

Köln (epd). "Für niedergelassene Therapeuten ist die Lage äußerst schwierig", sagt Andreas Pfeiffer, der Vorsitzende des Berufsverbands der Ergotherapeuten. "Wir verzeichnen einen Umsatzrückgang von 70 bis 90 Prozent." Das Problem sei zum einen, dass viele Patienten die Informationen zu den Kontakt- und Ausgangssperren verwirrend fänden: "Viele kommen nicht zu den Terminen, weil sie denken, dass sie das jetzt nicht mehr dürfen." Tatsächlich aber gehörten die Heilmittelerbringer zu den systemrelevanten Dienstleistern und seien genau wie Ärzte und Apotheker von den Sperren ausgenommen.
"Zudem kommt es nun auch regelmäßig vor, dass Ergotherapeuten die Bewohner von Pflegeheimen nicht behandeln können, weil ihnen der Zugang von der Heimleitung verwehrt wird." Das sei aber nicht rechtens, weil es sich um eine ärztlich verordnete Leistung handele, die selbstverständlich möglich sein müsse, sagt Pfeiffer. "Allerdings können wir dagegen wenig machen, weil Sie sich den Zugang ja nicht einklagen können."
Viele niedergelassene Ergotherapeuten, die eigene Praxen hätten, hätten bereits Kurzarbeitergeld beantragt oder stünden davor, Kündigungen aussprechen zu müssen. "Wir haben ganz enorme Existenzängste", sagt Margarete Feit vom Deutschen Bundesverband für Logopädie. "Wir verfügen nicht über Rücklagen und können das daher nicht lange durchhalten."
Ein kleiner Lichtblick sei hier die Telemedizin. "Da sind die Kassen im Moment sehr entgegenkommend", sagt Andreas Pfeiffer. Es sei nun möglich, Behandlungen übers Telefon, Smartphone oder Tablet zu machen und werde von den Kassen anerkannt. "Das haben wir im Laufe der letzte Woche flächendeckend etabliert und unseren Mitgliedern Tutorials geschickt, wie eine Telebehandlung aufzubauen ist." Die Möglichkeit zur Telemedizin sei offiziell zunächst bis Ende April möglich.
Patienten können sich über die Website https://www.sprechstunde.online/ direkt online mit ihrem Therapeuten treffen. Dazu müssen sie nur einen fünfstelligen Code eingeben, der ihnen zuvor per Mail oder SMS übermittelt wurde. "Das ist technisch so einfach, dass das alle hinkriegen", sagt Pfeiffer. So sei es möglich, etwa einem Kind mit motorischen Schwierigkeiten passende Übungen vorzumachen oder etwa auch die Gesprächstherapie eines depressiven Patienten fortzusetzen. "Allerdings verfügen bislang nur wenige Praxen über die notwendige Ausrüstung und die nötigen Kenntnisse", sagt Margarete Feit. "Aber es besteht ein großes Interesse und eine hohe Nachfrage bei unseren Mitgliedern."
Sehr viel schwieriger ist dies jedoch für Physiotherapeuten. "90 Prozent der physiotherapeutischen Anwendungen sind nicht per Telemedizin möglich", sagt Heinz Christian Esser, der Geschäftsführer des Spitzenverbands der Heilmittelverbände. Ein Patient, der gerade ein neues Hüftgelenk bekommen habe, könne nicht einfach Übungen nachmachen, die ihm der Therapeut aus der Distanz am Bildschirm vormache: "Ein Therapeut muss vor Ort sein und Hand anlegen können."
Das Problem sei, dass es der Gesetzesgeber versäumt habe, den Rettungsschirm für Arztpraxen auch auf die Heilmittelerbringer auszudehnen, sagt Esser. In der Corona-Krise werde Ärzten von den Krankenkassen die Summe ausbezahlt, die sie im Vergleichsmonat des Vorjahres verdient hätten. "So etwas brauchen wir auch für die Heilmittelerbringer."
Das sieht auch Andreas Pfeiffer so: "Der normale Rettungsschirm für Kleinunternehmer ist einfach nicht ausreichend. Einmalig vom Staat 9.000 Euro zu bekommen, ist bei einer Praxis mit bis zu fünf Angestellten nur ein Tropfen auf dem heißen Stein."
Auch die Krankenkassen erkennen Handlungsbedarf: "Wir sehen, dass die Corona-Krise für die Heilmittelerbringer eine große, ja teilweise existenzielle Herausforderung ist", sagt Ann Marini vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen. Es gebe sowohl bei der Politik als auch bei den Krankenkassen Gespräche, inwieweit über den staatlichen Rettungsschirm hinausgehende Hilfen notwendig und möglich seien. "Es muss relativ schnell unbürokratische Hilfen geben."