd). Die Möglichkeiten zur selbstbestimmten Gestaltung des eigenen Lebens sind laut dem am 8. Januar veröffentlichten neunten Altersbericht der Bundesregierung in der älteren Generation „sozial ungleich verteilt“. Ob es um eine bezahlbare barrierefreie Wohnung gehe, um die passende Ärztin oder den Gang ins Theater: Was für manche Ältere selbstverständlich sei, stelle andere Senioren vor große Hürden. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte bei der Vorstellung des Berichts, dass insbesondere Frauen, Menschen mit Migrationsgeschichte sowie homosexuelle und trans- oder intergeschlechtliche Menschen oft im Nachteil seien. Auch Altersarmut sei ein großes Problem.
Es geht um eine große - und weiter wachsende - Bevölkerungsgruppe: Menschen über 65 machten inzwischen fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung in Deutschland aus, sagte Paus in Berlin. Derzeit gebe es hierzulande doppelt so häufig 60. wie erste Geburtstage. Deutschland sei zu einer „Gesellschaft des langen Lebens“ geworden.
Damit einhergehend seien die Lebensverhältnisse älterer Menschen sehr vielfältig, sagte die Vorsitzende der Altersberichtskommission, Martina Brandt, auf der Pressekonferenz mit Paus. Dies zeige sich etwa daran, dass jüngst einerseits die durchschnittlichen Alterseinkommen gestiegen seien. Andererseits sei aber auch die Altersarmut gestiegen und liege nun über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung - „das ist neu“. In der Gruppe der Menschen über 65 ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind dem Altersbericht zufolge vier von zehn Frauen von Einkommensarmut betroffen.
„Wenn wir nichts tun, wird die Ungleichheit weiter steigen“, warnte Brandt, die als Soziologin an der TU Dortmund forscht. Alle Maßnahmen, die auf eine Verbesserung der Lebenssituation alter Menschen zielten, müssten an die verschiedenen Gruppen und ihre Bedürfnisse angepasst werden.
Brandt forderte unter anderem, die Inanspruchnahme von Grundsicherung im Alter zu erleichtern. „Dringend nötig“ sei auch eine bessere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und der Pflege von Angehörigen.
In dem Altersbericht formulieren Brandt und die anderen zehn Kommissionsmitglieder insgesamt 31 Empfehlungen. Dazu gehören etwa ein Ausbau der Schuldnerberatung speziell für ältere Menschen und besondere Kulturangebote für benachteiligte Senioren. Nötig seien auch mehr bezahlbare und zugleich barrierefreie Wohnungen sowie leicht nutzbare Angebote für Gesundheitsförderung und Prävention.
Am Geld sollte all das aus Sicht der Kommission nicht scheitern: Die Empfehlungen würden „nicht vorauseilend die Knappheit der finanziellen Ressourcen zur Begrenzung nehmen“, heißt es in dem 300 Seiten langen Bericht. Vielmehr solle deutlich gemacht werden, „was für die Teilhabe Älterer notwendig ist - um letztlich Potenziale auszuschöpfen und möglicherweise langfristig sogar Mittel einsparen zu können“.
Bielefeld (epd). Pastor Bartolt Haase wird im Jahr 2026 neuer Vorstandsvorsitzender der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Der 49-jährige Theologe tritt die Nachfolge von Ulrich Pohl (67) an, der nach 18 Jahren an der Spitze Bethels im kommenden Jahr in den Ruhestand verabschiedet wird, wie die v. Bodelschwinghschen Stiftungen am 10. Januar in Bielefeld mitteilten. Haase, der bereits dem Vorstand der v. Bodelschwinghschen Stiftungen angehört, werde sein neues Amt am 1. Februar 2026 antreten.
Haase sei einstimmig zum Nachfolger gewählt worden, hieß es. Ab 1. Februar 2025 werde der Theologe bereits zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden berufen. Der bisherige stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Rainer Norden (67), geht den Angaben zufolge zum 1. Februar in den Ruhestand. Der Verwaltungsrat der v. Bodelschwinghschen Stiftungen habe damit wichtige Personalfragen im Vorstand des Stiftungsverbundes frühzeitig geregelt, hieß es.
Haase gehört seit Januar 2022 dem Vorstand an, als die diakonische Stiftung Eben-Ezer in Lemgo als fünfte Stiftung dem Verbund Bethels beigetreten war. Der 49-jährige Theologe hatte die Lemgoer Stiftung zuvor als Theologischer Vorstand geleitet. Bis 2013 war Haase Assistent des Bethel-Vorstandsvorsitzenden Ulrich Pohl.
Nach seinem Theologiestudium in Wuppertal, Göttingen, Groningen und Paderborn folgte eine Promotion an der Universität Göttingen. Nach einem Vikariat in der Kirchengemeinde St. Johann in Lemgo und in der Stiftung Eben-Ezer wurde Haase 2006 in der Lippischen Landeskirche ordiniert. Anschließend war er für ein Jahr Pastor der Erlöserkirche Jerusalem, ehe er in Bethel seinen Dienst antrat. Haase ist verheiratet, das Ehepaar hat vier Kinder.
Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel mit Hauptsitz in Bielefeld sind eines der größten diakonischen Unternehmen Europas. In den Einrichtungen in acht Bundesländern sind rund 24.000 Mitarbeitende tätig. Das Spektrum reicht von Jugendhilfe, Behindertenhilfe, Wohnungslosenhilfe und Altenhilfe bis zu Akutkrankenhäusern. Standorte sind in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Ursprung des diakonischen Unternehmens ist die „Rheinisch-Westfälische Anstalt für Epileptische“, die 1867 von Kaufleuten der Stadt und der Inneren Mission in Bielefeld ins Leben gerufen wurde. Maßgeblich geprägt wurde die Einrichtung von Friedrich von Bodelschwingh (1831-1910), der 1872 die Leitung übernahm. Er gab den Anstalten den biblischen Namen „Bethel“ (Haus Gottes).
Bochum (epd). Studentinnen und Studenten der Sozialen Arbeit an der Evangelischen Hochschule Bochum (EvH Bochum) können ab dem Sommersemester 2025 von einem Programm profitieren, das in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Bochum entstanden ist. Das sogenannte BA-Förderstudium richtet sich insbesondere an Studenten im ersten und zweiten Semester des Bachelorstudiengangs „Soziale Arbeit“, wie die Hochschule mitteilte. Ziel der Kooperation ist es, Studenten eine Kombination aus wissenschaftlichem Studium und praxisnaher Ausbildung in der Bundesagentur zu bieten.
Ein Vorteil des BA-Förderstudiums sei die finanzielle Unterstützung während der gesamten Studienzeit. Studenten erhalten 880 Euro brutto monatlich während der Studienphase sowie 2.097 Euro brutto monatlich während der Praxisphasen. Hinzu kommen finanzielle Leistungen wie Jahressonderzahlungen, Pauschalen für Reisekosten, Trennungsgeld und gegebenenfalls Übernachtungskosten.
Die Bundesagentur für Arbeit stellt Praktikumsplätze in ihren Einrichtungen bereit, um den geförderten Studenten praxisorientierte Erfahrungen während der vorlesungsfreien Zeiten und im Praktikum zu ermöglichen. Nach erfolgreichem Abschluss des Bachelorstudiums bietet die Bundesagentur den Angaben zufolge eine garantierte Anstellung für mindestens 24 Monate. Darüber hinaus bestehen Übernahmechancen in der Behörde.
Düsseldorf (epd). Mit dem Projekt „health4care“ wollen die Barmer und das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) Maßnahmen der Prävention und Gesundheit in der Pflege erproben. Dafür werden ambulante Pflegedienste und Tagespflegeeinrichtungen aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gesucht, wie die Versicherung und das Institut am 8. Januar in Düsseldorf mitteilten. Mit dem Projekt sollen etwa Arbeits- und Lebensbedingungen vermindert werden, die die Gesundheit der Pflegenden und Pflegebedürftigen belasten.
„Der Krankenstand ist im Pflegebereich deutlich höher als in anderen Berufsfeldern“, erklärte der Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW, João Rodrigues. Mit dem Projekt solle der Kreislauf von Personalmangel durchbrochen werden. Dabei stehe die Gesundheit der Mitarbeitenden ebenso im Fokus, wie die der Menschen mit Pflegebedarf und ihrer Angehörigen.
Grundlage ist ein modulares Schulungskonzept, das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegedienste und -einrichtungen in ihrer eigenen Gesundheit und Gesundheitskompetenz stärken soll, wie es hieß. Zusätzlich würden betriebsintern sogenannte Gesundheits-Coaches ausgebildet. „Diese geben ihr Wissen an die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen weiter“, erklärte Frank Weidner, Projektleiter und geschäftsführender Vorstand des DIP. Mit dem Modellvorhaben sollen so Ansätze der betrieblichen Gesundheitsförderung mit präventiven Maßnahmen in Pflegeeinrichtungen kombiniert werden.
Das Projekt ist bereits Ende 2023 gestartet. Zunächst wurden Maßnahmen zur Gesundheitsförderung entwickelt. Nun beginnt die zweijährige aktive Erprobungsphase in acht Einrichtungen in NRW und Rheinland-Pfalz. Bewerbungen dafür sind bis 23. Februar möglich. Ab Mitte 2027 sollen die Ergebnisse ausgewertet werden.
Berlin/Köln (epd). Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat den Vorschlag von Allianz-Chef Oliver Bäte zurückgewiesen, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für den ersten Tag zu streichen. „Wer krank gemeldete Beschäftigte unter den Generalverdacht des Blaumachens stellt, hat ein verzerrtes Bild von den arbeitenden Menschen in diesem Land“, sagte er dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (9. Januar). „Die Deutschen sind keine Drückeberger und Faulenzer.“ DGB-Chefin Yasmin Fahimi nannte den Vorstoß Bätes „unangemessen und unverschämt“.
Heil betonte, dass es mit der SPD bei der Lohnfortzahlung keine Einschränkungen geben werde. Besonders Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen würden unter einer Wiedereinführung des sogenannten Karenztages leiden, warnte er. „Es würde die Menschen hart treffen, die tatsächlich krank sind und die einen geringen Lohn haben, vor allem Frauen“, sagte der Sozialdemokrat. „Deshalb ist das der falsche Weg.“
Wenn Einzelne das System ausnutzten, müsse man gezielt dagegen vorgehen, fügte der Minister hinzu. „Ich habe kein Verständnis für Blaumacher“, betonte er. Aber es gebe genügend Instrumente, um mit Verdachtsfällen umzugehen. „Ein Arbeitgeber, der den Verdacht hat, dass jemand blau macht, kann auch ab dem ersten Tag das Vorlegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen“, sagte Heil. „Wer beim Blaumachen erwischt wird, muss außerdem mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.“
Angesichts hoher Krankenstände hatte sich Allianz-Chef Bäte in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ für die Wiedereinführung des in den 70er Jahren abgeschafften Karenztages ausgesprochen. DGB-Chefin Fahimi erklärte dazu, einige Arbeitgeber-Vertreter betrieben eine Form der Misstrauenskultur, die jeder Grundlage entbehre. Letztlich handele es sich um den Versuch, tarifliche und sozialrechtliche Errungenschaften abzubauen, sagte sie am Donnerstagmorgen im Deutschlandfunk. Ziel sei es, durch die Hintertür Lohnkosten zu sparen.
Düsseldorf (epd). Der Landtag von Nordrhein-Westfalen zeichnet auch in diesem Jahr wieder herausragendes gesellschaftliches Engagement im Ehrenamt aus. Für die diesjährige Ehrenamtsmedaille, die insgesamt mit 15.000 Euro dotiert ist, können bis 15. Mai Vorschläge zu Einzelpersonen oder Gruppen eingereicht werden, wie der Landtag am 8. Januar in Düsseldorf ankündigte. Die Preisträger erhalten jeweils ein zweckgebundenes Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro.
Mittlerweile engagierten sich knapp neun Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen in ihrer Freizeit freiwillig und unentgeltlich, erklärte Landtagspräsident André Kuper (CDU). „Ihre Leistung verdient Anerkennung und Ehrung.“ Im vergangenen Jahr wurden unter anderem Initiativen und Vereine aus der Jugend- und Behindertenhilfe, dem Dorfleben und eine Schülervertretung ausgezeichnet.
Bonn (epd). Anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens hat die Deutsche Krebshilfe an ihrer Geschäftsstelle in Bonn eine Mildred-Scheel-Stele enthüllt. Das von der in Chile geborenen und in Deutschland lebenden Bilderhauerin Maria J. Fernandez geschaffene Kunstwerk besteht aus Bronze und Stahl und ist drei Meter hoch, wie die Krebshilfe am 7. Januar mitteilte. Die Stele ist eine Würdigung für die Arbeit und das Engagement der Ärztin Mildred Scheel, die die Organisation im Jahr 1974 als Bürgerbewegung gegen den Krebs gegründet hatte.
Mit der Stele sei ein „außergewöhnliches Kunstwerk anlässlich unseres 50-jährigen Bestehens“ geschaffen worden, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krebshilfe, Franz Kohlhuber. Das Denkmal besteht aus einem freistehenden monolithischen Pfeiler, auf dem sich eine Bronze-Tafel mit dem Porträt-Relief von Mildred Scheel befindet. Darauf ist als Inschrift ihr Leitsatz zu lesen: „Die Bekämpfung der Krebskrankheiten ist nicht nur eine Herausforderung an die Medizin. Sie ist eine der großen, uns allen gestellten Aufgaben dieses Jahrhunderts. Wir sollten danach handeln.“
Dresden, Berlin (epd). Mit der richtigen Atemtechnik kann der menschliche Körper zu einem großen Klangraum werden: Die Stimme ist das angeborene Instrument des Menschen - und extrem vielseitig. Sprechen, flüstern, singen oder schreien, all das ist möglich. Grund genug für Landesmusikräte in Deutschland, die Stimme 2025 zum „Instrument des Jahres“ zu erklären.
Die Dresdner Opernsängerin Christa Mayer war überrascht und erfreut über die Entscheidung: „Die Stimme ist unser Instrument, auch wenn sie ein kleiner Muskel in der Kehle ist“, sagt sie. „Klar, Instrumentenbauer gibt es bei uns nicht. Man könnte fast sagen, der liebe Gott hat die Stimme gemacht.“
Die Ernennung der Stimme zum Instrument des Jahres 2025 könne vielleicht auch helfen, Menschen zum Singen zu inspirieren, sagt Mayer, die Ensemblemitglied der Semperoper Dresden und „Sächsische Kammersängerin“ ist. Gefeiert wird sie unter anderem für ihre Wagner-Interpretationen.
Dem Leiter des Dresdner Kreuzchores, Martin Lehmann, ist das „Gesamtklangerlebnis“ wichtig. Dafür brauche es neben der Kunstfertigkeit auch eine „emotionale Tiefe des Einzelnen“. Er versuche daher oft, „mit Bildern oder anderen emotionalen Weckrufen den persönlichen Ausdruck jedes Sängers aus dem Innersten herauszulocken“, sagt Lehmann. „Wir erleben bei allen Aufführungen, egal ob im liturgischen oder konzertanten Rahmen, dass wir von den Menschen gesucht werden.“ Die unmittelbare Nähe einer singenden Knabenstimme sei „so authentisch, dass wir damit das Innerste der Menschen erreichen können“, ist er überzeugt.
Für den Gebrauch der Stimme muss das Zusammenspiel aus Muskeln, Stimmlippen und Knorpel im Kehlkopf trainiert werden. Einer, der sich damit bestens auskennt, ist Dirk Mürbe. Der Medizinprofessor und Phoniater (Experte für Stimmheilkunde) an der Berliner Charité betont die vielfältigen Facetten des menschlichen Instruments: Die Stimme sei nicht allein zum Musizieren da, sondern auch das entscheidende Kommunikationsinstrument und eines der wichtigsten Merkmale einer Persönlichkeit.
Mit der natürlichen Funktionsweise stehe hinter jeder Stimme eine gewisse Logik, sagt Mürbe, der auch Gesang studiert hat. Bei Profis erfordere es aber vor allem auch ein Handwerk. Jeder Künstler und jede Künstlerin brauche „eine enorme Strategie und Disziplin“.
Der Sinn der Stimmforschung sei, das menschliche Instrument stabiler zu machen und eine hohe Leistungskapazität sowie Methodik und Didaktik für die Lehre und Ausbildung zu entwickeln. „Stimmprofis können wir auch zum Thema Prävention fit machen“, sagt Mürbe, „sie brauchen ein ganzheitliches Konzept“.
Als Experte für Stimm-, Sprach- und Hörstörungen kennt Mürbe zudem die Verletzlichkeit der Stimme. Sie wird etwa von Atemwegserkrankungen beeinflusst, aber auch von Überlastungen. In vielen Berufen werden hohe Stimmleistungen gefordert. Nicht nur im Theater, auch in Schulen oder Kindergärten sind die existentiell, nicht zuletzt um dort einen gewissen Lärmpegel zu überwinden. „Auch eine Kindergärtnerin muss eine stimmliche Strategie haben“, sagt Mürbe.
Um die Stimme gesund halten zu können, ist Opernsängerin Mayer zufolge „Fitness rundum gefragt“. Sie findet es zudem wichtig, „bei sich zu bleiben“ und „im guten Sinn eine Demut gegenüber dem, was man tun darf, zu entwickeln“.
Die Berliner Jazzsängerin Jocelyn B. Smith will vor allem Frauen eine hörbare Stimme geben. Deren Sicht auf die Gesellschaft sei wichtig. „Wir brauchen ihre Talente“, sagt Smith, die Berliner Schirmherrin des Jahres der Stimme ist und sich als Sängerin zwischen Jazz und Soul einordnet.
Für ihr Genre brauche es eine große Bruststimme, Ehrlichkeit, die Kraft der Natur. „Wir singen mit unserem Körper“, betont Smith. Es brauche Atemtechnik, jeder Sänger und jede Sängerin müsse aber auch die eigene Balance finden. Erst dann könne er überzeugen. Die Stimme und der Hals, durch den sie gehe, sei wie ein Messgerät.
Singen baue auch das Selbstbewusstsein auf. Wer meint, nicht singen zu können, dem rät Smith: „Such dir einen Chor und erlebe dort Freude.“ Auch Mayer betont: „Jeder kann singen.“ Sie begrüße Mitmachaktionen im öffentlichen Raum. Singen sei ein körperliches Ereignis - und es sorge in der Regel für gute Energie.
Gronau (epd). Seine zur Stachelfrisur gestylten Haare sind noch voll, seine rauchig-soulige Stimme nicht mehr ganz so kräftig, aber markant wie eh und je. Der Tourneeplan von Rod Stewart ist auch für das Jahr 2025 dicht. Eine Europa-Tour führt ihn im Mai nach Bremen und Dortmund. Auch wenn der britische Sänger am 10. Januar 80 Jahre alt wurde, nach Ruhestand sieht es noch lange nicht aus.
In den vergangenen Jahren hat Stewart, der mit „Maggie May“ 1969 seinen internationalen Durchbruch feierte, ruhigere Töne angeschlagen. Auf dem Album „Swing Fever“ vom Februar 2024 widmete er sich Big-Band-Jazz-Standards.
Er sei „gesegnet mit einer guten Stimme“, sodass er so gut wie alles singen könne, sagte er vor wenigen Jahren in einem Interview des Magazins „Der Spiegel“. Bereits in den vergangenen Jahren hatte er auf mehreren Alben („The Great American Songbook“) klassische Songs von Cole Porter oder George und Ira Gershwin neu interpretiert. Dazwischen sang er mit „Still the Same“ (2006) und „Soulbook“ (2009) Klassiker der Rock- und Soulmusik ein. Regelmäßig bestreitet er auch Shows in Las Vegas.
„Kaum ein anderer Künstler konnte sich über Jahrzehnte so glaubwürdig verkaufen, sich mit seiner Stimme so direkt in das Herz seiner zahllosen Fans singen“, sagte der Kurator des Gronauer „Rock’n’Popmuseum“, Thomas Mania, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein Rod Stewart singe nicht Rock, Soul oder Disco-Musik: „Rod Stewart intoniert den Rock'n'Roll und bleibt dabei schlicht er selbst.“
Neben seiner unvergleichlichen Gänsehautstimme sei seine markante Frisur untrennbar mit ihm verbunden. „Rod Stewart sieht sich als ein Entertainer, der sehr bedacht auf sein Image ist“, sagt Mania.
Bereits mit 15 Jahren habe er gewusst, dass er singen wollte, erzählte der Sänger dem „Spiegel“. Eigentlich hatte er mit einer Karriere als Profi-Fußballspieler geliebäugelt. „Singen oder Fußball spielen, diese Entscheidung überließ ich den Göttern.“ Nach einem Testspiel erhielt er dann keine Einladung eines Fußballclubs. Jetzt habe er „den besten Job der Welt und nicht die Absicht, in Rente zu gehen“, sagte Stewart, der Fan der schottischen Mannschaft „Celtic Glasgow“ ist.
Mit mehr als 250 Millionen verkauften Tonträgern rangiert der Musiker, der extravagante Kleidung und teure Autos liebt, in der Oberliga der erfolgreichen Rock- und Popstars. Im Ranking des Musikmagazins „Rolling Stone“ der 100 größten Sänger belegte er Rang 59. In die „Rock and Roll Hall of Fame“ wurde er gleich zweimal aufgenommen: als Solokünstler und als Mitglied der Band „Faces“. Die Rechte an seinen Songs soll er für 100 Millionen Dollar verkauft haben. Im Jahr 2016 wurde er zum Ritter geschlagen und darf sich seitdem „Sir“ nennen.
Geboren wurde Roderick David „Rod“ Stewart am 10. Januar 1945 in Highgate, einem Viertel von London. Er wuchs mit zwei Schwestern und zwei Brüdern auf. Der aus Schottland stammende Vater, der als Klempner arbeitete, begeisterte die Söhne schon früh für Fußball. Von seinem Vater bekam Rod auch mit 15 Jahren die erste Gitarre.
Seine erste Single nahm er mit 19 Jahren in London auf, den Blues-Klassiker „Good Morning, Little Schoolgirl“. Bekannt wurde Stewart, als er bei der „Jeff Beck Group“ und später bei den feierfreudigen „Faces“ anheuerte. In beiden Bands spielte er mit dem späteren Stones-Gitarristen Ron Wood zusammen, mit dem er heute noch befreundet ist.
Zum Megastar wurde Stewart aber erst als Solokünstler ab Mitte der 1970er Jahre. Egal, ob er Rock, Pop, Disco oder seichte Balladen sang, der Entertainer füllte mit seiner Stimme und einer energiegeladenen Bühnenshow die größten Stadien. „Sailing“, „Da Ya Think I'm Sexy?“, oder „Baby Jane“ wurden Welthits. Für den Mantel-und-Degen-Film „Die drei Musketiere“ (1993) mit Charlie Sheen und Kiefer Sutherland „kreuzte“ Stewart mit Sting und Bryan Adams die Stimmen zum Mega-Hit „All For Love“.
Inzwischen hat er seinen Wohnsitz aus Beverly Hills in Kalifornien wieder nach England verlegt, nach Epping in der Grafschaft Essex. Dort lebt Stewart mit seiner dritten Ehefrau Penny Lancaster, mit der zwei Söhne hat. Auch wenn er sich auf seinem Anwesen mit einer riesigen Modelleisenbahn-Anlage einer weiteren lebenslangen Leidenschaft widmet: Ein Ende der Musikkarriere ist nicht in Sicht.
„An Aufhören denke ich erst, wenn die Leute keine Tickets mehr kaufen“, sagte er 2024 der „Süddeutschen Zeitung“. „Dass ich in meinem Alter noch so viel arbeiten kann - ich bin ein verdammter Glückspilz“, erklärt Stewart, der acht Kinder von fünf Frauen hat und inzwischen Großvater ist.
„Rod Stewart ist eben Rod Stewart, und genau dafür liebt ihn die Welt auch immer noch mit 80 Jahren“, sagt der Kurator des „Rock'n'Popmuseums. “Wenn er denn mal von uns gehen sollte, wird der Rock'n'Roll einen sympathischen Protagonisten und ein ganz gewaltiges Stück seiner Authentizität verlieren."
Hamburg (epd). Jeder sechste Mensch in Deutschland liest keine Bücher. Das geht aus einer am 7. Januar vorgestellten repräsentativen Umfrage hervor, die im Auftrag des Hamburger Onlinehändlers Galaxus erstellt wurde. Demnach kommen 33,2 Prozent der Befragten auf ein bis drei gelesene Bücher im Jahr. Nur die Hälfte möchte künftig mehr lesen, das ist laut Untersuchung der niedrigste Wert im europäischen Vergleich.
Dagegen nutzen Deutsche vergleichsweise häufig eBooks (19 Prozent) und Hörbücher (11 Prozent). Befragt wurden mehr als 5.000 repräsentativ ausgewählte Personen in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und in der Schweiz.
Die meisten Bücherwürmer gibt es anteilsmäßig in der Schweiz: Hier liest jede zweite Person mindestens vier Bücher pro Jahr, jede vierte sogar zehn oder mehr. Diesen Titel als „Lese-Europameister“ verdankt das Land seiner lesefreudigen weiblichen Bevölkerung: Zwei von drei Frauen in der Schweiz lesen jährlich mindestens vier Bücher.
In fast allen befragten Ländern sind Romane das beliebteste Buch-Genre, gefolgt von Krimis und Thrillern, wie es hieß. Eine Ausnahme ist Italien, wo Krimis und Thriller am beliebtesten sind. In Österreich und in der Schweiz werden überdurchschnittlich viele Sachbücher konsumiert, während in Deutschland und Italien Fantasy-Bücher wie „Der Herr der Ringe“ beliebter sind.
Brüssel (epd).
Was plant Meta, der Mutterkonzern von Facebook und Instagram?
Meta-Chef Mark Zuckerberg hat für die USA die Abschaffung von Faktenchecks bei Instagram und Facebook angekündigt sowie eine Zusammenarbeit mit dem künftigen Präsidenten Donald Trump. In einem am Dienstag bei Instagram veröffentlichten Video sagte der Tech-Milliardär, dass Regierungen und klassische Medien aus politischen Gründen zu immer mehr Zensur gedrängt hätten. Konkret sollen unter anderem und ähnlich wie beim Kurznachrichtendienst X, Fakten-Checks durch sogenannte Community-Notes ersetzt werden.
Wie reagiert die Europäische Union (EU) auf diese Ankündigung?
Metas Kehrtwende betrifft bislang nur die Vereinigten Staaten. Die EU-Kommission warnte den Facebook-Konzern jedoch davor, Faktenchecks auch in der EU zu beenden.
Welche Regulierungsinstrumente hat die EU im Umgang mit Desinformation und illegalen Inhalten?
In der EU legt der Digital Services Act (DSA) klare Regeln für soziale Plattformen im Umgang mit Desinformation und illegalen Inhalten fest. Demnach müssen diese zum Beispiel Mechanismen einrichten, um illegale Inhalte zügig zu identifizieren und zu entfernen. In Deutschland wurde etwa die Meldestelle „Respect“ der Stiftung zur Förderung der Jugend in Baden-Württemberg von der Bundesnetzagentur als „Trusted Flagger“ zugelassen, um Hassreden und Fake News zu bekämpfen. Sollten Plattformen die Vorgaben des DSA nicht einhalten, drohen ihnen hohe Strafen.
Welche Maßnahmen kann die EU im Rahmen des DSA konkret ergreifen?
Die EU kann Untersuchungen einleiten, um zu prüfen, ob Meta die im DSA festgelegten Verpflichtungen einhält. Dazu können Audits und die Anforderung von Informationen gehören. Falls Meta den DSA nicht einhält, kann die EU empfindliche Geldstrafen verhängen. Diese können bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens betragen. Bei Meta wäre das eine hohe Summe, da das Unternehmen Milliardenumsätze erzielt.
Die EU kann Meta außerdem verpflichten, spezifische Geschäftsprozesse zu ändern, um die Einhaltung der DSA-Vorgaben sicherzustellen. Dazu können Änderungen an den Mechanismen zur Moderation von Inhalten und zur Bekämpfung von Desinformation gehören. Sollte Meta trotz Auflagen und Bußgeldern weiterhin nicht kooperieren, kann die EU noch drastischere Maßnahmen ergreifen, beispielsweise die Einschränkung oder Sperrung von Dienstleistungen in der EU. Die EU kann auch nationale Behörden ermächtigen, weitere rechtliche Schritte gegen Meta einzuleiten, was zu gerichtlichen Verfahren führen könnte.
Wie sicher ist es, dass die EU diese Maßnahmen durchsetzt?
Die EU betont, den DSA streng anwenden zu wollen, nötigenfalls auch Geldstrafen zu verhängen. Der politische Druck aus den USA auf den DSA wächst allerdings. Besonders Elon Musk sieht das Regelwerk kritisch. Die EU-Kommission wirft Musks Plattform X vor, gegen europäische Vorgaben zu verstoßen. Mehrere Verfahren laufen bereits. Musk wirft der Kommission Zensur vor. Auch Zuckerberg beschuldigt die EU, Zensur zu institutionalisieren. Er kündigte zudem an, gemeinsam mit der neuen US-Regierung gegen Regierungen vorzugehen, die vermeintlich Zensur ausweiten. Dabei verwies er explizit auf die EU. Trump könnte den Druck auf die EU daher erhöhen, die DSA-Vorgaben zu lockern.
Hamburg (epd). Die „Tagesschau“ und die ARD-Landesrundfunkanstalten verstärken ihre Bemühungen im Kampf gegen Falschinformationen auf Social-Media-Plattformen. Die Entscheidung folge auf die Ankündigung des US-Konzerns Meta, die Zusammenarbeit mit Faktencheckern auf den Plattformen des Unternehmens - zunächst in den USA - abzuschaffen, teilte der Norddeutsche Rundfunk (NDR) in Hamburg mit. Die „Tagesschau“ werde ihre Kapazitäten zum Faktenprüfen bis Jahresende deutlich steigern. Eine NDR-Sprecherin sagte am 9. Januar auf Nachfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), das umfasse die Bereiche „Verifikation und Faktenfinder“.
Insgesamt seien für den NDR und die Gemeinschaftsredaktion ARD-aktuell derzeit sieben Mitarbeitende für Faktencheck und Verifikation im Einsatz - „hier soll es bis Ende des Jahres eine deutliche Verstärkung geben“, sagte die Sprecherin.
„Falschinformationen gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, erklärte Marcus Bornheim, Erster Chefredakteur von ARD-aktuell. Die beim NDR in Hamburg angesiedelte Redaktion produziert die „Tagesschau“. Als „Tagesschau“ sei es „gemeinsam mit der ARD unsere Aufgabe, die Gesellschaft mit verlässlichen Informationen zu stärken“, sagte Bornheim. Dazu gehöre es in diesen Zeiten mehr denn je, Desinformation und durch Künstliche Intelligenz (KI) erzeugte Fake-Inhalte zu erkennen und zu entlarven.
Für die kommenden Monate kündigte die NDR-Sprecherin die Prüfung möglicher Kooperationen zwischen ARD-aktuell und dem Programmbereich Information des NDR im Bereich Faktencheck und Verifikation an. Bei ARD-aktuell würden Kolleginnen und Kollegen etwa „an der forensischen Prüfung von Bild-, Video- und Audiomaterial“ arbeiten, „um die Echtheit zu verifizieren“. Ein spezialisiertes „Faktenfinder“-Team bei ARD-aktuell decke kontinuierlich Desinformation auf. Die Ergebnisse würden in Form aktueller Artikel auf tagesschau.de aufbereitet.
Laut NDR sehen ARD und Landesrundfunkanstalten die grundsätzliche Verantwortung für die Eindämmung von Falschinformationen und KI-manipulierten Medien weiterhin bei den Plattformbetreibern und den Regulierungsbehörden auf nationaler und europäischer Ebene. „Die verstärkten Anstrengungen der öffentlich-rechtlichen Sender können und sollen diese Verantwortung nicht ersetzen“, schrieb der NDR.
Meta-Chef Mark Zuckerberg hatte am 7. Januar Veränderungen für seine Plattformen Facebook und Instagram und eine engere Zusammenarbeit mit dem gewählten US-Präsidenten Donald Trump angekündigt. Unter anderem werde - zunächst in den USA - die Zusammenarbeit mit externen Faktenprüfern beendet. Künftig könnten Nutzer falsche oder irreführende Aussagen kennzeichnen.
Meta setzt seit einigen Jahren auf ein Faktencheck-System, das unabhängige Organisationen in unterschiedlichen Ländern einbindet. Partner in Deutschland sind die Deutsche Presse-Agentur und das gemeinnützige Recherchenetzwerk Correctiv.
Düsseldorf/Saarbrücken (epd). Aus Protest gegen die zunehmende Radikalisierung des Diskurses auf X (ehemals Twitter) haben mehr als 60 deutsche Hochschulen und Forschungsinstitutionen ihren Abschied von der Social-Media-Plattform angekündigt. Der Rückzug von X sei Folge der fehlenden Vereinbarkeit der aktuellen Ausrichtung der Plattform mit den Grundwerten der beteiligten Institutionen wie Weltoffenheit, wissenschaftliche Integrität, Transparenz und demokratischer Diskurs, teilte die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf am 10. Januar mit.
Die Veränderungen der Plattform X - von der algorithmischen Verstärkung rechtspopulistischer Inhalte bis zur Einschränkung organischer Reichweite - machten eine weitere Nutzung für die beteiligten Organisationen unvertretbar, hieß es. Der Austritt der Institutionen unterstreiche „ihren Einsatz für eine faktenbasierte Kommunikation und gegen antidemokratische Kräfte. Die Werte, die Vielfalt, Freiheit und Wissenschaft fördern, sind auf der Plattform nicht mehr gegeben.“
Aus Nordrhein-Westfalen haben unter anderem die Deutsche Sporthochschule Köln, die Fern-Universität in Hagen, die Universitäten in Düsseldorf, Duisburg-Essen, Münster und Siegen, die Kirchliche Hochschule Wuppertal, die Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen sowie die RWTH Aachen die Erklärung unterzeichnet und ihren Rückzug von X angekündigt. Auch die Universität des Saarlandes beteiligt sich an dem bundesweiten Bündnis.
Die jetzt verkündete Entscheidung betrifft den Angaben zufolge ausschließlich die X-Accounts der beteiligten Institutionen und nicht ihre Kommunikation über andere Social-Media-Kanäle. Im Lichte der jüngsten Ereignisse werde man die Entwicklung der Plattformen und ihrer Algorithmen aber weiter aufmerksam beobachten, erklärte die Universität in Düsseldorf. Hintergrund ist, dass mittlerweile auch der Meta-Konzern angekündigt hat, in den USA seine Faktenchecks auf Plattformen wie Facebook oder Instagram einzustellen.
Berlin (epd). Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) haben an den Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo vor zehn Jahren erinnert. Scholz schrieb am 7. Januar im Kurznachrichtendienst X: „Wir fühlen heute wie damals mit unseren französischen Freunden. Der Angriff galt unseren gemeinsamen Werten von Freiheit und Demokratie - das akzeptieren wir niemals.“
Roth teilte mit, dass der Angriff „ein Anschlag auf die Pressefreiheit, ein Anschlag auf die Kunstfreiheit, ein Anschlag auf die Freiheit von Satire und Karikaturen, ein Anschlag auf uns alle“ gewesen sei. Die Solidaritätsbekundung „Je suis Charlie“ (deutsch: „Ich bin Charlie“) gelte demnach mehr denn je.
Bei dem Anschlag auf Charlie Hebdo waren am 7. Januar 2015 zwölf Menschen von islamistischen Attentätern ermordet worden. Zuvor hatte das französische Magazin islamkritische Karikaturen über den Propheten Mohammed und seine Anhänger veröffentlicht. Die Anschlagsserie rund um das Attentat sorgte für internationales Entsetzen. Zehntausende Menschen gingen in Paris auf die Straße.
„Die Erinnerung an diesen furchtbaren Anschlag mahnt uns, wie überlebenswichtig die Freiheit der Presse, der Kunst, der Möglichkeit von Satire und Karikatur für unsere Demokratien in Europa sind“, sagte Roth. „Nicht vergessen dürfen wir auch den furchtbaren antisemitischen Anschlag kurz danach auf den jüdischen Supermarkt Hyper Cacher in Paris. Auch der Kampf gegen Antisemitismus ist leider gerade aktueller denn je.“
Ein mit den Angreifern von Charlie Hebdo befreundeter Islamist nahm in dem Supermarkt am 9. Januar 2015 Geiseln und tötete vier von ihnen, zuvor ermordete er bereits eine Polizistin.
Oberhausen (epd). Jesus Christus am Kreuz mit ausgestrecktem Arm, um ein Selfie von sich zu machen: „C.D.F. Cheese! Hier kommt das Vögelchen“ - das ist eins der teils drastischen religionskritischen Motive, die in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zu sehen sind. Zum 10. Jahrestag des tödlichen islamistischen Attentats auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris am 7. Januar 2015 zeigt das Museum in seinem Licht durchfluteten Foyer eine Auswahl an satirischen Zeichnungen unter dem Titel „Charlie Hebdo. Die Freiheit der Kunst - Zehn Jahre nach 'Je suis Charlie'“. Die Schau ist bis zum 2. Februar zu sehen.
Mit der Präsentation ausgewählter Werke zeitgenössischer Karikaturistinnen und Karikaturisten gehe es darum, ein Zeichen für die Freiheit der Kunst zu setzen, betonte die Direktorin der Ludwiggalerie, Christine Vogt. Der 7. Januar, an dem zwölf Mitglieder der Redaktion von Islamisten ermordet wurden, darunter fünf prominente Karikaturisten und der Herausgeber, sei „ein schreckliches Jubiläum“. Vogt erinnerte daran, dass damals weltweit Millionen Menschen unter dem Motto „Je suis Charlie“ („Ich bin Charlie“) an Solidaritätskundgebungen teilgenommen hätten. Die Karikaturenschau zeige, dass der Versuch gescheitert sei, „Satire umzubringen und niederzuschießen“.
Satire ist lebendig, vielfältig und provokativ, wie die Auswahl an Werken in Oberhausen zeigt. Prominent platziert ist eine Miniskulptur des bekannten Kölner Karnevalswagenbauers Jacques Tilly aus dem 3D-Drucker. Es zeigt die Büste eines katholischen Bischofs, dem die Mitra auf dem Kopf zum Penis mutiert ist. Daneben eine Vitrine mit Originalzeichnungen unterschiedlicher Künstler. Etwa eine grotesk anmutende Fußballmannschaft, lauter Frauen wie hölzerne Puppen in schwarzer Burka, oder drei grimmige, schwer bewaffnete Mudschaheddin: „Wir würden uns mit Karikaturen rächen, aber wir können nicht malen!“ Religionskritik geht hier in alle Richtungen, und auch das eigene künstlerische Schaffen angesichts allgegenwärtiger Kritik und Bedrohung seit dem Attentat ist ein Thema.
Per Monitor etwa werden Karikaturen von 20 teils namhaften Künstlerinnen und Künstlern wie Peter Gaymann, Tetsche oder Franziska Becker gezeigt. Darunter auch eine Schreibfeder, die in einem bizarren „Schusswechsel“ wie ein Pfeil abwehrend auf ein Maschinengewehr gerichtet ist, von Waldemar Mandzel. Oder eine Zeichnung von Michael Holtschulte, der einen Künstler ratlos vor ein leeres, tiefschwarzes Papier gesetzt hat.
Der Anschlag von Paris 2015 habe das satirische Werk der letzten Jahre insgesamt beeinflusst, erklärt Kuratorin Leonie Neidert. Sie ist mitverantwortlich für die Schau, die auf ein Kooperationsprojekt der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen mit dem Wilhelm Busch Museum Hannover, dem Caricatura Museum Frankfurt, der Caricatura Galerie Kassel, dem schauraum: comic + cartoon Dortmund und der Cartoonlobby e.V. zurückgeht.
Auf den zuvor ausgeschriebenen Wettbewerb sind demzufolge mehr als 150 Arbeiten eingegangen, jede der beteiligten Einrichtungen zeigt eine Auswahl. Zwei der Grafiken in Oberhausen sind auch im internationalen Wettbewerb #Mocking God (Gott verspotten), den die Charlie-Hebdo-Redaktion selbst ausgeschrieben hatte.
Recklinghausen, Köln (epd). Den Anfang des Ausstellungsreigens über Religion und Rituale in der Kunst macht das Ikonenmuseum in Recklinghausen. Ab dem 25. Januar ist dort die Schau „Icons in-between“ zu sehen. Bis zum 6. Juli widmet sich die Präsentation Kunstwerken der Ostkirche, die auf den kulturellen Austausch zwischen Ost und West vergangener Jahrhunderte blicken. Die Exponate stammen aus den Grenzregionen der ostkirchlichen Welt zwischen den Imperien der Habsburger, dem russischen Zarenreich und dem Osmanischen Reich, wie die Ausstellungsmacher erläutern. In diesen Gebieten sei es zu Begegnungen zwischen unterschiedlichen Religionen und Konfessionen gekommen, die auch die kirchliche Kunst beeinflussten.
Ikonen und Devotionalien aus der Sammlung des Hauses, Museen und Privatsammlungen zeigten die Adaption ikonografischer Vorbilder aus Westeuropa und die Einbindung „fremder“ Themen und Motive in die eigene religiöse Kunst. Gemeinsame rituelle Praktiken würden erkennbar. Als Beispiel nennen die Kuratoren etwa „die wundertätigen Ikonen der Muttergottes“, die nicht nur in der orthodoxen, sondern auch in der katholischen Kirche verehrt wurden und werden. Die Exponate stammen aus Belarus, der Ukraine, Rumänien, dem Westbalkan und aus Griechenland und umfassen die Zeit vom 15. bis zum 19. Jahrhundert.
In der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf widmet sich das Museum Kunstpalast vom 12. März bis zum 3. August der Rolle der Mutter. Dabei richtet sich der Blick nach Angaben der Kuratorinnen auf die gesellschaftlichen Erwartungen, die das Muttersein beeinflussen und die sich in Kunst, Kultur und Alltag verwurzelt haben. Gezeigt werden in der Schau mit dem Titel „Mama. Von Maria bis Merkel“ rund 120 Kunstwerke vom 14. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Neben Gemälden und Skulpturen sind auch Videos und Fotografien sowie Dinge des täglichen Gebrauchs, Musik und kommerzielle Bildwelten ausgestellt.
In Köln ist Kunst aus Kiew zu Gast. Ein Jahr, vom 2. April 2025 bis zum 12. April 2026, zeigt das Museum Schnütgen für mittelalterliche Kunst die Ausstellung „Licht in dunklen Zeiten“. Mittelalterliche Glasmalerei aus dem Chanenko Museum in der ukrainischen Hauptstadt Kiew soll in einen Dialog mit hauseigenen Beständen treten, wie das Museum erklärte. Die Präsentation der Kiewer Bestände bedeute zudem die vorübergehende Sicherung der ukrainischen Exponate vor Beschädigung und Zerstörung durch den russischen Angriffskrieg. Das Museum in Kiew wurde durch die Bombardierungen erheblich beschädigt. Es sei froh, die wertvollen und empfindlichen Glasmalereien erstmals außerhalb der Ukraine zeigen zu können, hieß es.
Ebenfalls in Köln präsentiert das Museum für Ostasiatische Kunst ab dem 17. Mai bis Juli die Ausstellung „Buddhistische Rituale in Korea“. Gezeigt werden Ritualobjekte und Kunstgegenstände, die mit historischen Praktiken und zeremoniellen Riten des Buddhismus in Korea in Verbindung stehen, darunter Goryeo- und Joseon-zeitliche Malereien und Skulpturen, Bronzen, Keramiken und Lacke. Ein Highlight werde die Ritualzeremonie zur Weihung buddhistischer Gottheiten sein, die von zehn buddhistischen Mönchen aus Südkorea unter Leitung eines Meisters am Tag der Ausstellungseröffnung (17. Mai) durchgeführt wird, kündigte das Museum an. Die Zeremonie gewähre Ausstellungsbesuchern einen Zugang zu lebendigen Traditionen und spirituellen Praktiken, die in der koreanischen Kultur verwurzelt seien, hieß es.
Schließlich zeigt das Kölner Museum Schnütgen vom 30. Oktober bis zum 12. April 2026 das Arenberg-Psalter-Brevier. Diese Handschrift aus dem Jahr 1300 ist nach Angaben der Ausstellungsmacher ein herausragendes Beispiel der französischen Gotik und ein bedeutendes Werk der Buchmalerei, das einen bleibenden Einfluss auf die Kölner Kunst ausübte. Eindrucksvoll seien die kunstvoll gestalteten Zierseiten, bei denen große Anfangsbuchstaben mit figürlichen Darstellungen gefüllt sind, kündigte das Museum an. Rankenmotive zeigten fantasievolle Szenen aus dem Alltagsleben des Mittelalters und gewährten Einblicke in die damalige Lebenswelt.
Bonn, Berlin (epd). Das Beethoven-Haus in Bonn erwirbt das einzige Originalmanuskript des vierten Satzes von Beethovens Streichquartett opus 130. Im Rahmen eines Festaktes wurde das Manuskript des 1825 komponierten Streichquartetts am 7. Januar in Bonn übergeben, wie die Kulturstiftung der Länder in Berlin mitteilte. Öffentliche und private Förderer hatten die Neuerwerbung des Manuskripts, das vor 200 Jahren verfasst wurde, ermöglicht. Zum Kaufpreis wurden keine Angaben gemacht.
Im Beethoven-Haus mit Geburtszimmer des Komponisten vervollständigt das Manuskript die Sammlung, die über den international größten und vielseitigsten Bestand an „Beethoveniana“ verfügt. „Wir sind sehr glücklich, dass wir die letzte bekannte große Beethoven-Handschrift, die sich noch in Privatbesitz befand, für unsere Sammlung erwerben konnten“, erklärte der Geiger Daniel Hope, der auch Präsident des Beethoven-Hauses ist. Das Manuskript sei „die einzige handschriftliche Quelle Beethovens zu dem Satz, die leider jahrzehntelang unter Verschluss war“.
An dem Ankauf des Manuskripts waren neben privaten Unterstützern unter anderem die Kulturstiftung der Länder, das Land NRW und die Stiftung Beethoven-Haus beteiligt. Der Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, Markus Hilgert, bezeichnete das Originalmanuskript von Ludwig van Beethoven als „bedeutendes Kulturerbe der Menschheit“, das nun erforscht werden könne. NRW-Kulturministerin Ina Brandes (CDU) verwies auf die „Verantwortung, die Musikhandschrift der Öffentlichkeit zu zeigen und Forscherinnen und Forschern auf der ganzen Welt zugänglich zu machen.“
Die Handschrift hatte sich den Angaben nach seit den 1920er Jahren in den Händen der jüdischen Familie Petschek in Aussig (Tschechien) befunden, die wegen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten 1938 ihre Heimat verlassen musste. Ihr Mobiliar, ihre Wertgegenstände und ihre Kunstsammlung wurden von den NS-Behörden beschlagnahmt. Dem Leiter der Musiksammlung des Mährischen Museums in Brünn gelang es jedoch, die Handschrift für sein Museum zu sichern und vor dem Zugriff der Nazis zu bewahren.
Als die Familie Petschek die Handschrift nach dem Krieg zurückforderte, verweigerte die kommunistische Regierung der damaligen Tschechoslowakei die Herausgabe. 2022 erfolgte die Restitution an die Nachkommen Petscheks, die sich Ende 2024 bereit erklärten, die Handschrift an das Beethoven-Haus zu verkaufen und so dauerhaft der Öffentlichkeit und Forschung zugänglich zu machen.
Die Handschrift soll im Beethoven-Haus wissenschaftlich erschlossen und online zugänglich sein. Von Juni bis August dieses Jahres ist sie Thema einer Sonderausstellung und am 17. Dezember Gegenstand des traditionellen Tauftagskonzertes im Beethoven-Haus.
Wuppertal (epd). Das Von der Heydt-Museum in Wuppertal beschäftigt sich in einer neuen Ausstellung mit seiner eigenen Geschichte. Die Schau „Museum A - Z: Von Anfang bis Zukunft“ sei auch als „Vorlauf“ für das 2027 anstehende 125-jährige Jubiläum des Hauses gedacht, erläuterte Museumsdirektor Roland Mönig am 9. Januar in Wuppertal. Dabei richtet sich der Blick unter anderem auf die Aufgaben eines Museums, wie etwa das Sammeln und Bewahren. Die Ausstellung im Zwischengeschoss ist ab Samstag für zwei Jahre zu sehen.
Im Zentrum der mit 80 Exponaten übersichtlich gehaltenen Schau stehen neben der Geschichte des Hauses auch der Blick auf die Vielfalt der Sammlung und die Präsentation selten gezeigter Stücke, wie es hieß. Der Bankier und Gründungsvater des Museums, Eduard von der Heydt (1882 - 1964), galt zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten Sammler ostasiatischer Kunst. Darunter seien auch Textilien aus Indonesien, die er dem Museum vermachte. Ein kleiner Teil davon ist nun zu sehen. „Sein Ziel war es, die Textilstadt Wuppertal mit außereuropäischen Traditionen der Textilkunst zu verbinden“, erklärte Mönig.
Mit der Idee, das Globale dem Lokalen gegenüberzustellen, sind benachbart Wuppertaler Stadtansichten aus dem frühen 20. Jahrhundert zu sehen - auch um zu betonen, dass seinerzeit heimische Künstler und Künstlerinnen durch Ankäufe gefördert und ihre Werke gezeigt wurden. Ausgesuchte Arbeiten der klassischen Moderne, für deren Sammlung das Museum vor allem bekannt ist, folgen in einem weiteren Raum.
Im Blick hat die Schau auch die Auseinandersetzung mit der Herkunft von Exponaten - etwa vor dem Hintergrund der NS-Zeit, als viele Kunstobjekte dem Privatbesitz jüdischer Bürger illegal entzogen und in Museen gebracht wurden. Hier geschieht dies am Beispiel des „Bildnis Felix Benjamin“. Max Liebermann porträtierte 1921 den jüdischen Geschäftsmann aus Berlin, der von den Nazis im KZ Theresienstadt ermordet wurde. Das Museum hatte das erst 2002 angekaufte Bild 2023 an die Erbeserben Benjamin zurückgegeben und dann von diesen wiedererworben.
Solingen (epd). Das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen feiert am 17. Januar sein zehnjähriges Bestehen mit einem Empfang. Die Festrede wird der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert halten, wie das Museum am 9. Januar ankündigte. Anschließend ist eine Diskussion über die Errungenschaften des vergangenen Jahrzehnts und die Visionen für die kommenden Jahre geplant. Neben dem Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) nehmen den Angaben zufolge unter anderem Hajo Jahn, Vorsitzender der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, die Antisemitismusbeauftragte des Landes NRW, Sylvia Löhrmann, und der Gründungsdirektor des Zentrums, Rolf Jessewitsch, teil.
Das Zentrum für verfolgte Künste widmet sich ausschließlich Künstlerinnen und Künstlern, die während der Diktaturen des letzten Jahrhunderts und totalitäre Regime bis in die Gegenwart hinein verfolgt und deren Werke verhindert und teils vernichtet wurden.
Kapstadt (epd). Blau, grün, rot und gelb. In schrillen Farben angemalt, gehören die Strandhäuschen aus Holz ebenso zur Kulisse Kapstadts wie der ikonische Tafelberg. Der malerische Küstenstreifen, das Flair und die gemütlichen Cafés im Vorort Muizenberg sind ein Touristenmagnet, Surfer schwärmen von den Wellen dort. Was es aber auch gibt: eine gute Internetabdeckung - und die lockt Ausländerinnen und Ausländer, die länger bleiben - digitale Nomaden.
Kapstadt hat sich zu einem beliebten Standort für solche Telearbeitende aus der ganzen Welt entwickelt. Angesprochen werden dabei vor allem Menschen, die ortsunabhängig online arbeiten und dabei den Beruf mit Reisen verbinden.
Zwölf Jahre lang war der Südafrikaner Matt Davison selbst als digitaler Nomade auf der ganzen Welt unterwegs. Immer im Gepäck: sein Laptop. Vor knapp einem Jahr aber folgte der Entschluss, wieder in die Heimat zurückzukehren und hier die Erfahrung zum Business zu machen. Er gründete das Unternehmen „Cape Co-Living“ als eine Basis für Gleichgesinnte, eine Wohngemeinschaft für digitale Nomaden. Es richtet sich speziell an die Bedürfnisse von Telearbeitenden. Dazu gehören stabiles Internet, Rückzugsmöglichkeiten, aber auch Räume für den Austausch. „Cape Co-Living“ zählt zu einer Reihe solcher Angebote, die sich in den vergangenen Jahren in Kapstadt entwickelt haben und ein zunehmend größeres Publikum anziehen.
Doch der Boom hat auch seine Kehrseiten. Mit der steigenden Nachfrage nach flexiblen Arbeitsplätzen und möblierten Unterkünften steigt nicht nur die Zahl der Laptops in den Straßencafés, sondern vor allem auch das Preisniveau. „Kapstadt ist für Südafrikanerinnen und Südafrikaner zu teuer geworden“, sagt Sara Scheler. „Sich eine Wohnung in einem der Küstenviertel zu leisten, ist für jemanden mit einem durchschnittlichen lokalen Einkommen unmöglich geworden.“ Die 32-jährige Deutsche lebt seit fünf Jahren in Südafrika und beobachtet die Entwicklungen in ihrer Wahlheimat mit Sorge.
„Es entstehen riesengroße Airbnb-Blasen, die ausschließlich von Internationalen bewohnt und besessen werden“, sagt sie mit Blick auf den weltweiten Ferienunterkunftsvermittler. „In Südafrika kann sich nämlich jeder, unabhängig von seiner Nationalität, ein Haus kaufen“, erklärt Scheler. So würden Häuser in der Innenstadt oder am Wasser für viel Geld von finanzstarken Europäerinnen und Europäern aufgekauft.
Auch Matt Davison bestätigt: „Es passiert gerade etwas Ähnliches wie in Lissabon, wo die Beliebtheit der Stadt dazu geführt hat, dass die Preise gestiegen sind und es für Einheimische vor allem auf dem Wohnungsmarkt schwierig wird mitzuhalten.“ Lokale Unternehmen profitieren zwar von den neuen, zahlungskräftigen Gästen, doch diese verderben eben auch die Preise für die Bevölkerung und nicht jeder kann sich die neue Lebensart leisten.
Dass Südafrika im Mai eigens ein „Digitale-Nomaden-Visum“ eingeführt hat, wird mit gemischten Gefühlen wahrgenommen. Das neue Visum soll es Telearbeitenden ermöglichen, bis zu 36 Monate im Land zu bleiben - statt der üblichen drei Monate, die das Touristenvisum ermöglicht. Damit ist Südafrika neben Namibia, Kap Verde, Mauritius und den Seychellen das fünfte afrikanische Land, das ein solches Visum anbietet. In der Praxis hakt es aber noch. Unklare Anforderungen und ein hoher Rückstau bei den Anträgen für bereits existierende Visa haben dazu geführt, dass Bearbeitungszeiten teils Monate dauern.
Kapstadt jedenfalls verspricht sich von dem Visum eine Stärkung des Tourismussektors, aber auch einen Anschub für lokale Unternehmen, Start-ups und Dienstleister. „Tatsächlich entwickeln sich viele Geschäftsbeziehungen, die auch über den Aufenthalt der digitalen Nomaden in Kapstadt bestehen bleiben“, sagt Antonette Benting, Unternehmensentwicklerin bei Workshop 17. Das Netzwerk von Gemeinschaftsbüros stellt Büroräume und Arbeitsplätze für Freiberufler, Start-ups und Unternehmen in ganz Südafrika zur Verfügung. Allein in Kapstadt gibt es mittlerweile drei dieser Co-Working Spaces. Ein viertes Gebäude entsteht momentan am Strand von Muizenberg.
Die Touristen-Attraktion Kapstadt ganz im Süden Afrikas entdeckt so noch ein neues Potenzial: Sie entwickelt sich immer mehr zu einer Drehscheibe für kreative Köpfe aus aller Welt.
Mexiko-Stadt (epd). Claudia Sheinbaum gibt Vollgas. Vor rund 100 Tagen hat die 62-Jährige das Präsidentenamt in Mexiko übernommen - und bereits 13 Verfassungsreformen wurden unter ihrer Regierung durch den Kongress des lateinamerikanischen Landes gebracht. 20 weitere Reformen sind für dieses Jahr geplant.
Vor allem die Rechte ärmerer Bevölkerungsteile will Sheinbaum stärken. Während in vielen Ländern der Sozialstaat unter Beschuss gerät, baut die neue Präsidentin staatliche Transferleistungen aus. Die beliebten Sozialprogramme ließ sie verfassungsrechtlich absichern, darunter eine Pension in Höhe von monatlich umgerechnet rund 150 Euro für alle Bürgerinnen und Bürger über 65. Seit Beginn des Jahres erhalten Frauen zudem schon ab 63 Jahren eine Pension, indigene Frauen sogar ab dem 60. Lebensjahr.
Die linksgerichtete Politikerin war mit dem Ziel angetreten, die unter ihrem Vorgänger und politischem Ziehvater Andrés Manuel López Obrador begonnene „Vierte Transformation“ zu vertiefen. So bezeichnete López Obrador die während seiner Amtszeit (2018 bis 2024) angestrebte Abkehr von der neoliberalen Regierungspolitik.
In der Bevölkerung macht sich Sheinbaum - die erste Frau an der Spitze Mexikos - mit ihrem Kurs beliebt. Laut einer aktuellen Umfrage der konservativen Zeitung „El Financiero“ stieg die Zustimmung für die promovierte Umweltingenieurin seit ihrem Amtsantritt am 1. Oktober im vergangenen Jahr auf 78 Prozent. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Die schwächelnde Opposition kritisiert das Tempo, mit dem viele Vorhaben durchgebracht werden. Und auch Menschenrechtsorganisationen äußern sich besorgt, etwa angesichts der im Dezember beschlossenen Ausweitung der obligatorischen Untersuchungshaft bei Wirtschafts- und Drogendelikten. „Die erweiterte Untersuchungshaft verstößt gegen die Menschenrechte“, betont das UN-Menschenrechtsbüro in Mexiko.
Der in Mexiko prominente Journalist und Politik-Analyst Julio Hernández López beobachtet eine „enorme und historische Konzentration von institutioneller Macht und Unterstützung in der Bevölkerung“. Darin sieht Hernández nicht nur eine Chance für grundlegende Veränderungen, sondern auch Risiken für die Demokratie.
Der organisierten Kriminalität, die Teile Mexikos im Würgegriff hält, will Sheinbaum verstärkt mit Polizeiarbeit beikommen. Kürzlich zog der Leiter des Sekretariats für Sicherheit und Bürgerschutz, Omar García Harfuch, eine erste Bilanz. Demnach gab es seit Oktober landesweit 6.745 Verhaftungen von mutmaßlichen Gewalttätern. Überraschend wurden auch Behördenvertreter in Süd- und Zentralmexiko festgenommen, die mit der organisierten Kriminalität verbunden sein sollen. Die härtere Gangart gegen die organisierte Kriminalität unterscheidet die neue Präsidentin von ihrem Vorgänger López Obrador. Trotzdem kehre der Drogenkrieg nicht zurück, betont Sheinbaum. Es werde weiter an der Beseitigung der strukturellen Ursachen der Gewalt wie Armut und Korruption gearbeitet.
Obwohl Sheinbaum mit Rückenwind in ihre Amtszeit gestartet ist: Der Härtetest steht ihr ab dem 20. Januar bevor, wenn in den USA Donald Trump die Präsidentschaft übernimmt. Mit dem Republikaner ziehe eine Figur aus dem diametral entgegengesetzten Spektrum mit ebenfalls außerordentlicher Machtfülle ins Weiße Haus, warnt der Analyst Hernández.
Dabei ist Mexiko nicht nur wirtschaftlich, sondern auch durch die Migrationsströme eng mit dem mächtigen Nachbarland verbunden. Laut Nationalbank überweisen die ausgewanderten Mexikanerinnen und Mexikaner jeden Monat fünf Milliarden US-Dollar in ihre Heimat, mehr als je zuvor. Seit Trump mit massenhaften Abschiebungen droht, kündigt Sheinbaum an, die 38,4 Millionen mexikanischen Migranten zu unterstützen. „Wir werden sie nicht alleine lassen“, sagte sie immer wieder.
Köln, Berlin (epd). Die Kölnerin Nahid Taghavi ist nach Angaben von Amnesty International nach rund vier Jahren aus iranischer Haft entlassen worden und befindet sich wieder in Köln. Wie die Menschenrechtsorganisation am 13. Januar in Berlin mitteilte, ist die deutsch-iranische Frauenrechtlerin am Tag zuvor sicher in Köln gelandet.
Taghavis Tochter Mariam Claren äußerte sich erleichtert. Worte reichten nicht aus, um die Freude über die Freilassung und Rückkehr ihrer Mutter zu beschreiben, sagte Claren laut Mitteilung von Amnesty International. „Gleichzeitig trauern wir um die vier Jahre, die uns geraubt wurden, und den Schrecken, den sie im Evin-Gefängnis erleben musste. “ Viele weitere gewaltlose politische Gefangene befänden sich immer noch in iranischen Gefängnissen, Hunderten drohe die Hinrichtung.
Amnesty International forderte die iranische Staatsführung auf, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit zu respektieren, willkürliche Verhaftungen und Folter im Land zu beenden sowie die Todesstrafe und Hinrichtungen abzuschaffen. „Hierfür müssen sich auch die Bundesregierung und die Staatengemeinschaft noch stärker einsetzen.“
Taghavi war den Angaben nach im Oktober 2020 bei einem Besuch in Teheran verhaftet und im August 2021 zu zehn Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt worden. Nach mehr als 1.500 Tagen in willkürlicher Haft sei Taghavi nun freigelassen worden, erklärte die Menschenrechtsorganisation, die sich seit der Festnahme für die bedingungslose Freilassung und ein Ende der Verfolgung der Kölnerin eingesetzt hatte.
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagte, dass Taghavi allein wegen der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert worden sei. „Das hätte nie passieren dürfen.“ Taghavis Geschichte stehe exemplarisch „für die vielen lauten und leisen Stimmen, die sich der repressiven Regierung im Iran entgegenstellen“.
Die Kölnerin Nahid Taghavi sei im Iran wegen angeblicher Beteiligung an einer „illegalen Gruppe“ und wegen „Propaganda gegen den Staat“ zu der rund zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden, erklärte Amnesty International und kritisierte diese Anklagen als konstruiert. In der Zeit von ihrer Verhaftung bis zur Verurteilung habe Taghavi rund sieben Monate in Isolationshaft verbracht, auf dem Boden schlafen müssen und nur mit Augenbinde für 30 Minuten am Tag an die frische Luft gehen dürfen. Ihr Gesundheitszustand habe sich erheblich verschlechtert. Amnesty verwies auf medizinische Hafturlaube Taghavis in den Jahren 2022 und 2024. Während der beiden medizinischen Hafturlaube im vergangenen Jahr habe sie eine elektronische Fußfessel tragen müssen und sich nicht weiter als 1.000 Meter von ihrer Wohnung entfernen dürfen.
Berlin (epd). Deutschland will seine Afrika-Politik neu ausrichten. Dazu verabschiedete das Bundeskabinett am 8. Januar entsprechende Leitlinien. Dem Papier zufolge entwickelt sich Afrika aufgrund seiner Wirtschaftskraft und Ressourcen sowie seiner jungen technologieaffinen Bevölkerung „immer mehr zu einem Gravitationszentrum in einer multipolaren Welt“.
Deutschland habe ein starkes politisches Interesse an einem „prosperierenden und sicheren afrikanischen Kontinent“, heißt es in dem 30-seitigen Dokument. Anders als das Strategiepapier aus dem Jahr 2019 betont die Neufassung insbesondere die Klimaaußenpolitik und die Bedeutung der afrikanischen Jugend, auch die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte findet Erwähnung.
Gleichzeitig stehen Deutschland und auch die Europäische Union dem Bericht zufolge im Wettbewerb mit anderen Akteuren. Natürlich nehme man wahr, wie Russland und China in Afrika agieren und welche Instrumente sie dort nutzten, um Einfluss zu nehmen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am 8. Januar: „Wir sind gut beraten als deutsche Bundesregierung, aber auch als Europäer, dort andere partnerschaftliche, gleichberechtigte Angebote zu machen.“
Die Bundesregierung will die afrikanischen Partner bei der Bewältigung der „Dreifachkrise aus Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung“ unterstützen, die häufig innerstaatliche Konflikte verschärft. So will Deutschland den afrikanischen Staaten unter anderem bei der Energiewende helfen, deutsche und europäische Investitionen fördern und Agrar- und Ernährungssysteme umgestalten. Zudem setzt sich die Bundesregierung für eine Reform internationaler Institutionen ein, einschließlich der Vergabe zweier ständiger Sitze im UN-Sicherheitsrat an afrikanische Staaten.
Deutschland bietet in dem Papier afrikanischen Staaten Hilfe bei der Konfliktprävention, der Terrorismusbekämpfung und der Eindämmung organisierter Kriminalität an. Im Bereich Migration strebt die Bundesregierung eine „gemeinsame Gestaltung“ an, um legale Migrationswege zu fördern und irreguläre Migration zu reduzieren. So will Deutschland gemeinsam mit den afrikanischen Staaten die Schleuserkriminalität und den Menschenhandel bekämpfen.
Die Leitlinien legen einen besonderen Fokus auf die afrikanische Jugend. „In allen afrikanischen Staaten hat eine schnell wachsende junge Bevölkerung, die in den nächsten Jahren in Führungsverantwortung kommen wird, Erwartungen in Bezug auf Sicherheit, Wohlstand, Bildung und politische Beteiligung“, heißt es darin. Demnach setzt Deutschland auf die Förderung der Zivilgesellschaft und auf die Einbindung von Jugendlichen, Frauen und marginalisierten Gruppen in politische Entscheidungsprozesse.
Die Leitlinien wurden unter Federführung des Auswärtigen Amtes unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungs-, Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Verteidigungsministerium erstellt. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Vertreter der Zivilgesellschaft waren beteiligt.
Nairobi/Maputo (epd). Der mosambikanische Oppositionspolitiker Venâncio Mondlane ist laut Medienberichten in sein Heimatland zurückgekehrt. Nach Angaben des Nachrichtenportals „O Pais“ landete Mondlane am 9. Januar am internationalen Flughafen in Mosambiks Hauptstadt Maputo. Der Zweitplatzierte bei der Präsidentschaftswahl vom 9. Oktober hatte das Land verlassen, nachdem von ihm initiierte Proteste gegen das Wahlergebnis von der Polizei brutal niedergeschlagen worden waren.
Vor Journalisten erklärte Mondlane laut „O Pais“ am Flughafen, er sei zurückgekommen, um seine Dialogbereitschaft zu zeigen. Zudem wolle er dafür sorgen, dass keine weiteren seiner Unterstützer getötet würden und er selbst wieder näher an der Protestbewegung sei.
Mondlane war bei der Wahl als unabhängiger Präsidentschaftskandidat angetreten. Laut amtlichem Ergebnis gewann der Kandidat der Regierungspartei Frelimo, Daniel Chapo, diese deutlich. Nach dem Urnengang kam es in dem südostafrikanischen Land zu Protesten. Hintergrund waren Beschwerden über Unregelmäßigkeiten im Verlauf der Wahlen. Zudem wurde einer der Anwälte von Mondlane getötet, der eine Klage gegen die Wahlergebnisse vorbereitet hatte.
Die Sicherheitskräfte waren brutal gegen die Proteste vorgegangen. Nach Angaben der mosambikanischen Wahlbeobachtungsorganisation Decide wurden 278 Menschen getötet. Für den 15. Januar ist die Amtseinführung von Chapo geplant. Mondlane hatte angekündigt, dass mit seiner Rückkehr eine neue Phase der Proteste gegen das Ergebnis beginnen werde.