sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Arbeitgeber sollten sich nicht zum muslimischen Kopftuch äußern




Frau mit Kopftuch (Archivbild)
epd-bild/Thomas Lohnes
Arbeitgeber sollten Stellenbewerberinnen keine Ratschläge zum Tragen eines muslimischen Kopftuches geben. Das kann zu einer Entschädigung wegen Diskriminierung führen, wie das Landesarbeitsgericht Mainz entschied.

Ein "väterlicher Rat" kommt ein Unternehmen in Rheinland-Pfalz teuer zu stehen. Der Arbeitgeber empfahl einer Stellenbewerberin, die ein muslimisches Kopftuch trug, in der Absage, künftig auf Bewerberfotos lieber auf den "Kopfschmuck" zu verzichten. Diese Bemerkung stellt eine Diskriminierung wegen der Religion dar, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in einem am 4. Juni veröffentlichten Urteil. Die Mainzer Richter sprachen der Stellenbewerberin eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 1.500 Euro zu.

Die Klägerin hatte sich im Mai 2018 bei einer Steuerberatungsgesellschaft für einen Ausbildungsplatz als Bürokauffrau beworben. Ihre Bewerbungsunterlagen enthielt ein Bewerbungsfoto, in dem die Frau ein muslimisches Kopftuch trug.

Der Geschäftsführer des Unternehmens erteilte ihr eine Absage. Er schrieb, er gehe davon aus, dass ihre Bewerbung "wohl nicht ganz ernst gemeint sei und sie wohl nur ein Alibischreiben zum Bezug von Arbeitslosengeld II verfasst habe". Der Geschäftsführer schrieb weiter: "Mein Tipp für die Zukunft: Sollten Sie wirklich mal eine ernstzunehmende Bewerbung schreiben wollen, verzichten sie auf Ihren 'Kopfschmuck'".

Frau klagte auf Entschädigung

Die Frau, eine Hartz-IV-Bezieherin und Mutter von drei Kindern, fühlte sich wegen ihrer Religion diskriminiert. Sie verlangte gerichtlich eine angemessene Diskriminierungsentschädigung.

Der Arbeitgeber bestritt eine Diskriminierung. Der Hinweis auf den "Kopfschmuck" sei nur als "väterlicher Rat" gemeint gewesen, hieß es. Bei ihrem katastrophalen Lebenslauf solle man die geringen Chancen auf einen Ausbildungsplatz nicht noch dadurch minimieren, dass man "auch als Muslimin ein nicht zwingend notwendiges Kopftuch" trage. Rassistische oder ethnische Vorurteile habe er nicht, habe er doch bereits Menschen aus unterschiedlichen Ländern beschäftigt, betonte der Geschäftsführer.

Das LAG verurteilte den Arbeitgeber zu einer Diskriminierungsentschädigung von 1.500 Euro. Das entspricht 2,4 Monatsgehältern. Der Arbeitgeber habe die Frau unmittelbar wegen ihrer Religion benachteiligt, befand das Gericht. Das Schreiben des Geschäftsführers lasse erkennen, dass das Bewerbungsfoto ursächlich für die Absage war, auch wenn das Kopftuch nicht als Grund für die Ablehnung benannt wurde, sondern nur als "Ratschlag" gemeint gewesen sein soll.

Klägerin wollte Kopftuch tragen

Der Arbeitgeber habe dieses Indiz für eine Diskriminierung auch nicht entkräften können. Zwar sei unter islamischen Gelehrten das "Bedeckungsgebot" als religiöse Pflicht umstritten. Entscheidend sei aber, dass die Klägerin nachvollziehbar das Tragen der Kopfbedeckung als verpflichtend ansehe. Zudem sei die Klägerin benachteiligt worden, weil eine andere Bewerberin bevorzugt wurde.

Streitigkeiten um das Tragen eines muslimischen Kopftuches befassen regelmäßig auch die obersten Gerichte. So will das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 27. August 2020 darüber entscheiden, ob das Land Berlin muslimische Bewerberinnen für eine Lehrerinnenstelle das Tragen eines Kopftuches pauschal verbieten darf. Das Land hatte vor dem Berliner Landesarbeitsgericht argumentiert, dass ansonsten das staatliche Neutralitätsgebot verletzt werde.

Zumindest bei "hoheitlichen Aufgagen" dürfen nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2020 Bundesländer ein Kopftuchverbot erlassen. Die Verfassungsrichter billigten damit ein Kopftuchverbot bei Rechtsreferendarinnen. Die damit verbundene Einschränkung der Glaubensfreiheit könne gerechtfertigt sein, um die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die negative Religionsfreiheit anderer Menschen zu gewährleisten, hieß es.

Entscheidung zu privaten Arbeitgebern noch offen

Unter welchen Voraussetzungen private Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen das Tragen eines muslimischen Kopftuchs verbieten dürfen, bleibt indes noch offen. Das BAG hatte am 30. Januar 2019 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ein Verfahren vorgelegt, in dem eine Drogeriemarkt-Kassiererin nach ihrer Elternzeit nur mit Kopftuch an ihre Arbeit zurückkehren wollte. Der Arbeitgeber hatte ein allgemeines Verbot weltanschaulicher Symbole erlassen. Der EuGH wird voraussichtlich noch dieses Jahr über den Rechtsstreit verhandeln.

Az.: 3 Sa 132/19 (LAG Mainz)

Az.: 7 Sa 963/18 (LAG Berlin)

Az.: 2 BvR 1333/17 (Bundesverfassungsgericht)

Az.: 10 AZR 299/18 (Bundesarbeitsgericht)

Az.: C-341/19 (EuGH)

Frank Leth