sozial-Branche

Corona-Krise

Schutz für die Altenpflege: Es reicht einfach nicht




Altenpflegerin ohne Mundschutz - in Corona-Zeiten ein Problem (Archivfoto)
epd-bild/Hanna Spengler
In der Altenpflege fehlen überall Masken und Schutzkleidung. Das Infektionsrisiko ist hoch, Bewohner sind gefährdet, Einrichtungen und Träger schlagen Alarm. Bund und Länder bemühen sich, mehr Schutzmaterial heranzuschaffen.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie appelliert an Handwerker, nicht benötigte Atemschutzmasken an Pflegeeinrichtungen weiterzugeben. Der Pflegebevollmächtigte Andreas Westerfellhaus klagt, das Besuchsverbot in Heimen könne nicht gelockert werden, wenn Schutzausrüstungen fehlen. Zuletzt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder zugesichert, es werde intensiv daran gearbeitet, für Pflegeeinrichtungen medizinische Masken zu besorgen.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) hat hochgerechnet, dass bei fünf Prozent Covid-19-Verdachtsfällen und einem Prozent infizierter Menschen in der Altenpflege pro Tag bundesweit gut eine halbe Million einfache Masken und ebenso viele Schutzkittel gebraucht würden, dazu 70.000 Atemfiltermasken, die Ansteckungen verhindern, fast 2,5 Millionen Einmalhandschuhe und 50.000 Schutzbrillen. bpa-Präsident Bernd Meurer hält den Gesundheitsämtern und Landesministerien vor, sie informierten die Pflegeeinrichtungen zwar, welche Hygienevorschriften sie laut Robert Koch-Institut einzuhalten hätten, um Infektionen zu vermeiden, erklärten aber nicht, was zu tun sei, wenn die Schutzausrüstung für Pflegekräfte nicht reiche.

Beschleunigtes Verfahren

Angesichts der Engpässe ist das Bundesgesundheitsministerium selbst in die Beschaffung eingestiegen und konnte bis Ende März rund 20 Millionen Masken, 15 Millionen Handschuhe, 130.000 Schutzanzüge und 23.000 Schutzbrillen sowie Desinfektionsmittel an die Kassenärzte und die Bundesländer verteilen. Außerdem werden Schutzmasken und -kittel in einem beschleunigten Verfahren eingekauft. Der Bund nimmt aber keinen Einfluss darauf, was davon in der Altenpflege ankommt.

Das ist Sache der Länder. Nachfragen des Evangelischen Pressedienstes (epd) bei den zuständigen Ministerien ergaben, dass einige Länder Schlüssel und Rangfolgen für der Verteilung der Schutzausrüstungen haben, es aber fast nirgendwo einen festgelegten Anteil für die Altenpflege gibt. Baden-Württemberg beispielsweise vergibt 30 Prozent des Materials zunächst an Unikliniken, Polizei und Justizvollzug, die restlichen 70 Prozent an Stadt- und Landkreise. Diese sollen es nach aktuell dringlichem Bedarf an Krankenhäuser, Altenheime und die ambulante Pflege verteilen. Sachsen vergibt die Schutzmaterialien zuerst an Gesundheitsämter, Kliniken und Corona-Ambulanzen, danach "haben ambulante Pflegedienste und stationäre Einrichtungen eine besondere Priorität", erklärt das Sozialministerium. Die Entscheidungen, wer was bekommt, treffen die Städte und Landkreise anhand des angemeldeten Bedarfs.

Dubiose und überteuerte Angebote

Weil das aber nirgendwo reicht, sind Verbände und Träger auch selbst unterwegs. Die Diakonie hat Atemfiltermasken bestellt, wie der Leiter des Zentrums Gesundheit, Rehabilitation und Pflege bei der Diakonie Deutschland, Peter Bartmann, sagt. 1,5 Millionen Masken würden allein in den diakonischen Einrichtungen dringend gebraucht. Es gebe viele dubiose und überteuerte Angebote, dennoch müssten die Verbände versuchen, Schutzmaterialien zu kaufen, sagt Bartmann. Die staatlichen Lieferungen reichten nicht: "Bei der Altenpflege kommt nicht viel an." Bartmann zufolge sind bisher in vier diakonischen Pflegeeinrichtungen Ansteckungen aufgetreten, darunter der dramatische Fall in Wolfsburg mit 22 Toten bis 2. April und derzeit 56 nachgewiesenen Infektionen.

Beim katholischen Caritasverband beobachtet Nora Roßner, dass die Koordination bei den Ländern inzwischen weitgehend funktioniert. Die Verbände könnten ihren Bedarf bei den Ländern anmelden, sagt die für die Heime und Pflegedienste zuständige Referatsleiterin: "Die Bestellungen werden aufgenommen. Das bedeutet aber nicht, dass einzelne Lieferungen schon angekommen sind." Die Nervosität steigt: Eine Abfrage bei den Caritas-Pflegeeinrichtungen hat ergeben, dass die Schutzmaterialien bei den meisten nur noch für wenige Tage reichen.

Bettina Markmeyer


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