sozial-Editorial

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Markus Jantzer
epd-bild/Heike Lyding

die Corona-Pandemie wirbelt die Sozialbranche durcheinander. In einigen Bereichen der Branche sind die Folgen der Krise nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden der Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank), Ekkehard Thiesler, existenzbedrohend. Der von Bundestag und Bundesrat beschlossene Rettungsschirm helfe nicht allen Einrichtungen. Thiesler kritisiert, dass die Gesundheits- und Sozialwirtschaft bei den neuen KfW-Krediten außen vor sei.

Akut lebensbedrohlich ist Corona für viele Menschen, die in den Krankenhäusern liegen. Die Kliniken sind dabei, die Zahl der Intensivbetten zu verdoppeln. Es drohen aber Engpässe beim ärztlichen und pflegerischen Personal. An Schutzkleidung fehlt es jetzt schon. Das gilt insbesondere auch für Pflege- und Altenheime, wie eine bundesweite Umfrage des Evangelischen Pressedienstes ergab.

In Deutschland versucht sich eine ganze Gesellschaft zu schützen: Länder erlassen Besuchsverbote für Krankenhäuser und Aufnahmeverbote für Pflegeheime. Unternehmen stellen ihre Produktion kurzfristig auf den Bedarf der Gesundheitsbranche um, Theaterschneidereien und Bürger nähen in ihrer freien Zeit Schutzmasken.

Der Ausnahmezustand belastet Familien mit kleinen Kindern und kleinen Wohnungen in besonderer Weise. Für Senioren, die aus Furcht vor Ansteckung nicht mehr ihre Wohnung verlassen, bieten sich Helfer aus der Nachbarschaft an.

Auch jenseits der Corona-Krise findet noch Sozialpolitik statt: Die Rentenkommission hat ihren lange erwarteten Abschlussbericht vorgelegt. Darin empfehlen die Experten der Bundesregierung, das bestehende Rentensystem zu bewahren. Außerdem solle die Koalition am Konzept der doppelten Haltelinien, die das Rentenniveau nach unten absichern und die Beitragssätze nach oben begrenzen, auch über 2025 hinaus festhalten.

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Hier geht es zur Gesamtausgabe von epd sozial 14/2020.

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Markus Jantzer




sozial-Politik

Corona-Krise

Shutdown lässt Kurzarbeit hochschnellen




Logo der Agentur für Arbeit
epd-bild/Gustavo Alàbiso
Mit Kurzarbeit will die Regierung in der Corona-Krise erreichen, dass möglichst viele Menschen ihre Arbeit behalten. Die Zahlen schnellen in die Höhe. Der Arbeitsminister ermutigt Solo-Selbstständige, Hilfen zu beantragen: Niemand müsse sich schämen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) setzt in der Corona-Krise auf Kurzarbeit und wirbt zugleich um Zuversicht. Deutschland habe Ressourcen, um sich gegen die Folgen der Pandemie zu stellen, sagte er am 31. März in Berlin. Die Kurzarbeit sei eines der wichtigsten Mittel, damit Millionen von Beschäftigten ihren Job behielten. Er forderte Kleinunternehmer, denen die Existenzgrundlage weggebrochen ist, auf, die vereinfachte Grundsicherung ohne Vermögensprüfung zu beantragen: "Niemand der jetzt auf Hilfe angewiesen ist, muss sich dafür schämen."

Mehr Kurzarbeit als in der Finanzkrise erwartet

Heil zufolge haben bis Ende vergangener Woche bereits 470.000 Betriebe bei der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeit angezeigt, besonders viele aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe und aus dem Handel. Den Angaben zufolge hatten im vergangenen Jahr im Durchschnitt pro Monat lediglich 1.300 Betriebe Kurzarbeit angemeldet. Wie viele Betriebe insgesamt im Verlauf der Krise Kurzarbeit einführen, lasse sich heute nicht abschätzen, sagte Heil. Es würden aber deutlich mehr werden als in der Finanzkrise 2009, als in Spitzenzeiten 1,4 Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit waren, vorwiegend im produzierenden Gewerbe.

Forderungen nach weiteren Erleichterungen bei der Grundsicherung begegnete Heil mit Zurückhaltung, wies sie aber nicht zurück. Er wolle nicht ausschließen, dass noch weitere Maßnahmen ergriffen werden müssten, sagte er. Linken-Chefin Katja Kipping hatte gefordert, die Anrechnung der Partner-Einkommen für die Grundsicherung auszusetzen. Das gebe die Rechtslage derzeit nicht her, sagte der Minister.

Für Hartz-IV-Leistungen werden die Einkommen von Partnern und Kindern in sogenannten Bedarfsgemeinschaften angerechnet. Das gilt auch weiterhin, etwa für Solo-Selbstständige, die jetzt die Grundsicherung beantragen, ohne dass ihr eigenes Vermögen oder die Größe ihrer Wohnung geprüft werden. Die Grünen, die Linke und auch Sozialverbände haben Aufschläge auf den Hartz-IV-Satz gefordert, weil die Lebensmittel-Tafeln wegen der verschärften Abstandsregeln geschlossen haben, auf die viele Menschen angewiesen sind.

Antragsflut in den Arbeitsagenturen

Derzeit beziehen 1,4 Millionen erwerbsfähige Menschen die Grundsicherung, auch Hartz IV genannt. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, sagte, "wir rechnen damit, das die Zahlen hochgehen werden." Auch die Arbeitslosigkeit werde steigen, Prognosen der BA zufolge bereits im April um 150.000 bis 200.000 Erwerbslose zusätzlich.

Scheele sagte, eine solche Entwicklung wie gegenwärtig habe es noch nie gegeben. An den Zahlen zur Kurzarbeit könne man sehen, "dass der Shutdown ein abrupter Stopp war." Seinen Angaben zufolge werden die Arbeitsagenturen derzeit umstrukturiert, um genügend Personal für die Bearbeitung der Antragsflut zu haben. Wie viele Menschen tatsächlich in Kurzarbeit gehen werden und in welchem Umfang, könne man erst sagen, wenn mit den Betrieben abgerechnet werde, erklärte Scheele.

In den Arbeitsmarktzahlen vom März spiegelt sich die Krise noch nicht wider, da sie nur bis zum 12. März reichen und die Verschärfung der Corona-Krise nicht erfassen. Danach ist die Zahl der Arbeitslosen im März jahreszeitlich bedingt gegenüber dem Februar um 60.000 auf 2.335.000 Menschen gesunken. Bereinigt um die saisonalen Faktoren stieg die Zahl leicht um 1.000 Erwerbslose. Im Vergleich zum März des Vorjahres gab es 34.000 Erwerbslose mehr. Die Arbeitslosenquote sank gegenüber dem Februar um 0,2 Prozentpunkte auf 5,1 Prozent und war im März damit genauso hoch wie im Vorjahr.

Bettina Markmeyer


Corona-Krise

Die ganze Familie den ganzen Tag in der kleinen Wohnung




Gesperrter Spielplatz
epd-bild/Meike Böschemeyer
Viele Büro-Angestellte mit Kindern, die wegen der Corona-Pandemie im Homeoffice arbeiten, sind nun auch als Pädagogen gefordert. Der Familienalltag dürfte allerdings für Kleinverdiener mit Kurzarbeit in einer engen Mietswohnung härter sein.

Die fünfjährige Zehra rüttelt heftig am Fahrersitz – und in Kombination mit der Titelmelodie ihrer Lieblingshörbücher auch an Ozan Yasars Nerven. Der 41-jährige Dortmunder liefert Pizza aus, seit das Coronavirus seinen Alltag auf den Kopf gestellt hat: im Auto vom Chef, mit der Tochter auf der Rückbank. "Zehra fehlt die Kita genauso wie mir", sagt Yasar, der als Kellner angestellt ist und dessen Chef eigentlich gar keinen Lieferservice macht. Der ist aber die Rettungsidee in der Corona-Krise, die fünf Angestellten ziehen mit. Ansonsten wäre das Restaurant ab 15 Uhr – und vielleicht bald ganz – zu. "Jetzt sind natürlich alle Arbeitszeiten anders", sagt der zweifache Vater, dessen Ex-Frau die Kinder gerade nicht nehmen kann, weil sie im Krankenhaus arbeitet. Sein 15-jähriger Sohn soll sich Zuhause auf die Zentralen Prüfungen für den Realschulabschluss vorbereiten, die lebhafte Schwester nimmt er auch deshalb mit zur Arbeit.

Rücklagen hat Ozan Yasar nicht

"Die Arbeit muss bleiben", sagt Yasar. Unbezahlter Urlaub, Kurzarbeit – schon die Übergangslösungen machen dem unfreiwilligen Pizzafahrer Sorgen. Rücklagen gibt es nicht, die Scheidung hat die kleinen Reste "und etwas mehr" verbraucht. "Die Ausgaben laufen weiter, die Einnahmen dürfen nicht kleiner werden, egal, was es uns als Familie kostet." Das galt schon vor Corona. Nur gab es da noch Schule, Kita, eine Oma für die Abendschichten.

Irina aus Bochum ist schon passiert, was Ozan Yasar mit allen Mitteln verhindern will. Zwei Minijobs sind weg: Die Bürogemeinschaft, deren Rezeption sie besetzt, ist im Homeoffice und die Bildungseinrichtung, die sie reinigt, geschlossen. Mit beiden hatte sie nur noch bis Monatsende einen Vertrag, "ich kriege einen neuen, wenn sie wieder öffnen", sagt die alleinerziehende Mutter, die anonym bleiben will, weil sie "ja jetzt wieder Bewerbungen schreibt – auch, wenn jetzt wohl eh keiner einstellt." An ihre finanzielle Schmerzgrenze kommt sie, wenn die Löhne auch im Mai noch fehlen "Dann muss ich zum Amt."

"Unsere Wohnung ist klein und ohne Balkon"

Etwa zehn Millionen Arbeitnehmer in Deutschland verdienen weniger als 12 Euro pro Stunde, zeigen die Auswertungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in Düsseldorf. Das sind fast 30 Prozent der abhängig Beschäftigten im Land. Lohnausfälle können sie kaum stemmen. "Ein Nettoeinkommensverlust von 40 Prozent bei Kurzarbeit hat bei Gehältern unter 2.000 Euro dramatische Folgen", sagt Thorsten Schulten, Leiter des Tarifarchivs des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts. Gerade in den klassischen Niedriglohnsektoren gebe es auch keine tarifvertraglich vereinbarten Zuschüsse zum staatlichen Kurzarbeitergeld.

Irina in Bochum macht jetzt sogar Homeoffice: Sie näht Kinderkleider und bietet sie im Online-Verkauf an – ihre dritte und gerade einzige Einkommensquelle. Dafür teilt sie sich den Laptop mit ihren beiden großen Töchtern, die einige Schulaufgaben von ihrer Schule bekommen haben. Mit ihrer Sechsjährigen geht sie für eine Stunde in den kleinen Park in der Nähe. Noch. "Die Spielplätze sind ja eigentlich jetzt schon gesperrt", sagt sie. "Unsere Wohnung ist klein und ohne Balkon, vor allem die Kleine verpackt das schlecht."

Das merkt auch Ozan Yasar in Dortmund. Der hat zwar einen Balkon, "Ball spielen oder richtig toben geht aber nur draußen", sagt der Vater. Eigentlich. Ist draußen gesperrt, muss die Tochter auf der Couch Hüpfen. "Nach einem Tag im Auto braucht sie das."

Miriam Bunjes


Corona-Krise

Milliarden-Hilfspaket nimmt letzte Hürden




Bundesratsgebäude in Berlin
epd-bild/Jürgen Blume
Im Eilverfahren wurde innerhalb einer Woche ein Milliarden-Hilfspaket zur Unterstützung von Wirtschaft und Gesundheitswesen in der Corona-Krise auf den Weg gebracht. Am 27. März gaben der Bundesrat und der Bundespräsident grünes Licht.

Die Milliardenhilfen vom Bund für Wirtschaft und Gesundheitssystem in der Corona-Krise können fließen. Am 27. März nahm das Gesetzes-Paket zur Bewältigung der Konsequenzen des derzeitigen weitgehenden Stillstands von Handel und öffentlichem Leben die letzten beiden Hürden. Der Bundesrat stimmte dem Gesetzespaket zu. Bereits wenige Stunden später leistete auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die nötigen Unterschriften. Die sechs Gesetze seien ausgefertigt, teilte eine Sprecherin mit.

Finanziert werden sollen die Maßnahmen über einen Nachtragshaushalt in Höhe von 156 Milliarden Euro, für den neue Schulden aufgenommen werden müssen. Die Hilfen sollen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie für Wirtschaft und Bevölkerung mildern und das Gesundheitswesen stützen. Das Paket wurde in gerade einmal fünf Tagen beschlossen. Am 23. März brachte es das Bundeskabinett auf den Weg, am 25. März entschied bereits der Bundestag.

"Das Virus gefährdet uns alle"

Bundesratspräsident Dietmar Woidke (SPD) ging zu Beginn der nur 40-minütigen Sitzung im Bundesrat auf den Ernst der Lage ein. "Das Virus wartet nicht, es schert sich nicht um Grenzen, das Virus gefährdet uns alle - aber wir können und wir werden das Virus besiegen", sagte er. Niemand habe bisher einen Masterplan gegen Covid-19. Dennoch wisse man genug, um zu handeln. Bund und Länder hätten bewiesen, dass sie gemeinsam dafür kämpfen, die Verbreitung des Virus einzudämmen, sagte Woidke. Die Herausforderungen könnten nur im Miteinander bewältigt werden. Dabei stehe der Schutz der Menschen an erster Stelle.

Zur Stabilisierung der Wirtschaft gibt der Staat Garantien für Kredite in Milliardenhöhe. Unternehmen können Kurzarbeit anmelden, wenn ein Zehntel der Belegschaft von Arbeitsausfall betroffen ist - nach der bisher geltenden Regelung ist es ein Drittel. Solo-Selbstständige können zur Überbrückung ihrer Einnahmeausfälle zunächst für ein halbes Jahr Hartz-IV-Leistungen beantragen, ohne dass ihre Ersparnisse angetastet werden. Kleine Betriebe erhalten Zuschüsse, die sie nicht zurückzahlen müssen. Beschlossen wurden außerdem Lohnersatzleistungen für Eltern, die zur Betreuung ihrer Kinder zu Hause bleiben müssen, ein befristeter Kündigungsschutz für Mieter und finanzielle Anreize für Kurzarbeiter und Rentner, die in Branchen einspringen wollen, wo wegen der Krise Arbeitskräfte fehlen.

50.000 Euro für ein zusätzliches Intensivbett

Krankenhäuser bekommen Milliardenhilfen, damit sie ihre Intensivkapazitäten ausbauen. Für jedes zusätzliche Intensivbett gibt es 50.000 Euro. Die Bundesregierung hat das Ziel, die Kapazitäten von 28.000 Betten zu Beginn der Krise zu verdoppeln. Finanzielle Zuschüsse erhalten die Krankenhäuser außerdem zur Beschaffung von Schutzkleidung. Auch die Finanzmittel für Pflegeleistungen in den Kliniken werden erhöht. Pflege- und Reha-Einrichtungen werden Einnahmeausfälle durch geringe Belegung oder Schließungen zum Teil erstattet. Das Pflegepersonal in Heimen und Pflegediensten soll weniger Zeit für Bürokratie aufwenden müssen, Vorschriften und Kontrollen werden gelockert. Zusatzkosten der Pflegeanbieter werden von den Pflegekassen getragen.

Der Bundesrat stimmte auch einem Gesetz zu, das dem Bund zusätzliche Kompetenzen zur Bekämpfung von Epidemien einräumt. Um das Paket im Eilverfahren beschließen zu können, kam der Bundesrat innerhalb dieser Woche zu seiner zweiten Sondersitzung zusammen. Die Länder schickten jeweils nur einen Vertreter und verzichteten auf Redebeiträge, um die Sitzung kurz und das Infektionsrisiko niedrig zu halten.

Bettina Markmeyer, Corinna Buschow


Corona-Krise

Nach Todesfällen in Heim verfügt Ministerin landesweiten Aufnahmestopp




Die niedersächsische Sozialministerin Carola Reimann stoppt Aufnahme in Altenheime.
epd-bild/Philipp von Ditfurth
Keine andere Einrichtung für Senioren in Deutschland ist bislang vom Coronavirus so stark betroffen wie das Hanns-Lilje-Heim in Wolfsburg. Die Heimleitung betont, sie habe die Behörden umgehend über Anzeichen für Covid-19 informiert.

Im Wolfsburger Hanns-Lilje-Pflegeheim sind nach Angaben des Trägers vom 1. April 22 Menschen infolge der Atemwegserkrankung Covid-19 gestorben. In der Einrichtung für demenzkranke Menschen sind insgesamt 56 Bewohnerinnen und Bewohner am neuartigen Coronavirus erkrankt, wie die Diakonie Wolfsburg als Betreiber weiter mitteilte. Insgesamt leben dort zurzeit 145 meist hochbetagte Frauen und Männer. Das Landesgesundheitsministerium hat einen Aufnahmestopp für Pflegeheime verfügt.

Das Wolfsburger Hanns-Lilje-Heim ist neben dem Seniorenheim St. Nikolaus in Würzburg die bundesweit am stärksten durch die Corona-Krise betroffene Einrichtung für alte Menschen. In Würzburg starben bis 30. März 16 Menschen nach einer Covid-19-Erkrankung.

Serie von Todesfällen

Die Serie von Todesfällen im Hanns-Lilje-Heim begann am 23. März. Bereits am Morgen des 18. März habe das Gesundheitsamt die Heimleitung darüber informiert, dass der Ehemann einer Mitarbeiterin positiv getestet worden sei, erläuterte eine Sprecherin des Heims. Die Frau sei auf Anweisung des Amtes vom Dienst aus in Quarantäne geschickt worden. Am Nachmittag desselben Tages habe den Heimleiter vom Gesundheitsamt die Information erreicht, dass ein Bewohner des Heims, der sich zu diesem Zeitpunkt im Wolfsburger Klinikum in Behandlung befunden habe, positiv auf das Coronavirus getestet worden sei.

Als dann bei anderen Bewohnern Fieber aufgetreten sei, habe das Haus umgehend das Amt informiert und das weitere Vorgehen mit der zuständigen Behörde abgesprochen, betonte die Sprecherin. Sie verteidigte damit das Vorgehen des Heims gegen eine Äußerung von Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD). Diese hatte am 30. März gesagt, das Heim habe dem Gesundheitsamt erst spät die ersten Corona-Fälle gemeldet.

Reimann hat nach dem Bekanntwerden der Todesfälle in Wolfsburg einen landesweiten Aufnahmestopp für alle Pflegeheime verhängt. Danach dürfen Patienten aus Krankenhäusern ebenso wenig in die Heime gebracht werden wie aus dem häuslichen Bereich - es sei denn, die Heime können eine strikte 14-tägige Quarantäne garantieren.

Letzte Notmaßnahme

Der Leiter des Corona-Krisenstabs in Niedersachsen, Staatssekretär Heiger Scholz, verteidigte die Entscheidung des Ministeriums in Hannover. "Es ist eine letzte Notmaßnahme, um diese hochverletzliche Gruppe zu schützen", sagte er. "Wenn das Virus einmal im Haus ist, springt es von Zimmer zu Zimmer." Natürlich habe es auch negative Folgen, wenn die Pflegeheime keine neuen Bewohner mehr aufnehmen könnten. "Es ist eine schwierige Entscheidung gewesen."

Das Lilje-Heim meldete am 31. März, es hätten inzwischen die ersten der 29 Freiwilligen, die sich bei der Stadt für Hilfseinsätze gemeldet hätten, ihren Dienst aufgenommen. Wie die Diakonie am 1. April mitteilte, wird im Heim die strikte Trennung der Bereiche in einen Schutz- und einen Infiziertenbereich weiter vorangetrieben. Dasselbe gelte für die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Bewohner und Mitarbeiter. Die Trennung der Bereiche erweise sich dabei als die richtige Maßnahme: Alle im Schutzbereich lebenden Bewohner seien derzeit negativ getestet. Aus der Bevölkerung erhalte das Heim zahlreiche Hilfsangebote wie selbstgenähte Mundschutz-Masken und Schutzkleidung.

Auch in anderen Altenheimen in Niedersachsen wurde das Coronavirus inzwischen nachgewiesen. In Wildeshausen bei Oldenburg starben inzwischen zwei alte Menschen.

Michael Grau


Corona-Krise

Pflegebevollmächtigter: Angehörige müssen Sterbende begleiten dürfen




Patient in einem Hospiz
epd-bild/Werner Krüper
Nicht jeder Angehörige, der sterbende Familienmitglieder in Heimen oder Hospizen besuchen will, wird hereingelassen. Experten beklagen unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern und fordern Abhilfe.

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, hat gefordert, dass Angehörige auch in der Corona-Krise sterbende Pflegebedürftige begleiten dürfen. "Es muss doch möglich sein, dass Familienmitglieder die Hand ihres sterbenden Vaters halten können, und wenn sie dabei Handschuhe tragen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am 31. März. Der Deutsche Hospiz- und Palliativverband begrüßte die Forderung grundsätzlich, wies aber zugleich auf die noch immer bestehenden Risiken von Infektionen in den Einrichtungen hin.

Keine pauschalen Besuchsverbote

Westerfellhaus sagte: "Wenn sterbende Pflegebedürftige es wollen, dass Angehörige da sein können, dann muss man das möglich machen." Damit werde mehr erreicht "als wenn man pauschale Besuchsverbote ausspricht und die Betroffenen allein lässt". Er plädierte für einheitliche Regeln, wie weit das Besuchsverbot reichen solle. "In jedem Bundesland, in jeder Kommune läuft das anders", kritisierte der Pflegebevollmächtigte.

Mit Blick auf Todesfälle nach Corona-Infektionen in Pflegeheimen betonte er, er sei sicher, dass die Verantwortlichen in den Heimen und der ambulanten Pflege alles dafür täten, die Pflegebedürftigen zu schützen. Dafür sei aber auch ausreichend Schutzmaterial nötig.

Auf epd-Anfrage sagte Bernd Bolze, Geschäftsführer des Hospiz- und Palliativverbandes, die Hospize hielten sich an die durch die Landesregierungen vorgegebenen Kontaktregelungen. "Sofern Besuche möglich sind, werden entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen, indem unter anderem die Anzahl der Besucher und die Besuchszeiten eingeschränkt werden."

Regelungen uneinheitlich

Auch er verwies darauf, dass die Regelungen für Besuche Sterbender derzeit nicht einheitlich seien. Man sei aber auf Landesebene im Kontakt mit den Behörden, "um Absprachen zu treffen, die Besuche nach Möglichkeit nicht grundsätzlich ausschließen und gleichzeitig den Schutz aller Beteiligten gewährleisten", erläuterte Bolze.

Abschließend betonte der Geschäftsführer, vor allem das Fehlen von Schutzkleidung stehe einer möglichst großzügigen Besuchsregelung im Weg. "Eine für die Hospize in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellte Schutzausrüstung würde vieles erleichtern."

Uwe Gepp, Dirk Baas


Ruhestand

Rentenkommission: Gesetzliche Rente bleibt Kern der Alterssicherung




Zweigstelle der Deutschen Rentenversicherung in Fankfurt am Main
epd-bild/Heike Lyding
Mit Spannung war der Abschlussbericht der Rentenkommission erwartet worden. Die Experten empfehlen, die gesetzliche Rentenversicherung zu stärken sowie die Beiträge und das Rentenniveau zu stabilisieren. In einigen wichtigen Punkten bleiben sie vage.

Die Rentenkommission der Bundesregierung setzt weiter auf die gesetzliche Rente. Sie sei das Herz der Alterssicherung in Deutschland, heißt es in ihrem Abschlussbericht, den die Kommission am 27. März in Berlin an Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) und Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) übergab. Damit die Bevölkerung Vertrauen in die Rente habe, müssten die Altersbezüge nach einem langen Arbeitsleben auskömmlich sein, erklären die Experten.

Verbesserungen forderte die Kommission bei Riester- und Betriebsrenten. Die Kommission war von der Bundesregierung eingesetzt worden, um Vorschläge für die Weiterentwicklung der Alterssicherung nach 2025 zu machen.

Die Empfehlungen der Experten stießen bei Politikern und Verbänden auf ein gemischtes Echo. Der Renten-Experte Axel Börsch-Supan, der der Kommission angehörte, kritisierte, sie habe nicht den Mut gehabt, die Finanzierung der Rentenversicherung über eine Kopplung des Rentenalters an das steigende Lebensalter zu sichern. Axel Börsch-Supan nannte den Abschlussbericht insgesamt enttäuschend. "Unbequeme Themen wie Beitragssatz, Sicherungsniveau und Renteneintrittsalter scheuklappenartig auszublenden, halte ich für falsch", erklärte er.

Sondervotum des DGB

Neben Börsch-Supan gab auch DGB-Vorstand Annelie Buntenbach ein abweichendes Sondervotum ab. Buntenbach lehnt einen Korridor von 44 bis 49 Prozent für das Rentenniveau nach dem Jahr 2026 ab. "Das Niveau von heute 48 Prozent muss als definitive Untergrenze festgelegt werden, und zwar ein für alle Mal", erklärte sie.

Die Deutsche Rentenversicherung empfahl der Bundesregierung, die Vorschläge der Kommission umzusetzen. Minister Heil kündigte an, er werde bis zum Herbst konkrete Vorschläge machen. "Die Menschen müssen sich auf das Kernversprechen des Sozialstaats verlassen können, nach einem Leben voll Arbeit im Alter gut abgesichert zu sein", sagte er.

Die Kommission empfiehlt, an dem derzeit geltenden Konzept der doppelten Haltelinien, die das Rentenniveau nach unten absichern und die Beitragssätze nach oben begrenzen, auch über 2025 hinaus festzuhalten. Das Renteniveau - also das Verhältnis einer Durchschnittsrente zu einem Durchschnittseinkommen - solle sich von 2026 an in einem Korridor von 44 bis 49 Prozent bewegen. Derzeit liegt das Rentenniveau bei 48,2 Prozent und soll bis 2025 nicht unter 48 Prozent sinken.

Haltelinien für sieben Jahre festschreiben

Die Haltelinien für das Rentenniveau und die Beiträge sollen nach dem Willen der Kommission 2025 durch den Gesetzgeber immer verbindlich für sieben Jahre, also erstmals von 2026 bis 2032, festgelegt werden. Die Beitragssätze für die gesetzliche Rentenversicherung sollten nach der Empfehlung der Kommission ab 2026 zwischen 20 und 24 Prozent des Einkommens liegen. Derzeit beträgt der Beitrag 18,6 Prozent des Einkommens.

Zu einer weiteren Anhebung der Regelaltersgrenze hat sich die Kommission nicht festgelegt. Diese Frage solle in einem Alterssicherungsbeirat beraten werden, der dazu 2026 eine Empfehlung abgeben solle. Das Renteneintrittsalter steigt nach den gesetzlichen Regelungen bis 2031 auf 67 Jahre. Ob es weiter angehoben werden soll, war eine der strittigsten Fragen in der Kommission, die paritätisch mit Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern, den Fachpolitikern der Koalitionsfraktionen und Wissenschaftlern besetzt war.

"In wesentlichen Teilen vage"

CDU- und SPD-Fraktion begrüßten den Bericht. Für die CDU bleibe ein wichtiges Ziel, die zusätzliche Altersvorsorge über die gesetzliche Rentenversicherung hinaus zu stärken, sagte Fraktionsvize Hermann Gröhe. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, erklärte, dass die SPD das Sicherungsniveau der Rente von mindestens 48 Prozent halten wolle. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zeigte sich zufrieden, auch wenn "die vereinbarten Empfehlungen der Rentenkommission in wesentlichen Teilen vage sind".

Der Paritätische Wohlfahrtsverband äußerte sich enttäuscht. Statt konkrete Vorschläge für die langfristige Finanzierung der Alterssicherung zu präsentieren, werde die Problemlösung schlicht vertagt. Der Verband forderte von der großen Koalition, das Rentenniveau auf 53 Prozent anzuheben. "Darüber hinaus braucht es eine Mindestrente für langjährig Erwerbstätige und Erwerbsgeminderte, die Grundsicherung im Alter muss erhöht werden."

Die Diakonie begrüßte, dass die Rentenkommission die Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung als zentrales Element der Altersversorgung stärken und die Beiträge und Renten gleichermaßen stabilisieren wolle. Als unzureichend kritisierte sie allerdings die Vorschläge zur Vermeidung von Altersarmut. "Gerade Frauen, die lange Jahre Pflege- und Erziehungsaufgaben wahrgenommen haben und in Teilzeit nur geringfügige Erwerbseinkommen hatten, benötigen eine bessere Absicherung in der Rente", erklärte der Verband. Erfreulich sei die Idee, alle Veränderungen in der Rentenversicherung immer einer Genderperspektive zu unterziehen und vorab die Auswirkungen auf Frauen zu prüfen.

Markus Jantzer, Bettina Markmeyer


Ruhestand

Hintergrund

Kommission: Gesetzliche Rente stärken - Zusatzvorsorge reformieren



Die Rentenkommission der Bundesregierung hat ihre Empfehlungen vorgelegt. Am 27. März wurde in Berlin der Abschlussbericht an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) übergeben - wegen der Corona-Krise virtuell in einer Telefonkonferenz.

Der Name war Programm: Offiziell hieß das von der Bundesregierung eingesetzte zehnköpfige Expertengremium "Kommission Verlässlicher Generationenvertrag". Die Kommission wurde von den Sozialpolitikern und langjährigen Bundestagsabgeordneten Karl Schiewerling (CDU) und Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) geleitet. Außerdem gehörten dem Gremium je ein Vertreter der Sozialpartner an, Fachpolitiker von Union und SPD und drei Sozialwissenschaftler an. Arbeitsminister Heil hatte die Kommission im Mai 2018 eingesetzt mit dem Auftrag, Vorschläge zur Weiterentwicklung und Finanzierung der Altersvorsorge nach 2025 zu machen. Die wichtigsten Empfehlungen im Überblick:

– Die gesetzliche Rente soll der Kern der Alterssicherung bleiben. Die Riester-Rente soll vereinfacht werden, die Betriebsrenten für Geringverdiener sollen steigen.

– Die Kommission empfiehlt, am geltenden Konzept der doppelten Haltelinien, die das Rentenniveau nach unten absichern und die Beitragssätze nach oben begrenzen, über 2025 hinaus festzuhalten. Die Haltelinien sollen vom Gesetzgeber jeweils für sieben Jahre festgesetzt werden. Das Rentenniveau soll sich in einem Korridor von 44 bis 49 Prozent bewegen, die Beitragssätze zwischen 20 und 24 Prozent. Damit kann das Rentenniveau - das Verhältnis einer Durchschnittsrente zu einem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen - sinken, aber kaum steigen. Gegenwärtig liegt es bei 48,2 Prozent und darf bis 2025 nicht unter 48 Prozent sinken. Der Beitragssatz beträgt heute 18,6 Prozent.

– Die Beiträge sollen sich künftig zusätzlich danach richten, wie hoch die Sozialbeiträge insgesamt ausfallen, um die Beitragszahler, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, nicht zu überfordern. Die Empfehlung stößt auch bei den Arbeitgebern auf Zustimmung. Da das Rentenniveau über die tatsächliche Höhe der Rente zu wenig aussagt, soll künftig zusätzlich ein Abstand zur Grundsicherung festgelegt werden, um eine Mindesthöhe der gesetzlichen Rente zu garantieren.

– Die Kommission spricht sich dagegen aus, zum jetzigen Zeitpunkt über eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters zu entscheiden. Es steigt bis 2031 auf 67 Jahre. Ein Alterssicherungsbeirat soll dazu 2026 eine erste Empfehlung abgeben. Dieser Beirat zur Beratung der Regierung soll dauerhaft eingerichtet werden. Der Renten-Experte Axel Börsch-Supan spricht sich in einem Minderheitenvotum dagegen aus und fordert, das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln, um die gesetzliche Rente finanzierbar zu halten.

– Selbstständige, die nicht anderweitig für das Alter versichert sind, sollen verpflichtet werden, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Damit unterstützt die Kommission die Pläne der Regierungskoalition. Beamte und Abgeordnete einzubeziehen, empfiehlt sie wegen der zu erwartenden hohen Zusatzausgaben für deren Altersbezüge nicht, obwohl es auch Argumente dafür gäbe, so der Bericht.

– Betriebs- und Riester-Renten müssen die gesetzliche Rente ergänzen, um den Lebensstandard im Ruhestand halten zu können. Beide funktionierten aber nicht zufriedenstellend, meint die Kommission und schlägt Reformen vor. Die Förderung für Betriebsrenten von Geringverdienen müsse weiter erhöht und dynamisiert werden. Die Kosten für Riester-Verträge sollen gesenkt und ein Standardprodukt eingeführt werden, das auch vom Staat angeboten werden könnte. Die Angebote seien zu kompliziert und für die meisten Menschen unverständlich.

– Die Kommission unterstützt die Einführung einer umfassenden Information über die individuelle Rente, die auch die betriebliche und private Vorsorge einbezieht.

Bettina Markmeyer


Flüchtlinge

Sachverständigenrat: Griechischen Inseln droht humanitäre Katastrophe




Flüchtlingslager auf Moria
epd-bild/Jörn Neumann
Die Flüchtlingspolitik droht wegen der Corona-Pandemie immer mehr in den Hintergrund zu geraten. Das wäre ein Fehler, findet der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Er appelliert an die EU, Systemfehler zu beheben.

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration hat Deutschland und andere EU-Staaten angesichts der Corona-Pandemie zur Hilfe für Flüchtlinge auf den griechischen Inseln aufgefordert. Die Zustände dort seien "in hygienischer und medizinischer Sicht desaströs", wegen der Pandemie drohe eine humanitäre Katastrophe, heißt es in einem am 31. März vom Sachverständigenrat veröffentlichten Positionspapier. Die Vorsitzende Petra Bendel erklärte, die Lager müssten dringend evakuiert werden.

Zeitpläne geraten durcheinander

Es brauche einen "europäischen Kraftakt" - auch für die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), fordert der Sachverständigenrat. Die aktuellen Krisen - auch an der türkisch-griechischen Grenze - zeigten, wie nötig Änderungen seien. Es drohten ansonsten weitere Zuspitzungen, auf die die EU strukturell bislang nicht genügend vorbereitet sei.

Auf EU-Ebene haben sich bislang acht Länder gefunden, darunter Deutschland, die bereit sind, mindestens 1.600 Minderjährige und andere besonders Schutzbedürftige von den griechischen Inseln aufzunehmen. Die Mitte März von den Innenministern getroffene Absprache ist bislang nicht umgesetzt. Die Bundesregierung betonte am 30. März erneut, sie wolle dies "zeitnah" umsetzen, verwies aber auf die Zuständigkeit der EU-Kommission.

Für dieses Frühjahr angekündigt war auch ein Vorschlag der EU-Kommission zur Zukunft des EU-Asylsystems, um das seit der Fluchtbewegung 2015 gerungen wird. Erreicht werden soll eine solidarischere Verteilung von Schutzsuchenden, um die Überbelastung von EU-Grenzstaaten wie Griechenland und Italien zu beenden. Auch dieser Zeitplan gerät derzeit durcheinander. Die Corona-Pandemie habe derzeit Priorität, hieß es von der Kommission.

Die Sachverständigen der Stiftungen drängen nun die Bundesregierung, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte zu nutzen, um das Thema voranzutreiben. In ihrem Positionspapier machen sie konkrete Vorschläge. So fordern sie etwa, eine bessere Verteilung von Flüchtlingen durch positive Anreize statt durch Sanktionen zu erreichen.

Fragen zum Rechtsschutz ungeklärt

Den umstrittenen deutschen Vorschlag für Asyl-Vorprüfungen in Zentren an den EU-Außengrenzen lehnen die Sachverständigen nicht ab: Sie könnten zu schnelleren und besseren Verfahren beitragen. Allerdings müssten Fragen zum Rechtsschutz geklärt sein.

Zudem fordern sie einen Ausbau der Resettlement-Programme, bei denen besonders schutzbedürftige Flüchtlinge direkt aus Heimat- oder Transitländern aufgenommen werden, ohne dass sie sich auf gefährliche Fluchtrouten begeben müssen. 30.000 Plätze hat die EU für 2020 zugesagt, Deutschland davon 5.500. Das Bundesinnenministerium hat die Aufnahme wegen der Corona-Pandemie aber derzeit ausgesetzt.

Bei der Seenotrettung, die vor allem von privaten Organisationen geleistet wird, fordern die Sachverständigen mehr staatliches Engagement. Die EU sollte "proaktiv" dafür sorgen, dass die Pflicht zur Seenotrettung wahrgenommen wird, heißt es in dem knapp 20-seitigen Papier. Mit Blick auf die Auseinandersetzungen zwischen EU-Staaten beim Thema Asyl plädieren die Experten zumindest kurzfristig für pragmatische "Koalitionen der Willigen".

Corinna Buschow



sozial-Branche

Corona-Krise

Schutz für die Altenpflege: Es reicht einfach nicht




Altenpflegerin ohne Mundschutz - in Corona-Zeiten ein Problem (Archivfoto)
epd-bild/Hanna Spengler
In der Altenpflege fehlen überall Masken und Schutzkleidung. Das Infektionsrisiko ist hoch, Bewohner sind gefährdet, Einrichtungen und Träger schlagen Alarm. Bund und Länder bemühen sich, mehr Schutzmaterial heranzuschaffen.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie appelliert an Handwerker, nicht benötigte Atemschutzmasken an Pflegeeinrichtungen weiterzugeben. Der Pflegebevollmächtigte Andreas Westerfellhaus klagt, das Besuchsverbot in Heimen könne nicht gelockert werden, wenn Schutzausrüstungen fehlen. Zuletzt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder zugesichert, es werde intensiv daran gearbeitet, für Pflegeeinrichtungen medizinische Masken zu besorgen.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) hat hochgerechnet, dass bei fünf Prozent Covid-19-Verdachtsfällen und einem Prozent infizierter Menschen in der Altenpflege pro Tag bundesweit gut eine halbe Million einfache Masken und ebenso viele Schutzkittel gebraucht würden, dazu 70.000 Atemfiltermasken, die Ansteckungen verhindern, fast 2,5 Millionen Einmalhandschuhe und 50.000 Schutzbrillen. bpa-Präsident Bernd Meurer hält den Gesundheitsämtern und Landesministerien vor, sie informierten die Pflegeeinrichtungen zwar, welche Hygienevorschriften sie laut Robert Koch-Institut einzuhalten hätten, um Infektionen zu vermeiden, erklärten aber nicht, was zu tun sei, wenn die Schutzausrüstung für Pflegekräfte nicht reiche.

Beschleunigtes Verfahren

Angesichts der Engpässe ist das Bundesgesundheitsministerium selbst in die Beschaffung eingestiegen und konnte bis Ende März rund 20 Millionen Masken, 15 Millionen Handschuhe, 130.000 Schutzanzüge und 23.000 Schutzbrillen sowie Desinfektionsmittel an die Kassenärzte und die Bundesländer verteilen. Außerdem werden Schutzmasken und -kittel in einem beschleunigten Verfahren eingekauft. Der Bund nimmt aber keinen Einfluss darauf, was davon in der Altenpflege ankommt.

Das ist Sache der Länder. Nachfragen des Evangelischen Pressedienstes (epd) bei den zuständigen Ministerien ergaben, dass einige Länder Schlüssel und Rangfolgen für der Verteilung der Schutzausrüstungen haben, es aber fast nirgendwo einen festgelegten Anteil für die Altenpflege gibt. Baden-Württemberg beispielsweise vergibt 30 Prozent des Materials zunächst an Unikliniken, Polizei und Justizvollzug, die restlichen 70 Prozent an Stadt- und Landkreise. Diese sollen es nach aktuell dringlichem Bedarf an Krankenhäuser, Altenheime und die ambulante Pflege verteilen. Sachsen vergibt die Schutzmaterialien zuerst an Gesundheitsämter, Kliniken und Corona-Ambulanzen, danach "haben ambulante Pflegedienste und stationäre Einrichtungen eine besondere Priorität", erklärt das Sozialministerium. Die Entscheidungen, wer was bekommt, treffen die Städte und Landkreise anhand des angemeldeten Bedarfs.

Dubiose und überteuerte Angebote

Weil das aber nirgendwo reicht, sind Verbände und Träger auch selbst unterwegs. Die Diakonie hat Atemfiltermasken bestellt, wie der Leiter des Zentrums Gesundheit, Rehabilitation und Pflege bei der Diakonie Deutschland, Peter Bartmann, sagt. 1,5 Millionen Masken würden allein in den diakonischen Einrichtungen dringend gebraucht. Es gebe viele dubiose und überteuerte Angebote, dennoch müssten die Verbände versuchen, Schutzmaterialien zu kaufen, sagt Bartmann. Die staatlichen Lieferungen reichten nicht: "Bei der Altenpflege kommt nicht viel an." Bartmann zufolge sind bisher in vier diakonischen Pflegeeinrichtungen Ansteckungen aufgetreten, darunter der dramatische Fall in Wolfsburg mit 22 Toten bis 2. April und derzeit 56 nachgewiesenen Infektionen.

Beim katholischen Caritasverband beobachtet Nora Roßner, dass die Koordination bei den Ländern inzwischen weitgehend funktioniert. Die Verbände könnten ihren Bedarf bei den Ländern anmelden, sagt die für die Heime und Pflegedienste zuständige Referatsleiterin: "Die Bestellungen werden aufgenommen. Das bedeutet aber nicht, dass einzelne Lieferungen schon angekommen sind." Die Nervosität steigt: Eine Abfrage bei den Caritas-Pflegeeinrichtungen hat ergeben, dass die Schutzmaterialien bei den meisten nur noch für wenige Tage reichen.

Bettina Markmeyer


Corona-Krise

Ärzte und Verbände: Schutzkleidung notfalls beschlagnahmen




Uwe Janssens
epd-bild/Thomas Weiland
Noch immer fehlt es bundesweit an Schutzkleidung in Kliniken, Heimen und ambulanten Pflegediensten. Ärzte- und Sozialverbände fordern den Staat auf, in der Corona-Krise Bestände zu beschlagnahmen. Der Markt habe versagt, heißt es zur Begründung.

Wegen der anhaltenden Lieferprobleme von Schutzkleidung für Ärzte und Pflegefachkräfte mehren sich Stimmen, die von der Politik die Beschlagnahme von Hilfsmitteln fordern. "Es scheint so zu sein, dass es in Deutschland keine ausreichende Vorbereitung für einen solchen Ernstfall gab", sagte Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er forderte gesetzliche Grundlagen für das Beschlagnahmen dieser Hilfsmittel. Ähnlich äußerte sich der Paritätische Wohlfahrtsverband.

Skrupellose Geschäftemacher

Der Staat müsse die Beschaffung und Verteilung zentral in die Hand nehmen und im Zweifel auch gegenüber Herstellern und Händlern durchgreifen, heißt es in einer Mitteilung des Paritätischen vom 30. März. Der freie Markt sei nicht in der Lage, eine sachgerechte Beschaffung und Verteilung notwendiger Schutzutensilien sicherzustellen. Deshalb müsse jetzt das Infektionsschutzgesetz konsequent angewendet werden. Der freie Handel mit Schutzausstattung sei zu unterbinden, stattdessen müsse der Staat für eine sachgerechte Versorgung sorgen.

"Die Maßnahmen, die das Bundesgesundheitsministerium bisher ergriffen hat, sind nicht ausreichend, um den akuten Mangel an Schutzkleidung sachgerecht zu lösen", beklagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. "Es ist ein Skandal, dass es skrupellosen Geschäftemachern möglich ist, auf Kosten aller in dieser Krise ihren Profit zu steigern." Wenn eine Atemschutzmaske Mitte Februar noch nicht einmal 50 Cent und sechs Wochen später 13 Euro koste, sei das ein Lehrbuchbeispiel für Marktversagen, so Schneider.

"Dass es an diesen Hilfsmitteln fehlt, hat seinen Grund auch in fehlendem Geld für die nötige Vorratshaltung", betonte der Notfallmediziner Janssens. Für einen solch großen Ernstfall müsse es in Zukunft klare Regelungen geben.

Es fehlt vor allem an Schutzkitteln

Bund und Länder müssten sich einigen, wie und in welchem Umfang Vorsorge getroffen werde. Und: Der Staat müsse notfalls Schutzkleidung auch beschlagnahmen können: "Die Gesetze der freien Marktwirtschaft dürfen in diesem Szenario nicht mehr zur Anwendung kommen. Es besteht eine Notlage und der muss mit entsprechenden Maßnahmen entgegengetreten werden", sagte der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler.

Nach seiner Beobachtung sei es jüngst zu einer leichten Entspannung bei der Beschaffung vor allem von Schutzmasken gekommen. "Es bleibt aber abzuwarten, was ein starker Anstieg schwer erkrankter Patienten für die Ausstattung mit Schutzausrüstung bedeutet." Derzeit würden Schutzkittel besonders dringend gebraucht.

Die Bundesregierung müsse sicherstellen, dass die Schutzausrüstung nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in Heimen und für die häusliche Pflege in ausreichender Menge vorhanden ist, sagte Kordula Schulz-Asche, die Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik der Grünen im Bundestag. Seien Masken, Handschuhe und Schutzkittel vorhanden, dann seien die Landesbehörden gefragt, deren Verteilung zügig zu organisieren.

Dirk Baas


Corona-Krise

Schutzmasken anfertigen statt Dirndl nähen




Gesichtsmaskenherstellung in der Kostümwerkstatt des Theaters Bonn
epd-bild/Meike Böschemeyer
In ganz Deutschland setzen sich immer mehr Menschen an die Nähmaschine, um den Mangel an Gesichtsmasken in Krankenhäusern und Gesundheitsbehörden zu lindern. Experten warnen jedoch, dass die Masken Marke Eigenbau nur begrenzt schützen.

Alle Bühnen-Produktionen sind abgesagt. Dennoch rattern in der Kostümwerkstatt des Theaters Bonn die Nähmaschinen. Schneiderin Esmilse Vera arbeitete noch vor kurzem an einem langen, bunten Blumenkleid für eine Tänzerin. In der Corona-Krise aber haben sie und ihre rund 20 Kolleginnen und Kollegen auf Gesichtsmasken aus weißer, kochfester Baumwolle umgestellt.

"Sie sind mit vollem Elan dabei", sagt Herrengewandmeister Gerhard Kreuzer. Rund 200 Masken pro Tag schafft das Team, das einen eigenen Prototyp entwickelt hat. Die Lieferungen gehen an das städtische Gesundheitsamt, das etwa schon Beschäftigte des Fuhrparks damit ausstattete.

Weil die begehrten Gesichtsmasken derzeit weltweit Mangelware sind, greifen Krankenhäuser, Feuerwehren oder Gesundheitsämter zunehmend auf selbstgemachte Mundschutze zurück. Immer mehr ehrenamtliche Helfer im ganzen Land setzen sich an die Nähmaschine. Auch Diakonie und Caritas schneidern längst selbst.

Neues Geschäftsfeld

Manuela Grasbergers Geschäft für Trachtenkleider in Aßling im bayerischen Landkreis Ebersberg ist wegen der Corona-Krise geschlossen. Statt Dirndl fertigt die Schneiderin auf ihrem Schnellnäher nun seit ein paar Tagen Gesichtsmasken aus grünem oder gelbem Baumwollstoff. "Die Idee kam durch einen Facebook-Aufruf des Dritten Ordens in München", sagt Grasberger. Eine Mitarbeiterin des Kinderklinikums hatte über die Sozialen Medien einen Hilferuf geschickt, weil dem Krankenhaus die Schutzmasken ausgehen. Die gespendeten Masken sollen nach Angaben des Klinikums in patientenfernen Bereichen wie etwa bei Reinigungskräften oder im Logistikbereich eingesetzt werden.

Bea Saxe vom Stoff- und Gardinenhaus Essen hat schon vor rund einem Monat mit der Produktion von Gesichtsmasken begonnen. Zusammen mit rund 50 ehrenamtlichen Helferinnen nähte sie rund 2.000 Masken für die Essener Feuerwehr. Statt der Nähkurse, die derzeit nicht stattfinden können, holten sich die Kundinnen den von der Feuerwehr bereitgestellten Stoff ab und produzierten zu Hause im Akkord blaue Mundschutze mit schwarzen Bändern.

Kein medizinisch sicherer Schutz

Experten warnen allerdings davor, dass die selbstgenähten Masken auch ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugen könnten. "Selbsthergestellte Masken ersetzen auf keinen Fall die Basishygiene wie regelmäßiges, gründliches Händewaschen, physische Distanz oder Kontaktminimierung", erklärt Leon Ratermann von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund. Virologen weisen darauf hin, dass einfache Mundschutze den Träger selbst kaum vor Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen. Allerdings können sie ein Ansteckungsschutz für andere sein.

Laut Christian Kühn, selbstständiger Sachverständiger für das Gesundheitswesen, unterliegen die im Krankenhaus verwendeten Gesichtsmasken strengen Normen. "Selbstgenähte Baumwoll-Masken erreichen nicht die Filterwirkung eines Medizinprodukts", sagt der Experte aus dem schleswig-holsteinischen Bovenau. So bestehen die nach Norm hergestellten Masken aus Materialien, die das Durchfeuchten des Stoffs hemmen. Baumwoll-Masken aber würden schnell feucht und damit durchlässiger.

Bedarf ist nicht zu decken

Ludger Rohe, Leiter der Caritas Werkstätten im niedersächsischen Altenoythe, klärte deshalb vorab mit der Gewerbeaufsicht, wie selbst genähte Mundschutze einzustufen seien. Ende Februar erhielt die Werkstatt für Menschen mit Behinderung vom St.-Marien-Stift in Friesoythe einen Großauftrag für die Herstellung von Gesichtsmasken. "Wir machen kein Medizinprodukt", stellt Rohe klar. Deshalb heißen die Produkte der Caritas-Werkstatt auch nicht Maske, sondern "Mund-Nasen-Tuch". Dennoch könne sich die Werkstatt kaum retten vor Aufträgen aus dem gesamten Bundesgebiet: "Wir können die Nachfrage bei weitem nicht decken." Und das, obwohl die Mitarbeiter in wenigen Wochen bereits mehr als 10.000 Schutztücher produziert haben.

Sicherheitsingenieur Kühn räumt ein, dass die selbst genähten Gesichtsmasken besser seien als gar kein Schutz. Die eigentliche Frage sei allerdings, warum manche Krankenhäuser offenbar schon auf selbst genähten Mundschutz angewiesen seien: "In dieser Lage würden wir uns nicht befinden, wenn alle Pandemiepläne umgesetzt und entsprechende Lagerbestände aufgebaut worden wären."

Claudia Rometsch


Corona-Krise

Ambulante Pflege vor ethischem Dilemma




Nadya Klarmann
epd-bild/Tino Schaft/Pflegekammer Niedersachsen

Der anhaltende massive Mangel an medizinischen Schutzmasken in der Corona-Krise hat die ambulanten Pflegedienste aus Sicht der Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen, Nadya Klarmann, in größte Schwierigkeiten gebracht. "Wir stehen vor einem ethischen Problem, für das es keine einfache Lösung gibt", sagte Klarmann dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Es ist unverantwortlich, die Pflegekräfte ohne ausreichenden Schutz zu den Patienten zu schicken - aber es ist auch nicht zu verantworten, diese Patienten unversorgt zu lassen." Es bestehe die Gefahr, dass sich die ambulanten Pflegekräfte bei ihren Patienten anstecken und das Virus so zum nächsten Patienten tragen.

Außerdem dürften nicht die Intensivpatienten vergessen werden, die etwa einen multiresistenten Keim trügen. Sie hätten auch schon vor Corona nur mit Schutzkleidung, Handschuhen und Masken gepflegt werden dürfen, erläuterte die Präsidentin.

"Ohne ambulante Pflege droht Kollaps"

Sollte die ambulante Pflege ausfallen, drohe im schlimmsten Fall der Kollaps im Pflegebereich, warnte Klarmann. "Im Zweifel müssten die Patienten, die noch gut zu Hause leben könnten, dann in Pflegeheime und Krankenhäuser - Häuser, die jetzt gerade frei gemacht werden für die kommenden Covid-19-Erkrankten."

Der Handel mit Schutzartikeln treibe derzeit ungeahnte Blüten, kritisierte die Präsidentin. Dubiose Händler hätten der Kammer bereits Schutzmasken für 10 Euro plus Mehrwertsteuer angeboten. Sie kosteten im Normalfall deutlich weniger als einen Euro.

Klarmann appellierte an die Politik, in einer Übergangszeit den Handel mit Schutzartikeln an Privatpersonen zu unterbinden und die Masken und Handschuhe an Krankenhäuser, Ärzte, Heime und Pflegedienste zu verteilen. Nachschub sei zwar bereits auf den Weg, doch gelte es, die Zeit dahin zu überbrücken.

Appell an ausgestiegene Pflegerinnen

Ausdrücklich lobte die Präsidentin das große Engagement von Theaterschneidereien, Kirchengemeinden, Familienbildungsstätten und Privatleuten, die mit Anleitungen aus dem Internet Schutzmasken aus Stoffresten nähen. "Sie können zumindest helfen, dass Infektionsrisiko ein wenig zu senken." Solche Masken hielten zwar das Coronavirus nicht auf, verhinderten aber, dass der Maskenträger beim Niesen oder Husten Tröpfchen verbreitet.

Klarmann erneuerte ihre Appell an examinierte Pflegekräfte, die nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten, sich bei der Kammer zu melden. Viele dieser Menschen säßen jetzt zu Hause, weil sie in ihrem neuen Beruf derzeit nicht arbeiten dürfen. "Spitzt sich die Coronakrise weiter zu, könnte diese stille Reserve dazu beitragen, die Versorgung zu sichern und Leben zu retten."

Jörg Nielsen


Corona-Krise

Heilmittelerbringer beklagen bis zu 90 Prozent Umsatzeinbußen




Ein Patient bei der Physiotherapie
epd-bild/Werner Krüper
Unter Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Podologen wächst die Verzweiflung: Sie erleben in der Corona-Krise einen Umsatzrückgang von 70 bis 90 Prozent. Sie fordern eine finanzielle Unterstützung der Bundesregierung wie für Arztpraxen.

"Für niedergelassene Therapeuten ist die Lage äußerst schwierig", sagt Andreas Pfeiffer, der Vorsitzende des Berufsverbands der Ergotherapeuten. "Wir verzeichnen einen Umsatzrückgang von 70 bis 90 Prozent." Das Problem sei zum einen, dass viele Patienten die Informationen zu den Kontakt- und Ausgangssperren verwirrend fänden: "Viele kommen nicht zu den Terminen, weil sie denken, dass sie das jetzt nicht mehr dürfen." Tatsächlich aber gehörten die Heilmittelerbringer zu den systemrelevanten Dienstleistern und seien genau wie Ärzte und Apotheker von den Sperren ausgenommen.

"Zudem kommt es nun auch regelmäßig vor, dass Ergotherapeuten die Bewohner von Pflegeheimen nicht behandeln können, weil ihnen der Zugang von der Heimleitung verwehrt wird." Das sei aber nicht rechtens, weil es sich um eine ärztlich verordnete Leistung handele, die selbstverständlich möglich sein müsse, sagt Pfeiffer. "Allerdings können wir dagegen wenig machen, weil Sie sich den Zugang ja nicht einklagen können."

Kurzarbeitergeld und Kündigungen

Viele niedergelassene Ergotherapeuten, die eigene Praxen hätten, hätten bereits Kurzarbeitergeld beantragt oder stünden davor, Kündigungen aussprechen zu müssen. "Wir haben ganz enorme Existenzängste", sagt Margarete Feit vom Deutschen Bundesverband für Logopädie. "Wir verfügen nicht über Rücklagen und können das daher nicht lange durchhalten."

Ein kleiner Lichtblick sei hier die Telemedizin. "Da sind die Kassen im Moment sehr entgegenkommend", sagt Andreas Pfeiffer. Es sei nun möglich, Behandlungen übers Telefon, Smartphone oder Tablet zu machen und werde von den Kassen anerkannt. "Das haben wir im Laufe der letzte Woche flächendeckend etabliert und unseren Mitgliedern Tutorials geschickt, wie eine Telebehandlung aufzubauen ist." Die Möglichkeit zur Telemedizin sei offiziell zunächst bis Ende April möglich.

Patienten können sich über die Website https://www.sprechstunde.online/ direkt online mit ihrem Therapeuten treffen. Dazu müssen sie nur einen fünfstelligen Code eingeben, der ihnen zuvor per Mail oder SMS übermittelt wurde. "Das ist technisch so einfach, dass das alle hinkriegen", sagt Pfeiffer. So sei es möglich, etwa einem Kind mit motorischen Schwierigkeiten passende Übungen vorzumachen oder etwa auch die Gesprächstherapie eines depressiven Patienten fortzusetzen. "Allerdings verfügen bislang nur wenige Praxen über die notwendige Ausrüstung und die nötigen Kenntnisse", sagt Margarete Feit. "Aber es besteht ein großes Interesse und eine hohe Nachfrage bei unseren Mitgliedern."

Meist fällt Telemedizin aus

Sehr viel schwieriger ist dies jedoch für Physiotherapeuten. "90 Prozent der physiotherapeutischen Anwendungen sind nicht per Telemedizin möglich", sagt Heinz Christian Esser, der Geschäftsführer des Spitzenverbands der Heilmittelverbände. Ein Patient, der gerade ein neues Hüftgelenk bekommen habe, könne nicht einfach Übungen nachmachen, die ihm der Therapeut aus der Distanz am Bildschirm vormache: "Ein Therapeut muss vor Ort sein und Hand anlegen können."

Das Problem sei, dass es der Gesetzesgeber versäumt habe, den Rettungsschirm für Arztpraxen auch auf die Heilmittelerbringer auszudehnen, sagt Esser. In der Corona-Krise werde Ärzten von den Krankenkassen die Summe ausbezahlt, die sie im Vergleichsmonat des Vorjahres verdient hätten. "So etwas brauchen wir auch für die Heilmittelerbringer."

Das sieht auch Andreas Pfeiffer so: "Der normale Rettungsschirm für Kleinunternehmer ist einfach nicht ausreichend. Einmalig vom Staat 9.000 Euro zu bekommen, ist bei einer Praxis mit bis zu fünf Angestellten nur ein Tropfen auf dem heißen Stein."

Auch die Krankenkassen erkennen Handlungsbedarf: "Wir sehen, dass die Corona-Krise für die Heilmittelerbringer eine große, ja teilweise existenzielle Herausforderung ist", sagt Ann Marini vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen. Es gebe sowohl bei der Politik als auch bei den Krankenkassen Gespräche, inwieweit über den staatlichen Rettungsschirm hinausgehende Hilfen notwendig und möglich seien. "Es muss relativ schnell unbürokratische Hilfen geben."

Barbara Driessen


Corona-Krise

Kirchenbank-Chef drängt auf schnelle Hilfen für Sozialwirtschaft




Ekkehard Thiesler
epd-bild/Andreas Buck
Der Vorstandsvorsitzende der Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank), Ekkehard Thiesler, fordert einen Rettungsschirm für die gesamte Sozialwirtschaft. In einer Reihe diakonischer Bereiche seien die Folgen der Corona-Krise existenzbedrohend, da diese Einrichtungen aktuell nicht unter den Rettungsschirm fielen.

Schnelle Liquiditäts- und Kreditzusagen für den Kauf von Intensivbetten, Beatmungsgeräten und Schutzkleidung: Die Bank für Kirche und Diakonie ist in der Corona-Krise besonders gefragt, ihre diakonischen Kunden wie Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und ambulante Dienste mit Kapital zu versorgen. Der Vorstandsvorsitzende Ekkehard Thiesler wirbt im Interview des Evangelischen Pressedienstes (epd) für unbürokratische und schnelle staatliche Hilfen. Die gesamte Sozialwirtschaft brauche einen Rettungsschirm. Die Corona-Pandemie wirkt sich auch auf die Arbeitsweise der Kirchenbank aus. Das Gespräch führte Ingo Lehnick.

epd sozial: Auch die Banken gehören in der Corona-Krise zur kritischen Infrastruktur. Warum?

Ekkehard Thiesler: Bankdienstleistungen spielen bei fast jeder wirtschaftlichen Transaktion eine Rolle. Banken sorgen unter anderem für die Bargeldversorgung und den reibungslosen Zahlungsverkehr.

epd: Haben Sie in dieser Situation als Kirchenbank eine besondere Funktion?

Thiesler: Die KD-Bank ist vor allem für die diakonischen Kranken- und Pflegeeinrichtungen systemrelevant - sie muss ihre Versorgung mit Kapital und Liquidität sicherstellen. Zu unseren Kunden gehören rund 160 Krankenhäuser, Hunderte Pflegeeinrichtungen und ambulante Dienste, Kitas und Schulen sowie Werkstätten für Behinderte. Sie stehen in den nächsten Wochen vor der größten Herausforderung der letzten Jahrzehnte und müssen auch in der Krise auf uns zählen können. Allein die Überweisung der Gehälter betrifft Hunderttausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diakonischen Einrichtungen.

epd: Wo haben die diakonischen Unternehmen denn zusätzlichen Geldbedarf - und was tun Sie, um ihn zu decken?

Thiesler: Im Moment benötigen unsere Kunden schnelle Liquiditäts- und Kreditzusagen für die kurzfristige Anschaffung etwa von Intensivbetten, Beatmungsgeräten, Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln. Für diesen akuten Bedarf haben wir eine Corona-Express-Finanzierung eingerichtet. Sie sorgt mit einem vereinfachten Kreditverfahren für die kurzfristige Ausstattung mit Liquidität. Das Volumen dieser Sonderkredite beträgt bis zu einer Million Euro pro Kunde. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass wir unseren Kunden als Hausbank so bald wie möglich die Bürgschaftsprogramme der Bundesregierung und der Länder vermitteln können. Bisher ist die Gesundheits- und Sozialwirtschaft leider unter anderem bei den neuen KfW-Krediten außen vor.

epd: Reichen die staatlichen Hilfen für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft aus?

Thiesler: Wir erkennen den politischen Unterstützungswillen an, allerdings müssten die Hilfspakete stärker an diese außergewöhnliche Lage angepasst sein. Zumal die Unternehmen der freien Wohlfahrtspflege aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit nur begrenzt Rücklagen bilden dürfen und somit wenig für schlechte Zeiten zurücklegen können. Es drohen innerhalb kürzester Zeit Zahlungsengpässe. Die Wohlfahrtspflege ist aus meiner Sicht für das Funktionieren unseres Gemeinwohls und der Solidargemeinschaft unentbehrlich, sie darf nicht geopfert werden.

epd: Wie beurteilen Sie die Situation in den Krankenhäusern?

Thiesler: Dort ist die Lage ernst und leider streiten wir uns noch immer zu lange über die Ausgestaltung und Finanzierung der Hilfen. Ich trete für eine unbürokratische und schnelle Hilfe für alle Kliniken ein. Wer jetzt alle Kapazitäten in die Bekämpfung des Coronavirus steckt, muss sicher sein, dass er sich nicht in bürokratischen Netzen verheddert und später schlechter dasteht als zuvor. Aktuell erhalten die Kliniken keine pauschalisierten Erlöse, sondern müssen ihren Ausfall taggenau belegen, um Ausgleichszahlungen zu erhalten. Da sprechen wir noch gar nicht über die höheren Aufwendungen für Schutzkleidung, zusätzliche Beatmungsgeräte und so weiter. Nötig ist aber auch die schnelle Auszahlung der zugesagten Mittel.

epd: Wie ist die Lage in anderen diakonischen Bereichen?

Thiesler: In der Altenhilfe wird es in besonderer Weise darum gehen, die gestiegenen Hygiene- und Schutzmaßnahmen umzusetzen. In den Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen ist das Bild ähnlich. Abzusehen ist, dass es wegen der nötigen Schutzvorkehrungen kurzfristig in allen Bereichen der Pflege zu einem erheblichen Mehraufwand kommen wird. Zudem wird eine Wiederbelegung von freien Plätzen schwieriger werden, das führt zu Erlöseinbußen.

In vielen anderen diakonischen Bereichen ist das Problem existenzbedrohend, da sie aktuell nicht unter den Rettungsschirm fallen. Unterstützt werden nur soziale Dienstleister, die sich aktiv in die Bewältigung der Auswirkungen der Coronavirus-Krise einbringen. Deshalb liegen zurzeit viele Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, Angebote von Sozialkaufhäusern oder Begegnungsstätten sowie wichtige ambulante Angebote auf Eis. Eine Entschädigung durch den staatlichen Schutzschirm scheint immer weniger wahrscheinlich. Dabei brauchen wir eigentlich einen Rettungsschirm für die gesamte Sozialwirtschaft.

epd: Das Virus hat auch den Bankbetrieb verändert. Wie arbeiten Sie aktuell?

Thiesler: Wir arbeiten seit Anfang März im Krisenmodus. Die betriebsnotwendigen Abteilungen sind auf verschiedene Standorte aufgeteilt und wir haben die Homeoffice-Kapazitäten massiv erhöht, so dass die Hälfte der Mitarbeitenden zuhause arbeiten kann. Das wird wichtig sein, wenn die ersten Krankheitsfälle in unserer Bank auftreten. Alle Veranstaltungen bis Ende Mai sind abgesagt, die Dienstreisen wurden gestrichen und wir überlegen, ob wir unsere Mitglieder persönlich zu unserer Generalversammlung empfangen dürfen, die für den 24. Juni geplant ist. Sehr hilfreich ist in dieser Situation unsere Struktur als Fernbank: Unsere Privatkunden sind es gewohnt, ihre Geschäfte per Telefon oder Online-Banking abzuwickeln, mehr als 80 Prozent nutzen das Online-Banking.



Corona-Krise

"Wir versuchen, unser Frauenhaus noch aufrechtzuerhalten"




In der Corona-Krise wächst die Gefahr häuslicher Gewalt (nachgestelltes Bild)
epd-bild/Steffen Schellhorn
Zu wenig Raum, zu wenig Geld, zu wenig Personal: Die Lage der deutschen Frauenhäuser ist selten entspannt. Expertinnen und Träger weisen angesichts der Corona-Pandemie auf eine Verschärfung der Situation hin.

Für die meisten Menschen sind die Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen hauptsächlich ein Schutz – vor dem Coronavirus, für sich, für die Alten und Kranken. Für andere, überwiegend Frauen, sind sie hingegen eine Gefahr und schließen sie ein mit dem Menschen, der ihnen Gewalt antut. Seit in Deutschland soziale Isolation angeordnet wurde, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, warnen Frauenverbände vor einem drohenden Anstieg von häuslicher Gewalt und somit vor einer Vielzahl Betroffener, für die in den chronisch unterfinanzierten und vollbelegten Frauenhäusern keine Plätze zur Verfügung stehen.

Folgenreicher Mangel an Schutzplätzen

Auch ohne staatlich verfügte Ausgangsbeschränkungen erlebt in Deutschland nach Angaben des Bundesfamilienministeriums etwa jede vierte Frau im Alter zwischen 16 und 85 Jahren im Verlauf ihres Lebens mindestens einmal körperliche und beziehungsweise oder sexuelle Übergriffe durch einen Partner, meist in Trennungs- oder Scheidungssituation. Etwa 16.000 von ihnen und ebenso viele Kinder suchen jährlich Schutz in Frauenhäusern, von denen die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages 2019 rund 350 bundesweit zählten. Mehr als 14.600 Schutzplätze fehlen schätzungsweise, insbesondere in Ballungsgebieten.

Diese Diskrepanz zwischen vorhandenen und benötigten Schutzplätzen wird während der Corona-Krise größer werden, befürchten Expertinnen. Der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe verweist beispielweise auf Angaben einer Pekinger Frauenrechtsorganisation, nach denen die Zahl der Betroffenen von häuslicher Gewalt, die sich während der verordneten Quarantäne an die Hilfsorganisation gewandt haben, dreimal so hoch war wie zuvor. Auch Johanna Thie, die die Frauenhäuser der Diakonie vernetzt und koordiniert, fürchtet einen Anstieg: "Wenn Menschen über längere Zeit in engen Räumen sind, kann das Stress auslösen, der dann zu familiären Belastungen bis zu häuslicher Gewalt führen kann", sagt sie. Dazu kämen existenzielle Sorgen in vielen Familien, die bereits bestehende Konflikte in den Partnerschaften verstärken können.

"Die Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern tun ihr Bestmögliches, auch wenn sie zum Teil am Limit der Belastbarkeit arbeiten", sagt Thie. Wenn in den sowieso unzureichend ausgestatteten Frauenhäusern auch noch Personal aufgrund der Corona-Krise ausfalle, zeigten sich die bereits seit langem bekannten Lücken in der Hilfestruktur besonders deutlich.

Sechs Frauen teilen sich ein Zimmer

Ähnlich kritisch sieht die Situation im Frauenhaus Bochum der Caritas aus, sagt Leiterin Ulrike Langer. Das Haus habe in den vergangenen Wochen keine neuen Frauen aufnehmen können, jetzt fehlten unter anderem Masken, um die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Bewohnerinnen sicherzustellen. Eine besondere Herausforderung sei die soziale Isolation, da sich bis zu sechs Frauen ein Zimmer teilten.

"Wir versuchen, das Haus noch weiter aufrechtzuerhalten", sagt Langer. Gruppentreffen würden draußen abgehalten und die Beratungen fänden wenn möglich telefonisch statt. Alle gingen weitmöglich auf Abstand. Es gebe zudem Überlegungen, ein Apartment im Haus als Quarantänebereich zu nutzen. Universallösungen gebe es aber nicht, da die einzelnen Häuser sehr unterschiedlich seien.

Um die Frauenhäuser in der derzeitigen Ausnahmesituation zu unterstützen, hat der Verein Frauenhauskoordinierung, der zahlreiche bundesweit agierende Wohlfahrtsverbände und ihre Einrichtungen vernetzt, Informationen zum Umgang mit dem Coronavirus zusammengestellt. Darin wird unter anderem erklärt, wie die Anonymität des Frauenhauses bei Meldungen an das Gesundheitsamt gesichert werden kann und was bei Aufnahmestopps zu tun ist.

Der Selbsthilfe der Frauenhäuser sei allerdings durch fehlende Ressourcen "deutliche Grenzen" gesetzt, betont der Verein. Länder und Kommunen müssten den Gewaltschutz dringend auf die Prioritätenliste setzen und gemeinsam mit den Frauenhäusern vor Ort schnelle Lösungen finden. Noch sei dafür Zeit, sagt Frauenhausleiterin Langer: "Wir stehen erst am Anfang".

Jana-Sophie Brüntjen


Corona-Krise

Armutskonferenz: Bedürftige vor Verelendung bewahren




Spenden für Obdachlose an sogenannten Gabenzäunen
epd-bild/Christian Ditsch
Eine gesellschaftliche Gruppe ist besonders von den Folgen der Corona-Krise betroffen: Menschen, die auf der Straße leben. Fachverbände rufen auf, die Hilfen für jene zu verbessern, bei denen "soziale Distanz" jenseits ihrer Lebenswirklichkeit ist.

Die Nationale Armutskonferenz befürchtet, dass durch die Corona-Krise arme Menschen in die Verelendung getrieben werden. Zwar habe die Bundesregierung für Leistungsbezieher schnell Erleichterungen geschaffen, sagte Sprecher Gerwin Stöcken am 27. März in Berlin. "Deren Situation entschärft das aber nicht genug", erklärte er. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe verwies darauf, dass Obdachlose kaum in der Lage seien, soziale Distanz zu wahren.

Stöcken sagte weiter, die Krise werde arme Menschen noch weiter ins Abseits drängen. Wer keinen Wohnraum habe oder in beengten Verhältnissen lebe, könne sich schneller mit dem Virus infizieren als jene, die in besseren Bedingungen leben könnten, erläuterte er. "Viele Anlaufstellen für Menschen in finanzieller Not mussten schließen, so dass es für manch einen Hilfesuchenden zur Odyssee werden kann, Obdach zu finden und Essen zu erhalten."

Niedrigschwellige Angebote geschlossen

Die Pandemie verschärfe diese Lage für Arme noch. "Wir müssen jetzt Menschen vor Verelendung bewahren und Strategien entwickeln, wenn sich nach der Krise die wirtschaftlichen Folgen zuspitzen", sagte Stöcken.

Werena Rosenke, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, wies darauf hin, dass die von allen Bürgerinnen und Bürgern einzuhaltende soziale Distanz, die notwendigen Hygienemaßnahme und der weitestgehende Rückzug in die eigenen vier Wände nicht mit den Lebensumständen wohnungsloser Menschen vereinbar seien.

Niedrigschwellige Angebote wie Tagestreffs seien zum Teil geschlossen oder würden nur eingeschränkt öffnen. "Die medizinischen Angebote können nur eingeschränkt ihre Angebote aufrechterhalten oder müssen sie ganz einstellen. Stationären Einrichtungen ist ein Aufnahmestopp verordnet worden", berichtete Rosenke. In Notunterkünften seien Menschen nach wie vor in Mehrbettzimmern untergebracht.

Ausweichen in Hotels und Ferienwohnungen

Deshalb forderte die Verbandschefin, die Belegungsdichte in den Unterkünften umgehend zu reduziert werden. Dazu müssten zusätzliche Räumlichkeiten angemietet werden, beispielsweise Pensions- und Hotelzimmer und Ferienwohnungen.

Außerdem müssten Tagesaufenthalte öffnen und Essensausgaben stattfinden, um auch die Versorgung der Menschen, die ganz ohne Unterkunft auf der Straße leben, abzusichern. Rosenke forderte zudem, die medizinische Versorgungsangebote für diese Menschen aufrechtzuerhalten. Und: Die Justizbehörden der Länder sollten mit den Amtsgerichten vereinbaren, Zwangsräumungen für die Dauer der Corona-Krise auszusetzen. Menschen dürften in dieser Situation nicht aus ihren Wohnungen gezwungen und in Notunterkünfte eingewiesen werden, die schon jetzt überlastet seien.

Dirk Baas


Corona-Krise

Solidarität in Zeiten des Virus




Leipziger Stiftung vermittelt Hilfe unter Nachbarn
epd-bild/Jens Schulze
Eine Stiftung in Leipzig ist auf Nachbarschaftsprojekte spezialisiert. In der Corona-Krise ist das Gold wert: Schnell und unkompliziert bringt sie Freiwillige und Hilfesuchende zusammen. Das Projekt könnte bundesweit Schule machen. Auch der Verein "Münchner Freiwillige" stößt auf große Resonanz.

Daniel Rothe und seine Frau sind sehbehindert. "Gewisse Dinge können wir noch selbst erledigen", erzählt er. Doch in der aktuellen Lage mit den Ausgangsbeschränkungen sei es schon nicht mehr so einfach mit der Selbstständigkeit. "Es ging uns eher darum, jemanden im Hintergrund zu haben, wenn es ein Problem gibt", sagt Rothe.

Dann liest er in der Zeitung von der Stiftung "Ecken wecken", nimmt Kontakt auf - und hat wenige Stunden später eine freundliche Frau aus der Nachbarschaft am Telefon, die ihre Hilfe anbietet. "Ich finde es super, dass es so was gibt", freut sich Rothe.

Es begann mit einer Rundmail

Seinen Ausgang nahm das Projekt am 15. März mit einer Rundmail der Stiftung "Ecken wecken". Zwei Wochen später sind dem Aufruf rund 850 Freiwillige quer durchs Stadtgebiet gefolgt, um in der Corona-Krise Nachbarn zu helfen. Die meisten bieten an, für andere einkaufen zu gehen. Das Prinzip ist bestechend einfach: Wer Hilfe sucht, kontaktiert die Stiftung, wer helfen will ebenfalls - und die Stiftung bringt beide Seiten wohnortnah zusammen.

"Unterstützungsleistungen, die kontaktintensiver sind, wie Kinderbetreuung oder Lernhilfe, dürfen wir nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt inzwischen nicht mehr anbieten", erklärt Stiftungsvorstand Thorsten Mehnert. Grund sind die seit Wochenbeginn geltenden Kontaktbeschränkungen.

Eine der größten Herausforderungen bleibt, das Angebot publik zu machen. Zwar sind alle Freiwilligen aufgerufen, in sozialen Medien zu werben und öffentliche Aushänge zu machen. Doch ob das reicht, ist fraglich; vermutlich gehen viele Ältere - das sind knapp zwei Drittel der Hilfesuchenden - oder Vorerkrankte (gut ein Drittel, dazu fünf Prozent Alleinerziehende) kaum noch vor die Tür, tummeln sich wohl auch nicht regelmäßig auf Twitter oder Facebook.

Darauf deutet auch hin, dass bisher die meisten Hilfsgesuche "von extern" kamen, wie Mehnert sagt: "Das sind besorgte Verwandte von außerhalb, die anrufen und sagen, meine Tante oder meine Oma lebt in Leipzig und ich kann hier nicht weg, was passiert denn jetzt mit denen?" Inzwischen hat die Stiftung eine eigene Telefon-Hotline geschaltet.

"Überwältigt, wie gut das funktioniert"

Heike Petsch hat selbst aktiv im Internet nach Hilfe gesucht. Die 56-Jährige lebt allein, leidet an chronischer Bronchitis und hat ihre Wohnung aus Sorge vor einer Corona-Infektion seit zwei Wochen nicht verlassen. Kurz nach der Kontaktaufnahme mit der Stiftung meldete sich eine Dame aus der Nachbarschaft und ging für sie einkaufen. "Ich bin überwältigt, dass das so gut funktioniert", sagt Petsch.

Sein Wissen zu Aufbau und Nutzung digitaler Infrastruktur will Mehnert nun gerne weitergeben, am besten im ganzen Land. Er hat bereits Kontakt zum Bundesverband Deutscher Stiftungen aufgenommen und sagt, alles, was er brauche, sei Geld von großen Stiftungen sowie Menschen, die sich mit der Management-Software Drupal auskennen.

"Wir haben in unserer Datenbank den Kontakt sämtlicher Bürgerstiftungen. Und auch für Kirchgemeinden könnte das spannend sein", erklärt Mehnert. Laufe alles nach Plan, könne es also schon in wenigen Wochen auch anderswo losgehen mit der schnellen Corona-Hilfe. Die dabei entstehenden Kontakte, betont Mehnert, könnten den Organisatoren indes noch sehr hilfreich sein - und nachbarschaftliches Engagement auch über die Pandemie hinaus befördern.

"Ich wollte einfach helfen"

"Ich traue mich nicht mehr, selbst einkaufen zu gehen", sagt die 76-jährige Ingeborg Palinger. Die Münchnerin fürchtet die Ansteckung durch das Corona-Virus. Doch wo die Angst vor der Krankheit herrscht, gibt es auch Solidarität. So versorgt der Verein "Münchner Freiwillige" ältere Menschen, er hat wegen der Corona-Krise eine Hotline eingerichtet. Wer helfen will, kann sich online oder per e-mail melden. Die Resonanz ist groß.

Ingeborg Palinger wohnt mit ihrem Mann in der Riesenburgstraße in Aubing, einer Trabantenstadt im Westen von München. Der 85-Jährige hat Vorerkrankungen und fällt damit in die Risikogruppe des Coronavirus. Über das Altenzentrum Aubing ist sie an die Adresse der "Münchner Freiwilligen" gekommen und hat Kontakt zu Caroline Lutz aufgenommen. Ab jetzt kümmert sich die 32-jährige Rechtsanwältin um das Ehepaar. Sie wohnt selbst auch in Aubing und arbeitet jetzt – wie viele – im Homeoffice.

Als Anwältin habe sie viel zu tun, da es derzeit in etlichen Fragen viel Rechtsunsicherheit gebe. Trotzdem: "Ich wollte in dieser Situation einfach helfen", erklärt sie ihr Engagement. Heute machte sie sich mit dem Einkaufszettel von Ingeborg Palinger, den diese telefonisch durchgegeben hatte, auf den Weg zum Supermarkt, aber "manche Sachen sind noch immer ausverkauft", ist ihre Erfahrung. Sie bringt die Lebensmittel in die Riesenburgstraße. "Die "Übergabe" erfolgt im Hausflur, natürlich mit entsprechendem Sicherheitsabstand. "Ich verstehe schon, dass die jetzige Situation für viele eine Bedrohung darstellt", sagt die Helferin.

Hilfsverein entstand in der Flüchtlingskrise

Sie steht damit nicht alleine. Mehr als 4.000 Menschen haben sich bisher beim Verein Münchner Freiwillige als Helfer gemeldet. "Bei uns können sich ältere Menschen und Menschen der Corona-Risikogruppen melden, wenn sie Unterstützung brauchen, aber nicht selbst in einen Supermarkt oder eine Apotheke gehen wollen oder können", heißt es auf der Webseite des Vereins, der sich im Herbst 2015 aus der Flüchtlingshilfe am Münchner Hauptbahnhof heraus gegründet hat.

Unter einer Telefonnummer, der "Corona-Hotline", können sich Menschen melden, die Hilfe beim Einkaufen, bei der Beschaffung von Medikamenten in der Apotheke oder bei der Aufgabe ihrer Post benötigen. Nicht angeboten werden medizinische Hilfe sowie Personentransporte. Wer helfen will, kann sich über ein Online-Formular eintragen und zum Beispiel ein gewünschtes Stadtviertel angeben. Damit auch Menschen erreicht werden, die nicht ins Internet gehen, werden in Altenzentren, bei Caritas und Arbeiterwohlfahrt sowie in größeren Wohnblöcken Informationszettel angebracht.

Johannes Süßmann, Rudolf Stumberger



sozial-Recht

Corona-Krise

Gerichtsverhandlungen weitgehend bis nach Ostern ausgesetzt




Im Bundesarbeitsgericht finden derzeit fast keine Verhandlungen statt.
epd-bild/Jens-Ulrich Koch
Es ist schwieriger geworden, in Zeiten der Corona-Krise seine Rechte durchzusetzen. Bundesweit heben Gerichte ihre Termine für mündliche Verhandlungen auf.

Egal ob es sich um das Bundesarbeitsgericht, das Bundessozialgericht oder etwa das Landgericht Hildesheim oder das Arbeitsgericht Lübeck handelt: Mündliche Gerichtsverhandlungen finden in der Regel bis eine Woche nach Ostern nicht statt. Nur unaufschiebbare und eilige Rechtsanliegen der Bürger werden nicht verschoben. Das Problem: Arbeiten Gerichte und Behörden wie Sozialämter und Jobcenter nur mit halber Kraft, müssen Rechtsuchende nicht nur länger auf ihr Recht warten, sondern es können auch rechtlich vorgeschriebene Fristen verpasst werden.

Rechtsschutz gefährdet

"Ob der Rechtsschutz bei Eilsachen wirklich von allen Gerichten gewährleistet wird, wissen wir derzeit noch nicht", sagt Jörg Ungerer, Leiter der Bundesrechtsabteilung des Sozialverbandes VdK. Beim Problem verzögerter Gerichtsverfahren müsse der Gesetzgeber aber schnell reagieren, "indem er etwa per Gesetz die sozialrechtlichen Fristen in den Sozialgesetzbüchern und aus dem Sozialgerichtsgesetz aussetzt". Denn für behinderte, alte und kranke Menschen sei es angesichts von Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen erst recht schwer, für einen Rechtsstreit alle nötigen Unterlagen wie ärztliche Gutachten einzuholen und sich mit Juristen abzustimmen.

"Der Rechtsschutz darf nicht Opfer des Coronavirus werden. Es kann nicht sein, dass die Menschen in diesen ohnehin schweren Zeiten auf das verzichten müssen, was ihnen zusteht, weil sie Fristen nicht einhalten können", sagt auch VdK-Präsidentin Verena Bentele.

Tjark Menssen, Sprecher der DGB Rechtsschutz GmbH, sieht noch eine andere Gefahr in der Aufhebung von gerichtlichen Verhandlungsterminen und der Anregung der Gerichte, im schriftlichen Verfahren - also ohne mündliche Verhandlung - zu entscheiden. Denn so werde der Grundsatz der Öffentlichkeit eines Verfahrens beschränkt. "Das sehen wir schon ein wenig mit Sorge", sagt Menssen.

Nach Ostern neu überlegen

Ungerer verweist zudem auf die Möglichkeit, bei verpassten Fristen bei Gericht die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragen zu können. "Dann muss man nachweisen, dass Fristen nicht aus eigenem Verschulden verpasst wurden", sagt Ungerer. Letztlich entscheidet darüber jeder Richter selbst. Auch hier könne eine Verordnung des Gesetzgebers Regeln für alle schaffen.

"Der Rechtsschutz muss auch in Corona-Zeiten gewährleistet werden. Bislang klappt das aber auch", sagt Stephanie Rachor, Sprecherin des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt. Allerdings fielen auch beim BAG aufgrund der Infektionsgefahr mündliche Verhandlungen aus. In der Arbeitsgerichtsbarkeit würden als eilig eingestufte Verfahren weiterhin eilig behandelt, wie etwa Kündigungsschutzverfahren.

Gregor Steidle, Direktor des Arbeitsgerichts Lübeck, teilte auf Anfrage mit, dass - so wie bei vielen anderen Gerichten auch - bis 19. April fast alle Verhandlungstermine abgesagt worden seien. "Nach Ostern müssen wir überlegen, wie wir künftig mit der Situation umgehen", sagt Steidle. Derzeit versuche man, mit den einzelnen Parteien gütliche Einigungen von Rechtsstreitigkeiten zu erzielen oder Verhandlungstermine zu verlegen.

Oliver Tolmein, Fachanwalt für Medizinrecht aus Hamburg, beklagt, dass es viel schwieriger geworden sei, Gerichte aber auch Behörden wie Sozialämter zu erreichen. Diese arbeiteten nur im Notbetrieb oder im Homeoffice. "Die Justizminister sollten mit interessengerechten Regelungen Klarheit schaffen, wie Leistungsberechtigte trotz Einschränkungen bei Behörden und Gerichten effektiven Rechtsschutz erhalten können", sagt Tolmein. Anderenfalls könnten kranke und behinderte Menschen beim Streit etwa um eine persönliche Assistenz auf der Strecke bleiben.

Frank Leth


Bundesgerichtshof

Heftiger Familienstreit kann Bestellung als Betreuer entgegenstehen



Eine Angehörige kommt als Betreuerin für eine schwer demenzkranke Frau bei erheblichen familiären Spannungen nicht ohne weiteres infrage. Selbst wenn die demenzkranke Frau die Betreuung der Angehörigen wünscht, kann wegen bestehender Familienstreitigkeiten deren persönliche Eignung als Betreuer fehlen, entschied der Bundesgerichtshof BGH) in Karlsruhe in einem am 1. April veröffentlichten Beschluss.

Konkret ging es um eine 1931 geborene, schwer demenzkranke Frau aus Frankfurt am Main. Diese hatte im März 2015 eine Vorsorgevollmacht für drei ihrer vier Kinder erteilt. Danach waren alle zur Alleinvertretung ihrer Mutter berechtigt. Schließlich kam es bei der Frage, in welcher Einrichtung die Mutter untergebracht werden soll, zum erbitterten Streit unter den Kindern.

Das Amtsgericht bestellte daraufhin einen Berufsbetreuer. Dieser erklärte sich etwas später wegen der Familienspannungen nicht mehr bereit, die Betreuung auszuüben. Eine Tochter wollte zudem gerichtlich die Bestellung des Berufsbetreuers wieder kippen und bot sich selbst als Betreuerin an. Das Landgericht lehnte dies ab. Die Kinder würden sich ständig Machtkämpfe liefern. Ein Mediationsversuch sei gescheitert.

Der BGH verwies das Verfahren an das Landgericht zurück. Ein einmal bestellter Berufsbetreuer könne sich nicht einfach seiner Verantwortung entziehen und seine Betreuungsbereitschaft zurücknehmen. Er dürfe sich nicht ohne weiteres "unbequemer Betreuungen" entledigen. Das Landgericht müsse erneut die Eignung des Betreuers prüfen und gegebenenfalls danach eine andere Person damit beauftragen.

Az.: XII ZB 475/19



Bundesfinanzhof

Krankheitskosten nach Wegeunfall steuerlich absetzbar



Arbeitnehmer können bei einem erlittenen Wegeunfall den Staat an den angefallenen Krankheitskosten beteiligen. Denn bei einem Unfall auf dem Weg zur oder von der Arbeit können die unfallbedingten Krankheitskosten als Werbungskosten von der Steuer abgesetzt werden, soweit sie nicht von der Berufsgenossenschaft übernommen wurden, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am 26. März veröffentlichten Urteil.

Die Klägerin hatte im Februar 2013 auf dem Weg zur Arbeit einen Autounfall erlitten, bei dem sie unter anderem schwere Verletzungen im Gesicht erlitt. Die Berufsgenossenschaft kam für die Operationskosten und den Klinikaufenthalt entsprechend den geltenden Fallpauschalen auch auf.

Werbungskosten geltend gemacht

Es fielen jedoch darüber hinaus weitere Kosten an, die die Klägerin selbst zahlte, insgesamt 2.402 Euro. Das Geld machte sie in ihrer Steuererklärung als Werbungskosten geltend. Die Aufwendungen seien in Zusammenhang mit ihrer Arbeit entstanden, da sie den Unfall auf dem Weg zu ihrer Tätigkeitsstätte erlitten hatte. Das Finanzamt lehnte die Anerkennung als Werbungskosten und damit eine Steuerminderung ab.

Der BFH gab der Klägerin recht. Zwar seien bereits mit der Entfernungspauschale in Höhe von 0,30 Euro, die Arbeitnehmer als Wegekosten geltend machen können, "sämtliche fahrzeug- und wegstreckenbezogene Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstrecke veranlasst sind". Dies gelte grundsätzlich auch für Unfallkosten, wenn es sich um echte Wegekosten handelt, wie etwa Reparaturaufwendungen.

Andere Kosten, die in Zusammenhang mit der Linderung oder Beseitigung von Körperschäden anfallen, seien dagegen nicht erfasst. Beruflich veranlasste Krankheitskosten könnten daher neben der Entfernungspauschale zusätzlich als Werbungskosten abgezogen werden.

Az.: VI R 8/18



Landessozialgericht

MDK muss ausreichend Personal für Klinikprüfungen haben



Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) muss die Prüfung von Krankenhausabrechnungen mit ausreichenden Kapazitäten und Fachkräften sicherstellen. Denn nur so können die Krankenkassen fristgerecht fehlerhafte Abrechnungen bei den Kliniken geltend machen und Gelder zurückfordern, entschied das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in München in einem am 11. März veröffentlichten Beschluss.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen müssen die Krankenkassen in bestimmten Fällen Klinikabrechnungen - zum Beispiel bei Auffälligkeiten - vom MDK gutachterlich überprüfen lassen. Dabei prüft der MDK etwa, ob die Behandlung eines Patienten überhaupt notwendig war und in richtiger Höhe abgerechnet wurde. Bis Ende 2019 mussten die Krankenkassen nach Übermittlung der Prüfanzeige an den MDK eine fehlerhafte Abrechnung innerhalb von elf Monaten bei der Klinik beanstanden. Anderenfalls waren Rückforderungsansprüche verfallen. Innerhalb dieser Frist musste der MDK seine gutachterliche Stellungnahme abgeben.

Gebot der Wirtschaftlichkeit

Mit dem seit 2020 geltenden MDK-Reformgesetz wurde die Frist für die Mitteilung der Krankenkasse an die Klinik auf 13 Monate verlängert. Um die Prüfverfahren von Klinikrechnungen zu verringern, wurde nun der Prüfumfang gedeckelt. Je mehr korrekte Rechnungen eine Klinik pro Quartal erstellt, desto weniger wird sie vom MDK geprüft. Für 2020 gilt zunächst generell eine Prüfquote von 12,5 Prozent der Rechnungen.

Im jetzt entschiedenen Fall hatte eine Krankenkasse 2019 und damit nach den früheren Regelungen verlangt, dass der MDK mehrere Klinikabrechnungen psychiatrischer Behandlungen wegen Auffälligkeiten überprüft. Der MDK stornierte einen Teil der Prüfaufträge. Diese seien innerhalb der gesetzlichen Fristen mit den bestehenden Kapazitäten nicht zu schaffen. Er warf der Krankenkasse vor, mit der Abrechnungsprüfung nur Einnahmen erzielen zu wollen.

Doch das LSG verpflichtete den MDK im Eilrechtsschutzverfahren, die noch nicht erledigten Prüfaufträge zu bearbeiten. Eine Krankenkasse habe einen Anspruch darauf, dass der MDK die erteilten Prüfaufträge fristgerecht erledigt. Hierfür müsse er "ausreichend Kapazitäten und Fachkräfte" vorhalten. Die Abrechnungsprüfung sei auch "keine Einnahmequelle der Krankenkasse zur Erhöhung deren Wettbewerbsfähigkeit", so das LSG. Vielmehr sei die Krankenkasse verpflichtet, das vom Gesetzgeber vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsgebot mit der Vergabe von Prüfaufträgen an den MDK durchzusetzen.

Az.: L 5 KR 84/20 B ER



Oberverwaltungsgericht

Beschwerde von Anwohnern gegen Pflegeheim zurückgewiesen



Das Oberverwaltungsgericht Münster hat eine Beschwerde von Anwohnern gegen ein Essener Pflegeheim zurückgewiesen. Laute von kranken oder behinderten Bewohnern seien kein Verstoß gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot, erklärte das Gericht in einer am 1. April veröffentlichten Eilentscheidung. Das gelte auch dann, wenn die Lebensäußerungen der Heimbewohner auf einem benachbarten Grundstück deutlich wahrgenommen werden könnten.

Die Anwohner hatten sich gegen eine Baugenehmigung der Stadt Essen für einen Anbau des Pflegeheims gewandt. Damit würde eine bereits jetzt schon enorme "Geräuschkulisse" näher an ihr Grundstück heranrücken, argumentierten die Anwohner nach Angaben des Gerichts. Auch die von den Anwohnern vorgebrachten Einsätze von Rettungswagen oder Helikoptern, die nach verirrten Bewohnern suchten, müssen als sozialadäquate Auswirkungen von Maßnahmen zur Rettung von Menschen hingenommen werden, wie das Oberverwaltungsgericht erklärte. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Az.: 10 B 312/20



Oberverwaltungsgericht

Kein Abschiebeverbot für Kinder wegen Malariagefahr



Kinder unter fünf Jahren haben keinen Abschiebeschutz nach Nigeria wegen Malariagefahr. In Europa geborene Kinder können sich nicht deshalb auf eine extreme allgemeine Gefahrenlage berufen, weil sie bei einer Rückkehr der Familie nach Nigeria an Malaria erkranken könnten, entschied das Oberverwaltungsgericht Münster in einem am 27. März veröffentlichten Urteil. Die Gefahr einer Malaria-Erkrankung sei nicht wahrscheinlich.

Nigeria sei zwar ganzjährig und flächendeckend ein Hochrisikogebiet für Erkrankungen an Malaria, die ohne Behandlung einen tödlichen Verlauf nehmen könne. Für aus Europa zurückkehrende Kinder gebe es jedoch keine Extremgefahr, die Voraussetzung für ein Abschiebungsverbot sei, befanden das Gericht.

In dem konkreten Fall ging es um ein im Jahr 2017 in Italien geborenes Kind, das mit seiner aus Nigeria stammenden Mutter ein Jahr später nach Deutschland einreiste. Den Asylantrag für das Kind lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ab.

Das Verwaltungsgericht Münster hatte der Klage gegen diese Entscheidung zum Teil stattgegeben und die Bundesrepublik verpflichtet, ein Abschiebungsverbot wegen der drohenden Malariagefahr festzustellen. Das Oberverwaltungsgericht gab hingegen dem Bundesamt recht. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu. Gegen die Entscheidung kann eine Beschwerde eingelegt werden, über die dann das Bundesverwaltungsgericht entscheiden würde.

Az.: 19 A 4470/19.A



Verwaltungsgericht

Kita-Zuschüsse: Klage der Kirche abgewiesen



Die Bremische Evangelische Kirche hat bei ihren Bemühungen um höhere staatliche Zuschüsse für die von ihr betriebenen Kindertageseinrichtungen eine juristische Niederlage erlitten. Das Bremer Verwaltungsgericht wies eine Klage der Kirche gegen die Stadt Bremen ab, wie eine Gerichtssprecherin am 26. März mitteilte.

Die Kirche hatte in ihrer Klage die grundsätzliche Ausgestaltung der Zuwendungspraxis der Stadt Bremen für Kindertageseinrichtungen beanstandet. Für die Kitas in ihrer Regie fordert sie für 2013 eine Erhöhung der bereits bewilligten Zuwendungen um 157.000 Euro. Mit 65 Einrichtungen und rund 4.700 Plätzen ist die Bremische Evangelische Kirche der größte freie Träger von Kindertagesstätten im Land Bremen.

Nach Auffassung der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die Kirche keinen Anspruch auf Bewilligung der von ihr begehrten erhöhten Zuwendungen. Die Kammer habe keine Rechtsfehler bei der Bestimmung der Höhe der Zuwendungssumme für 2013 erkennen können, sagte die Gerichtssprecherin.

Auch mit ihrer Rüge an der grundsätzlichen Ausgestaltung der Zuwendungspraxis der Stadt sei die Kirche nicht durchgedrungen. So stehe ihr kein Anspruch auf Vollfinanzierung der von ihr betriebenen Kitas durch die Kommune zu. In dem Bremischen Tageseinrichtungs- und Kindertagespflegegesetz sei die Finanzierung freier Träger von Kindertageseinrichtungen über Zuwendungen ausdrücklich geregelt, hieß es. Eine Vollfinanzierung siehe dieses Gesetz nicht vor.

Das Gericht ließ die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zu. Von 2013 bis ins Jahr 2017 hatten die Parteien erfolglos versucht, sich außergerichtlich zu einigen. Fünf weitere gleich gelagerte Verfahren sind noch beim Verwaltungsgericht Bremen anhängig.

Az.: 3 K 2110/13



Landgericht

Keine Zwangsräumung wegen Corona-Pandemie



Das Landgericht Berlin hat die Rechte von Mietern gestärkt, denen während der Corona-Krise eine Zwangsräumung droht. Auf Antrag eines vom Amtsgericht Berlin-Mitte zur Räumung verurteilten Mieters entschied die zuständige Kammer, dass gerichtliche Räumungsfristen wegen der Corona-Pandemie mindestens bis 30. Juni zu verlängern sind. Die Beschaffung von Ersatzwohnraum auf dem ohnehin angespannten Berliner Wohnungsmarkt sei nicht zuletzt wegen der Verordnungen zur Eindämmung des Coronavirus derzeit unwahrscheinlich, erklärte das Gericht am 27. März zur Begründung.

Das Amtsgericht Mitte hatte den Mieter im Dezember 2019 zur Räumung bis 31. März 2020 verurteilt. Dieser hatte eine Verlängerung bis 30. Juni beantragt, weil er wegen der Corona-Krise keinen Ersatzwohnraum finde. Diesem Antrag entsprachen die Richter des Landgerichts. Für den Erfolg eines solchen Verlängerungsantrags sei wesentlich, ob die gewährte Räumungsfrist hinreichend lang bemessen ist, um Ersatzwohnraum finden zu können. Nach Auffassung der Richter war die bis zum 31. März gewährte Räumungsfrist insbesondere in der jetzigen Situation zu kurz. Eine davon abweichende Beurteilung käme nur in Betracht, wenn der Verbleib eines Räumungsschuldners in der Mietsache eine Gefahr für Leib oder Leben darstelle.

Erst kürzlich hatten die Berliner Amtsgerichte ihre Gerichtsvollzieher angewiesen, wegen der Ausbreitung des Coronavirus auf Wohnungsräumungen und Zählersperren etwa bei Strom und Gas weitestgehend zu verzichten. Im vergangenen Jahr gab es in Berlin 4.299 Räumungsaufträge.

Az.: 67 S 16/20



Europäischer Gerichtshof

Weigerung der Flüchtlingsaufnahme hat EU-Recht gebrochen



Polen, Ungarn und Tschechien haben nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) EU-Recht gebrochen, als sie die Übernahme von Asylbewerbern aus Griechenland und Italien verweigerten. Das entschied der EuGH am 2. April in Luxemburg. Der Streit um die Flüchtlingsumverteilung hatte die europäische Asylpolitik jahrelang mitgeprägt.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung hatten die EU-Innenminister im September 2015 per Mehrheitsvotum zwei Beschlüsse gefällt. Damit sollten ursprünglich 160.000 Asylbewerber aus Italien und Griechenland in die übrigen EU-Staaten umgesiedelt werden. Am Ende wurden aus verschiedenen Gründen laut EU-Kommission nur rund 35.000 Menschen umverteilt, viele davon nach Deutschland.

Schutz der inneren Sicherheit

Polen, Ungarn und Tschechien nahmen keine oder fast keine der Menschen auf. Die EU-Kommission verklagte sie deshalb vor dem EuGH. Dort führten die Osteuropäer eine Reihe von Argumenten ins Feld. Ungarn und Polen machten insbesondere die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit geltend. Tschechien argumentierte, dass es wirksamere Maßnahmen zur Bewältigung der Migration unternommen habe, etwa Unterstützung beim Schutz der EU-Außengrenzen. Alle drei Länder bestritten die Klagen auch aus formalen Gründen.

Der EuGH sah dies anders. Er verwies darauf, dass die Beschlüsse der Minister durchaus Vorkehrungen zur öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit beinhalteten. Die Länder hätten sich nach Einzelfallprüfungen damit gegen die Aufnahme einzelner Asylbewerber sperren können. Gegen das Argument des Nichtfunktionierens machten die Richter geltend, dass es die Solidarität und Rechtsverbindlichkeit in der EU beeinträchtigen würde, wenn sich ein Mitgliedstaat einseitig darauf berufen könnte, dass ein Beschluss keine ausreichende Wirksamkeit habe, um ihn nicht umzusetzen.

Offen sind die Folgen des Urteils. Geldbußen konnte der EuGH nicht verhängen, und die Beschlüsse der Innenminister sind inzwischen außer Kraft. Die EU-Kommission hat noch nicht klargemacht, welche Konsequenzen sie ziehen könnte. Signalwirkung dürfte das Urteil jedoch haben.

Az.: C-715/17, C-718/17 und C-719/17




sozial-Köpfe

Caritas

Jan Hindrichs kehrt als Geschäftsführer nach Herten zurück




Scheidender Geschäftsführer Matthias Müller (li.) und sein Nachfolger Jan Hindrichs
epd-bild/Annegret Spiekermann/Caritasverband Herten
Jan Hindrichs leitet künftig die Caritas Herten. Er folgt am 1. Juni auf Matthias Müller, der sich nach 30 Jahren an der Spitze des katholischen Sozialunternehmens in den Ruhestand verabschiedet.

Jan Hindrichs kehrt als Geschäftsführer zur Caritas Herten zurück, bei der er bereits vor einigen Jahren tätig war. Zuletzt war Hindrichs bei der Darlehnskasse Münster tätig. Auch auf dem Posten der kaufmännischen Geschäftsführung gibt es bei der Caritas Herten einen Wechsel: Markus Hoffmann wird sie an seinen Nachfolger Markus Lerche abgeben, der momentan den Fachbereich der Verwaltung leitet. Die Doppelspitze wird also komplett neu besetzt.

Der studierte Sozialarbeiter und Politikwissenschaftler Hindrichs arbeitete bereits von 2008 bis 2014 bei der Caritas Herten im Bereich Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit und Projektarbeit. Derzeit ist er noch im Organisationsmanagement der DKM Darlehnskasse Münster angestellt und dort für Stiftungsberatung, Fundraisingberatung sowie Zahlungssysteme zuständig.

Mit gut 500 Beschäftigten zählt die Caritas Herten zu den größten Arbeitgebern in der nördlichen Ruhrgebietsstadt. Der Träger ist in der Alten-, sowie Kinder- und Jugendhilfe aktiv, betreibt Angebote für Flüchtlinge und hält Beratungen vor, unter anderem für Obdachlose und Schuldner.



Weitere Personalien



Tobias Gaydoul hat am 1. April seine Arbeit als neuer Vorstand Finanzen der Rummelsberger Diakonie e.V. und als Geschäftsführer der Rummelsberger Dienste für Menschen aufgenommen. Statt von einem großen Kreis von Mitarbeitenden am Standort Rummelsberg, wie außerhalb von Krisenzeiten üblich, nahmen lediglich die vier anderen Vorstandsmitglieder den Diplom-Kaufmann in Empfang. "Wir begrüßen Sie im Namen der gesamten Mitarbeiterschaft", sagte Vorstandsvorsitzender Pfarrer Reiner Schübel. Schübel wünschte dem 42-jährigen ehemaligen Unternehmensberater einen guten Start in dieser Zeit der Pandemie. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Epidemie seien für einen Träger wie die Rummelsberger Diakonie nicht abzusehen. Man hoffe, dass die Schutzschirme der Regierungen das hielten, was sie versprechen, sagte der Theologe. Gaydoul sagte, "es gibt keine Blaupause für das, was wir gerade erleben". Es sei eine Zeit, die Mut für Entscheidungen verlange und dazu ein gesundes Gottvertrauen.

Irmtraut Gürkan ist neue stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der Berliner Charité. Die Aufsichtsmitglieder wählten die langjährige Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Heidelberg zur Stellvertreterin von Michael Müller, der als Regierender Bürgermeister von Berlin und als Senator für Wissenschaft und Forschung den Vorsitz übernimmt. Der neue Aufsichtsrat der Charité wurde für die nächsten fünf Jahre gebildet. Das Gremium besteht nunmehr aus 13 stimmberechtigten und vier beratenden Mitgliedern. Hintergrund der Erweiterung des Gremiums ist die Novellierung des Berliner Universitätsmedizingesetzes vom Oktober 2019. Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin und als Senator für Wissenschaft und Forschung Vorsitzender des Aufsichtsrats, betonte bei der Sitzung: "Mit ihrer vielfältigen medizinischen Expertise nimmt die Charité bundesweit eine herausragende Rolle ein." Das werden gerade in der Corona-Krise sehr deutlich.

Blanche Schwappach-Pignataro ist neue Dekanin der Medizinischen Fakultät am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Die Molekularbiologin löste zum 1. April Uwe Koch-Gromus ab, der 13 Jahre lang als hauptamtlicher Dekan und UKE-Vorstandsmitglied fungiert hat. Schwappach-Pignataro (51) ist eng mit Hamburg verbunden. Nach ihrem Abitur am Wilhelm-Gymnasium in Harvestehude und dem sich anschließenden Biologiestudium in Konstanz hat sie am UKE im Zentrum für Molekulare Neurobiologie promoviert. Anschließend ging sie als Postdoktorandin an die University of California nach San Francisco; es folgten die Habilitation in Heidelberg und ein vierjähriger Aufenthalt in Manchester an der Faculty of Life Science. Ab 2010 leitete Schwappach-Pignataro das Institut für Molekularbiologie an der Universitätsmedizin Göttingen, wo sie 2017 darüber hinaus zur Forschungsdekanin berufen wurde.

Bernd Krahl, ein Unternehmer aus Herdecke, hat den Zugabe-Preis für Gründer über 60 Jahre erhalten. Für ihr Engagement ehrte die Körber-Stiftung zudem mit jeweils 60.000 Euro Elke Schilling aus Berlin, Gerhard Dust aus Suhl und Thilo Bode aus Berlin. Mit dem Zugabe-Preis zeichnet die Stiftung Über-60-Jährige aus, die mit unternehmerischen Mitteln Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen gefunden und dafür ein Unternehmen aufgebaut haben. Nach zwei Hirninfarkten kämpfte sich der Zahnarzt Bernd Krahl mit 60 Jahren zurück ins Leben, wie es hieß. Heute unterstützt der 73-Jährige mit seinem Therapiezentrum Ambulanticum in Herdecke andere Patienten mit ähnlichem Schicksal. Das Berliner "Silbernetz" von Elke Schilling vermittelt feste Gesprächspartner für den wöchentlichen Austausch. Ihr "Silberinfo" schließt die Lücke zu Angeboten im Wohnumfeld, und das "Silbertelefon" ermöglicht spontane, vertrauliche Anrufe. Das verheerende Erdbeben in Haiti hat den Ruheständler Gerhard Dust motiviert, die Firma PolyCare Research Technology in Suhl zu gründen. Sie entwickelt langlebige, umweltfreundliche Bauteile aus Polymer-Beton, die wie Legosteine zusammengesteckt werden. Dadurch lassen sich einfach und schnell Häuser bauen. Der Verein foodwatch kümmert sich europaweit um die Verbraucherrechte im Lebensmittelbereich. Gegründet wurde er nach dem BSE-Skandal vom ehemaligen Greenpeace-Direktor Thilo Bode.




sozial-Termine

Veranstaltungen ab Mai



Aufgrund der Corona-Epidemie haben die Veranstalter viele Termine abgesagt. Wir haben Tagungen, Seminare und Workshops aufgelistet, die ab Mai geplant sind und daher auch tatsächlich stattfinden könnten. Kurzfristige Änderungen sind jedoch nicht auszuschließen. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser, dies zu beachten.

Mai

4.-5.5. Berlin:

Seminar "Kinderarmut als Herausforderung für den Kita-Alltag"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-0

4.-6.5. Berlin:

Seminar "Werte, Haltung und Grenzen in der Beratungsarbeit - Qualifizierung für Migrationsfachdienste"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-0

4.-6.5. Freiburg:

Seminar "Wenn das Miteinander zur Herausforderung wird - Führungskräfte als Vermittelnde bei Konflikt und Mobbing"

der Fortbildungs-Akademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0761/2001700

5.-6.5. Hannover:

Seminar "Die Schnittstelle Eingliederungshilfe - Pflege gestalten

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-495

6.5. Köln:

Seminar "Treasury in der Sozialwirtschaft - Finanzmittel bedarfsgerecht bereitstellen"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221.97356.160

11.-12.5. Hannover:

Seminar "QM-Workshop 2020"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-388

12.5. Regensburg:

Workshop "Professionelle Beratung – Der Schlüssel in Zeiten des Personalmangels: Das Fundament Ihres Pflegedienstes"

der Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes

Tel.: 0941/5696-0

14.5. Berlin:

Fachsymposium "360° Pflege - Qualifikationsmix für den Patienten - in der Praxis"

des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung

Tel.: 0221/46861-30

19.-20.5. Berlin:

Workshop "... und plötzlich bin ich Leitung! - Gut vorbereitet von der Fach- zur Führungskraft"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-388

29.-30.5. Hannover:

Seminar "Kooperation von Migrant*innenorganisationen und etablierten sozialen Organisationen" (1. Modul)

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-388