sozial-Editorial

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Markus Jantzer
epd-bild/Heike Lyding

Housing First ist in anderen europäischen Ländern in der Obdachlosenhilfe längst Standard. Die Idee, Betroffenen vor anderen ergänzenden Hilfen zuerst eine Wohnung zu vermitteln, kommt in Deutschland nicht wirklich voran - obwohl es bereits mehr als 20 lokale Initiativen gibt, die beachtliche Erfolge vorweisen können. Experten sagen, der Grund dafür könnten Beharrungskräfte hinter etablierten Angeboten der abgestuften Hilfen sein.

Sie waren viele Jahre Sparmasse der Kommunen. Jetzt in der Corona-Krise werden die Gesundheitsämter dringend gebraucht - und können mangels personeller und sachlicher Ausstattung ihren Aufgaben kaum gerecht werden. Nun gibt die Bundesregierung Geld. Vom Niedergang und Aufstieg der Gesundheitsämter.

Die ersten Werkstätten für Menschen mit Behinderung haben nach gut zwei Monaten Lockdown wieder geöffnet. Auch in Wohngruppen dürfen Angehörige wieder zu Besuch kommen. Einrichtungen nähern sich behutsam der wiedergewonnen Freiheit.

Streitigkeiten um das Tragen eines muslimischen Kopftuches beschäftigen regelmäßig die Gerichte. Ein Arbeitgeber muss nach einem aktuellen Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz einer abgelehnten Stellenbewerberin eine Entschädigung wegen Diskriminierung zahlen: Er hatte in der Absage ihr Kopftuch als "Kopfschmuck" herabgesetzt.

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Markus Jantzer




sozial-Thema

Obdachlosigkeit

Housing First: Wohnen ist ein Menschenrecht




Corinna Müncho leitet "Housing First Berlin".
epd-bild/Christian Ditsch
Housing First, ein andernorts bewährter Ansatz in der Obdachlosenhilfe, kommt in Deutschland nicht voran - obwohl es bereits etliche Initiativen gibt, die Erfolge vorweisen können. Gründe dafür könnten Beharrungskräfte und Ängste sein.

In Deutschland ist der in anderen Ländern erfolgreiche Ansatz des "Housing First" (Zuerst eine Wohnung) in der Obdachlosenhilfe bisher über Modellprojekte nicht hinausgekommen. Dabei gibt es hierzulande über 20 Initiativen, die Obdachlosen ohne die sonst üblichen Vorbedingungen mit Erfolg zu einer Mietwohnung auf Dauer verhelfen. Eine davon arbeitet in Berlin - derzeit jedoch unter erschwerten Bedingungen.

In Zeiten von Corona gehen die Uhren anders. Auch in der Betreuung von obdachlosen Menschen. "Natürlich sind auch wir von der Corona-Situation betroffen. Was aber nicht zur Folge hat, dass unsere Aktivitäten auf Eis liegen", betont die Projektleiterin von Housing First Berlin, Corinna Müncho, gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir arbeiten in einem geteilten Team und tauschen uns über Telefon und Videochats aus."

Auch bei der Aufnahme wohnungsloser Menschen ins Projekt versuche man, nicht ins Stocken zu kommen. "Wir haben auch in den letzten Wochen Aufnahmegespräche geführt und Wohnungen vermittelt." Aktuell befänden sich drei Menschen in der Einzugsphase und ein Mann steht kurz vor der Mietvertragsunterzeichnung, sagt Müncho.

Abkehr von langjährigen Stufenplänen

Housing First überwindet alle üblichen Systeme von "Stufenplänen", in denen Wohnungslose aus der Notunterkunft über Aufnahmehäuser, Übergangswohnungen, Wohnheime, Trainingswohnungen, betreute Wohngemeinschaften Schritt für Schritt herangeführt werden an das "normale" Wohnen - Housing first verfolgt einen völlig anderen Ansatz als die klassische Wohnungslosenhilfe.

Bisher wurden im Zuge von Housing First Berlin, einer Partnerschaft der Berliner Stadtmission und der Neue Chance gGmbH, rund 30 Personen aufgenommen und in eigene Wohnungen vermittelt, wo sie weitere professionelle Hilfen bekommen können. Darüber entscheiden die Teilnehmer selbst. "Insgesamt kann als Zwischenbilanz festgestellt werden, dass das Projekt alle seine Ziele für das erste Projektjahr erreicht hat und damit sehr erfolgreich gearbeitet hat", heißt es in einer ersten Evaluation.

Noch ist es nur ein dreijähriges Projekt. Es wird unterstützt vom Senat - und die Laufzeit der Initiative ist zur Hälfte rum. Getestet wird, über eigene, gezielte Akquise bei den öffentlichen, privaten oder genossenschaftlichen Wohnungsbauunternehmen Quartiere für Menschen zu finden, die auf der Straße leben. "Unser Konzept ist ein erster Aufschlag", sagt Müncho. Der Ansatz müsse stets weiterentwickelt werden. So fände Müncho es "hilfreich, auch Psychologen und Therapeuten dabeizuhaben".

Pandemie-Folgen noch offen

Die Pandemie behindert die Abläufe in der Hauptstadt erheblich. "Ob das nun zur Folge hat, dass die Modellprojektzeit verlängert werden muss oder eine Implementierung in das Regelhilfesystem nach Ablauf der geplanten Modellprojektzeit dennoch gelingt, kann ich gegenwärtig nicht einschätzen", bekennt die Leiterin. Das müsse man noch mit dem Senat besprechen.

Der Bedarf an bezahlbaren, meist kleinen Wohnungen ist riesig. Zwar weiß niemand, wie viele Personen obdachlos sind, denn eine bundesweite Statistik gibt es nicht. Nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe leben aktuell rund 41.000 Menschen ohne jede Unterkunft auf der Straße. Doch das ist nur eine Untergruppe der Hilfebedürftigen: Dazu kommen noch alle wohnungslosen Menschen, die beispielsweise in einer Notunterkunft oder bei Freunden wohnen. Die BAGW schätzte deren Zahl 2018 auf rund 678.000 Personen.

Zahlreiche Evaluationen belegen inzwischen eine positive Wirkung des Housing-First-Ansatzes. So zeigte eine von der EU-Kommission finanzierten Studie 2013 die Erfolge von Projekten aus Amsterdam, Glasgow, Kopenhagen und Lissabon. In bis zu 90 Prozent der Fälle gelang ein dauerhafter Erhalt des Mietverhältnisses - Beweis dafür, dass ehemals Obdachlose auch nach Jahren auf der Straße in der Lage sind, auf eigenen Beinen zu stehen. Zusätzlich registrierten die Träger bei ihren Klienten positive Entwicklungen bei psychischen Erkrankungen und einen Rückgang beim Drogenmissbrauch. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der 2016 erschienene Housing First Guide Europe. Auch er zeigt eine hohe Quote dauerhaft beendeter Wohnungslosigkeit. In Österreich betrug die Quote des Wohnungserhaltes 98,3 Prozent.

Gefahr des "Drehtür-Effektes"

Der Armutsforscher Volker Busch-Geertsema vergleicht das bestehende deutsche System der Obdachlosenhilfe mit einer Leiter, die man Stufe für Stufe erklimmen müsse. Die Gefahr, abzurutschen und wieder ganz unten zu landen, sei sehr hoch, sagt er.

Busch-Geertsema verweist auf Finnland, das Paradebeispiel für die Erfolge von Housing First. Dort sei man überzeugt, dass die Idee vom langwierigen Durchlauf von Stufensystemen der falsche Weg sei. Wohnungslose mit Problemen müssten sich in diesen Systemen den Zugang zum Normalwohnraum verdienen durch Mitwirkungsbereitschaft, durch Abstinenz, durch Teilnahme an Therapien.

In Nordrhein-Westfalen läuft ein Projekt zur Implementierung des Housing-First-Ansatzes. Es läuft Ende des Jahres aus. "50 Wohnungen konnten unsere Träger kaufen und bereits fest an ehemalige Obdachlose vermieten. Und bis Jahresende kommen sicher noch einige hinzu", berichtet die Fachreferentin Wohnungslosenhilfe des Landesverbandes NRW des Paritätischen, Sylvia Rietenberg. 22 Partner, darunter auch kirchliche Träger, habe man seit Projektstart 2017 gewonnen, die fast alle auch kleine, möglichst dezentral gelegene Appartements gekauft und vermietet hätten, von Dortmund über Siegen, Minden und Münster bis nach Bonn.

Der Erfolg spreche für sich, betont Rietenberg. "Wir haben eine sehr hohe Haltequote" - soll heißen, die neuen Mieter bleiben, nehmen die ergänzenden Hilfen an und suchen so einen neuen Weg ins Leben.

Gelder aus Fonds helfen beim Kauf

Möglich werden die Käufe mit Unterstützung des Housing-First-Fonds, eine Kooperation des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes NRW und dem Düsseldorfer Verein der Wohnungslosenhilfe fiftyfifty/Asphalt. Mit den Mitteln des Fonds werden Finanzierungsgrundlagen zum Ankauf von Wohnungen geschaffen. Kooperationspartner bekommen 20 Prozent des Ankaufspreises einer Immobilie aus dem Fonds gestellt. Die Projektdurchführung wird durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW bis Ende November 2020 gefördert. Der Fonds selbst finanziert sich aus anderen Mitteln: Über den Verkauf von gespendeten Kunstwerken namhafter Künstler.

Rietenberg hofft auf eine landesweite Ausweitung des Konzeptes als dauerhafte Ergänzung in der bestehenden Obdachlosenhilfe. "Unsere Intention ist es, zu zeigen, dass die Idee funktioniert und zu ermitteln, was an Unterstützung und Beratung vor Ort gebraucht wird." Würde das Programm zu einem landesfinanzierten Regelangebot, dann "hätten wir ganz andere Möglichkeiten mit viel mehr Wucht".

Aber, sie stellt auch klar: Housing First dürfe man nicht in Konkurrenz zu den klassischen Angeboten der Obdachlosenhilfe sehen. Man brauche für unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Angebote im Hilfesystem. Rietenberg verweist auf jene Klientel, die oft über Jahre fachlich betreut und beraten werde, mehrere Systeme durchlaufen und dann doch wegen des sogenannten Drehtüreffektes irgendwann wieder auf der Straße lande.

In der Berliner Konzeption heißt es dazu: "Zielgruppe des Projekts sind allein stehende wohnungslose Menschen mit multiplen Problemlagen. Diese sollten sich in Lebenssituationen befinden, "in der die Person von bestehenden Angeboten der Regelversorgung nicht erreicht wird beziehungsweise bereits Angeboten erfolglos durchlaufen hat."

Bedenken in Fachkreisen

Es gibt laut Rietenberg jedoch auch in Fachkreisen durchaus Bedenken gegen das neue Konzept, auch weil Housing First bedeute, "die gesamte althergebrachte Herangehensweise etwa mit betreuten Wohnungen infrage zu stellen". Dazu kämen eigene wirtschaftliche Interessen und Ängste der oft schon jahrzehntelang tätigen Träger, ihre bestehenden Wohnstrukturen nicht mehr auslasten zu können.

Das bestätigt auch Corinna Müncho. Man komme sich bei den unterschiedlichen Klienten und deren verschiedenen Zugängen ins Hilfesystem zwar nicht direkt in die Quere. Aber "Reibungen wird es immer geben". Manche Kolleginnen und Kollegen sähen in Housing First durchaus eine Konkurrenz. Die würde sicher anschwellen, wenn die reguläre Finanzierung der Obdachlosenhilfe über das Sozialgesetzbuch XII auch auf Housing First ausgeweitet würde.

Für Volker Busch-Geertsema folgt Housing First "ein bisschen dem Prinzip Learning by Doing, ebenso, wie man Schwimmen halt am besten im Wasser lernt und nicht auf dem Trockenen. Und wenn man Fahrradfahren lernen will, dann ist es nicht schlecht, wenn man ein eigenes Rad hat."

Dirk Baas


Obdachlosigkeit

Das Konzept von Housing First




Housing First: Aufkleber in der Küche einer Mietwohnung
epd-bild/Christian Ditsch
Die Idee von Housing First im Kampf gegen Wohnungslosigkeit stammt aus den USA. Dort wurde der Ansatz "Pathways to Housing" Anfang der 90er unter der Leitung von Sam Tsemberis entwickelt. Seither wird Housing First in mehreren US-Städten erfolgreich praktiziert.

Das Konzept von Housing First richtete sich ursprünglich an obdachlose Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen. Die Zielgruppe wurde aber später erweitert auf Menschen, die langjährig obdachlos waren und auf Personen, die nach der Entlassung aus Krankenhäusern und Haftanstalten von Obdachlosigkeit bedroht waren.

Kernziel ist die Vermittlung von regulärem, dauerhaftem Wohnraum. Dahinter steckt die Idee, dass es einfacher ist, bei den Klienten bestehenden Probleme wie Sucht, Depressionen oder Arbeitslosigkeit anzugehen, wenn sie bereits eine stabile Wohnsituation haben. Meist kaufen die Sozialträger die Wohnungen, weil der Mietmarkt oft keine passenden Objekte bietet.

Housing First überwindet alle üblichen Systeme von "Stufenplänen", in denen Wohnungslose der Notunterkunft über Aufnahmehäuser, über Übergangswohnungen, Wohnheime, Trainingswohnungen, betreute Wohngemeinschaften Stufe für Stufe herangeführt werden an das "normale" Wohnen - ein völlig anderer Ansatz, als ihn die klassische Wohnungslosenhilfe verfolgt.

Bei Housing First, organisatorisch begleitet von Sozialträgern oder Vereinen, besteht von Anfang an ein normales, unbefristetes Mietverhältnis mit allen Rechten und Pflichten. Wohnbegleitende Hilfen werden ergänzend, aber nicht verpflichtend angeboten - sie sind grundsätzlich von Akzeptanz, dem Recht auf Selbstbestimmung, Respekt und Verlässlichkeit geprägt.

Dort wo Housing-First bereits praktiziert wird, sind die Ergebnisse überzeugend. So etwa in Finnland, wo die Obdachlosigkeit in den zurückliegenden zehn Jahren massiv gesunken ist. So wurden bis 2019 über 4.600 Wohnungen an Personen vermittelt, die zuvor auf der Straße lebten.

In Deutschland ist der Ansatz noch nicht weit verbreitet, doch gibt es inzwischen mehrere Projekte, die das Konzept anwenden und auf seine Tauglichkeit prüfen, so etwa in Berlin, Nürnberg, Düsseldorf und Hannover.



Obdachlosigkeit

Vorbild Finnland: Ein Zuhause für alle



Der massive Rückgang der Obdachlosigkeit in Finnland ist eng verknüpft mit einer Stiftung: Die Y-Foundation ist einer der wichtigsten nationalen Entwickler des Housing First-Prinzips. Das "Y" im Namen steht für das finnische Wort "yksin" , "allein". Dahinter stecht die Mission der Stiftung, allein lebenden Menschen zu helfen, ein eigenes Zuhause zu finden.

Die NGO wurde im Dezember 1985 in Helsinki als Reaktion auf eine zunehmende Wohnungsnot gegründet. Damals gabe es im Land 20.000 Obdachlose. Über 95 Prozent von ihnen waren Einpersonenhaushalte. Neun von zehn Betroffene waren männlich. Problem: Kleine Wohnungen waren besonders schwer zu bekommen.

Hier setzt die Y-Foundation den Hebel an. Sie kauft Wohnungenund bietet sie alleinlebenden Obdachlose zur Miete an. Das Konzept ging auf. Bis Ende 1991 hatte die Y-Foundation bereits 1.470 Wohnungen erworben. Insgesamt haben bis heute etwa 12.000 Menschen so ein Zuhause erhalten.

Zunächst beschaffte die Organisation Einzelwohnungen von Wohnungsunternehmen mit beschränkter Haftung mit Hilfe von STEA (Förderzentrum für soziale Wohlfahrt und Gesundheitsorganisationen). In den 2000er Jahren erweiterte die Stiftung ihre Aktivitäten um staatlich subventionierte Mietwohnungen (ARA) und baute auch selbst neue Gebäude, um obdachlose Menschen unterzubringen. Heute verfügt die Stiftung über 17.300 Wohnungen in über 50 Städten oder Gemeinden.

Finnland ist nach eigenen Angaben das einzige Land in Europa, in dem die Zahl der Obdachlosen rückläufig ist. Für Experten ist das kein Zufall, denn es wurden zahlreiche neu Programme umgesetzt. Die Denkweise in Bezug auf Obdachlosigkeit wurde völlig umgekehrt: Das gesamte System wurde auf der Grundlage des Housing First-Prinzips aufgebaut. Das Betriebsmodell basiert auf der Vorstellung, dass ein Wohnort sowohl ein Menschenrecht als auch ein Grundrecht ist. Alle Arbeiten für Obdachlose gehen in Finnland von der Annahme aus, dass die erste Unterstützungsmaßnahme die Bereitstellung von Wohnraum sein sollte.

Auch fiskalisch lohnt sich Housing First. Auf ihrer Homepage macht die Stiftung folgende Rechnung auf: Die Einsparungen bei den von einer Person benötigten Dienstleistungen können bis zu 9.600 Euro pro Jahr betragen, verglichen mit den Kosten, die der öffentllichen Hand durch deren die Obdachlosigkeit entstehen würden. Darüber hinaus spart die Unterbringung eines langjährigen Obdachlosen jährlich etwa 15.000 Euro an Steuergeldern ein.




sozial-Politik

Corona

Gesundheitsämter: Lange ignorierte Krisenmanager




Impfung im Gesundheitsamt
epd-bild/Gustavo Alàbiso
Durch die Lockerungen der Corona-Auflagen kommt auf die Gesundheitsämter immer mehr Arbeit zu. Mit der derzeitigen Personalsituation lässt sie sich kaum bewältigen. Mit den neuen Beschlüssen der Bundesregierung soll sich die Situation verbessern.

Noch hat Frank Renken doppelt so viele Beschäftigte in der Gesundheitsüberwachung wie vor Corona: 40 statt 20, im April waren es zwischendurch auch mal 80. "Wir waren schon vor Corona ein eher besser ausgestattetes Gesundheitsamt", sagt der Leiter der Dortmunder Gesundheitsbehörde. Von je einem fünfköpfigen Team pro 20.000 Einwohner, auf das sich Bund und Länder zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verständigt hatten, ist das Amt der rund 600.000-Einwohnerstadt dennoch weit entfernt.

Wie eigentlich alle 375 Gesundheitsämter in Deutschland, die jetzt bei der Bewältigung der Corona-Pandemie die "zentrale Rolle" innehaben, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, als sie im April mit den Ministerpräsidenten die Phase der Lockerungen einleitete. Die kommunalen Gesundheitsämter sollen Infektionsherde aufspüren und begrenzen - indem sie die Kontaktpersonen akribisch nachverfolgen. Sie sind auch diejenigen, die jetzt die neuen Corona-Hygienekonzepte der vielen sich öffnenden Läden und Einrichtungen abstimmen und kontrollieren.

Noch immer fehlt Personal

"Wir sind zurzeit sehr weit von diesen Personalzahlen entfernt", sagt Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Geschätzte 17.000 bis 20.000 Beschäftigte gibt es in den Gesundheitsämtern - weniger als ein Prozent des Personals im gesamten Gesundheitswesen. Dass Teichert die Zahl nur schätzen kann, liegt daran, dass es seit den 1990er Jahren keine statistische Berichterstattung mehr zu diesem Bereich gibt. Auch das soll sich nach dem Willen der Koalition wieder ändern - und es soll eine Personalmindestausstattung definiert werden.

Zur Unterstützung der Ämter hat der Bund nach mehr als drei Monaten Pandemie-Arbeit jetzt auch Geld angekündigt, um "ausreichend Personal" für die kommenden fünf Jahre zu finanzieren. Bereits im März hatte das Robert Koch-Institut 500 Studentinnen und Studenten zu sogenannten Containment-Scouts geschult, die bundesweit bei der Recherche der Infektionsketten unterstützen. Sie sind willkommene Hilfen, aber "etwas anderes als Fachpersonal", sagt Teichert.

Viele Kurzzeitverträge laufen wieder aus

Es haben sich auch Tausende Freiwillige gemeldet: aus dem medizinischen Dienst der Krankenkassen, der Bundeswehr, aus anderen Ämtern der Stadt. "Die müssen nun aber zurück zu ihrer eigentlichen Arbeitsstelle", sagt die Ärztin. Auch die studentischen Scouts haben Kurzzeitverträge. "Ich wüsste nicht, wie mit dem derzeitigen Personal noch mehr Aufgaben bewältigt werden können", sagt Teichert.

"Sind wir wieder bei zehn Infektionsfällen am Tag, müssen wir das Personal wieder aufstocken", sagt Gesundheitsamtsleiter Frank Renken. "Die Leute haben heute ja wieder viel mehr soziale Kontakte als im April, da müssen dann schnell Hunderte Personen gefunden, kontaktiert und betreut werden."

Auch im Dortmunder Gesundheitsamt sind viele Helfer an ihre eigentlichen Arbeitsplätze zurückgekehrt. Die meisten kamen aus dem eigenen Amt und anderen Kommunalbehörden. "Viele Aufgaben des Gesundheitsamts wie Schuleingangsuntersuchungen oder Praxisbegehungen fielen ja wegen Corona aus." Und das Personal half im eigens aufgebauten Diagnosezentrum mit. "Alles Beschäftigte, die sich mit den Gegebenheiten vor Ort auskennen."

Aufstockung des Personals gefordert

Für Renken ist das ein Grund, warum die Infektionszahlen relativ niedrig blieben. Die Behörde sei an Grenzen gestoßen, sagt der Arzt, der sich selbst ansteckte und das Amt zwischendurch aus der Quarantäne leitete. "Sobald man einige Tage hinterher hängt mit dem Recherchieren der Kontakte, hat man bei einer Epidemie verloren."

Ohne eine dauerhafte Aufstockung des Personals geht es nicht, sagt Ute Teichert vom Bundesverband der Gesundheitsämter. Leicht zu finden ist das Personal nicht: Ärzte im Gesundheitsdienst verdienen im Monat rund 1.500 Euro brutto weniger als Ärzte in Kliniken. Hier soll sich nach den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung "zur leichteren Personalgewinnung" etwas ändern: Das Gehalt der Ärzte in den Ämtern soll mit den Tarifgehältern der Kliniken "mithalten können", heißt es im Koalitionsbeschluss.

Miriam Bunjes


Minderheiten

Antidiskriminierungsstelle zählt mehr Beschwerden wegen Rassismus




Frau mit afrikanischen Wurzeln
epd-bild/Lukas Barth
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes verzeichnet eine Zunahme der Beschwerden wegen Alltagsrassismus. Sie sind die häufigste Form der bei der Stelle erfassten Benachteiligungen. Es müsse mehr dagegen getan werden, fordert der Leiter Franke. Ähnlich äußerten sich auch die Grünen.

Eine Chinesin, die in Corona-Zeiten beim Arzt keinen Termin bekommt - ein Syrer auf vergeblicher Wohnungssuche, weil ein Vermieter "keine Kanaken" will. Diese Menschen haben die Antidiskriminierungsstelle des Bundes um Hilfe gebeten. Sie sind zwei von vielen, wie aus dem Jahresbericht der Stelle hervorgeht, der am 9. Juni in Berlin vorgestellt wurde.

Jeder Dritte beschwerte sich 2019 wegen ethnischer Diskriminierung. Der kommissarische Leiter Bernhard Franke, ein üblicherweise zurückhaltender Jurist, fand klare Worte: "Deutschland muss mehr tun gegen rassistische Diskriminierung."

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte, die gesamte Gesellschaft müsse aufwachen und wachsam sein. Sie erklärte, jeder Einzelne müsse gegen Ausgrenzung, Benachteiligung und Fremdenhass eintreten. Es gehe aber nicht nur um Rassismus. Täglich würden Menschen auch wegen ihres Geschlechts, ihrer Religion oder einer Behinderung benachteiligt.

Franke: Staat muss handeln

Franke forderte die Bundesregierung auf, eine Reform des Gleichbehandlungsrechts auf die Tagesordnung des jüngst eingerichteten Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus zu setzen. Schutz vor Diskriminierung müsse auch staatliches Handeln umfassen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das die Arbeitsgrundlage der Antidiskriminierungsstelle ist, tut dies nicht. Die Stelle kann nur eingreifen, wenn sich Menschen über verbotene Benachteiligung im Arbeitsleben und Alltag beschweren, etwa bei der Job- und Wohnungssuche, beim Disco- oder Arztbesuch oder weil Geschäfte oder Urlaubsziele nicht barrierefrei sind.

Franke verlangte außerdem, die Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen von zwei auf mindestens sechs Monate zu verlängern. Er will auch die Handlungsmöglichkeiten der Antidiskriminierungsstelle erweitert sehen. Sie müsse das Recht erhalten, Auskünfte bei Vermietern, Unternehmen oder Arbeitgebern einzufordern und selbst Klage einreichen zu können. Nur Bundesbehörden sind bisher der Stelle gegenüber auskunftspflichtig.

Keine Unterstützung für Eskens Vorschlag

Mit Blick auf die Debatte um rassistische Tendenzen bei der Polizei unterstützte Franke die Forderung der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken sowie von Linken- und Grünen-Politikern nach unabhängigen Beschwerdestellen, um Vorfälle melden und überprüfen zu können, wandte sich aber gegen eine zentrale Anlaufstelle. Da für die Polizei die Länder zuständig sind, könnten Landesdiskriminierungsstellen diese Aufgabe übernehmen, sagte Franke. Solche Stellen gebe es aber erst in acht Bundesländern.

Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nehmen Beschwerden wegen rassistischer Diskriminierung am stärksten zu. Dem Jahresbericht 2019 zufolge wandten sich 1.176 Mal Menschen an die Beratung, weil sie sich im Arbeitsleben oder bei Alltagsgeschäften wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert fühlten. Das sind zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahlen würfen "ein Schlaglicht auf die Diskriminierung in Deutschland", sagte Franke, seien aber nicht repräsentativ, sagte Franke. Nur ein Teil der Menschen wenden sich an die Stelle, wenn sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Fälle rassistischer Gewalt tauchen bei der Antidiskriminierungsstelle in der Regel gar nicht auf. Franke sprach vom "Grundrauschen der Ausgrenzung: Was wir aufnehmen, sind Versuche, Menschen auszusortieren aufgrund zugeschriebener Merkmale."

Viele Benachteiligungen wegen des Geschlechts

Die Beschwerden wegen rassistischer Diskriminierung umfassen inzwischen ein Drittel aller Fälle, 2016 lag ihr Anteil noch bei einem Viertel. Dem Jahresbericht zufolge hat die Antidiskriminierungsstelle 2019 insgesamt in 3.580 Fällen eine rechtliche Auskunft erteilt. Die Gesamtzahl der Beratungsanfragen stieg gegenüber dem Vorjahr um knapp vier Prozent.

Nach den am häufigsten gestellten Anfragen wegen ethnischer Diskriminierung (33 Prozent) folgen Beschwerden aufgrund von Benachteiligungen wegen des Geschlechts 29 Prozent), einer Behinderung (26 Prozent), des Alters (12 Prozent), der Religion (7 Prozent) oder der sexuellen Identität (4 Prozent).

Grüne fordern Reform

Der Fraktionsvorsitzende der Günen im Bundestag, Anton Hofreiter, sagte, strukturelle Benachteiligung, Diskriminierung und Rassismus vergifteten auch Deutschland. "Es wird auch hierzulande noch immer viel zu wenig dagegen getan." Es müsse alarmieren, dass die Zahl der Diskriminierungsfälle und insbesondere der Fälle rassistischer Diskriminierung in 2019 erneut stark gestiegen sei.

Das bestehende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sei leider nicht mehr als ein zahnloser Tiger. "Es reicht bei weitem nicht aus, um Diskriminierung effektiv zu bekämpfen", so Hofreiter. Er forderte eine Reform des AGG: "Wir brauchen ein AGG, das Betroffene in der Durchsetzung ihrer Rechte wirkungsvoll unterstützt und echten Rechtsschutz gewährleistet."

An die 2006 eingerichtete Antidiskriminierungsstelle des Bundes können sich alle Bürgerinnen und Bürger wenden, die mit Diskriminierung konfrontiert werden. Die Fälle werden auf der Grundlage des Gleichbehandlungsgesetzes überprüft. Die Stelle berichtet jedes Jahr an den Bundestag, zum zweiten Mal gibt sie einen Jahresbericht heraus.

Bettina Markmeyer


Senioren

Das Alter ist bunt oder "Die Alten gibt es nicht"




Hermann Döbber (re.) mit seinem Trainingspartner Hans-Jürgen Thran
epd-bild/Michael Ruffert
Mehr als 22 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ist älter als 65 Jahre. Die Lebenssituationen der älteren Menschen und ihre Risiken sind in der Corona-Krise sehr unterschiedlich verteilt.

Sein Gesicht ist leicht gerötet, die Backen aufgeblasen, die Armen schwingen kräftig mit: Das Foto zeigt Hermann Döbber im Sport-Shirt kurz vor dem Ziel und dem Sieg bei den Deutschen Meisterschaften im 60-Meter-Lauf in Erfurt vor vier Jahren. Er legt die Strecke in 9,47 Sekunden zurück – und lässt damit die anderen 80-Jährigen hinter sich. Döbber, Jahrgang 1936, holt den 1. Platz in der Altersgruppe M80, in der sich immer noch viele Athleten um die Plätze auf dem Treppchen streiten. "Ich habe mein Leben lang Sport getrieben und fühle mich fit und gesund", sagt der heute 83-Jährige aus Haltern am See. Dabei gehört er in der Corona-Pandemie offiziell zur Risikogruppe. Denn das Virus schlägt besonders im Alter zu: 86 Prozent der inzwischen rund 8.300 Todesopfer sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts älter als 70 Jahre.

Lebensalter nicht entscheidend

Doch Beispiele wie das von Hermann Döbber, der immer noch jede Woche seine Runde auf dem Sportplatz dreht und weiter Meistertitel holt, zeigen, dass pauschale Aussagen oft nicht zutreffen. "Das Alter ist bunt, und wir müssen uns hüten, verallgemeinernd über ältere Menschen zu sprechen", sagt Clemens Tesch-Römer, Leiter des Deutschen Zentrums für Altersfragen. Nicht das Lebensalter sei entscheidend für das Risiko, das von Covid-19 ausgehe, sondern der Gesundheitszustand und die Vorerkrankungen. Er sieht die Gefahr, dass stereotype Aussagen über die "Alten", die man schützen müsse, dazu beitragen, dass Altersdiskriminierung zunimmt und der Generationenkonflikt befeuert wird.

Fast 18 Millionen Deutsche sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes älter als 65 Jahre. Das sind rund 22 Prozent der Bevölkerung - und ihr Anteil nimmt weiter zu. Wie unterschiedlich die Lebensphase "Alter" ausgeprägt ist, untersucht des Zentrum für Altersfragen alle drei Jahre: Für den Deutschen Alterssurvey werden repräsentativ bundesweit Menschen befragt, die sich in der "zweiten Lebenshälfte" befinden, also 40 Jahre und älter sind.

Dabei wird auch die "funktionale Gesundheit" erhoben. Die Menschen in den verschiedenen Altersgruppen werden befragt, inwieweit sie in der Lage sind, ihren Alltag zu bewältigen. Sie müssen erklären, wie schwer ihnen bestimmte Tätigkeiten gefallen: Einkaufstaschen tragen, Treppensteigen, sich beugen, knien, bücken, mehr als einen Kilometer zu Fuß gehen.

So schnell wie lange nicht mehr

Auf die Frage, ob ihm solche Aktivitäten schwer fallen, kann Hans-Jürgen Thran nur lächeln. Der 74-Jährige gehört zu den trainingsfleißigsten Läufern bei seinem Verein "Spiridon Haltern", dreht jede Woche seine Runden um den Sportplatz – und mischte im vergangenen Jahr ganz vorne bei den Deutschen Seniorenmeisterschaften im Mittelstreckenlauf mit: Er startete über 400, 800, 1.500 und 5.000 Meter. Mit seiner Zeit über 1.500 Meter (6,12 Minuten) war er besonders zufrieden: "Da war ich so schnell wie lange nicht mehr."

Thran macht sich keine große Gedanken darüber, dass er "zur Risikogruppe" gehört. "Ich halte mich an die Regel und trage jetzt natürlich die Maske beim Einkaufen", erzählt der ehemalige Polizeibeamte. In der kritischen Phase der Pandemie hat er seine Laufrunden gedreht, jetzt geht er unter Einhaltung der Hygiene Regeln auch wieder ins Fitness-Studio.

Thran und Hermann Döbber sind gute Beispiele dafür, dass Aussagen, wie "alle alten Menschen haben einen schlechten Gesundheitszustand" oft nicht stimmen. "Zwischen Menschen desselben Alters kann es sehr große Unterschiede geben", betont Tesch-Römer. Dabei spielt nicht nur die körperliche Aktivität, sondern auch der ausgeübte Beruf und die Bildung eine große Rolle.

Funktionale Gesundheit

Menschen, die körperlich schwer arbeiten mussten, sind im Alter gesundheitlich oft stärker angeschlagen, als diejenigen, die mit guter Ausbildung im Büro tätig. "Mehr Menschen im Alter von 75 bis 84 Jahren mit hoher Bildung haben häufiger eine sehr gute funktionale Gesundheit als Menschen im Alter von 55 bis 64 Jahren mit niedriger Bildung", geht aus dem Deutschen Alterssurvey hervor. "Praktisch für alle Altersgruppen über 40 gilt, dass Menschen mit hoher Bildung eher eine gute funktionale Gesundheit haben", betont Tesch-Römer.

Mit seinen 83 Jahren leitet Hermann Döbber noch eine Seniorengymnastik-Sport-Gruppe. Vor der Corona-Krise trafen sich wöchentlich rund 20 Aktive ab 50 Jahren, die er lautstark zu Sprints, Ballspielen und gymnastischen Übungen antrieb. "Nur ein Teilnehmer ist mit 84 Jahren älter als ich", sagt Döbber. Ihm fehlen derzeit die Senioren-Wettkämpfe. Und das dortige Gespräch mit einem Sportkameraden aus Dormagen. Der ist über 90 Jahre alt – und gewinnt, erzählt Döbber, regelmäßig den 60-Meter-Lauf in der Altersgruppe M90.

Michael Ruffert


Bundestag

Grüne: Ausschluss aus der Gesundheitsversorgung beenden




Filiz Polat
epd-bild/Stefan Kaminski
Die Grünen wollen im Bundestag erreichen, dass die Gesundheitsversorgung marginalisierter Gruppen in Corona-Zeiten verbessert wird. Warum der Antrag jetzt kommt, welche Versäumnisse es in der Behandlung von Menschen ohne Papiere gibt und welche Linie die Grünen verfolgen, eräutert die Abgeordnete Filiz Polat im Interview.

Warum seit Jahren des Stillstandes auf diesem wenig beachteten Gebiet der Gesundheitsfürsorge gerade in der Corona-Krise etwas passieren muss, macht Filiz Polat klar: "Nur wenn wir alle Menschen in der Gesellschaft schützen, sind wir alle gemeinsam geschützt", sagt die Sprecherin für Integrationspolitik im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch von diesem umfassenden Schutz seien weite Teile der hier lebenden Menschen weit entfernt. Die Grünen wollen das ändern. Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Sozialverbände und Flüchtlingsorganisationen fordern seit Jahren, den Zugang zur Gesundheitsversorgung gesetzlich auch für Menschen ohne Papiere zu regeln. Passiert ist nichts. Wo sehen Sie die Gründe dafür?

Filiz Polat: Anstatt Geflüchtete und Illegalisierte in Deutschland in ihren universellen Menschenrechten, wie dem Recht auf Gesundheit, zu stärken, wurden ihnen durch die Entscheidungen der großen Koalition Schritt für Schritt ihre wenigen Rechte genommen. Die Bundesregierung folgt dabei dem Ziel, Abschiebungen ohne Wenn und Aber durchzusetzen. Gesundheitsbedingte Hindernisse spielen dabei keine Rolle mehr.

epd: In Corona-Zeiten lässt sich vieles, was vorher kaum möglich schien, erstaunlich schnell regeln. Wird das auch für Ihre Forderungen in Sachen Gesundheitsschutz für alle Menschen gelten?

Polat: Das Bundesinnenministerium möchte weiterhin Menschen so schnell wie möglich abschieben. Deshalb haben wir wenig Hoffnung, dass progressive Veränderungen von dieser Regierung aufgegriffen werden, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

epd: Warum rücken Sie diese Menschen gerade jetzt wieder in den Fokus?

Polat: Wenn die Gesellschaft unter Druck gerät, bekommen marginalisierte und vulnerable Gruppen die Folgen meist ganz besonders zu spüren. Die ohnehin schon prekäre Situation von Geflüchteten und einigen Migrantinnen und Migranten verschlechtert sich in der Pandemie teils dramatisch. Die flüchtlings- und migrationspolitischen Gesetzesverschärfungen der vergangenen Jahre, allen voran das Geordnete-Rückkehr-Gesetz, hatten bereits weitreichende negative Folgen für deren Lebensumstände. Leider bleibt das Innenministerium auch in Zeiten von Corona seiner Linie treu.

epd: Diese Menschen stehen schon lange im Schatten. Warum sollte gerade jetzt in der Krise ein Umdenken in der Behandlung dieser Randgruppe stattfinden?

Polat: Die Besonderheit der gegenwärtigen Situation ist: Nur wenn wir alle Menschen in der Gesellschaft schützen, sind wir alle gemeinsam geschützt. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Bundesregierung wenigstens diesen Gedanken zu eigen macht.

epd: Sie selbst sprechen in Ihrem Antrag von 80.000 Personen in der Illegalität. Stellen die in der Pandemie eine potenzielle Gefahr für die Restgesellschaft dar?

Polat: Diese Zahl bezieht sich nicht auf alle Personen, die von der allgemeinen Gesundheitsversorgung ausgeschlossen sind, sondern sie umfasst lediglich die Personen, die trotz Versicherungspflicht nicht krankenversichert sind. Dazu kommen insbesondere EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, Menschen ohne Papiere oder Geflüchtete mit mangelnder Gesundheitsversorgung.

epd: Knackpunkt ist die behördliche Übermittlungspflicht. Wäre nicht schon viel gewonnen, wenn keine Daten an Polizei oder Ausländerbehörden weitergegeben werden?

Polat: Für Menschen ohne Papiere und manche EU-Bürgerinnen und EU-Bürger ist das in jedem Fall ein großes Hindernis. Leider zeigt sich das in diesem Thema federführende Bundesinnenministerium uneinsichtig. Die Bundesregierung muss endlich aufhören restriktive migrationspolitische Erwägungen vor den Gesundheitsschutz zu stellen, sonst kommen wir an diesem Punkt nicht weiter.

epd: Sie fordern Corona-Tests auch für Menschen ohne Papiere. Wie soll das vonstattengehen, wo diese Betroffenen ja aus Angst vor Abschiebung jegliche offiziellen Kontakte zu Gesundheitseinrichtungen meiden?

epd: Wir fordern neben den Tests auch die Aufhebung der Übermittlungspflichten von öffentlichen Stellen an die Ausländerbehörde. Das ist schon seit vielen Jahren eines unserer Anliegen, aber in Zeiten von Corona ist es umso wichtiger. Zusätzlich halten wir anonyme Krankenscheine für sinnvoll. Erfolgreiche Beispiele gibt es da zum Beispiel in Berlin oder Thüringen. Wichtig dabei ist jedoch, dass der Bund die Einrichtung solcher Systeme unterstützt. Es muss vermieden werden, dass erneut ein Flickenteppich entsteht, der von der finanziellen Situation oder der politischen Konstellation der Kommunen und Länder abhängig ist.

epd: 2016 wurde der Zugang für EU-Bürger zu deutschen Sozialleistungen geändert. Reicht es, vor dem Hintergrund von Corona wieder die alte Rechtslage herzustellen?

Polat: Für die EU-Bürgerinnen und EU-Bürger war der Ausschluss aus den Sozialleistungen fatal. Schon damals warnten Wohlfahrtsverbände vor der drohenden Unterversorgung. Darüber hinaus müssen wir uns jedoch in Erinnerung rufen, dass auch vor der Gesetzesänderung zahlreiche hilfebedürftige Unionsbürgerinnen und -bürger rechtswidrigerweise keine Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums erhalten haben und in der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützt werden mussten.

epd: Sie wollen erreichen, dass alle Asylbewerber, die ja bisher nur eingeschränkten Gesundheitsschutz haben, vollen Zugang zu allen Leistungen der gesetzlichen Kassen bekommen. Das wäre in Paradigmenwechsel, der auch viel Geld kosten würde.

Polat: Insgesamt setzten wir uns schon seit langem für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes ein. Ich bin überzeugt, dass die künstliche Trennung von Leistungssystemen am Ende mehr Kosten verursacht, als dass sie einspart. Wenn nur akute Krankheitszustände behandelt werden können, ist das nicht nur extrem schädlich für die langfristige Gesundheit der Geflüchteten, sondern selbstverständlich auch viel kostenintensiver in der letztendlichen Behandlung, ganz zu schweigen von den unnötigen bürokratischen Kosten durch die parallelen Verwaltungssysteme.



Kriminalität

Giffey: Bundeszuschüsse für den Ausbau von Frauenhäusern



Frauenhäuser können in diesem Jahr noch bis September Zuschüsse beantragen für Neu- und Umbauten von Schutzwohnungen. Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) warb am 9. Juni in Berlin für ein Bundesprogramm im Umfang von 120 Millionen Euro. Mit elf Bundesländern seien die notwendigen Vereinbarungen getroffen, die übrigen folgten, sagte Giffey nach dem 4. Runden Tisch gegen Gewalt an Frauen, an dem regelmäßig Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen zusammenkommen.

Das Förderprogramm für Frauenhäuser läuft vier Jahre. Giffeys Angaben zufolge sollen Häuser und Beratungsstellen auch Zuschüsse für mehr Digitalisierung bekommen, etwa um Online-Beratungen anzubieten, wie sie in der Corona-Krise notwendig wurden. Wer Gewalt erleide, müsse schnell Schutz und Hilfe finden, sagte Giffey.

Dauerhafte Finanzierung

Es sei auch über die nächsten Schritte gesprochen worden, die Finanzierung von Frauenhäusern auf Dauer zu sichern, sagte Giffey. Dazu sei ein bundesgesetzlicher Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für alle von Gewalt betroffenen Personen der beste Weg. Giffey kündigte Eckpunkte für das Frühjahr 2021 an. Mit einer Reform sei aber in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu rechnen, sagte sie.

Weiterhin gibt es keine Klarheit, ob die Zahl gewalttätiger Übergriffe auf Frauen während des Corona-Lockdowns zugenommen hat. Experten gingen von einem großen Dunkelfeld aus, sagte Giffey. Bei den Hilfetelefonen sei jeweils rund um Feiertage wie Ostern ein Anstieg von Gewaltmeldungen zu verzeichnen gewesen. Im Durchschnitt nähmen sie pro Woche rund 500 Hilferufe entgegen.

Der Runde Tisch von Bund, Ländern und Kommunen hatte im Herbst 2018 seine Arbeit aufgenommen mit dem Ziel, die Finanzierung der Frauenhäuser und Beratungsstellen zu stabilisieren. Er ist Teil eines Aktionsprogramms gegen Gewalt an Frauen. In Deutschland gibt es rund 350 Frauenhäuser und mehr als 100 Schutzwohnungen mit insgesamt über 6.000 Plätzen. Hinzu kommen über 600 Fachberatungsstellen und Interventionsstellen.



Arbeit

Gutachten: Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro ist sinnvoll



Der Mindestlohn bleibt auch fünf Jahre nach seiner Einführung ein Reizthema: Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung fordert zur Stimulierung der Nachfrage in der Corona-Krise eine Erhöhung. Eine Kommission macht demnächst einen Vorschlag.

Wissenschaftler der Hans-Böckler-Stiftung haben sich für eine schrittweise Anhebung des Mindestlohns in Deutschland auf zwölf Euro pro Stunde ausgesprochen. In einem aktuellen Gutachten verweisen die Experten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) sowie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) darauf hin, dass die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 und spätere Erhöhungen auf heute 9,35 Euro "die Einkommenssituation von Millionen Menschen in Deutschland verbessert" hätten, wie die gewerkschaftsnahe Stiftung am 5. Juni in Düsseldorf mitteilte.

Der Mindestlohn habe den privaten Konsum spürbar unterstützt, solche positiven Impulse seien zur Bewältigung der Corona-Krise derzeit besonders wichtig, hieß es. "Politik und Ökonomen sind sich einig, dass die Nachfrage in Deutschland nach den Einschränkungen zur Corona-Bekämpfung dringend angekurbelt werden muss", sagte der WSI-Tarifexperte Thorsten Schulten. Eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns wäre deshalb ein weiterer wichtiger Baustein.

Direktor: Kein Sprung auf 12 Euro

Auch der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Bernd Fitzenberger, plädiert in der Corona-Krise für eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Zugleich lehnte er im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" einen Sprung auf 12 Euro ab. "Jetzt mitten in der Krise sind zwölf Euro auf jeden Fall ein No-Go", sagte Fitzenberger. Die Erhöhung solle sich an der Entwicklung der Tariflöhne orientieren. Bis Ende Juni soll die zuständige Mindestlohnkommission aus Gewerkschaftern, Arbeitgebervertretern und Wissenschaftlern einen Vorschlag vorlegen, wie der Mindestlohn 2021 angepasst werden soll.

Gemessen am mittleren Lohn von Vollzeitbeschäftigten in der Europäischen Union lag der deutsche Mindestlohn mit 45,6 Prozent niedriger als im EU-Durchschnitt (50,7 Prozent). Würde der Mindestlohn in Deutschland auf zwölf Euro angehoben, könnten davon rund zehn Millionen Beschäftigte profitieren, hieß es. Nach Berechnungen des IMK hätte die Anhebung positive gesamtwirtschaftliche Auswirkungen: So fiele langfristig der private Konsum preisbereinigt um 1,4 bis 2,2 Prozent höher aus als ohne eine Steigerung. Die Wirtschaftsleistung läge um 0,5 bis 1,3 Prozent höher.

Jana Hofmann


Migration

Studie: Auch Kirchen haben Flüchtlingsgegner in rechte Ecke gestellt



Trotz einer starken Polarisierung der Gesellschaft in der Flüchtlingsfrage sieht die Sozialforscherin Christel Kumbruck noch Chancen für eine Annäherung. Gespräche von Flüchtlingshelfern und Flüchtlingsskeptikern in kleinen Gruppen könnten die Grautöne in den Argumentationen zum Vorschein bringen und Verständnis für die jeweils andere Seite wecken, sagte Kumbruck dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die "Willkommenskultur-Euphorie" von 2015 habe nach einer von ihr geleiteten Studie wesentlich dazu beigetragen, dass deren Gegner und Skeptiker sich schnell in eine rechte Ecke gestellt sahen. "Die Kirchen und viele andere haben dazu beigetragen, dass schnell zwischen Gut und Böse unterschieden wurde."

Für die qualitative Studie haben die Psychologin und ihr Team von der Hochschule Osnabrück Menschen befragt, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, und solche, die in Briefen oder Demonstrationen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen Stellung beziehen. Partner des Forschungsprojekts "Zivilgesellschaftliches Engagement" ist das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Neue Umfrage gestartet

Unter der Leitung von Petra-Angela Ahrens haben Forscher des Instituts auf Grundlage der Ergebnisse der qualitativen Studie eine repräsentative, quantitative Befragung gestartet. Deren Ergebnisse sollen im Herbst präsentiert werden.

Bei den befragten Menschen in Deutschland hätten sich zwei Reaktionsmuster auf unsichere und komplexe Situationen wie den starken Flüchtlingszuzug gezeigt, erläuterte Kumbruck. Die einen neigten dazu, offen auf Neues zuzugehen. Die anderen reagierten verunsichert auf Veränderungen. Sie wollten den Status quo beibehalten und fürchteten unter anderem, dass die Sozialsysteme überfordert werden könnten. Letztere hätten sich jedoch von Anfang an mit ihren Sorgen nicht wahr- und ernstgenommen gefühlt.

Verhärtete Fronten

Im weiteren Verlauf hätten sich die Fronten zwischen angeblichen "Nazis" und "dummen Teddybären-Werfern" verhärtet, sagte die Professorin. Differenzierte Positionen seien überhört und abgetan worden. Nur in kleiner Runde, in nicht öffentlichen Räumen, bestehe eine Chance, dass Menschen diese noch äußerten. "Da kann etwa die Skeptikerin sagen, dass ihr das Schicksal eines Flüchtlings, den sie kennengelernt hat, durchaus nahegeht. Die Flüchtlingshelferin kann äußern, dass es sie stört, wenn ihr Schützling sich nicht integrieren will."

Vielfach hätten sich jedoch Populisten und Verschwörungstheoretiker der Kritiker und der Wankelmütigen angenommen. "Da hören sie, dass die Flüchtlinge angeblich von Großbanken oder Milliardären geschickt wurden, um uns zu unterwandern. Für manche passt dann plötzlich alles zusammen. Sie entwickeln ein in sich geschlossenes Weltbild. An dem Punkt wird es schwierig, noch kommunikativ dazwischenzukommen."

Martina Schwager



sozial-Branche

Corona

Eine Eisdiele als Fluchtpunkt für Menschen mit Behinderung




Beschäftigte der Celler Allertal-Werkstatt
epd-bild/Lobetalarbeit
Wegen Corona dürfen sie seit zwei Monaten nicht mehr arbeiten: Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten beschäftigt sind und in Wohngruppen leben. Doch nun dürfen Angehörige wieder zu Besuch kommen, und die Arbeitsstätten öffnen wieder.

Sie pflegen eigentlich Beete und Bäume, pflastern Wege und beflocken Fußballtrikots. Doch die Beschäftigten der Celler Allertal-Werkstatt dürfen wegen der Corona-Pandemie seit Wochen ihre Arbeitsstätten nicht betreten, dazu Wohngruppen nicht verlassen. Sie alle haben eine körperliche oder geistige Behinderung. Und häufig einen enormen Bewegungsdrang, erzählt Susanne Kok, die eine Wohngruppe in der Celler Lobetalarbeit betreut, zu der die Werkstatt gehört.

Nun seien viele hundert Menschen 24 Stunden am Tag auf engstem Raum zusammen. "Diese Situation ist hart und tut uns allen sehr leid. Die sozialen Kontakte, das Umarmen, das fehlt enorm." Dabei sei menschliche Nähe ein wesentlicher Faktor in der diakonischen Lobetalarbeit, sagt Kok.

Die meisten haben wenig von der Lockerung

Rund 312.000 Menschen mit Behinderung sind in Deutschland zurzeit in 736 Werkstätten beschäftigt - in Niedersachsen sind es 29.000 in mehr als 200 Einrichtungen. Nach der Corona-Verordnung des Landes dürfen diese seit Ende Mai unter strengen Auflagen wieder öffnen. So haben auch in Celle die Werkstatt und die Tagesförderstätte wieder geöffnet. Allerdings lässt der Erlass dies zunächst nur für diejenigen zu, die nicht auf dem Gelände oder dort allein wohnen. Die große Mehrheit der knapp 800 Erwachsenen und knapp 40 Kinder mit Behinderungen wohnt auf dem Gelände und bleibt somit außen vor.

Die Lage bleibt schwierig. Umso wichtiger sei es gewesen, sie nicht eskalieren zu lassen, sagt Kok: "Unser hauseigener psychologischer Dienst ist die gesamte Zeit über auf Konflikte vorbereitet - die es aber kaum gegeben hat. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir den Bewohnern so viel Abwechslung wie möglich verschafft haben."

Gleich zu Beginn der Schließung habe die Einrichtung Paletten, Farben und weiteres Material gekauft, und dann hätten die Bewohner vielfach ganz selbstständig Möbel gebaut, den Garten umgebuddelt und eine Feuerstelle gestaltet. Zudem seien Betreuer mit ihnen in Kleinbussen zu Burger-Restaurants oder zur Eisdiele gefahren. So hätten viele das Gelände unter Aufsicht zumindest eine Zeit lang verlassen. "Natürlich durften sie nicht aus dem Auto aussteigen. Aber es hat allen trotzdem viel Freude gemacht."

Hochrisiko-Patienten unter den Bewohnern

Die Entscheidung des Landes, Einrichtungen wie Lobetal gewissermaßen stillzulegen, können die Verantwortlichen trotz aller individuellen Härten nachvollziehen: "Wir haben die Gefährdungslage individuell analysiert und sind auf 230 Hochrisiko-Patienten unter den Bewohnern gekommen", sagt Michael Spiller, der den Lobetal-Krisenstab leitet. "Deshalb halten wir uns strikt daran, Mitarbeitende nicht in mehreren Bereichen einzusetzen." Dienste tauschen oder Aushelfen, das gehe aktuell nicht.

Angesichts der Isolation der Bewohner sind das größte Risiko in Lobetal die knapp 1.300 Betreuer, die täglich auf das Gelände kommen und so das Coronavirus von außen einschleppen könnten. "Wir haben schon vor der landesweiten Regel das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes per Dienstanweisung zur Pflicht erhoben", sagt Spiller.

Das Besuchsrecht wurde inzwischen gelockert, eine Person pro Bewohner darf jeweils zu Besuch kommen. Zwischen beiden steht ein Tisch von zwei Metern Breite. Und niemand darf den anderen anfassen.

Verlust der Tagesstruktur

Auch die Diakonischen Werkstätten Kästorf bei Gifhorn sind - wie praktisch landesweit alle Arbeitsstätten für Menschen mit Behinderung - seit März zwangsweise geschlossen. Nur ein minimaler Notbetrieb mit wenigen Menschen findet statt. "Das Betretungsverbot war das Bitterste in dieser Krise", sagt Geschäftsführerin Gabriele Merkel. "Denn wir haben hier im Grunde sehr komfortable Räume. Dennoch durften die zwei Häuser weiter wohnenden Beschäftigten nicht an ihren Arbeitsplatz kommen, der für sie persönlich oft große Bedeutung hat."

In der Werkstatt arbeiten 35 Menschen mit seelischen Behinderungen. Davon sind zehn im Berufsbildungsbereich tätig, wo sie - gefördert von der Arbeitsagentur - für den ersten Arbeitsmarkt fitgemacht werden sollen.

Besonders wichtig war es Merkel zufolge, die psychischen Beeinträchtigungen der Beschäftigten gut im Blick zu behalten: "Der Verlust der Tagesstruktur musste aufgefangen werden. Und es war wichtig, dass die Leute keine Ängste entwickeln." Es sei gelungen, an den Beschäftigten dranzubleiben: "Wir wussten immer, ob etwas kippt."

Alexander Nortrup


Corona

Lebenshilfe-Vorsitzende: Behinderte wurden nicht bedacht




Ulla Schmidt
epd-bild/Laurence Chaperon
Die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) beklagt, dass Menschen mit Behinderung während der Corona-Krise von der Politik nicht beachtet wurden.

In einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Aachen kritisierte Ulla Schmidt, die Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe, dass "behinderte Menschen und ihre Unterstützung in der Organisation der verschiedenen Rettungsschirme zunächst einfach nicht bedacht" worden seien.

Dabei seien Menschen mit Behinderungen und ihre Familien von der Pandemie sozial und gesundheitlich besonders betroffen, sagte Schmidt. Auch an der Digitalisierung in Schule, Beruf und privater Kommunikation könnten viele behinderte Menschen nur mit Unterstützung teilnehmen und seien daher auch künftig häufig benachteiligt.

Betroffene erlebten extreme Situationen

Familien erlebten während der Corona-Pandemie extreme Situationen im Zusammenleben mit ihren behinderten Angehörigen. Die Wohnstätten mit ihren Betreuungsangeboten seien so organisiert, dass die Bewohner tagsüber in den Werkstätten arbeiten. Seien die Werkstätten aber geschlossen, sei das nicht möglich. "Da sind viele erwachsene Menschen mit Behinderung wieder zu ihren Eltern gezogen, die mit der Betreuung rund um die Uhr überfordert waren."

Dass Eltern in dieser Situation unabhängig vom Alter ihrer Kinder seit wenigen Wochen durch das neue Konjunkturpaket einen Lohnausgleich für eine Zeit von bis zu 20 Wochen bekommen könnten, sei da immerhin ein Fortschritt. Schmidt begrüßte auch, dass die Patientenbeauftragte in NRW Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen gezielt berate. Dafür sei beim Düsseldorfer Sozialministerium eine Dialogstelle eingerichtet worden.

Virus besonders bedrohlich

"Menschen mit Behinderung haben eine eingeschränkte Immunabwehr und leiden oft unter Herzerkrankungen. Daher sind sie besonders gefährdet sich anzustecken", sagte Schmidt. Frauen und Männer mit geistiger Behinderung seien aber besonders auf körperlichen Kontakt angewiesen und verstünden die Abstandsregeln nicht. Die Werkstätten seien wochenlang geschlossen gewesen und öffneten auch jetzt nur nach und nach. Um all diese Probleme hätten sich die Familien gekümmert, unabhängig davon, wie alt ihre Kinder sind.

Manche Familien konnten hingegen ihre behinderten Töchter, Söhne oder Geschwister wegen der Quarantäne-Vorschriften wochenlang nicht treffen. Gerade geistig Behinderte verstünden dann nicht, warum ihre Angehörigen bei einem Besuch Abstand hielten oder nur durch eine Plexiglaswand zu sehen seien. "Das geht an die Grenze dessen, was man Menschen zumuten kann", sagt die ehemalige Bundesgesundheitsministerin.

Irene Dänzer-Vanotti


Jahresbilanz

KD-Bank verzeichnet wachsendes Kreditgeschäft



Die Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank) hat im vergangenen Jahr erneut einen Zuwachs im Kreditgeschäft verzeichnet. Auch in anderen Bereichen hat sich die Bank eigenen Angaben zufolge gut entwickelt.

Der Kreditbestand sei 2019 im Vergleich zum Vorjahr um über zehn Prozent und damit um Zusagen in Höhe von 348 Millionen Euro gewachsen, teilte der Vorstandsvorsitzende Ekkehard Thiesler am 9. Juni in Dortmund mit. Das Kreditgeschäft habe somit Finanzierungen in Höhe von insgesamt knapp 1,96 Milliarden Euro umfasst.

Auch in anderen wesentlichen Bereichen wie Bilanzsumme, Kundeneinlagen, Kundenwertpapiere und Eigenmittel habe sich die Bank gut entwickeln und teilweise ihre Erwartungen übertreffen können. Wegen der Corona-Pandemie ist die Generalversammlung auf den 27. Oktober verschoben worden.

Über 35 Prozent (123,1 Millionen Euro) der neuen Kredite gingen dem Jahresbericht 2019 zufolge an Einrichtungen für ältere Menschen. 16,5 Prozent (57,5 Millionen Euro) finanzieren Investitionen sozialer Einrichtungen von der Jugendhilfe bis zur Behindertenhilfe. Die restlichen Kreditmittel verteilen sich auf die Bereiche bezahlbarer Wohnraum, Gesundheitswirtschaft, lebendiges Gemeindeleben und Bildung.

Die Genossenschaftsbank erreichte mit einem Plus von drei Prozent eine Bilanzsumme von rund 5,8 Milliarden Euro. Auch die bilanziellen Eigenmittel stiegen um 8,8 Prozent auf knapp 493 Millionen Euro. Kundenwertpapiere beliefen sich mit einem Zuwachs um 8,3 Prozent auf knapp 3,65 Milliarden Euro. Bei den Kundeneinlagen gab es einen leichten Rückgang (0,3 Prozent) auf rund 4,78 Milliarden Euro.

Wichtige Stütze in der Krise

Die derzeitige Krise zeige die zentrale Bedeutung der Sozial- und Gesundheitswirtschaft auf, erklärte Thiesler. Die Bank für Kirche und Diakonie haben in dieser Krise ihre Aufgabe als Finanzpartner der Branche sehr bewusst wahrgenommen. "Die Liquiditätsversorgung der Krankenhäuser und der Diakonie ist derzeit grundsätzlich gut. Falls es zu Engpässen kommt, haben wir eine unbürokratische Corona-Express-Finanzierung im Programm und vermitteln auch öffentliche Mittel."

Die KD-Bank ist eine Genossenschaftsbank und gehört Kirche und Diakonie. Mit rund 4.200 Mitgliedern und einer Bilanzsumme von über fünf Milliarden Euro zählt sie nach eigenen Angaben zu den größten Kirchenbanken Deutschlands. Repräsentanten aus Kirche und Diakonie wirken im Aufsichtsrat und Beirat mit. Zu ihren Kunden gehören die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit ihren Landeskirchen, kirchliche Einrichtungen und Stiftungen sowie Freikirchen. Auch soziale Unternehmen wie Krankenhäuser, Hospize, Pflegedienste, Behindertenwerkstätten oder Kindertagesstätten zählen dazu.



Niedersachsen

Befragung zu Pflegekammer wegen Datenleck abgebrochen




Eine Pflegerin hilft einer Heimbewohnerin beim Trinken.
epd-bild/Werner Krüper
Der Streit um die Pflegekammer in Niedersachsen geht weiter. Gegner der Kammer haben ein Datenleck in der Online-Befragung zur Evaluation der Kammer ausgemacht. Das Sozialministerium hat die Befragung zunächst ausgesetzt.

Die Online-Befragung von rund 90.000 Pflegekräften zur Zukunft der Pflegekammer Niedersachsen ist aufgrund eines Datenschutz-Lecks abgebrochen worden. Das auftraggebende Sozialministerium bestätigte am 9. Juni, dass es Hinweise auf unerlaubte Zugriffe auf das Onlineportal gebe. Es sei nicht auszuschließen, dass es in den vergangenen Tagen bereits zu Manipulationsversuchen gekommen sei.

Bis zum Abend des 8. Juni hätten in der Befragung rund 7.000 Pflegekräfte den 14-seitigen Fragebogen ausgefüllt. Die Aktion hatte am 3. Juni begonnen.

Kammerpräsidentin Nadya Klarmann: "Wir sind über die vorübergehende Unterbrechung der Umfrage genauso überrascht wie unsere Mitglieder. Sollte wie behauptet ein Datenleck vorliegen, fordern wir eine lückenlose Aufklärung und eine Rückmeldung an die Betroffenen." Es sei wichtig, dass die Antworten der Befragung nicht durch Dritte manipuliert werden können.

Gegner der Pflegekammer hatten zuvor auf die IT-Panne hingewiesen. Die Koordinatorin des Pflegebündnisses Niedersachsen, Sandra Arndt, berichtete, wie sie über einen Link bei Facebook in einen bereits in Teilen ausgefüllten Fragebogen geraten sei. "Ich habe zu keinem Zeitpunkt mein Passwort jemals benutzen müssen." Daraufhin hätten Aktivisten auch bei weiteren Versuchen Bögen öffnen können, die sie hätten verändern können. Die Kammergegner warnten vor einem möglichen Missbrauch. Sie forderten einen Stopp der Befragung und eine neue datensichere Umfrage.

Reimann: Bedauerlich und sehr ärgerlich

Ministerin Reimann sagte: "Es ist ausgesprochen bedauerlich und sehr ärgerlich, dass die Befragung der Mitglieder der Pflegekammer nun auf diese Weise ausgebremst wird." Das Ministerium habe einen renommierten Dienstleister mit der Evaluation beauftragt, um ein belastbares Bild der Stimmung unter den Pflegekräften zu erhalten. Sie erwarte, dass die Kölner Firma Kienbaum Consultants die technischen Probleme so schnell wie möglich abstelle.

Die Befragung sei eine Belastung für die Pflegekräfte, die zusätzliche Zeit in Anspruch nehme, betonte Reimann. "Durch die Manipulationsversuche wurde dieser Zeitaufwand nun mutwillig zunichtegemacht." Entscheidend sei, dass die Befragung zügig fortgesetzt werden könne. Die Pflegekräfte sollten über die Zukunft der Kammer entscheiden können. Mit der Unterbrechung der Befragung werde die Entscheidung lediglich vertagt.

Gegner: Umfrage sofort stoppen

Die Kammergegner hatten nach dem Entdecken des Datenlecks unter anderem die IT-Experten Anke und Daniel Domscheit-Berg zurate gezogen, wie Kai Boeddinghaus vom Bundesverband für freie Kammern am Dienstag erläuterte. Nach deren Einschätzung müsse die laufende Umfrage sofort komplett beendet werden. "Alles andere ist unverantwortlich." Boeddinghaus kritisierte, Ministerin Reimann habe im Umgang mit den Kammergegnern jedes Vertrauen verspielt. Wenn sie meine, alles im Alleingang regeln zu müssen, müsse sie auch alleine die Verantwortung tragen, wenn das Projekt gegen die Wand gefahren werde.

Wolfgang Heibuch von der Initiative "Pflegeaufstand Hildesheim" forderte, mit einem Neustart der Umfrage müsse es gleich zu Beginn des Fragebogens möglich sein, grundsätzlich für oder gegen die Kammer zu stimmen. Dies verlangte auch der niedersächsische FDP-Partei- und Fraktionschef Stefan Birkner. Er nannte die Umsetzung der Evaluation "dilettantisch". Nun müsse dringend geklärt werden, ob sensible Daten von Pflegekräften an Dritte gelangt seien. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) müsse endlich eingreifen, forderte Birkner.

Die Pflegekammer Niedersachsen besteht seit 2017, sie ist die dritte und größte ihrer Art in Deutschland. SPD und CDU hatten die Evaluation der Kammer im Koalitionsvertrag zur Hälfte der Legislaturperiode vereinbart. Seit der Gründung war es immer wieder zu Protesten gegen die Einrichtung gekommen. Der Widerstand richtete sich gegen die Zwangsmitgliedschaft und Beiträge.

Jörg Nielsen


Corona

Kirchliche Hochschulen fordern bessere Bedingungen für Sozialberufe



Bessere Arbeitsbedingungen für Menschen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen fordern die kirchlichen Hochschulen. Die Corona-Pandemie habe die Bedeutung dieser Arbeit "eindrücklich vor Augen geführt", erklärte die Rektorenkonferenz der kirchlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaften Deutschlands (RKHD) am 10. Juni in Bochum. Nötig seien höhere Personalschlüssel, die auch Reserven für Krisensituationen beinhalten und angemessene Löhne.

"Nur wenn diese Berufe attraktiver werden, lässt sich der Fachkräftemangel überwinden", sagte Sigrid Graumann, Rektorin der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe und Vorsitzende der Rektorenkonferenz. Die Krise habe gezeigt, dass der Fachkräftemangel im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen zur Bedrohung der Menschenrechte und zum Problem für die politische und wirtschaftliche Stabilität der Gesellschaft werden könne.

Wegen der Pandemie seien ältere Menschen in Heimen, aber auch Jugendliche und Menschen mit Behinderung in betreuten Wohneinrichtungen wochenlang isoliert worden. Zudem seien therapeutische Angebote eingestellt und Werkstätten für behinderte Menschen sowie Schulen geschlossen worden. "Mit einer besseren personellen aber auch finanziellen und räumlichen Ausstattung von Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens hätten diese extremen Einschränkungen deutlich milder ausfallen können", kritisierten die Hochschulen.



Rechtsstreit

Attac kämpft weiter um Gemeinnützigkeit



Der globalisierungskritische Verein Attac kämpft weiter juristisch um seine Gemeinnützigkeit. Die Organisation habe Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom Februar dieses Jahres eingelegt, teilte Attac am 8. Juni in Frankfurt am Main mit. Die Revision sei nötig, um den Rechtsweg auszuschöpfen und notfalls Verfassungsbeschwerde einlegen zu können. Damit muss sich der BFH in München nach 2019 zum zweiten Mal mit der Gemeinnützigkeit von Attac befassen. Das Hessische Finanzgericht in Kassel hatte entschieden, dass Attac wegen seiner allgemeinpolitischen Forderungen nicht gemeinnützig sei und deshalb auch keine steuerbegünstigten Spenden entgegennehmen dürfe.

Das Finanzamt Frankfurt am Main III hatte dem Attac-Trägerverein für die Streitjahre 2010 bis 2012 die Gemeinnützigkeit aberkannt. Attac hat seitdem keine für den Steuerabzug vorgesehenen Spendenbescheinigungen mehr ausgegeben. Auch die Zusammenarbeit mit anderen gemeinnützigen Organisationen oder Stiftungen wurde erschwert. Bei erhaltenen Schenkungen oder einem Erbe werden zudem Schenkungs- und Erbschaftsteuer fällig. Die Finanzbehörde hatte den Entzug der Gemeinnützigkeit mit den tagesaktuellen allgemeinpolitischen Forderungen von Attac begründet. Dies sei keine "Volksbildung" oder politische Bildung mehr, für die ein Verein Gemeinnützigkeit beanspruchen könne.

In einem ersten Verfahren hatte 2016 das Hessische Finanzgericht Attac noch recht gegeben. Dieses Urteil hatte der BFH jedoch am 10. Januar 2019 aufgehoben und damit für erhebliche Verunsicherung bei Vereinen gesorgt, die nun nicht wissen, wann sie sich zu politischen Themen äußern dürfen (AZ: V R 60/17). Die obersten Finanzrichter verwiesen darauf, dass das Gesetz 25 gemeinnützige Zwecke vorsehe, wie Umweltschutz, Tierschutz, Wohlfahrt und auch "Volksbildung". Letztere müsse aber in "geistiger Offenheit" erfolgen. Daran gebe es bei Attac Zweifel.



Kirchen

Neue Wege bei der Sommersammlung von Caritas und Diakonie



Die Sommersammlung der kirchlichen Hilfswerke Caritas und Diakonie geht wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen neue Wege. Statt der traditionellen Haustür-Sammlung, bei denen Ehrenamtliche das persönliche Gespräch suchen, werden ab sofort Spendenbriefe an die Haushalte in Nordrhein-Westfalen verteilt, wie der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn am 9. Juni mitteilte. Die dreiwöchige Spendenaktion steht unter dem gemeinsamen Leitwort "Du für den Nächsten".

Die Spendengelder eröffneten den kirchlichen Hilfswerken Spielräume für ehrenamtliche Hilfen, die sonst nicht angeboten werden könnten, hieß es. 70 Prozent des Erlöses sind nach Caritasangaben für karitative Aufgaben der Kirchengemeinden vor Ort bestimmt. Die übrigen 30 Prozent gehen an den örtlichen Caritasverband oder die Diakonischen Werke zur Finanzierung sozialer Hilfsangebote.

Die ökumenische Sammlung wird seit 1948 jeweils im Sommer und zum Advent eines Jahres durchgeführt.



Niedersachsen

Diakonie: Dritte Kraft in Krippen nicht um fünf Jahre aufschieben



Die Diakonie in Niedersachsen hält es während der Corona-Pandemie für vertretbar, wenn zunächst keine drei Fachkräfte für die Betreuung von Krippengruppen vorgeschrieben werden. Eine entsprechende Entscheidung der Landesregierung sei nachvollziehbar, sagte Diakonie-Vorstandssprecher Hans-Joachim Lenke am 9. Juni in Hannover. Ein Aufschub der Einführung einer verpflichtenden dritten Kraft um fünf Jahre sei aber zu lang.

Die FPD-Fraktion im Landtag hatte am 8. Juni ein Schreiben des Kultusministeriums öffentlich gemacht. Darin heißt es, für die Träger der Kindertageseinrichtungen werde es immer schwieriger, geeignete Fachkräfte zu finden. Die verpflichtende Einführung einer dritten Kraft als Regelkraft werde deshalb bis zum August 2025 verschoben. Das Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder hatte demnach bereits zum August des laufenden Jahres für jede Krippengruppe mit mindestens elf belegten Plätzen die dritte Kraft für die gesamte Betreuungszeit vorgesehen.

Lenke sagte, es sei weiter mit einem Fachkräftemangel zu rechnen. Auch nach der Sommerpause werde voraussichtlich in den Kitas noch kein Normalbetrieb wie vor der Corona-Pandemie möglich sein. Um möglichst viele Kinder zu betreuen und dadurch die Familien wesentlich zu entlasten, könne es hilfreich sein, wenn nicht mehr drei sondern nur noch zwei Fachkräfte in Krippengruppen eingesetzt werden müssten. "Wir begrüßen es auch, dass die Finanzierung von Drittkräften bleibt, so dass bei einem entsprechenden Personalangebot die Drittkräfte sukzessive eingeführt werden können."

Die Diakonie kritisiere allerdings die Länge des Aufschubs. "Dies trägt nicht dazu bei, Nachwuchs zu gewinnen und bestehende Kräfte langfristig zu binden", sagte Lenke.




sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Arbeitgeber sollten sich nicht zum muslimischen Kopftuch äußern




Frau mit Kopftuch (Archivbild)
epd-bild/Thomas Lohnes
Arbeitgeber sollten Stellenbewerberinnen keine Ratschläge zum Tragen eines muslimischen Kopftuches geben. Das kann zu einer Entschädigung wegen Diskriminierung führen, wie das Landesarbeitsgericht Mainz entschied.

Ein "väterlicher Rat" kommt ein Unternehmen in Rheinland-Pfalz teuer zu stehen. Der Arbeitgeber empfahl einer Stellenbewerberin, die ein muslimisches Kopftuch trug, in der Absage, künftig auf Bewerberfotos lieber auf den "Kopfschmuck" zu verzichten. Diese Bemerkung stellt eine Diskriminierung wegen der Religion dar, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in einem am 4. Juni veröffentlichten Urteil. Die Mainzer Richter sprachen der Stellenbewerberin eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 1.500 Euro zu.

Die Klägerin hatte sich im Mai 2018 bei einer Steuerberatungsgesellschaft für einen Ausbildungsplatz als Bürokauffrau beworben. Ihre Bewerbungsunterlagen enthielt ein Bewerbungsfoto, in dem die Frau ein muslimisches Kopftuch trug.

Der Geschäftsführer des Unternehmens erteilte ihr eine Absage. Er schrieb, er gehe davon aus, dass ihre Bewerbung "wohl nicht ganz ernst gemeint sei und sie wohl nur ein Alibischreiben zum Bezug von Arbeitslosengeld II verfasst habe". Der Geschäftsführer schrieb weiter: "Mein Tipp für die Zukunft: Sollten Sie wirklich mal eine ernstzunehmende Bewerbung schreiben wollen, verzichten sie auf Ihren 'Kopfschmuck'".

Frau klagte auf Entschädigung

Die Frau, eine Hartz-IV-Bezieherin und Mutter von drei Kindern, fühlte sich wegen ihrer Religion diskriminiert. Sie verlangte gerichtlich eine angemessene Diskriminierungsentschädigung.

Der Arbeitgeber bestritt eine Diskriminierung. Der Hinweis auf den "Kopfschmuck" sei nur als "väterlicher Rat" gemeint gewesen, hieß es. Bei ihrem katastrophalen Lebenslauf solle man die geringen Chancen auf einen Ausbildungsplatz nicht noch dadurch minimieren, dass man "auch als Muslimin ein nicht zwingend notwendiges Kopftuch" trage. Rassistische oder ethnische Vorurteile habe er nicht, habe er doch bereits Menschen aus unterschiedlichen Ländern beschäftigt, betonte der Geschäftsführer.

Das LAG verurteilte den Arbeitgeber zu einer Diskriminierungsentschädigung von 1.500 Euro. Das entspricht 2,4 Monatsgehältern. Der Arbeitgeber habe die Frau unmittelbar wegen ihrer Religion benachteiligt, befand das Gericht. Das Schreiben des Geschäftsführers lasse erkennen, dass das Bewerbungsfoto ursächlich für die Absage war, auch wenn das Kopftuch nicht als Grund für die Ablehnung benannt wurde, sondern nur als "Ratschlag" gemeint gewesen sein soll.

Klägerin wollte Kopftuch tragen

Der Arbeitgeber habe dieses Indiz für eine Diskriminierung auch nicht entkräften können. Zwar sei unter islamischen Gelehrten das "Bedeckungsgebot" als religiöse Pflicht umstritten. Entscheidend sei aber, dass die Klägerin nachvollziehbar das Tragen der Kopfbedeckung als verpflichtend ansehe. Zudem sei die Klägerin benachteiligt worden, weil eine andere Bewerberin bevorzugt wurde.

Streitigkeiten um das Tragen eines muslimischen Kopftuches befassen regelmäßig auch die obersten Gerichte. So will das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 27. August 2020 darüber entscheiden, ob das Land Berlin muslimische Bewerberinnen für eine Lehrerinnenstelle das Tragen eines Kopftuches pauschal verbieten darf. Das Land hatte vor dem Berliner Landesarbeitsgericht argumentiert, dass ansonsten das staatliche Neutralitätsgebot verletzt werde.

Zumindest bei "hoheitlichen Aufgagen" dürfen nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2020 Bundesländer ein Kopftuchverbot erlassen. Die Verfassungsrichter billigten damit ein Kopftuchverbot bei Rechtsreferendarinnen. Die damit verbundene Einschränkung der Glaubensfreiheit könne gerechtfertigt sein, um die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die negative Religionsfreiheit anderer Menschen zu gewährleisten, hieß es.

Entscheidung zu privaten Arbeitgebern noch offen

Unter welchen Voraussetzungen private Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen das Tragen eines muslimischen Kopftuchs verbieten dürfen, bleibt indes noch offen. Das BAG hatte am 30. Januar 2019 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ein Verfahren vorgelegt, in dem eine Drogeriemarkt-Kassiererin nach ihrer Elternzeit nur mit Kopftuch an ihre Arbeit zurückkehren wollte. Der Arbeitgeber hatte ein allgemeines Verbot weltanschaulicher Symbole erlassen. Der EuGH wird voraussichtlich noch dieses Jahr über den Rechtsstreit verhandeln.

Az.: 3 Sa 132/19 (LAG Mainz)

Az.: 7 Sa 963/18 (LAG Berlin)

Az.: 2 BvR 1333/17 (Bundesverfassungsgericht)

Az.: 10 AZR 299/18 (Bundesarbeitsgericht)

Az.: C-341/19 (EuGH)

Frank Leth


Bundesgerichtshof

Angespartes Taschengeld von Heimbewohnern ist pfändbar



Pflegeheimbewohner müssen ihr aus der Sozialhilfe angespartes Taschengeld bei Bedarf für die Tilgung ihrer Schulden verwenden. Ein von einer Pflegeeinrichtung verwaltetes "Taschengeldkonto" ist daher bis auf einen monatlichen angemessenen Barbetrag pfändbar, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 8. Juni veröffentlichten Beschluss.

Im Streitfall ging es um einen überschuldeten Altenpflegeheimbewohner aus Recklinghausen. Der Mann war auf Sozialhilfe angewiesen. Für den Sozialhilfebezieher zweigte der Heimbetreiber monatlich 100 Euro treuhänderisch auf dessen "Taschengeldkonto" ab. Darauf wollte der Gläubiger zugreifen und verlangte die Pfändung des angesparten Taschengeldes.

Das Landgericht Bochum hielt das aus der Sozialhilfe angesparte Taschengeld auf dem von dem Heimbetreiber verwalteten Konto für unpfändbar. Bewohner müssten ihre persönlichen Bedürfnisse decken können. Dies gebiete das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde.

Der BGH entschied jedoch, dass das Taschengeldkonto pfändbar ist, sobald ein "angemessener Barbetrag" überstiegen wird. Dem Heimbewohner müsse ein Betrag in Höhe von 27 Prozent aus dem Bedarf eines Alleinstehenden für seinen notwendigen Lebensunterhalt verbleiben. Diese diene dem Bewohner zur "Sicherung seines menschenwürdigen Daseins". Bei einem monatlichen Regelbedarf von aktuell 432 Euro sind das 116,64 Euro.

Darüber hinausgehende Beträge seien jedoch pfändbar, entschied der BGH. Das Landgericht muss nun feststellen, wie viel Geld überhaupt auf dem Taschengeldkonto des Mannes ist und wie viel davon gepfändet werden kann.

Az.: VII ZB 82/17



Oberlandesgericht

Kindesumgang nach Trennung auch in Corona-Zeiten erlaubt



Auch in Zeiten der Corona-Pandemie muss grundsätzlich der Umgang eines Kindes mit einem getrennt lebenden Elternteil sichergestellt werden. Denn der Umgang mit dem Kind gehört "zu dem absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte" und dient dem Kindeswohl, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig in einem am 3. Juni bekanntgegebenen Beschluss.

Im Streitfall wollte eine getrennt lebende Mutter verhindern, dass ihr Ex-Partner im Zuge der Corona-Pandemie Umgang mit der gemeinsamen Tochter hat. Die Kontakte zwischen dem fast sechsjährigen Mädchen und ihrem Vater würden zu einem erhöhten Infektionsrisiko führen, lautete ihre Begründung. Das Familiengericht hatte dem Vater allerdings den Umgang mit dem Kind erlaubt.

Verfahrenskostenhilfe verweigert

Um gegen diese Entscheidung vorgehen zu können, beantragte sie beim OLG Verfahrenskostenhilfe. Doch die Braunschweiger Richter lehnten diese Zahlung ab. Die Pandemie biete weder Anlass, bestehende Umgangsregelungen abzuändern, noch diese gar auszusetzen. Nur weil der Vater nicht im selben Haushalt lebe, sei der Umgang nicht verboten. Dieser diene vielmehr dem Kindeswohl. Denn der Umgang zwischen einem nicht betreuenden Elternteil und seinem Kind gehöre "zu dem absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte".

Anderes gelte nur, wenn der umgangsberechtigte Elternteil selbst oder ein Angehöriger seines Haushalts nachweisbar an COVID-19 erkrankt ist oder eine Quarantäne verhängt wurde. Sei dagegen das Kind erkrankt, stehe dem Umgang aber nichts entgegen. Denn auch der zum Umgang berechtigte Elternteil müsse sein krankes Kind versorgen und pflegen können, betonte das OLG.

Az.: 1 UF 51/20



Verwaltungsgerichtshof

Bordelle in Hessen bleiben wegen Corona zu



Bordelle in Hessen bleiben nach einem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) in Kassel weiterhin geschlossen. Wie der VGH am 9. Juni mitteilte, wurde ein Eilantrag einer Bordellbetreiberin aus Offenbach gegen eine entsprechende Verordnung der hessischen Landesregierung abgelehnt. Ein von der Antragstellerin vorgelegtes Hygienekonzept vermochte das Gericht nicht zu überzeugen. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Angesichts der anhaltenden Infektionsgefahr sei die fortdauernde Schließung von Prostitutionsstätten durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt und insbesondere verhältnismäßig, argumentierte das Gericht. Das vorgelegte Hygienekonzept, welches unter anderem Schutzmaßnahmen wie das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, das Gebot der Einhaltung des Mindestabstands, Temperaturmessungen bei den Kunden sowie die Aufnahme von Kontaktdaten vorsah, könne nicht effektiv kontrolliert werden, erklärte das Gericht.

Zudem bestünden Zweifel daran, dass die Kunden ihre Kontaktdaten wahrheitsgemäß hinterließen. Das Bordell ist seit dem 18. März geschlossen.

Az.: 8 B 1446/20.N



Verwaltungsgericht

Corona begründet kein Einzelzimmer in Asylunterkunft



In einer Erstaufnahmeeinrichtung lebende Asylbewerber können wegen der Corona-Pandemie nicht pauschal ein Einzelzimmer oder eine externe anderweitige Unterbringung verlangen. Gehört ein Flüchtling nicht zu einer Covid-19-Risikogruppe, ist ihm der Aufenthalt in einem Zweibettzimmer zumutbar, entschied das Verwaltungsgericht Leipzig in einem am 4. Juni veröffentlichten Beschluss. Allerdings müssten die per Verordnung erlassenen Corona-Auflagen wie die Einhaltung der Hygiene und von Mindestabständen in der Aufnahmeeinrichtung auch umgesetzt werden können.

Im konkreten Fall wollte ein in der Erstaufnahmeeinrichtung im sächsischen Schkeuditz untergebrachter Flüchtling per Eilantrag wegen der Corona-Pandemie ein Einzelzimmer oder eine externe Unterbringung durchsetzen. Er müsse sich nicht nur ein Zimmer mit einer anderen Person teilen, sondern auch mit rund 50 weiteren Bewohnern fünf Toiletten und Duschen. Genügend Seife als Hygienemaßnahme werde auch nicht ausreichend bereitgestellt, so dass insgesamt ein erhöhtes Ansteckungsrisiko bestehe, lautete seine Argumentation.

Abstände können eingehalten werden

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab. Zwar könnten aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge Asylbewerber von ihrer Wohnverpflichtung in der Aufnahmeeinrichtung befreit werden. Das sei hier aber nicht erforderlich, befand das Gericht.

Denn in der Aufnahmeeinrichtung könnten die vorgeschriebenen Mindestabstände von 1,5 Metern zu anderen Personen eingehalten werden. Ein Anspruch auf ein Einzelzimmer bestehe nicht. Anderenfalls müssten auch alle anderen Gemeinschaftseinrichtungen wie etwa Alten- und Pflegeheime geschlossen werden. Die Hygiene an den sanitären Gemeinschaftsanlagen werde auch gewährleistet.

Fehle es mal an der bereitgestellten Seife, könne sich der Antragsteller diese selbst von seinem Taschengeld kaufen. Gegessen werde im Zimmer, was ebenfalls das Ansteckungsrisiko senke. Einer besonderen Risikogruppe gehöre der 34-Jährige ebenfalls nicht an.

Münsteraner Richter entscheiden anders

Das Verwaltungsgericht Münster gab unterdessen mit Beschluss vom 12. Mai dem Antrag eines Asylbewerbers, von der Wohnverpflichtung in der Aufnahmeeinrichtung abzusehen, statt. Bei der im Streit stehenden Aufnahmeeinrichtung in Rheine hatte der Antragsteller die beengten Wohnverhältnisse und die nicht mögliche Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstands von 1,5 Metern gerügt. Auch eine gute Händehygiene könne dort nicht eingehalten werden.

Weil die Bezirksregierung in Arnsberg zu den Vorwürfen nicht Stellung nahm, ging das Verwaltungsgericht von den beanstandeten Wohnverhältnissen aus. Außerdem verwiesen die Münsteraner Richter auf die chronische Hepatitis-B-Erkrankung des Flüchtlings. Damit gehöre er zu einer als "besonders vulnerabel anzusehenden Personengruppe".

Az.: 5 L 211/20.A (Verwaltungsgericht Leipzig)

Az.: 5 L 399/20 (Verwaltungsgericht Münster)




sozial-Köpfe

Führungswechsel

Johannes Buß führt Diözesan-Caritasverband Osnabrück




Johannes Buß
epd-bild/Caritas Osnabrück
Johannes Buß (45) wird im kommenden Jahr Direktor des Caritasverbandes für die katholische Diözese Osnabrück. Er folgt auf Franz Loth, der nach mehr als 13-jähriger Amtszeit in den Ruhestand tritt.

Der Caritasverband in Osnabrück bekommt zum Jahreswechsel einen neuen Direktor: Johannes Buß löst Franz Loth ab. Der Diplom-Sozialpädagoge und -Sozialarbeiter Buß ist seit 2008 Direktor der Katholischen Landvolk-Hochschule Oesede in Georgsmarienhütte und zugleich Sprecher der Bildungseinrichtungen im Bistum Osnabrück.

Generalvikar Theo Paul gab seiner Freude Ausdruck, dass Buß bereit ist, die Verantwortung der neuen Aufgabe zu übernehmen: Mit ihm werde "im kommenden Jahr eine Persönlichkeit die Leitung des Caritasverbandes übernehmen, die über ein hervorragendes Netzwerk verfügt, ein hohes Maß an Menschenkenntnis und Führungskompetenz mitbringt und dabei fest in der katholischen Kirche verankert ist".

Buß betonte, er freue sich sehr auf die Menschen, "denen ich einen Dienst tun darf und genauso auf die vielen, mit denen ich diesen Dienst gemeinsam angehe".

Die Osnabrücker Caritas ist Spitzenverband für rund 720 katholische soziale Einrichtungen und Dienste mit nach eigenen Angaben mehr als 28.000 Mitarbeitenden. Sie ist selbst Träger oder Gesellschafter von 197 Einrichtungen und Diensten mit rund 4.600 Mitarbeitenden zwischen Teutoburger Wald und Nordsee.



Weitere Personalien



Bernd Klein (SPD), früherer Bürgermeister von Lich, bleibt geschäftsführender Vorstand des Oberhessischen Diakoniezentrums in Laubach. Sein Vertrag wurde vorzeitig um fünf Jahre verlängert, teilte das Diakonische Werk in Gießen mit. Klein hatte die Führung des Diakoniezentrums im Februar zunächst für ein Jahr übernommen. Sein Einstieg sei aus Sicht des Stiftungsrates sehr positiv verlaufen. Gemeinsam mit Susanne Egbert bildet er in Zukunft die Geschäftsführung des Diakoniezentrums. Die gemeinnützige Stiftung mit 300-jähriger Tradition betreibt unter anderem drei Seniorenheime und sechs Kindertagesstätten. Außerdem gehören Betreutes Wohnen, Essen auf Rädern, ein Mehrgenerationenhaus, ambulante Dienste und Ehrenamtsdienste zu den Aufgaben.

Thomas Koch (49) leitet seit Mai das Caritas Krankenhauses St. Josef in Regensburg als Geschäftsführer. Zuvor war der Mediziner zwölf Jahre Geschäftsführer des Regensburger Ärztenetzes. Als neuer Chef des Krankenhauses übernimmt er eine Einrichtung, die nach 13-jähriger Kooperation mit den Sana Kliniken seit Dezember 2019 wieder in alleiniger Hand des Wohlfahrtsverbands ist. Nach seinem Medizinstudium spezialisierte Koch sich als Facharzt für Orthopädie. Außerdem hat er einen Master in Health Care Management. In der Vergangenheit leitete Koch unter anderem das Medizincontrolling im Regensburger Krankenhaus der Barmherzigen Brüder. Zudem war er verantwortlich für die Bereiche EDV, Controlling und Qualitätsmanagement an der Asklepios Klinik Lindenlohe und praktizierte an der Orthopädischen Klinik Lindenlohe und der Goldbergklinik Kelheim.

Siegbert Rossol ist seit dem 1. Juni neuer Ärztlicher Direktor im Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main. Zuvor war er Chefarzt der Medizinischen Klinik. Rossol löst für drei Jahre Professor Klaus-Peter Hunfeld ab, der die Ärztliche Leitung turnusmäßig übergibt und sich in Zukunft wieder ausschließlich seiner Tätigkeit als Leiter des Zentralinstitiuts für Labormedizin, Mikrobiologie und Krankenhaushygiene widmen wird. Professor Rossol ist Internist, Gastroenterologe, Hepatologe und Koloproktologe und seit 2006 Chefarzt der Medizinischen Klinik des Krankenhauses Nordwest. Stellvertretender Ärztlicher Direktor ist Professor Bodo Kress, der Chefarzt des Instituts der Neuroradiologie.

Nicola Lopopolo (58) ist neuer Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Hannover. Er übernahm das Amt von Werner Preissner, der die Leitung seit 2013 innehatte und aus Altersgründen nicht mehr für eine neue Amtszeit kandidiert. Lopopolo ist gebürtiger Itlaliner und gelernter Bauschlosser. Er arbeitet seit 1985 bei der Maschinenbaufirma Renk in Hannover und ist dort seit 1994 Betriebsratsvorsitzender.

Friederike Krippner (38), Theologin und Literaturwissenschaftlerin, wird neue Leiterin der Evangelischen Akademie in Berlin. Sie verfüge über "theologische ebenso wie breite geisteswissenschaftliche Bildung, über waches gesellschaftspolitisches Gespür ebenso wie über einen klaren evangelischen Kompass", erklärte der Präsident der Akademie, Paul Nolte, in Berlin. Krippner übernimmt die Direktion zum 1. August und folgt auf den langjährigen Direktor Rüdiger Sachau, der im Januar verabschiedet wurde. Die Leitung der Akademie war seitdem vakant.




sozial-Termine

Veranstaltungen bis August



Wir haben Tagungen, Seminare, Workshops und Webinare aufgelistet, die ab Juni geplant sind. Wegen der Corona-Epidemie sagen Veranstalter allerdings Termine auch kurzfristig ab. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.

Juni

18.6. Heidelberg:

Seminar "Psychische Erkrankungen: Vom Umgang mit Suizidalität"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/25298921

22.-23.6. Berlin:

Seminar "Anleitung von Praktikantinnen und Praktikanten im Praxisfeld sozialer Arbeit"

der Paritätischen Akademie Berlin

Tel.: 030/2758282 14

24.-26.6. Remagen-Rolandseck:

Seminar "Resilienz Basistraining"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-0

Juli

1.-3.7. Freiburg:

Fortbildung "Lassen Sie uns mal emotional werden …! - Gefühle als Signalgeber für die Arbeit"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/2001801

7.-9.7. Berlin:

Seminar: "Schulden im Alter - eine besondere Herausforderung für die Schuldnerberatung?!"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-495

9.7. München:

Seminar "Die Herausforderungen des Wandels in den sozialen Märkten"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/25298921

20.-22.7. Freiburg:

Seminar "Case Management im Migrationsdienst der Caritas"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-0

August

17.-21.8. Berlin:

Seminar "Integrierte Schuldnerberatung in Sucht- und Straffälligenhilfe, Sozialberatung und Betreuung"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-388

24.-27.8.: Remagen-Rolandseck:

Seminar "Familiennachzug von Geflüchteten"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-0

27.-30.8. Remagen-Rolandseck:

Seminar "Freiwilliges Engagement in der Suchthilfe - Beratung und Unterstützung von Verantwortlichen in der Selbsthilfe"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-0