Essen, Hannover (epd). Die diesjährigen kirchlichen Fastenaktionen sind am 9. März mit Gottesdiensten in Essen und Hannover eröffnet worden. Die evangelische Kirche stellte in ihrer siebenwöchigen Kampagne das Durchatmen angesichts der niederdrückenden Weltlage und Zukunftsängsten in den Fokus. Die katholische Kirche sammelt unter dem Motto „Auf die Würde. Fertig. Los!“ Spenden für die Minderheit der Tamilen in Sri Lanka, die dort oft unter harten Bedingungen auf Teeplantagen arbeiten.
In der Fasten- oder Passionszeit erinnern Christen an das Leiden und Sterben Jesu Christi und bereiten sich auf Ostern vor. Sie beginnt mit dem Aschermittwoch und endet am Karsamstag. Die evangelische Fastenaktion steht in diesem Jahr unter dem Titel „Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik“. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister rief dazu auf, in einer von Kriegen und Krisen erschütterten Zeit auch das Gute zu sehen. „Jeden Tag können wir eine Geschichte des Weltuntergangs erzählen. Und jeden Tag können wir eine Geschichte der Weltrettung erzählen, auch dafür gibt es unzählige Möglichkeiten“, sagte er in seiner Predigt in der Nienburger Kirche St. Martin. Der Gottesdienst wurde live im ZDF übertragen.
Meister, der Botschafter der Fastenaktion ist, sagte, unsere Gesellschaft befinde sich angesichts einer sich überstürzenden Weltlage im Dauerstress. „So vibriert unsere ganze Gesellschaft in einer Unruhe. Kurzatmig hetzen wir durch diese Sphäre der Ungewissheit und Angst.“ Die Fastenaktion „7 Wochen ohne“ wurde 1983 gegründet.
Das katholische Hilfswerk Misereor eröffnete seine jährliche Fastenaktion mit einem Gottesdienst in Essen. Das Motto der Fastenaktion erinnere an die Würde des Menschen, sagte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in dem Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Antonius, der live im ARD-Fernsehen übertragen wurde. „Es geht um die Menschenwürde aller, es geht um die Würde einer guten Arbeit, es geht um die Würde, die sich in den Menschenrechten kundtut.“
Es gebe Menschen, die glaubten, in einem goldenen Zeitalter zu leben. „Doch das kommt nicht“, sagte der Bischof. „Wir leben in einem Zeitalter der armen, der hungrigen, der leidenden, der vom Krieg entrechteten, der gefolterten Menschen.“ Er rief dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts gewinnt. „Wir leben nicht in Zeiten von ‚Deals‘, sondern in Zeiten von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit“, betonte er. „Für jeden gibt es eine Würde.“
Während der Fastenaktion bis Ostern informiert Misereor über seine Projektarbeit in weltweit 84 Ländern und bittet um Spenden. Die ethnische Gruppe der Hochlandtamilen besteht den Angaben zufolge aus den Nachfahren von Arbeitern, die im 19. und 20. Jahrhundert im Zuge der britischen Kolonialherrschaft aus Indien nach Sri Lanka geholt worden sind. Viele lebten in kleinen, beengten Wohnungen auf den Plantagen. Die Bezahlung als Teepflücker und -pflückerinnen sei schlecht, die Arbeitsbedingungen seien hart.
Zudem fehlten ihnen Möglichkeiten, ein eigenes, selbstbestimmtes Leben zu führen, hieß es weiter. Auch mangele es an politischer Teilhabe, der Zugang zu staatlichen Sozialleistungen sei stark erschwert. Vielerorts fehlten sauberes Trinkwasser, Gesundheitsversorgung und sanitäre Einrichtungen.
Kassel (epd). Sie gehe fest davon aus, dass es angesichts der sinkenden Mitgliederzahlen Veränderungen geben wird. „An manchen Stellen ist das System der 20 Landeskirchen aus der Zeit gefallen. Das kann man keinem mehr erklären“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).
„Offen ist für mich: Entsteht eine Großkirche, und die Landeskirchen hören auf zu existieren? Oder entsteht ein anderes Konzept von Föderalismus?“, sagte Hofmann, die seit 2019 an der Spitze der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck steht. Wenn es gut laufe, werde ihre Landeskirche in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zunächst themenbezogen mit unterschiedlichen Partnern zusammenarbeiten, und die einzelne Landeskirche werde immer unwichtiger werden. „Dann wird es irgendwann einen Punkt geben, wo man sagt: So, und jetzt lasst uns noch mal neu denken“, sagte Hofmann. Sie fügte hinzu: „Aktuell in offizielle Fusionsverhandlungen zu gehen, scheint mir mit so viel Aufwand verbunden zu sein, dass ich denke: Lasst uns lieber erst mal inhaltlich und kulturell zusammenwachsen und dann sehen, welche Strukturen sich ergeben.“
Die Bischöfin unterstrich das Ziel ihrer Landeskirche, Pfarrerinnen und Pfarrer künftig nicht mehr zu verbeamten. „Einen konkreten Beschluss gibt es noch nicht, aber eine Änderung der Anstellungsverhältnisse ist einer unserer Eckpunkte für die Haushaltskonsolidierung“, sagte die Theologin. Das habe aber nicht nur finanzielle Gründe.
Zentral sei aus ihrer Sicht die Frage: „Mit welchem inneren Feuer und mit welcher inneren Haltung arbeite ich für die Kirche?“ Es gebe sehr engagierte Gemeindereferentinnen, Diakoninnen und Kirchenmusiker im Angestelltenverhältnis. „Ist es angemessen, demgegenüber von den Pfarrerinnen und Pfarrern ein besonderes Treueverhältnis zu fordern? Eigentlich erwarte ich von allen Treue zur Kirche“, sagte Hofmann.
Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck zählt rund 692.000 evangelische Christinnen und Christen, etwa ein Fünftel weniger als vor zehn Jahren. Das Gebiet der Landeskirche umfasst Nordhessen mit Kassel als Zentrum und Sitz des Landeskirchenamtes, Osthessen mit den größeren Städten Fulda und Hersfeld, das Gebiet um Hanau in Südhessen sowie den Kirchenkreis Schmalkalden in Thüringen.
Hannover (epd). Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, hat sich enttäuscht gezeigt über die jüngsten Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter in der evangelischen Kirche. Auf der mittleren Leitungsebene sei der Frauenanteil seit 2015 um nur zehn Prozentpunkte von 21 auf 31 Prozent angestiegen, schreibt Fehrs im Grußwort des am 7. März veröffentlichten zweiten Gleichstellungsatlas des Studienzentrums der EKD für Genderfragen.
Die mittlere Ebene betrifft Leitungsämter in Kirchenkreisen, Propsteien und Dekanaten. Der geringe Anstieg des Frauenanteils sei „keine erfreuliche Botschaft und zeigt einmal mehr, dass Fragen von Gleichstellung und Vielfalt stärker in den Fokus rücken müssen“, betonte Fehrs. „Die neu vorgelegten Zahlen und Fakten sollten als Ansporn verstanden werden, im Engagement für mehr Geschlechtergerechtigkeit auf keinen Fall nachzulassen.“
Beim ehrenamtlichen Leiten zeigt sich nach Angaben des Studienzentrums eine bekannte Tendenz: Je höher die Hierarchieebene, desto niedriger der Frauenanteil. Lediglich die Synoden der EKD sowie der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) seien hiervon ausgenommen.
Im Pfarrberuf gleiche sich das Geschlechterverhältnis weiter an, teilte das Studienzentrum mit. Unter Theologiestudierenden betrage der Frauenanteil 61 Prozent, im Vikariat 52 Prozent. In der Berufsgruppe Kirchenmusik seien Frauen dagegen deutlich unterrepräsentiert, insbesondere in den höher dotierten Vollzeitstellen. Bei den A-Stellen in Vollzeit liege der Frauenanteil bei 24 Prozent.
Der zweite Atlas zur Gleichstellung in der evangelischen Kirche aktualisiert die Daten der ersten Ausgabe von 2015. Den Angaben zufolge wurden zudem neue Felder wie die Kirchenmusik in den Blick genommen. Zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt soll demnächst ein Ergänzungsband erscheinen.
Hannover (epd). „Pazifismus hat das Ziel, Konflikte nicht mit Gewalt zu lösen, sondern durch internationale Vereinbarungen, die die Schwächeren schützen. Aber gerade die Starken verweigern sich diesen Vereinbarungen, das ist das Problem“, sagte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Pazifismus heiße übersetzt „Frieden machen“ und das gehe weit über die Abwesenheit von Krieg hinaus.
Auch wenn der russische Präsident Wladimir Putin unzweifelhaft ein Kriegsverbrecher sei, der nicht das Recht habe „sich zu nehmen, was er will“, dürfe nicht übersehen werden, dass der inzwischen drei Jahre währende, verheerende Krieg in der Ukraine „auch keine zielführende Lösung“ sei. Stets habe es geheißen, die Ukraine müsse diesen Krieg gewinnen oder dürfe ihn zumindest nicht verlieren. „Dass aber täglich in der Ukraine Menschen sterben, seit mehr als drei Jahren, ist eine Tragödie“, sagte Käßmann.
Die ehemalige hannoversche Landesbischöfin betonte, es sei ausdrücklich zu befürworten, dass die Europäer angesichts eines Kurs-Schwenks der US-Administration künftig enger zusammenarbeiten und auf einen Waffenstillstand in der Ukraine hinwirken wollten. „Aber dass das Heil in militärischer Aufrüstung gesucht wird, halte ich für einen falschen Weg“, unterstrich sie. Das vergangene Jahrhundert habe gelehrt, dass Frieden nur entstehe, „wenn der mühselige Weg von vertrauensbildenden Maßnahmen, gemeinsamer Abrüstung, Diplomatie und Dialog beschritten wird“.
Kritik äußerte Käßmann auch an einem in der Diskussion stehendem Sondervermögen, mit dem Union und SPD zusätzliche Rüstungsausgaben voraussichtlich in dreistelliger Milliardenhöhe finanzieren wollen. Käßmann betonte, bevor derartige Summen bewilligt würden, müsse zunächst diskutiert werden, was Landesverteidigung konkret bedeute, und welcher Bedarf wirklich vorhanden sei. „Auslandseinsätze und milliardenteure Kriegsschiffe, die durch die Straße von Taiwan fahren, gehören doch wohl eher nicht dazu“, betonte sie.
Käßmann zeigte sich empört über den Umgang von US-Präsident Donald Trump und seinem Vize JD Vance mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „Mit erhobenem Zeigefinger zu fragen, ob Präsident Selenskyj auch 'Danke' gesagt hat, erinnert an die Ermahnung einer Mutter, wenn ein Kind etwas geschenkt bekommen hat“, sagte Käßmann. Einen Gast behandele man nicht derart demütigend und kommentiere schon gar nicht seine Kleidung oder seine Sprache. Am Freitag vergangener Woche hatten Trump und Vance Selenskyj bei einem Besuch in Washington in lautstarker Weise unter anderem Undankbarkeit und mangelnden Friedenswillen vorgeworfen.
Frankfurt a.M., Essen (epd). Viele seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg bestehende geopolitische Gewissheiten werden laut dem katholischen Militärbischof Franz-Josef Overbeck derzeit in Frage gestellt. Deutschland und Europa müssten sicherheitspolitisch die richtigen Weichen stellen, unabhängig von der aktuellen US-Administration unter Präsident Donald Trump, sagte der Essener Bischof dem Evangelischen Pressedienst (epd). Große Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit seien auch friedensethisch vertretbar, da sie der Freiheit und dem Schutz vor Gewalt dienten.
Der Eklat beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus am Freitag sowie Äußerungen von US-Verteidigungsminister Pete Hegseth und Vizepräsident JD Vance über Europa und mögliche Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit Russland hatten für Kritik unter europäischen Regierungen gesorgt. Mit Blick auf mögliche Verhandlungen zwischen der US-Administration und Russland sagte Overbeck, dass ein Frieden für die Ukraine nicht über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg beschlossen werden dürfe.
„Wenn die Ausgangsbedingungen für Verhandlungen bereits durch das Recht des Stärkeren bestimmt sind, gibt es begründete Zweifel daran, dass ein gerechter Friede für die Ukraine erreicht werden kann“, sagte er. Ein Diktatfrieden, der einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nachträglich legitimiere, wäre aus seiner Sicht ein fatales Signal an Autokraten weltweit. Der russische Präsident Wladimir Putin dürfe nicht den Eindruck gewinnen, dass sich Angriffskriege lohnen.
Die christliche Friedensethik erkennt laut Overbeck durchaus das Recht auf Selbstverteidigung an. „Die Bergpredigt verbietet Selbstverteidigung nicht, genauso wenig wie legitime Selbstverteidigung die primäre Option für ein Ethos der Gewaltfreiheit infrage stellt“, sagte er.
Er halte es zwar für falsch, aus der Bergpredigt im Falle eines Angriffskrieges für ein ganzes Land ein grundsätzliches Verteidigungsverbot abzuleiten, akzeptiere es aber, wenn ein Christ erstinstanzlich allein auf zivilen Widerstand und die Kraft der Versöhnung setze und für diese Haltung werbe. An den politischen Rändern sehe das aber anders aus. Er habe Zweifel daran, ob etwa Vertreter der AfD oder des BSW mit ihrem „Nein“ zur Unterstützung der Ukraine wirklich einen gerechten Frieden im Sinn hätten. „Vor allem aber erkennen sie nicht, dass ein ungerechter Gewaltfrieden nicht dauerhaften Frieden, sondern weitere militärische Konflikte nach sich ziehen wird.“
Frankfurt a.M. (epd). Die politischen Turbulenzen seit der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump haben viele Amerikaner laut dem evangelischen Pfarrer Jeffrey Myers in eine Mischung aus Besorgnis und Zuversicht versetzt. „Ich bin im Grunde wie die meisten meiner deutsch-amerikanischen Bekannten hoffnungsvoll, aber manchmal auch deprimiert“, sagte der 72-Jährige aus den USA stammende Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd) über die Entwicklungen der vergangenen Wochen.
Die politischen Entscheidungen aus dem Weißen Haus würden in einer Geschwindigkeit getroffen, dass er kaum noch hinterherkomme. „Es ist eine Schockstarre, man kommt nicht mehr zur Ruhe. Oft erkenne ich mein eigenes Land nicht wieder.“ Dennoch unterstreicht er die Widerstandsfähigkeit der amerikanischen Demokratie: „Wir haben auch die erste Trump-Regierung überstanden.“
Myers engagiert sich bei den „Democrats Abroad“, einer amerikanischen Organisation für Demokraten, die im Ausland leben. Während Trump und seine Administration Europa mit harscher Rhetorik begegnen, sieht der Pfarrer im Ruhestand die langfristigen Bündnisse nicht gefährdet. „Diese egoistische 'America-First'-Mentalität ist nicht ur-amerikanisch. Das sind nicht unsere Werte.“ Auch in konservativen Republikaner-Kreisen gebe es viele, die sich mit dem politischen Stil nicht identifizieren können. „Respekt und Anstand sind verloren gegangen. Die Vorführung Selenskyjs im Weißen Haus am vergangenen Freitag - das ist nicht unser Stil.“
Die Forderung, dass Europa sicherheitspolitisch eigenständiger werden müsse, hält er zwar für berechtigt, aber die Art der Kommunikation sei destruktiv und schade dem transatlantischen Verhältnis. Auch innerhalb der Demokratischen Partei sieht er Herausforderungen. Die dröhnende Stille prominenter Parteimitglieder zu den aktuellen Entwicklungen enttäusche ihn. „Die Demokraten müssen sich neu erfinden. Es gibt eine Selbstzufriedenheit an der Spitze - aber das Land braucht Antworten“, sagte Myers. Seine Partei sei für die Probleme der Abgehängten in den USA zu lange taub gewesen.
Dennoch zeigt sich Myers zuversichtlich und verweist auf die Stärke lokaler Strukturen in den USA und die starke Zivilgemeinschaft. Seine Hoffnung zieht er auch aus seinem Glauben: „In der Bibel gibt es zahlreiche Beispiele für schlechte Regierungen und inkompetente Könige. Aber Gott entfaltet seinen Plan weiter. Das tröstet mich.“
Wien/Hannover (epd). Der Leitende Bischof der deutschen Lutheraner, Ralf Meister, hat dazu aufgerufen, Demokratie und Menschlichkeit gegen den Rechtspopulismus zu verteidigen. „Die demokratiefeindlichen Tendenzen, die wir gerade weltweit beobachten, gefährden unser christliches Humanitätsideal“, sagte der hannoversche Landesbischof am 4. März zum Abschluss der dreitägigen Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in Wien.
Der Blick auf das Gastland der Konferenz zeige, wie schnell die Übernahme populistischer Positionen von Parteien der Mitte zu einer Normalisierung rechtsextremer Meinungen führen könne, sagte Meister weiter. Indes seien das hohe Engagement der kleinen evangelischen Kirche und der Diakonie Österreichs ein Vorbild, wie Bildung, Sozialarbeit und Widerstand gegen Werteverfall zu leisten seien.
Zur Demokratie gehöre es, unterschiedliche Meinungen in einem Konsens zusammenzubringen, sagte Meister mit Blick auf die am 3. März vereidigte schwarz-rot-pinke Regierung in Wien. „Nun wünschen wir auch den Koalitionsgesprächen in Deutschland einen guten, an der Verantwortung vor Gott und den Menschen orientierten Verlauf.“
Bei der Tagung unter dem Motto „Kirche und Demokratie“ waren zahlreiche evangelische Kirchenvertreter mehrerer europäischer Länder zu Gast, unter anderem auch der Präsident des Lutherischen Weltbundes, der dänische Bischof Henrik Stubkjaer. Die VELKD ist ein Zusammenschluss von sieben lutherischen Landeskirchen innerhalb der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD).
Darmstadt (epd). Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) schließt bis auf Weiteres die Darmstädter Michaelsgemeinde. Dort waren im vergangenen Dezember auf einem Weihnachtsmarkt antisemitische und antiisraelische Symbole durch eine Palästina-Solidaritätsgruppe angeboten worden. In der Folge waren mehrere Strafanzeigen gegen die Gemeinde und die Kirche erstattet worden, auch die Landeskirche selbst hatte Anzeige erstattet. Die Gemeindemitglieder würden gebeten, für Gottesdienste oder die Seelsorge die Nachbargemeinden aufzusuchen, teilte die EKHN am 7. März in Darmstadt mit.
Eine derart drastische Sanktion gegen eine Kirchengemeinde habe er noch nicht erlebt, sagte der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, Volker Rahn, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Dekanatssynodalvorstand in Darmstadt habe am Donnerstag beschlossen, das Gemeindehaus zu schließen. Bei der Überprüfung der Vorgänge habe das Gremium festgestellt, dass das Gemeindehaus von vielen Gruppen genutzt werde, wobei gar nicht klar sei, ob sie dafür überhaupt befugt seien. Auch sei nicht klar, wer über Schlüssel dafür verfüge. Lange bestehende Gemeindegruppen wie der Seniorenkreis bekämen alternative Räume in Nachbargemeinden zur Verfügung gestellt. Die aus dem Jahr 1960 stammende Kirche ist wegen Baumängeln bereits geschlossen.
Der Hauptorganisator des „Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkts“ ist nach Angaben der Landeskirche vom Kirchenvorstand ausgeschlossen worden. Er sei nicht freiwillig zurückgetreten und habe keine Einsicht gezeigt, sagte Rahn. Für den politischen Weihnachtsmarkt habe es nicht den erforderlichen Beschluss des Kirchenvorstands gegeben. Auf dem Weihnachtsmarkt hatte die Gruppe „Darmstadt4Palestine“ Kennzeichen der verbotenen Terrororganisation Hamas, wie das rote Dreieck, und den Slogan „From the river to the sea“, der die Auslöschung Israels fordert, ausgelegt. Dem Pfarrer der Gemeinde war in der Folge die Ausübung seines Amtes untersagt worden. Die Kirche prüfe, welche andere Aufgabe er künftig übernehmen könne, sagte Rahn.
Wie es in Zukunft mit der Gemeinde weitergeht, bedarf laut Rahn weiterer Klärungen. Auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seien noch nicht abgeschlossen.
Stein (epd). Am 7. März haben Frauen in vielen Ländern den Weltgebetstag gefeierte. In diesem Jahr rückten die Cookinseln im Südpazifik in den Mittelpunkt. Christinnen des Staates haben die Liturgie gestaltet. Brunhilde Raiser vom deutschen Weltgebetstagskomitee betonte: „Die Cookinseln sind ein fernes Tropenparadies mit vielen Facetten.“ Der Name der Inselgruppe, der auf den britischen Seefahrer James Cook zurückgeht, „erinnert bis heute an ihre komplexe koloniale Vergangenheit.“
Das biblische Motto „wunderbar geschaffen!“ soll auf die paradiesische Natur des Inselstaates und deren Gefährdung hinweisen. Die Cookinseln gelten als einer der ersten Staaten, in dem Frauen Ende des 19. Jahrhunderts zur Wahl gingen. Thema der Liturgie seien allerdings auch die Schattenseiten - die Unterdrückung der Maori in der Kolonialzeit oder der heutige Exodus junger Leute, hieß es.
Die Cookinseln sind ein Staat im Südpazifik, zu dem 15 kleine Inseln mit 15.000 Bewohnerinnen und Bewohnern gehören. Der Weltgebetstag wird seit knapp 100 Jahren begangen und am ersten Freitag im März in 150 Ländern gefeiert. Am 7. März sollte ein Gottesdienst zum Weltgebetstag aus der norwegischen Semannskirche am Hamburger Hafen ausgestrahlt werden.
Der Weltgebetstag der Frauen gilt als die größte ökumenische Basisbewegung christlicher Frauen weltweit. Jedes Jahr wird die Liturgie von einem anderen Land vorbereitet, 2024 von palästinensischen Frauen. Vor allem nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 war das Thema Palästina umstritten. Kommendes Jahr wird Nigeria im Zentrum stehen.
In Deutschland nehmen jährlich rund 800.000 Menschen an den Gottesdiensten an diesem Tag teil. Der deutsche Weltgebetstag fördert 100 Projekte in Afrika, Lateinamerika, Europa und dem Nahen Osten, um die Lebenssituation und Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen zu verbessern.
Rom (epd). Die katholische Welt freut sich über verhalten positive Nachrichten aus Rom über den Gesundheitszustand von Papst Franziskus. Wie der Vatikan am Wochenende mitteilte, ist der Zustand des katholischen Kirchenoberhaupts offenbar den sechsten Tag in Folge stabil, der 88-Jährige spreche auf die Behandlung der Lungenentzündung an. Es sei eine allmähliche, leichte Verbesserung festzustellen. Wie an den vergangenen Sonntagen veröffentlichte der Vatikan einen Text des Papstes, den dieser im Krankenhaus geschrieben hat. Wegen seines Klinikaufenthalts konnte der Papst das sonntägliche Angelusgebet wieder nicht persönlich verlesen.
Franziskus bedankte sich erneut bei allen, die in diesen Tagen für ihn beten. Er verbinde sich außerdem geistig mit jenen, die in den kommenden Tagen an den Fasten-Exerzitien der Römischen Kurie teilnehmen, schrieb er. Diese sind eine langjährige Tradition, die den Mitgliedern der vatikanischen Behörden während der Fastenzeit die innere Einkehr ermöglichen soll.
Der Papst habe am 9. März Besuch von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und der Nummer drei im Vatikan, Kardinal Peña Parra gehabt, teilte der Vatikan weiter mit. Franziskus wird seit dem 14. Februar wegen Komplikationen infolge einer Atemwegserkrankung im Gemelli-Krankenhaus in Rom behandelt. Mit einer Prognose halten die Ärzte sich aber weiter zurück. Man warte ab, ob diese ersten Verbesserungen auch in den kommenden Tagen anhielten, hieß es. Franziskus hatte zuletzt am 3. März einen Atemnotanfall erlitten.
Die Sauerstoffaufnahme im Blut habe sich verbessert. Aus Vatikankreisen hieß es, der Papst werde weiterhin tagsüber beim Atmen mit zusätzlichem Sauerstoff über eine Nasensonde unterstützt und nachts mit einer Mund-Nase-Atemmaske.
Das Rosenkranzgebet für den Papst, das seit zwei Wochen abends um 21 Uhr auf dem Petersplatz abgehalten wird, soll von Montag an um 17 Uhr im Anschluss an die Exerzitien in der Audienzhalle des Vatikans stattfinden. Die Gläubigen, die an dem Gebet teilnehmen möchten, können dieses über die großen Bildschirme auf dem Petersplatz oder das Online-Streaming verfolgen.
Franziskus dankte in seinem Text zum Angelus auch den rund 30.000 Ehrenamtlichen, die am 9. März im Rahmen des Jubiläums für den Freiwilligendienst zur heiligen Messe auf den Petersplatz gekommen waren. „In unseren Gesellschaften, die zu sehr der Logik des Marktes verfallen sind, wo alles dem Kriterium des Eigennutzes und des Gewinnstrebens unterworfen zu werden droht, ist die Freiwilligenarbeit eine Prophezeiung und ein Zeichen der Hoffnung“, schrieb Franziskus. „Danke, dass Sie ihre Zeit und ihre Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Danke für die Nähe und Zärtlichkeit, mit der sie sich um andere kümmern und in ihnen Hoffnung wecken!“
2025 begeht die katholische Kirche in Rom das Heilige Jahr. Über das Jahr verteilt gibt es in der italienischen Hauptstadt thematische Jubiläen für die unterschiedlichsten Gruppen der Gesellschaft. Die Wallfahrt der Ehrenamtlichen war das dritte Großevent dieser Art, bei dem Franziskus nicht persönlich dabei sein konnte. Die Messe auf dem Petersplatz wurde stellvertretend von Kardinal Michael Czerny geleitet.
Hamburg (epd). Der Historiker Meron Mendel und die Politologin Saba-Nur Cheema sind am 9. März in Hamburg mit der Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt worden. Mendel und Cheema stehen für das aufrichtige Wort, sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, in ihrer Laudatio im Hamburger Rathaus. Das Ehepaar, das in Frankfurt lebt, schreibt unter anderem gemeinsam die Kolumne „Muslimisch-jüdisches Abendbrot“ in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die zuletzt auch als Buch erschienen ist.
Fehrs lobte den Einsatz des muslimisch-jüdischen Paares für die Würde jedes einzelnen Menschen. „Ihr Freimut und Einsatz für Verständigung trifft den Nerv der Zeit.“ Denn der Mensch sei mehr als Jude, Muslima oder Christ. Umso wichtiger sei es, das menschliche Antlitz auch im Anderen oder sogar im Gegner oder Feind zu erkennen, betonte die Hamburger Bischöfin.
Cheema bedanke sich für die „wirklich große Ehre“, die ihr und ihrem Mann mit der Auszeichnung zuteilwerde. Für sie sei es zudem besonders, als erste muslimische Frau diesen Preis zu erhalten, sagte sie. Mendel zeichnete noch einmal die Hoffnungslosigkeit nach, die er seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 erlebt habe. „Wir haben viele junge Menschen getroffen und da sieht man, dass der Frust inzwischen groß ist.“ In den zwischenmenschlichen Begegnungen sei deutlich geworden, dass zunächst versucht werden müsse, die Wunden zu heilen und einander wieder in die Augen zu schauen. „Ich hoffe, dass wir viele Partner finden, um diese Projekte hier aufzugreifen und mit ihnen voranzubringen.“
Cheema nahm zudem Bezug auf die Kritik, die im Vorfeld der Auszeichnung gegen ihren Mann gerichtet worden war. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hatte Mendel vorgeworfen, Positionen zu vertreten, die in der jüdischen Gemeinschaft nicht mehrheitsfähig seien. „Das ist an sich völlig in Ordnung“, betonte Cheema, die in einer pakistanischen Familie aufwuchs. Sie habe sich die Kritik allerdings in Form eines Dialogs gewünscht. Offene Briefe, Ausladungen und Boykottforderungen stünden diametral gegen eine öffentliche Debatte, die nötig sei, um als Gesellschaft zusammenwachsen. Sie betonte: „Wir stehen für den Streit. Wir stehen genau dafür, dass man miteinander ins Gespräch geht und nicht im Konsens die Gesprächsbasis verlassen muss.“
In der Begründung des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit für die Verleihung heißt es: „Gemeinsam streiten Saba-Nur Cheema und Meron Medel öffentlich für Demokratie und Menschenrechte.“ Cheema habe Methoden und Projekte für die historisch-politische Bildungsarbeit entwickelt, in denen es darum gehe, unterschiedliche Perspektiven auszuhalten und zugleich Rechtsextremismus und Rassismus zu begegnen. Sie berät zudem die Bundesregierung zum Thema Muslimfeindlichkeit.
Mendel ist Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank. Der deutsch-israelische Historiker sei zu einem der wichtigsten Dialogpartner über die schwierige Situation von Israelis und Palästinensern im Nahostkonflikt geworden, so der Koordinierungsrat.
Die Buber-Rosenzweig-Medaille ist nach den jüdischen Philosophen Martin Buber (1878-1965) und Franz Rosenzweig (1886-1929) benannt. Sie wird seit 1968 jährlich an Personen, Institutionen oder Initiativen vergeben, die sich für die Verständigung zwischen Christen und Juden einsetzen. Der Pianist Igor Levit erhielt die Medaille vergangenes Jahr.
Berlin (epd). Die Bundesregierung hat sich von Äußerungen ihres Antisemitismusbeauftragten Felix Klein zu den Ideen von US-Präsident Donald Trump für die Zukunft des Gaza-Streifens distanziert. „Herr Klein hat nicht für die Bundesregierung gesprochen an dieser Stelle, sondern seine persönliche Auffassung geäußert“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, wo Kleins Büro seinen Sitz hat, am 5. März in Berlin. „Die Äußerung stellt die außenpolitische Haltung der Bundesregierung nicht dar“, betonte ein Sprecher des Auswärtigen Amts.
Klein, der Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus ist, hatte Trumps Plan zur Umsiedlung aller Palästinenser aus dem Gaza-Streifen in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ im Gegensatz zur Bundesregierung nicht abgelehnt. Es lohne sich, genauer hinzuschauen, sagte er: „Ich halte es nicht für verkehrt, radikal und einmal völlig neu zu denken.“
Trump habe auch nicht von Vertreibung gesprochen. „Er sprach von einer Umsiedlung, während der Gaza-Streifen neu aufgebaut wird“, sagte Klein und ergänzte: „Während Sie Ihr Haus renovieren, schlafen Sie schließlich auch nicht darin, und die massiven Zerstörungen verlangen im Grunde nach einem umfassenden Aufbau einer komplett neuen Infrastruktur“, sagte der Antisemitismusbeauftragte.
Seine Aussage verteidigte Klein am Mittwoch. „Nach meiner Einschätzung hat der Vorschlag, die Bewohnerinnen und Bewohner des Gazastreifens für die Zeit des Wiederaufbaus temporär umzusiedeln, zumindest dazu beigetragen, eine internationale Debatte und Initiativen in der Region anzustoßen, wie eine gute Lösung in Gaza aussehen könnte“, sagte er auf Nachfrage.
Jegliche Vorschläge müssten „selbstverständlich auf der Grundlage des Völkerrechts erfolgen“, sagte er. „Das Leid in Gaza ist gewaltig und dessen Linderung sehe ich im Zentrum aller Bemühungen“, sagte Klein, der seit 2018 Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung ist.
Dresden (epd). Der Demokratieforscher Hans Vorländer sieht in dem finanzpolitischen Vorstoß von Union und SPD ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die Entscheidung der Sondierungspartner, noch vor der Konstituierung des neuen Bundestags ein umfangreiches Finanzpaket zu verabschieden, sei zwar rechtlich zulässig, aber politisch fragwürdig, sagte der Direktor des Dresdener Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Besonders kritisch sei, dass mit einer derartigen Entscheidung eine Bindungswirkung für die kommende Regierung geschaffen werde, ein Vorgriff auf das Regierungsprogramm für eine Koalition, die noch gar nicht existiere, sagte Vorländer. Der mögliche Bruch der transatlantischen Sicherheitspartnerschaft erzeuge Handlungsdruck. Diese Rechtfertigung gelte aber nicht für alle Aspekte des Pakets: Das Problem der maroden Infrastruktur sei lange bekannt und mache daher eine schnelle Beschlusslage im alten Bundestag nicht zwingend.
Besorgt zeigte sich der Politikwissenschaftler auch über die politische Glaubwürdigkeit der Union: „Wenn CDU und CSU etwas vor der Wahl ausschließen, damit Wahlkampf machen und sich dann innerhalb von einer Woche nach der Wahl nicht mehr daran gebunden fühlen, kann man von Wählertäuschung sprechen“, sagte der Seniorprofessor der TU Dresden. Für die Sozialdemokratie sei der Beschluss hingegen eine Erfolgsprämie, die schon vorab ausgezahlt werde.
Die AfD hat bereits angekündigt, juristisch gegen das geplante Sondervermögen vorzugehen. Für sie sei der Vorstoß ein „gefundenes Fressen“: „Zum einen, weil sie infrage stellt, dass es legitime Gründe gibt, dass der alte Bundestag das noch beschließt. Zum anderen vertritt die AfD eine marktliberale Wirtschaftspolitik“, sagte Vorländer. Sie könne sich nun als letzte Hüterin einer vertrauensvollen Schuldenpolitik inszenieren und die Union vorführen. Angewiesen seien die mutmaßlich zukünftigen Koalitionäre auf die Stimmen der Grünen-Fraktion. „Diese werden sich ihre Stimmen abkaufen lassen. Eine Möglichkeit wäre es, in den Infrastrukturmaßnahmen auch Klimaschutz zu verankern.“
Auch warnte Vorländer vor langfristigen Folgen von Sondervermögen außerhalb des ordentlichen Haushaltsverfahrens. Der Bundestag sei zwar autonom und könne tun und lassen, was er wolle. „Unter verfassungsrechtlichen und demokratiepolitischen Gesichtspunkten werden hier aber in unzulässiger Weise nachfolgende Generationen belastet.“
Berlin (epd). Die umstrittene Parlamentsanfrage der Union zur Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements hat eine Protestwelle ausgelöst. Gleich zwei offene Briefe an Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wandten sich am 4. März gegen die Anfrage. In dem einen werfen Nichtregierungsorganisationen der Union vor, ihr Engagement unter Generalverdacht zu stellen. Eine kritische Bürgerschaft sei „kein Störfaktor“, sondern wesentlicher Bestandteil der Demokratie, heißt es darin. „Mit besorgten Grüßen“ wandten sich zudem 1.767 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an CDU und CSU. Den „konfrontativen Unterton in der Kleinen Anfrage“ deute man als „alarmierendes Signal“, heißt es darin.
Die Unionsfraktion hatte einen Tag nach der Bundestagswahl eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, in der sie sich in insgesamt 551 Fragen nach der Förderung gemeinnütziger Organisationen erkundigt, darunter Medienorganisationen wie Correctiv und das Netzwerk Recherche, Organisationen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren wie die „Omas gegen Rechts“ sowie Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace oder der BUND.
Die Fraktion stellt die Gemeinnützigkeit der Organisationen infrage und begründet dies mit den Protesten gegen die CDU, die Ende Januar eine Abstimmung über eine Verschärfung der Asylpolitik gemeinsam mit den Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD ausgelöst hatte. Die Proteste seien teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt worden, heißt es in der Anfrage. Dies werfe die Frage auf, „inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die zusätzlich noch mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden“.
Die Organisationen weisen den Vorwurf in ihrem offenen Brief zurück. „Gerade in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spannungen sollten demokratische Parteien sich nicht an Versuchen beteiligen, zivilgesellschaftliches Engagement durch öffentliche Zweifel und potenzielle rechtliche Konsequenzen zu delegitimieren“, heißt es in der Erklärung, die Organisationen wie Amnesty International, „Gesicht zeigen!“ sowie Gewerkschaften, Sozialverbände, kirchliche Organisationen und Beratungsstellen unterzeichnet haben.
Auch im auf der Internetseite „Verfassungsblog“ veröffentlichten Brief der Wissenschaftler wird beklagt, dass „ein negatives Licht auf zivilgesellschaftliches politisches Engagement und die gesamte nicht-staatliche Akteurslandschaft im Allgemeinen“ geworfen werde. Die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen diene dem demokratischen Gemeinwohl „und ist gerade in Zeiten erstarkender autoritärer Strömungen von zentraler Bedeutung“, heißt es darin.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler widersprechen zudem der Forderung nach politischer Neutralität der Organisationen: „Die Neutralitätspflicht des Staates bezieht sich auf das Handeln der Exekutive, nicht aber auf die Meinungsäußerungen und die politische Arbeit unabhängiger zivilgesellschaftlicher Akteure“. Die Vorstellung, dass eine Organisation durch öffentliche Förderung zu einem „verlängerten Arm des Staates“ werde und sich deshalb jeglicher politischer Äußerung enthalten müsse, widerspreche dem Verfassungsprinzip der Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft.
Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat vor einem Rückfall in Rollenbilder gewarnt, die Frauen benachteiligen. In den vergangenen Jahrzehnten habe es Fortschritte und Grund zu Optimismus beim Thema Gleichberechtigung gegeben, sagte Steinmeier bei einer Veranstaltung zum Internationalen Frauentag am 7. März in Berlin. Statt der Frage, ob es Gleichstellung überhaupt brauche, hätten sich Politik und Gesellschaft mit der Frage beschäftigt, wie sie gelinge, sagte er und ergänzte: „Ich fürchte, diese Lage ändert sich gerade fundamental.“
Populistische Parteien erweckten den Eindruck, „Gleichstellung sei eine fixe Idee progressiver Kräfte“, beklagte Steinmeier. Große Tech-Unternehmen, die lange stolz auf ihre Modernität gewesen seien, stellten auf das politische Kommando einer neuen amerikanischen Administration hin Diversitätsprogramme ein und schwärmten von einer neuen „maskulinen Energie“ in Unternehmen und Gesellschaft.
Bei der Suche nach Lösungen in einer komplexeren Welt suchten viele Männer, gerade auch jüngere, verstärkt Halt in traditionellen Rollenbildern und wählten häufiger als Frauen Parteien, „die mit Versprechen aus einer angeblich besseren Vergangenheit locken“, sagte Steinmeier. Gleichzeitig sagte er: „Wir erleben, wie auch bei uns die Frauenfeindlichkeit steigt, besonders im Netz.“
Im neuen Bundestag hätten Frauen rechnerisch keine Sperrminorität mehr, beklagte Steinmeier. Der Anteil weiblicher Abgeordneter ist nach der Neuwahl auf unter ein Drittel gefallen (32,4 Prozent). Dabei gehöre Gleichstellung zum Fundament der Demokratie. „Wenn unsere Demokratie ein Frauenproblem hat, dann hat unser Land ein Demokratieproblem“, sagte der Bundespräsident.
Bei der Matinee im Schloss Bellevue in Berlin sagte die Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, Beate von Miquel, wenn Frauen fehlten, fehlten in der Diskussion auch deren Perspektiven. „Verlieren Frauen, verliert Demokratie“, sagte sie. Sie sieht auch in der Corona-Pandemie eine Ursache für den Rückzug von Frauen aus dem öffentlichen Leben. Die Krise habe Frauen zurück ins Private gedrängt. Bei der Bewältigung der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine seien Frauen bereits weitgehend außen vor geblieben.
Heide Pfarr, Ehrenmitglied im Deutschen Juristinnenbund, kritisierte den Umgang mit der Tatsache, dass Frauen für ihre Arbeit noch immer deutlich schlechter bezahlt werden. Die Lohnlücke liege „in Wahrheit“ eher bei 30 Prozent, sagte sie mit dem in dieser Woche vom Statistischen Bundesamt gemeldeten sogenannten bereinigten Gender Pay Gap. Bereinigt werde dabei zum Beispiel, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiteten, was einen schlechteren Stundenlohn aber nicht rechtfertige, sagte Pfarr. Zudem werde bereinigt, dass Frauen häufiger in Branchen arbeiteten, in denen schlechter bezahlt wird, erläuterte sie und ergänzte, es sei eher umgekehrt: „Die Branchen bezahlen schlechter, weil da Frauen arbeiten.“
Die Präsidentin des Landfrauenverbandes, Petra Bentkämper, beklagte, es gebe viel zu wenig Frauen auf der kommunalpolitischen Ebene, was auch an den Strukturen hänge. Zugleich seien Frauen oft ehrenamtlich engagiert, was sie sich aber auch zeitlich und finanziell leisten können müssten. Sie forderte auch mit Blick auf die größere Altersarmut bei Frauen: „Es braucht Rentenpunkte für Ehrenamt.“
Mannheim (epd). Bei einer ökumenischen Andacht haben am 4. März in Mannheim rund 400 Menschen um die Opfer der Amokfahrt getrauert. „Aufgeschreckt sind wir und zugleich versteinert“, sagte die evangelische Pfarrerin Anne Ressel in der Citykirche Konkordien: „Wir sind erschrocken, geschockt, traurig, erschöpft.“ Doch die Menschen müssten das Grauen nicht alleine tragen. Die Kirche sei ein Ort zu Klage und Bitte, Stille und Trost: „Das finden wir bei unserem Gott.“
„Wir stehen vor Gott mit unserer Verunsicherung und Sorge“, sagte die badische evangelische Landesbischöfin Heike Springhart. „Wir suchen nach Halt und bitten dich Gott um Zuflucht im Schatten deiner Flügel. Erbarme dich unser.“ In Anlehnung an den biblischen Psalmtext lautete der Titel der Andacht „Unter dem Schatten deiner Flügel suchen wir Zuflucht.“ An der Andacht nahm auch der katholische Freiburger Erzbischof Stephan Burger teil.
Am 3. März war ein Mann mit einem Wagen durch die Mannheimer Fußgängerzone gerast und hatte Passanten erfasst. Eine 83-jährige Frau und ein 54-jähriger Mann kamen ums Leben, elf weiteren wurden verletzt, darunter vier Personen schwer. Der mutmaßliche Täter wurde gefasst. Gegen den 40-jährigen Deutschen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes.
Zu der Andacht, bei der Kerzen entzündet wurden, kamen auch zahlreiche Rettungskräfte und Mitarbeitende der Notfallseelsorge. Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) dankte der Polizei, den Rettungskräften, Ärzten und Pflegenden. Die Stadt sei das zweite Mal von einer „unmenschlichen Tat“ erschüttert worden, sagte Specht mit Blick auf den tödlichen Messerangriff gegen einen Polizisten im Mai vergangenen Jahres. Es gehe nun darum, dass sich die Menschen gegenseitig stärkten: „Unsere Stadt ist eine solidarische Gesellschaft.“
Loccum (epd). Der Politologe Thomas Müller-Färber sieht in der christlichen Friedensbewegung eine zunehmende Bereitschaft, eine Aufrüstung als notwendig anzuerkennen. „Die starke Friedensbotschaft des Evangeliums ist nach wie vor richtig“, sagte der Studienleiter der Evangelischen Akademie Loccum dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Vorrang für das Zivile sei aber manchmal nicht möglich, „wenn man einem sehr aggressiven Akteur gegenübersteht“.
Diese Diskursverschiebung in der Friedensbewegung komme relativ spät, sagte Müller-Färber. Russland sei zur extremen Gewalt entschlossen: „Das konnte man schon ab den 1990er Jahren in Tschetschenien mit dem Niederschießen ganzer Ortschaften sehen, später in Georgien und Syrien und heute in der Ukraine.“ Eine nachgiebige Haltung gegenüber Russland habe den Krieg in der Ukraine erst ermöglicht. „Da haben wir zu wenig auf die Osteuropäer und die Skandinavier gehört, die diese Entwicklung schon lange gesehen haben.“
Müller-Färber vermutete eine der Ursachen für dieses „verzögerte Wahrnehmen“ aufseiten der Friedensbewegung in biografischen Gründen. „Die Prime Time der Friedensbewegung waren die 1980er und 1990er Jahre“, erklärte er. Viele der heutigen Akteure seien schon während der großen Demonstrationen während des Kalten Kriegs aktiv gewesen. Damals allerdings hätten andere Rahmenbedingungen gegolten.
So sei die alte Sowjetunion lange nicht so aggressiv aufgetreten wie Russland heute. Zudem habe die alte Bundesrepublik als „Frontstaat, der unbedingt gesichert werden musste“ eine viel stärkere Rückabsicherung durch die USA gehabt. „Das hat erlaubt, die eigene Verantwortung für den Selbstschutz wegzudrücken“, erklärte der Politologe. Hinzu seien Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg gekommen: eine Verbindung von Militär und Täterschaft sowie die Erwartung, dass alles vernichtet werde, wenn es zum Krieg komme. „Auch deswegen haben russische Nukleardrohungen in Deutschland bis heute so einen großen Resonanzraum“, analysierte Müller-Färber.
Zudem sei der Blick zurück oft verklärend, mutmaßte der Studienleiter. Während des Kalten Kriegs sei die Friedensbewegung gar nicht so einflussreich gewesen. Trotz der Demonstrationen gegen die Nato-Nachrüstung sei diese Nachrüstung gekommen. „Die Friedensarbeit wurde erst dann wirkungsvoll, als es zur Annäherung von Ost und West kam“, sagte er. Die große Zeit der Rüstungskontrolle, der Zunahme von Demokratie und der zivilen Konfliktbearbeitung seien dann die 1990er Jahre gewesen.
Die Friedensarbeit in den Kirchen sei aber trotzdem nach wie vor wichtig, betonte Müller-Färber: „Es kann ja eine Zeit kommen, in der das Militärische nicht mehr zielführend ist.“ Um diesen Zeitpunkt zu erkennen, müsse man über die militärische Logik beständig nachdenken. Als Orte für diese Nachdenklichkeit funktionierten die Kirchen sehr gut.
Frankfurt a.M., Stockholm (epd). Die Ukraine ist laut Daten des Friedensforschungsinstituts Sipri zum weltweit größten Importeur von Waffen geworden. Zwischen 2020 und 2024 gingen 8,8 Prozent der weltweiten Waffenlieferungen in die Ukraine - überwiegend als Militärhilfe in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg, den seit Februar 2022 geführt wird, wie aus dem am 10. März veröffentlichten Sipri-Bericht zum globalen Waffenhandel hervorgeht.
Im vergangenen Jahr lag die Ukraine noch auf Platz vier der Liste. Zu den größten Empfängern von Waffenlieferungen zählen des Weiteren Indien, Katar, Saudi-Arabien und Pakistan.
Für die Ukraine waren die USA zuletzt der mit Abstand wichtigste Waffenlieferant. So lag der Anteil der Vereinigten Staaten an den Einfuhren des von Russland angegriffenen Landes laut Sipri im Berichtszeitraum bei 45 Prozent, gefolgt von Deutschland (12 Prozent) und Polen (11 Prozent). Mindestens 35 Staaten hätten nach der russischen Invasion Waffen in die Ukraine geliefert, heißt es in der Analyse.
Der Bericht des international renommierten Instituts erscheint jährlich und bezieht sich jeweils auf die vergangenen fünf Jahre. Aus den aktuellen Daten geht auch hervor, dass die Waffenimporte der europäischen Staaten 2020 bis 2024 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2015 bis 2019 um 155 Prozent gestiegen sind. Hintergrund sei der Ukraine-Krieg und die Ungewissheit über die zukünftige US-Außenpolitik, hieß es.
Die neuen Zahlen spiegelten eindeutig die Aufrüstung wider, „die in den europäischen Staaten als Reaktion auf die Bedrohung durch Russland stattfindet“, sagte Mathew George, Programmdirektor des Sipri-Programms für Waffentransfers. Allerdings heben die Fachleute in dem Bericht zugleich hervor, dass das Volumen des weltweiten Waffenhandels insgesamt konstant geblieben sei, weil andere Regionen sehr viel weniger importiert hätten.
Der weltweit größte Lieferant von Waffen insgesamt bleiben die USA. 43 Prozent - also fast die Hälfte - der globalen Exporte kamen von 2020 bis 2024 laut Sipri aus den Vereinigten Staaten. An zweiter Stelle steht Frankreich mit einem Anteil von 9,6 Prozent. Russlands Waffenlieferungen haben den Daten zufolge im Vergleich zum Zeitraum 2015 bis 2019 um 64 Prozent abgenommen. Dennoch steht das Land mit einem Anteil von 7,8 Prozent am globalen Waffenhandel auf Platz drei der größten Exporteure. Russische Waffen gingen vor allem an Indien, China und Kasachstan.
Die Sipri-Fachleute machen auch die große Bedeutung von US-Waffenlieferungen für die europäischen Nato-Staaten deutlich. 64 Prozent der Waffenimporte an die europäischen Mitglieder des Verteidigungsbündnisses kamen demnach im Berichtszeitraum aus den USA. In den Jahren 2015 bis 2019 habe der Anteil noch bei 52 Prozent gelegen. Zwar hätten die europäischen Nato-Mitglieder unter anderem angesichts der Erfahrungen während der ersten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump Schritte unternommen, um die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren, sagte Sipri-Forscher Pieter Wezeman. Aber die transatlantischen Waffenlieferungen seien „tief verwurzelt“.
Deutschland belegt in der Sipri-Liste der größten Waffenexporteure mit einem Anteil von 5,6 Prozent Platz fünf, knapp hinter China (5,9 Prozent). Italien ist in der Liste von Platz zehn auf Platz sechs vorgerückt. Die italienischen Exporte gehen größtenteils nach Katar, Ägypten und Kuwait.
Das Friedensforschungsinstitut Sipri veröffentlicht regelmäßig Berichte zum Waffenhandel, den Geschäften von Rüstungsunternehmen sowie Analysen zu regionalen Konflikten. Sitz ist in Stockholm.
Büdesheim/Heidelberg (epd). Ja, ok, bei Kohlrabi schreien die Kinder nicht vor Begeisterung. Eher vor Entsetzen. Bei der Recherche zu diesem Text hat eine Vierjährige nach eigener Aussagen den Geruch „fast nicht überlebt.“ Aber wer eine robuste Nase hat und sich für gesunde Ernährung interessiert, der sollte diesen Vertreter des „Gemüse des Jahres 2025/26“ auf seinen Speiseplan setzen.
Der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) mit Sitz in Büdesheim (Rheinland-Pfalz) hat den Blattkohl zum „Gemüse des Jahres 2025/26“ gekürt. Unter diesen Begriff fallen alle Kohlsorten, die am Ende ihres unverzweigten Sprosses einen ausgebreiteten Blattschopf tragen.
Die bekanntesten Blattkohl-Vertreter sind Kohlrabi und der vor allem in Norddeutschland beliebte Grünkohl. Gerade wieder etwas beliebter wird der aus Italien stammende Palmkohl. Unbekannter sind Markkohl und verschiedene Arten von Zierkohl. Wegen seiner vielen Vitamine und Mineralstoffe gilt Blattkohl laut VEN als sehr gesund.
„Von Kohl kann man nicht zu viel essen“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Verena Katzke vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg dazu. Sie spricht lieber von Kohl, da in Krebsstudien mit Menschen der Blattkohl nicht explizit untersucht wird. Deutlich sei aber, dass das Wintergemüse vor „vorzeitigem Versterben“ schützen kann, wie es wissenschaftlich ausgedrückt wird. So reduziert das häufige Essen von Kohl wahrscheinlich das Risiko, an Lungen-, Darm- oder Brustkrebs zu erkranken. Gerade bei Brustkrebs gebe es interessante Forschungsergebnisse. „Der Konsum von Kohl scheint das Risiko eines Wiederauftretens von Brustkrebs deutlich zu verringern“, sagt Katzke.
Sie empfiehlt daher einen Blick in Omas Rezepte. Früher spielte das Wintergemüse eine viel größere Rolle, dem könne man nacheifern. „Ideal ist es, im Winter jeden Tag eine andere Kohlart zu essen“, sagt Katzke. Dann ernährt man sich automatisch regional, saisonal und gesund.
Der Verzehr von Kohl ist laut VEN schon für die Jungsteinzeit nachgewiesen worden. „Im Mittelalter war er ein wichtiges Grundnahrungsmittel und wurde in zahlreichen Regionen Europas angebaut“, heißt es weiter.
Katzke sagt, man könne Kohl als Gemüsebeilage, Salat, Smoothie oder Chips essen. „Durch den Trend zur vegetarischen und veganen Ernährung gibt es inzwischen viele tolle Rezepte auf Instagram“, berichtet die Ernährungswissenschaftlerin.
Seit 1999 lobt der VEN ein „Gemüse des Jahres“ aus. Mit dieser Auszeichnung will er zur Erhaltung der zahlreichen Sorten aufrufen, heißt es auf der Homepage.
Frankfurt a. M. (epd). Einige Begegnungen gehen der Darmstädter Klinikpfarrerin Constanze Thierfelder nicht aus dem Kopf. Während der Coronavirus-Pandemie ging sie regelmäßig zu sterbenden Menschen auf die Intensivstation - auch im Auftrag von Angehörigen, die nicht Abschied nehmen konnten, teils selbst in Quarantäne waren. Einmal, erzählt Thierfelder, habe sie einer sterbenden Frau Weihnachtslieder vorgesungen, rund um sich herum eine gespenstische Atmosphäre: Auf der Station waren lauter Zwischenwände zur Abtrennung eingezogen worden, die Pfarrerin trug Schutzausrüstung. „Es war wie in einem Raumschiff“, erinnert sie sich.
Vor fünf Jahren, am 9. März 2020, meldeten die Medien die ersten zwei Corona-Todesfälle in Deutschland: ein 78-jähriger Mann und eine 89-jährige Frau. Behörden nahezu in der ganzen Welt griffen damals angesichts der rasanten Ausbreitung der Covid-19-Pandemie zu drastischen Maßnahmen. Besonders groß war die Angst vor einer Ausbreitung der Krankheit in Kliniken und Altenheimen, denn ältere und kranke Menschen waren besonders gefährdet. Monatelange Zutritts- und Besuchsverbote, um die vulnerable Gruppe zu schützen, waren die Folge. In den Pflegeeinrichtungen wurden zusätzlich auch Ausgangsbeschränkungen für die Bewohner angeordnet.
Medizinsoziologen der Berliner Charité kamen in einer Studie zu dem Schluss, dass die Isolation während der Pandemie bei Heimbewohnern teils gravierende Folgen hatte. Die Mehrzahl befragter Einrichtungen berichtete von einer Zunahme von Verwirrtheit, Essensverweigerung und Aggressionen. Menschen seien nicht nur einsam gestorben, sondern in einigen Fällen auch „an Einsamkeit“.
„Es war eine ethisch und moralisch extrem problematische Situation“, sagt der Altersforscher Andreas Kruse, der während der Pandemiejahre Mitglied der Deutschen Ethikkommission war, im Rückblick. In Deutschland seien in so gut wie allen Altenpflege-Einrichtungen Bewohner vereinsamt. Da es immer wieder Ausbrüche mit Dutzenden von Toten gab, habe das Leitungspersonal aber andererseits auch alles tun müssen, um die Menschen zu schützen und den Zusammenbruch des Personals zu verhindern.
Die wichtigste Lehre aus dem Geschehen ist für den Altersforscher: „Stationäre Einrichtungen müssen sich unbedingt ein hervorragendes, immer wieder zu überprüfendes Hygienekonzept geben.“ Daran habe es bei Ausbruch der Coronavirus-Pandemie gemangelt, sagt Kruse, der auch dem Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) angehört.
Der Staatsrechtler Friedhelm Hufen äußerte bereits Ende 2020 in einer von dem Senioren-Dachverband in Auftrag gegebenen Studie Zweifel daran, dass die Abschottung Älterer und insbesondere Sterbender verfassungsrechtlich zulässig sei: „Die absolute Trennung Sterbender von ihren Ehepartnern, Kindern und Eltern und ein dadurch erzwungenes 'einsames Sterben' sind mit der Menschenwürde nicht vereinbar.“ Unmittelbar vor dem Tod müssten die „Wahrung der Würde und menschliche Zuneigung“ den Vorrang vor Maßnahmen zur reinen Lebenserhaltung haben.
Doch nicht nur Sterbenden fehlte der Beistand wie in normalen Zeiten, sondern auch den Trauernden: Öffentliche Trauerhallen waren geschlossen, die Anzahl zulässiger Teilnehmer bei Beerdigungen war strikt reglementiert. „Natürlich gehört zu unserem Handwerk auch ganz viel Empathie“, sagt Christian Jäger vom Bestatterverband für Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. „Trauernden die Hand geben, ihnen ein Taschentuch reichen - alles war ein Ansteckungsrisiko.“
Die Probleme seien von der Politik nicht gesehen worden, klagt der Verbandsgeschäftsführer: „Wir waren keine systemrelevante Berufsgruppe und fühlten uns alleingelassen.“ Bestattungsunternehmen hätten zeitweise große Probleme gehabt, Schutzhandschuhe oder Masken zu beschaffen, Mitarbeitende durften nicht die Notbetreuung der Kitas in Anspruch nehmen. Die Wochenenden hätten Bestatter oft damit verbracht, die neuesten Corona-Verordnungen zu studieren und danach Trauerfeiern für den Wochenbeginn eiligst umzuplanen.
„Die Pandemie war ohnehin schon ein großer Stressfaktor, die üblichen mentalen Ressourcen waren da bei vielen nicht verfügbar“, sagt die Psychologin Isabella Helmreich vom Mainzer Leibniz-Institut für Resilienzforschung mit Blick auf die Trauernden. Es könne passieren, dass Menschen in ihrem Trauerprozess steckenblieben, wenn die Möglichkeit gefehlt habe, Abschied zu nehmen. „Gegen Selbstvorwürfe sollte man alle Fakten zusammentragen - etwa damals bestehende Verbote oder die Sorge, andere Angehörige anzustecken“, rät sie: „Das kann auch entlastend sein.“
Familienmitglieder sterbender Covid-Patienten, die nicht ins Klinikum kommen konnten oder durften, hätten oft gefragt, ob die Angehörigen Schmerzen gehabt hätten. Wenn sie dies verneinen konnte, sei zumindest das vielen ein Trost gewesen, berichtet Klinikpfarrerin Thierfelder. Im Rückblick bricht sie eine Lanze für das Krankenhauspersonal, das sich bis zum Äußersten seiner Kräfte dafür eingesetzt habe, Sterbenskranken trotz aller Widrigkeiten ein würdevolles Lebensende zu ermöglichen.
Inzwischen sei der Alltag wieder zurückgekehrt. „Im Krankenhaus ist Covid kein großes Thema mehr“, sagt sie. „Trotzdem habe ich das Gefühl, es hängt allen noch nach.“
Berlin (epd). In vielen Einrichtungen der Caritas wirken die Anstrengungen der Corona-Pandemie einer Umfrage zufolge bis heute nach. In einer Befragung von Führungskräften gaben 82 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, dass sie eine andauernde Erschöpfung des Personals beobachten, wie der Deutsche Caritasverband am 5. März mitteilte. In der Altenhilfe lag die Quote demnach sogar bei 87 Prozent.
In der Erhebung war gefragt worden, welche Nachwirkungen der Corona-Pandemie die Führungskräfte als heute noch spürbar einstufen. Demnach sind 73 Prozent weiterhin damit befasst, Angebote wieder aufzubauen, die während der Corona-Pandemie stark zurückgefahren wurden. 64 Prozent gaben an, noch finanzielle Folgen der Pandemie-Zeit zu spüren. Allerdings wurden nicht nur negative Folgen genannt: So gaben 87 Prozent der Befragten an, es gebe jetzt mehr Sensibilität für Präventionsmaßnahmen für zukünftige Ereignisse.
An der Umfrage nahmen den Angaben zufolge im Januar 685 Mitarbeitende der oberen und mittleren Führungsebene aus Caritas-Einrichtungen in ganz Deutschland teil.
Berlin (epd). Furcht vor dem Versagen als Elternteil, Angst um die Sicherheit der Kinder, schwierige Gespräche in der Familie: Menschen mit Missbrauchserfahrung sehen sich beim Thema Elternschaft besonderen Herausforderungen gegenüber, wie eine am 4. März in Berlin vorgestellte Studie zeigt. Sie weist auch auf große Lücken bei der Unterstützung der Betroffenen hin.
Für die Studie wurden 619 Menschen, die im Kindesalter sexuelle Gewalt erfahren haben, mithilfe von Online-Fragebögen befragt. Knapp drei Viertel von ihnen waren zum Erhebungszeitpunkt Eltern. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden noch eingehender befragt. An der Konzeption der Studie, die von der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs gefördert wurde, war auch eine Forschungsgruppe aus sechs Betroffenen beteiligt.
Die Untersuchung schließe eine „Forschungslücke“, sagte Studienleiterin Barbara Kavemann. Es habe sich gezeigt, dass die persönliche Erfahrung von sexualisierter Gewalt zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Elternschaft Thema werden könne. Dies beginne schon bei der Entscheidung für oder gegen eigene Kinder. Ein großes Thema für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sei auch die Frage, wie sie ihre Kinder vor sexueller Gewalt schützen könnten.
Die zweifache Mutter Ava Anna Johannson aus der Forschungsgruppe berichtete, dass sie ihre Geburten als „zutiefst retraumatisierend“ empfunden habe. Sie wünsche sich, dass Hebammen und weiteres medizinisches Personal in der Geburtshilfe besser für Missbrauchserfahrungen sensibilisiert wären.
Schwierig sei es auch gewesen, mit ihren Kindern über das, was ihr widerfahren war, zu sprechen, sagte Johannson. Sie habe sich schrittweise vorgearbeitet. „Letztlich hat es den Kontakt zwischen mir und meinen Kindern enger gemacht“, berichtete Johannson. Die Kinder hätten später leichter über eigene problematische Erfahrungen sprechen können.
Claas Löppmann aus der Forschungsgruppe sagte ebenfalls, dass die eigenen schwierigen Kindheitserfahrungen sich auch positiv nutzen ließen: So sei die „Perfidität der Täter“ für Nichtbetroffene kaum vorstellbar, für Menschen mit Missbrauchserfahrung aber schon. Auch seien sie oft empfänglicher für Signale von Kindern, die Bedrohliches erleben.
Löppmann hob die grundsätzliche Bedeutung von Kommunikation hervor. „Das Allerwichtigste, was wir tun können, ist, darüber zu sprechen“, sagte er - das gelte beim Kontakt mit Fachpersonal wie Hebammen, Kita-Erzieherinnen oder Lehrkräften ebenso wie im persönlichen Umfeld. Fachkräften müsse Mut gemacht werden, das Thema anzusprechen.
Bei der Unterstützung betroffener Eltern gebe es „mächtige Defizite“, beklagte auch Studienleiterin Kavemann. „Es braucht gut zugängliche Beratung, die die Folgen der Gewalt und die möglichen Belastungen kennt und die Betroffenen in ihrer Elternrolle stärkt und unterstützt“, sagte sie.
Ihr gehe es vor allem darum, die Fachkenntnis „im Regelsystem“ auszubauen, also in den Beratungsstellen, „die für alle und in jeder Kommune verfügbar und zugänglich sind“, unterstrich die Soziologin. „Hier sehen wir, dass kein Fachwissen zu diesem Thema vorhanden ist, und das muss hineingetragen werden.“ Entsprechende Fortbildungen sollten unter Einbeziehung betroffener Eltern entwickelt werden, sagte Kavemann.
Berlin (epd). Nach der Verständigung von Union und SPD auf ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen und Änderungen an der Schuldenbremse mahnt Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch, das Soziale nicht aus dem Blick zu verlieren. „Innere, äußere und soziale Sicherheit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, erklärte Schuch am 5. März in Berlin. Ein leistungsfähiger Sozialstaat sei Voraussetzung dafür, „dass alle Menschen gut durch die vielen Umbrüchen und Krisen kommen und das Vertrauen in die Politik nicht verlieren“.
Union und SPD hatten am Vortag verabredet, Verteidigungsausgaben, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, von der Schuldenbremse auszunehmen. Zudem beabsichtigen sie, ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturausgaben in den nächsten zehn Jahren aufzulegen. Dafür sind Grundgesetzänderungen nötig, über die bereits kommende Woche der Bundestag beraten soll.
Schuch begrüßte die Pläne. Sie trügen „der veränderten Sicherheitslage Rechnung und stärken die schwächelnde Wirtschaft“. Bei den Investitionen in die Infrastruktur „muss die soziale Infrastruktur konsequent mitgedacht werden“, forderte der Diakonie-Präsident zugleich.
Auch die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, erklärte, das geplante Sondervermögen „muss unbedingt auch Themen wie Barrierefreiheit und altersgerechtes Wohnen abdecken“. Bentele appellierte an Union und SPD: „Vergesst den Sozialstaat nicht!“
Nach der Bundestagswahl am 23. Februar führen CDU, CSU und SPD derzeit Sondierungsgespräche über die mögliche Bildung einer Koalition. Die am Dienstag vereinbarten Punkte sollen allerdings noch in der alten Zusammensetzung des Bundestags abgestimmt werden. Die konstituierende Sitzung des neuen Bundestags findet erst Ende März statt.
Für die Grundgesetzänderungen sind Zweidrittelmehrheiten im Bundestag und im Bundesrat nötig. Auch im alten Bundestag kommen Union und SPD dafür nicht auf genügend Stimmen. Sie dürften deshalb auf die Unterstützung der Grünen setzen.
Berlin (epd). Die Finanzierung des Bundesfreiwilligendienstes ist bis ins kommende Jahr hinein gesichert. Das Bundesfinanzministerium erlaubt dem Bundesfamilienministerium, den Trägern für das kommende Jahr bis zu 100 Millionen Euro verbindlich zuzusagen, wie aus einer am 3. März veröffentlichten Mitteilung an den Bundestag hervorgeht. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) begrüßten den Schritt, wie sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin mitteilten.
Hintergrund der Hängepartie war die Tatsache, dass es nach dem Zerbrechen der Ampel-Koalition bislang keinen Bundeshaushalt für 2025 gibt. Der Etat würde normalerweise auch verbindliche finanzielle Zusagen - sogenannte Verpflichtungsermächtigungen - für das folgende Jahr enthalten. Aktuell müssen solche Ermächtigungen einzeln vom Finanzministerium freigegeben werden.
Das Familienministerium hatte nach eigenen Angaben die Freigabe von 100 Millionen Euro zur Finanzierung des Bundesfreiwilligendienstes im Jahr 2026 bereits vor mehreren Wochen beantragt. Nach der Bewilligung durch das Finanzministerium kann das Geld nun fest eingeplant werden. Die Verträge für Einsätze im Bundesfreiwilligendienst (BFD) starten meist im Sommer und laufen in der Regel zwölf Monate, also bis ins Folgejahr hinein.
Der Leiter Jugend und Wohlfahrtspflege beim DRK, Joß Steinke, sagte dem epd, die Verzögerungen hätten „zu Problemen geführt, aber es wird nun zumindest weiterer Schaden vermieden“. Steinke forderte zugleich, die Freiwilligendienste insgesamt besser auszustatten. Sie müssten „attraktiver und das Angebot auch besser beworben werden, um das Engagement und damit letztlich den Zusammenhalt in der Bevölkerung zu stärken“.
Eine AWO-Sprecherin sagte dem epd, die Freigabe des Finanzministeriums bringe „die erforderliche Planungssicherheit, um BFD-Plätze im nächsten Freiwilligenjahrgang zu besetzen“. Die Nachfrage nach Plätzen liege bereits jetzt über der vom Vorjahr. Zugleich forderte die Sprecherin „längerfristige Planungssicherheit“: Unsicherheiten und kurzfristige Finanzierungszusagen seien für die Träger „zermürbend“ und führten „leider auch immer wieder zu Absagen an Interessierte“.
AWO, DRK und weitere Träger hatten im Februar gewarnt, dass sie wegen der finanziellen Unsicherheit in Bezug auf 2026 deutlich weniger Freiwilligenplätze besetzen oder zusagen könnten. Diese Problematik wird auch in dem Schreiben des Finanzministeriums aufgegriffen. Es müsse davon ausgegangen werden, „dass zahlreiche BFD-Plätze nicht ausgeschrieben werden“, wenn nicht „unverzüglich“ gehandelt werde, heißt es in dem Schreiben vom 25. Februar.
Frankfurt a.M. (epd). Nofretete ist weiß. Nur eine Sonnenbrille mit silbernem Rahmen und dunklen Gläsern gibt dem Gipsabguss etwas Farbe. Direkt daneben zeigt die weltberühmte ägyptische Königin aus dem 14. Jahrhundert vor Christus ein gebräuntes Gesicht, rote Lippen und einen Kopfschmuck in Blau, Gelb und Rot. Zu sehen sind die Skulpturen von Isa Genzken im Liebieghaus in Frankfurt am Main zwischen Kunstwerken aus dem alten Ägypten.
Die Ausstellung „Isa Genzken meets Liebieghaus“ präsentiert 18 Werke der zeitgenössischen Künstlerin, die in einen Dialog treten mit der 5.000 Jahre umfassenden Frankfurter Sammlung, wie Philipp Demandt, Direktor der Liebieghaus Skulpturensammlung, sagt. Die Schau ist bis 31. August zu sehen.
Die Ausstellung mit Genzkens Annäherung an Nofretete zu eröffnen, „war ein selbstverständlicher Reflex“, sagt Vinzenz Brinkmann, Kurator und Leiter der Antikensammlung des Liebieghauses. Genzken greife hier die Frage nach der Farbigkeit von Figuren auf, für deren Erforschung das Liebieghaus international bekannt sei. Eine Skulptur ohne Farbfassung galt im alten Ägypten und im alten Europa als unfertig und unansehnlich. Genzkens Arbeiten stellten gesellschaftliche Ideale infrage, auch diejenigen von der Vorstellung einer marmorweißen antiken Skulptur.
Die Werke von Genzken, „einer der weltweit bedeutendsten Künstlerinnen“, machten im Liebieghaus die Entwicklungsgeschichte der Bildhauerei bis heute eindrücklich erfahrbar, erklärt Demandt. Die Skulpturen, Collagen und Bilder der 1948 in Bad Oldesloe geborenen Künstlerin begegnen den antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Werken der Sammlung und knüpfen eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ihre Arbeiten sind international ausgestellt, „aber nie so sinn- und beziehungsreich wie in Frankfurt“, betont Demandt.
Genzken nutzt für ihre Werke vielfältige Materialien. Unter einem kaputten rot-grünen Sonnenschirm etwa steht ein Stuhl, auf dem sie eine babygroße Puppe auf einer rosafarbenen Decke drapiert hat. Die Puppe trägt eine übergroße Brille zur mit Herzchen und Pailletten verzierten Babykleidung. In der Schau steht die Skulptur inmitten mittelalterlicher Christuskinder.
Ein „Weltempfänger“ aus Beton mit einer langen Antenne, in der Form an ein frühes Mobiltelefon erinnernd, steht im Renaissancesaal der Skulpturensammlung. Er scheint mit anderen „Weltempfängern“ Genzkens zu kommunizieren, die sie in einer Werkreihe geschaffen hat. Im Liebieghaus steht er neben einer Figur von Johannes dem Täufer.
Porträts aus dem 15. bis 19. Jahrhundert verwiesen zunächst auf die gesellschaftliche Bedeutung der Dargestellten, sei es ihre moralische oder religiöse Haltung oder ihr Äußeres. In der Aufklärung rückten persönliche Verdienste oder Leistungen in den Vordergrund. Zwischen solchen Büsten stehen zwei Schaufensterpuppen von Genzken. Die weibliche Puppe hat zu Füßen eine Papiertasche der hochpreisigen Marke Chanel. Werbeartikel auf dem Kopf und eine um den Hals geschlungene Markenhose kontrastieren die Nacktheit der Puppe. Die breitschultrige Version gegenüber trägt goldene Hautfarbe und Kleid.
Eine Version des Xantener Knaben, dessen Original wie die weltberühmte Büste der Nofretete im Neuen Museum in Berlin steht, hat Genzken zu einem Gegenüber für die Betrachter gemacht. Durch den Verzicht auf einen Sockel bringt sie ihn auf Augenhöhe und setzt ihm Kopfhörer auf, die mit einem CD-Player verbunden sind.
Vieles in der Ausstellung, die sich durch alle Räume zieht, wirkt spielerisch und mit leichter Hand arrangiert. Der Eindruck trügt, sagt Direktor Demandt. Die Ausstellungsmacher hätten tonnenschwere Werke bewegt, um die Begegnung zwischen Vergangenheit und Moderne zu ermöglichen.
Berlin (epd). Im Berliner Pergamonmuseum ist am 6. März der offizielle Startschuss für die Grundsanierung im Südteil des Gebäudekomplexes gegeben worden. Die Fertigstellung ist bis 2036 geplant. Geplant ist unter anderem auch ein vierter Gebäudeflügel entlang des Kupfergrabens als Verbindungsbau zwischen Nord- und Südflügel. Am Wochenende war noch einmal Gelegenheit, die weitgehend leeren Räume zu besichtigen.
Die Gesamtkosten für diesen sogenannten Bauabschnitt B liegen laut Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung bei rund 722,4 Millionen Euro. Weitere rund 295 Millionen Euro sind für Risiken und Baupreissteigerungen eingeplant. 2037 soll das Pergamonmuseum dann wieder vollständig für Besucher zugänglich sein. Die Baukosten trägt komplett der Bund.
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, verwies darauf, dass der noch im Umbau befindliche Nordflügel und der Mittelteil des Pergamonmuseums bereits ab Frühjahr 2027 wieder offen sein werden. Dann sollen Highlights der Antikensammlung und des Museums für Islamische Kunst präsentiert werden. Zu sehen ist dann auch wieder der weltberühmte Pergamonaltar.
Das Pergamonmuseum auf der Berliner Museumsinsel wird seit Januar 2013 instandgesetzt. Das zwischen 1910 und 1930 errichtete Gebäude war im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, aber bislang nie grundlegend saniert worden.
Vor Baubeginn im Südteil des Museumskomplexes wurden in den vergangenen Monaten rund 2.500, teils tonnenschwere Ausstellungsstücke des Vorderasiatischen Museums, des Museums für Islamische Kunst und der Antikensammlung ausgelagert. Hinzu kamen rund 90.000 Objekte, die bislang in Depots im Haus lagerten. Die monumentalen Architekturexponate wie die Prozessionsstraße, das Ischtar-Tor und das Markttor von Milet verbleiben während der Bauausführung gesichert im Haus.
Das Pergamonmuseum ist Teil des Unesco-Weltkulturerbes Berliner Museumsinsel. Das Bauvorhaben in dem Museum teilt sich in zwei Bauabschnitte. Bauabschnitt A umfasst den Nordflügel und den nördlichen Mittelteil des Hauses. Dieser soll rund 489 Millionen Euro kosten.
Die Präsidentin des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung, Petra Wesseler, sprach von einem „hochkomplexen Großprojekt“. Wesentliche Arbeiten beträfen die Wiederherstellung der Standsicherheit der Gebäude, die Abdichtung der Außenwände, Fenster und Glasdächer sowie die Erneuerung der Gebäudetechnik. Außerdem soll das Museum künftig barrierefrei sein. Auf dem Dach des Südflügels und des neuen Gebäudeflügels sollen Photovoltaik-Module zur Stromerzeugung installiert werden.
Weiter sind Verbindungsbauten vom Pergamonmuseum zum Bode-Museum und zum Neuen Museum sowie der James-Simon-Galerie vorgesehen. Sie gehören zu der sogenannten Archäologischen Promenade, die alle Museen verbinden soll. Zudem sollen die Außenanlagen zur Spreeseite künftig für Besucher weitgehend zugänglich gemacht werden. Die Baumaßnahmen gehen auf einen Entwurf des 2007 gestorbenen Architekten O.M. Ungers zurück. Die Ausführung liegt in den Händen des Büros Kleihues und Kleihues.
Dresden (epd). Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) haben einen neuen Chef: Der Kunsthistoriker Bernd Ebert wird den Museumsverbund vom 1. Mai an als Generaldirektor leiten. Der 53-jährige gebürtige Berliner unterschrieb am 4. März in Dresden einen Vertrag, der bis zum 30. Juni 2033 gelten soll.
Derzeit ist Ebert Sammlungsleiter für holländische und deutsche Barockmalerei an der Alten Pinakothek in München. In Dresden folgt er auf die 60-jährige Marion Ackermann, die zum 1. Juni nach Berlin wechselt und Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) wird.
Ebert kündigte an, dass einer seiner Schwerpunkte die sammlungsbezogene Forschung sein werde. Gemeinsam mit dem SKD-Team wolle er zudem eine zeitgemäße Vermittlung fördern und Exponate in neue Zusammenhänge stellen, sagte der promovierte Kunsthistoriker. Zudem strebe er einen Fachaustausch mit den Herkunftsländern der Objekte an, darunter auch mit China.
Ein Anliegen sei ihm zudem, das Serviceangebot für ein breites Publikum zu erweitern und die Besuchsqualität in den Einrichtungen der SKD zu erhöhen, um das Gesamterlebnis noch attraktiver zu gestalten. Aufgabe von Museen sei es, „Menschen zu begeistern und nicht zu belehren“, sagte Ebert, der 2005 mit einer Arbeit zu den niederländischen Barockmalern Simon (1610-1661) und Isaack Luttichuys (1616-1673) promoviert wurde.
Der neue Museumschef betonte die „atemberaubende Vielfalt der Sammlungen und Exponate an den verschiedenen Standorten in Dresden, Leipzig und Herrnhut“. Beeindruckend fände er auch den Zuspruch des Publikums und die starke Identifikation der Bevölkerung mit den Sammlungen.
Die Vertragsunterzeichnung mit dem neuen SKD-Generaldirektor fand im Kleinen Ballsaal des Dresdner Residenzschlosses statt. Zuvor hatte das sächsische Kabinett der Personalie zugestimmt.
Ebert sprach nach der Unterzeichnung von einem „aufregenden und bewegenden Moment“. Er hatte 1992 in Dresden seine berufliche Laufbahn mit einer Ausbildung zum Bankkaufmann begonnen. „Es fühlt sich richtig und gut an, nach Dresden zurückzukehren“, sagte er.
Ebert wurde 1972 in Berlin geboren. In Bonn studierte er Kunstgeschichte, Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre und sammelte erste praktische Erfahrungen unter anderem am Metropolitan Museum of Art in New York, an den Newtown Galleries in Johannesburg und an der National Gallery of South Africa. Von 2005 bis 2013 war er bei den Staatlichen Museen zu Berlin tätig.
Marion Ackermann war seit 2016 Generaldirektorin der SKD. Ihre achtjährige Amtszeit war von erfolgreichen Ausstellungen und der Eröffnung von gleich zwei neuen Museen geprägt, aber auch von der Corona-Krise und dem Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe. Zu den SKD gehören 15 Museen und Sammlungen, darunter die berühmte Gemäldegalerie Alte Meister und das Albertinum.
Unterföhring (epd). Der Streamingdienst Joyn von ProSiebenSat.1 hat die Mediatheken von ARD und ZDF aus seinem Angebot entfernt. Wie ein Konzernsprecher am 5. März auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) in Unterföhring mitteilte, nehmen Joyn und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten konkrete Gespräche über eine zukünftige Zusammenarbeit auf: „Im Zuge dessen schaltet Joyn das vorläufige Beta-Testing auf der Streamingplattform ab.“
„Denn auch wenn wir davon überzeugt sind, die rechtliche Grundlage dafür zu haben, sind wir vielmehr darauf bedacht, den Geist echter Kooperation zu leben und gemeinsam umzusetzen“, betonte der Sprecher.
Das ZDF teilte dem epd außerdem mit, der Sender nehme zur Kenntnis, dass ProSiebenSat.1 die Integration der ZDF-Mediathek in Joyn rückgängig gemacht habe: „Förmlich informiert wurden wir darüber bislang nicht.“ Das ZDF bestätigte außerdem, in der Vorwoche beim Landgericht München I einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Joyn gestellt zu haben, um gegen „die unautorisierte Integration“ der Inhalte der ZDF-Mediathek vorzugehen.
Auch die ARD erklärte dem epd: „Wir nehmen die Beendigung des sogenannten 'Beta-Testings' positiv zur Kenntnis und werten sie ungeachtet der weiterhin unterschiedlichen Rechtspositionen als Beitrag zu einer guten Gesprächsatmosphäre.“ Der Senderverbund sei „weiterhin ausdrücklich offen und bereit für Kooperationen im geltenden rechtlichen Rahmen und im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrags.“
Die Einbindung der Mediatheken, das sogenannte Embedding, hatte in den vergangenen Wochen zu Streit zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und Joyn geführt. ARD und ZDF hatten erklärt, dass die Einbindung ihrer Mediatheken bei Joyn nicht abgesprochen gewesen sei. ProSiebenSat.1 hielt dagegen und bezeichnete das Vorgehen als rechtlich zulässig. Der Konzern verwies auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und ein Gutachten im Auftrag von ProSiebenSat.1.
Sowohl die ARD als auch das ZDF gaben an, rechtliche Schritte einleiten zu wollen. Man sei aber weiterhin bereit, über ein Verlinkungsmodell zu sprechen. Verhandlungen über ein Mediathek-Embedding bei Joyn schloss die ARD jedoch aus. Auf der Webseite von Joyn waren die Mediatheken von ARD und ZDF in der Übersicht prominent über den eigenen Angeboten platziert.
Bonhoeffer
Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer war Mitbegründer der Bekennenden Kirche und Widerstandskämpfer während des Nationalsozialismus. 1943 wurde er verhaftet und 1945 hingerichtet. Das zähe Epos „Bonhoeffer“ hat mit dieser Biographie im Wesentlichen nur die Lebensdaten gemein. Dramaturgisch verworren und in einem zunehmend unerträglich predigthaften Ton inszeniert Regisseur Todd Komarnicki seinen Helden (Jonas Dassler) als eine Art Heilsbringer, verliert sich in pathosgeladenen Kitsch und verzichtet auf jegliche Einordnung. Damit spielt der Film auch evangelikalen und rechtsextremen Kreisen in den USA in die Hände, die die Biographie Bonhoeffers in den letzten Jahren für ihre Ideologie missbrauchten und verdrehten. Die Nachfahren der Geschwister Bonhoeffers zeigten sich in einem offenen Brief entsetzt über den Umgang mit dem Vermächtnis des Theologen. Mittlerweile haben sich auch eine Reihe von Mitwirkenden, darunter die deutschen Schauspieler Jonas Dassler, August Diehl und Moritz Bleibtreu, „tief besorgt“ über eine missbräuchliche Verwendung des Films gezeigt.
Bonhoeffer (USA, Irland, Belgien 2024). Regie und Buch: Todd Komarnicki. Mit: Jonas Dassler, Moritz Bleibtreu, August Diehl, David Jonsson, Flula Borg. Länge: 133 Min.
Für immer hier
Die brasilianische Politikergattin Eunice Paiva (Fernanda Torres) führt 1971 ein harmonisches Familienleben in Rio de Janeiro. Eines Tages wird ihr Mann (Selton Mello) vom Militärregime aufgrund seiner oppositionellen Haltung verhaftet. Plötzlich steht Eunice mit ihren fünf Kindern alleine da. Unermüdlich versucht sie nun, Informationen über den Verbleib ihres Mannes zu bekommen. Auch Jahre später, als er längst für tot erklärt wurde, hört sie nicht auf und setzt sich zudem für die Hinterbliebenen anderer Opfer der Diktatur ein. Der einfühlsam erzählte Film von Walter Salles basiert auf wahren Begebenheiten und wurde in Brasilien als wichtige Aufklärungsarbeit über die Zeit der Militärdiktatur gefeiert. Fernanda Torres erhielt einen Golden Globe, zudem wurde der Film mit dem Oscar als bester internationaler Film ausgezeichnet.
Für immer hier (Brasilien, Frankreich 2024). Regie: Walter Salles. Buch: Murilo Hauser, Heitor Lorega. Mit: Fernanda Torres, Selton Mello, Fernanda Montenegro, Valentina Herszage. Länge: 138 Min. Film des Monats der Jury der Evangelischen Filmarbeit.
Ein Tag ohne Frauen
An einem Herbstmorgen 1975 geriet Island zum Stillstand, weil 90 Prozent der isländischen Frauen ihre Arbeit niederlegten und sich auch weigerten, im Haushalt zu arbeiten, zu kochen oder sich um die Kinder zu kümmern. Zum 50. Jahrestag dieses großen „Frauenstreiks“, der die Gleichstellung von Frau und Mann in Island maßgeblich voranbrachte, erinnern sich Beteiligte an die damaligen Geschehnisse. In der Rekonstruktion der Ereignisse setzt der Dokumentarfilm mehr auf Atmosphäre als auf größere Analyse, schafft es aber, die Geschichte als positives Beispiel weiblicher Emanzipation erlebbar zu machen.
Ein Tag ohne Frauen (Island/USA 2024). Regie und Buch: Pamela Hogan. Länge: 71 Min.
Köln 75
Zahlreiche Legenden ranken sich um das „Köln Konzert“, das der Jazzpianist Keith Jarrett 1975 in der Kölner Oper gab und dessen Livemitschnitt als das meistverkaufte Jazz-Soloalbum aller Zeiten gilt. Der Spielfilm „Köln 75“ eröffnet nun eine neue Perspektive. Im Mittelpunkt steht die 18-jährige Vera Brandes (Mala Emde), die das Konzert trotz extrem erschwerter Umstände organisierte. Mit fiktionalen Elementen ausgeschmückt bietet der Film eine sympathische Sicht auf die Ereignisse und die Menschen hinter dem Konzert. Dabei kommt der Film vollständig ohne die Originalmusik aus, da Keith Jarrett dem Konzert eher kritisch gegenübersteht und, anders als Vera Brandes, mit dem Film nichts zu tun haben wollte. Dennoch gelingt es, Faszination für seine Musik zu wecken. Der Film erzählt auch von weiblicher Emanzipation und gibt mit positiver Verspieltheit ein Gefühl für den Zeitgeist der 70er-Jahre.
Köln 75 (Belgien, Polen, Deutschland 2024). Regie und Buch: Ido Fluk. Mit: Mala Emde, John Magaro, Alexander Scheer, Ulrich Tukur, Jördis Triebel. Länge: 110 Min.
Der Prank - April, April!
Nach den Thrillern „Schläfer“ und „Der Räuber“ wagt sich Benjamin Heisenberg in „Der Prank - April April“ an ein neues Genre. Die Gangsterkomödie dreht sich um die spannenden Erlebnisse von Lucas (Noèl Gabriel Kipp) und seinem chinesischen Austauschschüler Xi Zhou (Max Zheng). Als ein Aprilscherz von Xi anders als gedacht verläuft, befinden sich die beiden Schüler plötzlich mit einem Pizza-Karton voller Geld inmitten einer Mafia-Verschwörung, aus der sie herauskommen müssen. Dabei bedient sich der Film Genre-Motiven ebenso wie popkulturellen Elementen. Gemeinsam mit Co-Autor Peer Klehmet sorgt Benjamin Heisenberg für einen gelungenen Familienfilm voller Action, schrulliger Figuren und Meta-Kommentaren.
Der Prank - April, April! (Deutschland 2024). Regie: Benjamin Heisenberg. Buch: Benjamin Heisenberg, Peer Klehmet. Mit: Noèl Gabriel Kipp, Max Zheng, Maimouna Mbacke, Mehdi Nebbou, Laura Tonke. Länge: 91 Min.
Kampala (epd). Als Treffpunkt für das Interview gibt Samantha Ainembabazi einen Friseursalon an. Hier können sich zwei Frauen unterhalten, ohne allzu viel Aufsehen zu erregen. Das ist wichtig, denn das vereinbarte Gespräch über die Lage von queeren Menschen in Uganda ist nach gültiger Rechtslage illegal. „Allein die Tatsache, dass ich mit Ihnen rede, könnte mir als Propaganda für Homosexualität ausgelegt werden“, weiß die 28-jährige, lesbische Aktivistin. Und darauf stehen in Uganda nach dem Anti-Homosexualität-Gesetz von 2023 bis zu 20 Jahre Haft.
Präsident Yoweri Museveni hat das Gesetz am 29. Mai 2023 unterzeichnet. Es sieht für Homosexualität in manchen Fällen sogar die Todesstrafe vor, zum Beispiel für gleichgeschlechtlichen Sex mit Minderjährigen oder Personen über 75 Jahren. Es verlangt, dass Vermieter queere Menschen herauswerfen und Arbeitgeber ihnen kündigen. Wer das nicht tut und wer queere Menschen nicht denunziert, macht sich strafbar.
Konservative, meist religiöse Gruppen fordern die Todesstrafe für Homosexualität schon seit Jahren. Sie werden dabei massiv von konservativen, überwiegend evangelikalen Christen aus den USA unterstützt, wie der Leiter des Menschenrechtsausschusses im ugandischen Parlament erläutert und Recherchen einer zivilgesellschaftlichen Gruppe bestätigen. Die religiösen Hardliner behaupten, Homosexuelle „rekrutierten“ Kinder und machten sie dadurch erst zu Homosexuellen, sie seien außerdem Vergewaltiger und „Kinderschänder“.
In einer zutiefst religiösen Gesellschaft haben ihre Worte Gewicht. Mit dem Regierungswechsel in den USA könnte ihr Einfluss weiter wachsen, die evangelikalen Christen gehören zu den loyalsten Unterstützern von US-Präsident Donald Trump. Sie nehmen die Bibel wörtlich und sprechen in einfachen Bildern von Himmel und Hölle, von Sünde und Buße.
In Uganda hätten radikale Christen aus den USA einen entscheidenden Einfluss darauf gehabt, dass der „Anti Homosexuality Act 2023“ so drakonisch ausgefallen sei, sagt der ugandische Parlamentarier Fox Odoi-Oywelowo. Seit Mai 2021 leitet der Anwalt den parlamentarischen Menschenrechtsausschuss. „Unter ihrem Einfluss wurde in Uganda erstmals 2010 ein sogenanntes Modellgesetz gegen Homosexualität eingeführt“, erläutert Odoi-Oywelowo, der 2023 als einziger gegen das Gesetz gestimmt hat. Seitdem hätten die US-amerikanischen, evangelikalen Fundamentalisten mit führenden Politikern Ugandas zusammengearbeitet, um die Gesetze zu verschärfen: „Beide Seiten stimmen sich miteinander ab.“
Eine US-amerikanische Gruppe ist in den vergangenen Jahren besonders durch ihre Aktivitäten in Uganda aufgefallen: Family Watch International (FWI), eine kleine Organisation aus Arizona, die sich selbst als Hüterin traditioneller Familienwerte und Beschützerin von Kindern darstellt. Und die auch innerhalb der Vereinten Nationen für „traditionelle Familienwerte“ Lobbyarbeit macht. FWI-Präsidentin Sharon Slater ist derzeit Vorsitzende der UN-Arbeitsgruppe für Familienrecht. So konnte sie gute Verbindungen zu führenden Politikern in Uganda knüpfen.
Eine zivilgesellschaftliche Gruppe in Uganda recherchiert, wie solche ultrakonservativen und religiösen US-amerikanischen Lobbygruppen auf die Gesetzgebung in Uganda Einfluss nehmen. Der Name der Gruppe und ihres wichtigsten Rechercheurs müssen aus Sicherheitsgründen anonym bleiben. Er hat einige Netzwerke religiöser Lobbyisten unterwandert und möchte nicht auffliegen. Slater sei seit einigen Jahren aktives Mitglied einer WhatsApp-Gruppe, zu der auch ugandische Abgeordnete gehörten, berichtet er. Vor Parlamentsdebatten fragten diese bisweilen, was sie sagen sollten - und Slater gebe Argumente vor.
Ultrakonservative US-amerikanische Freikirchen lassen sich ihre Lobbyarbeit in Afrika einiges kosten. Laut einer Untersuchung des britischen Nachrichtenportals „Open Democracy“ haben mehr als 20 christliche Gruppen aus den USA allein zwischen 2007 und 2020 mindestens 54 Millionen US-Dollar in afrikanischen Ländern investiert. Fast die Hälfte davon floss demnach nach Uganda. Viele dieser US-amerikanischen Lobbygruppen haben Verbindungen zu Präsident Trump oder seinem Umfeld.
Die Fundamentalisten kämpfen nicht nur gegen LGBTQ-Rechte, sondern auch gegen sicheren Zugang zu Abtreibung und gegen Sexualerziehung in Schulen. „Die Lage für queere Menschen in Uganda war immer schon schwierig“, sagt die Aktivistin Ainembabazi. Es gab Polizei-Razzien bei Strandpartys, bei Pride-Veranstaltungen, in Diskotheken. Tatsächlich oder mutmaßlich queere Menschen wurden von der Presse gegen ihren Willen geoutet, von ihren Familien verstoßen und vom Mob schwer verletzt oder getötet.
„Aber manchmal wurden wir auch einfach ignoriert“, sagt sie. Damit allerdings sei es vorbei, seit 2023 das verschärfte Gesetz verabschiedet worden sei. Die Strafverfolgungsbehörden griffen härter durch. Die noch größere Gefahr sieht Ainembabazi allerdings in der Gesellschaft. Sie beruft sich auf Zahlen eines Strategieteams mehrerer Menschenrechtsgruppen. In den ersten Monaten nach der Gesetzesverschärfung, von Mai bis September 2023, seien 95,4 Prozent der Menschenrechtsverletzungen gegen die queere Community von Bürgerinnen und Bürgern verübt worden, nur 5,4 Prozent durch die Polizei und Strafverfolgungsbehörden. Es herrscht ein gesellschaftliches Klima, in dem das Überleben für queere Menschen immer schwieriger wird.
Frankfurt a.M., Sydney (epd). Zunehmend mehr Länder sind laut einer Analyse von Terrorangriffen bedroht. Die Zahl der Staaten mit mindestens einem terroristischen Vorfall stieg vergangenes Jahr von 58 auf 66, wie aus dem am 5. März veröffentlichten „Global Terrorism Index 2025“ hervorgeht. Damit waren so viele Länder betroffen wie zuletzt im Jahr 2018. Besonders stark gefährdet sind demnach Menschen in der afrikanischen Sahel-Region.
In der Analyse des im australischen Sydney ansässigen „Institute for Economics and Peace“ wird die Ausbreitung des Terrorismus weltweit erfasst. Dabei untersuchen die Fachleute auch regionale Trends.
In dem Bericht ist von sich verändernden Mustern und neuen Herausforderungen die Rede. Dennoch bleibe der Terrorismus eine anhaltende globale Bedrohung, heißt es. Laut den Daten wurden 2024 weltweit 7.555 Menschen bei Terrorangriffen getötet, 13 Prozent weniger als im Vorjahr. Den Rückgang führen die Fachleute allerdings auf die hohe Zahl der Toten des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zurück. Würde dieser nicht berücksichtigt, bleibe die Zahl der Toten ungefähr auf demselben Niveau.
Weltweit gab es laut dem Bericht im vergangenen Jahr 3.492 Attacken, drei Prozent weniger als 2023. Besonders gefährdet sind demnach Menschen in der Sahel-Region, in der seit Jahren islamistische Terrorgruppen aktiv sind. Etwas mehr als die Hälfte der weltweiten Terroropfer entfällt demnach auf die Region, die Länder wie Mali, Burkina Faso und Niger umfasst. Der Sahel bleibe das „globale Epizentrum des Terrorismus“, heißt es in der Analyse.
In dem Bericht analysieren die Fachleute die Auswirkungen des Terrorismus in 163 Ländern, in denen den Angaben zufolge 99,7 Prozent der Weltbevölkerung leben. Berücksichtigt werden verschiedene Faktoren, etwa die Zahl der Terrorangriffe und Toten, aber auch Verletzte und Geiselnahmen. Es handelt sich den Angaben zufolge um die zwölfte Ausgabe des Berichts.
Kabul (epd). 51 Seiten lang sind die beiden Dokumente, die Karim Khan unterschrieb. Wegen einer „beispiellosen Verfolgung“ von Frauen und Mädchen beantragte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag Ende Januar Haftanträge gegen zwei hochrangige Taliban in Afghanistan: den obersten Anführer der Islamisten Haibatullah Achunsada und den obersten Richter Abdul Hakim Hakkani.
Khan wirft den beiden „Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Geschlechterverfolgung“ vor. Bereits seit 2022 untersucht er im Auftrag von Strafgerichtshof-Vertragsstaaten wie Chile, Spanien oder Frankreich die Lage in Afghanistan. Anfang 2023 hatten ihn schließlich die Vereinten Nationen gebeten, zu prüfen, ob es in Afghanistan das „Verbrechen der geschlechtsspezifischen Verfolgung“ gebe.
In der Geschichte des IStGH ist dies bislang eine Seltenheit: Die „geschlechtsspezifische Verfolgung“ ist in Artikel 7 des Römischen Statuts, der vertraglichen Grundlage des Gerichtshofs, verankert, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert. Bisher wurde diese jedoch nur in drei weiteren Fällen zusammen mit anderen Verbrechen angeklagt, unter anderem gegen Täter aus Mali, der Zentralafrikanischen Republik und dem Sudan. Dass sich die Ermittlungen Khans nun jedoch ausschließlich auf geschlechtsspezifische Verbrechen konzentrieren, könnte ein Präzedenzfall sein für ähnliche Fälle systematischer Unterdrückung, wie beispielsweise im Iran.
Mit mehr als 80 Dekreten haben die Taliban seit ihrer Machtübernahme im August 2021 die Rechte von Frauen und Mädchen Schritt für Schritt eingeschränkt. Heute gehört das Land zu den restriktivsten der Welt: Frauen dürfen keine weiterführenden Schulen oder Universitäten besuchen, keine Schwimmbäder, Fitnessstudios, Schönheitssalons oder öffentliche Grünanlagen aufsuchen.
Oberster Anführer der Bewegung ist der nun von Khan angeklagte sogenannte Emir Hibatullah Achunsada. Er residiert in Kandahar und tritt nur selten öffentlich in Erscheinung. Zusammen mit dem ebenfalls in Kandahar residierenden Obersten Richter und Justizminister Abdul Hakim Hakkani gehört er zum streng konservativen Flügel der Taliban. Der beruft sich auf eine Mischung aus Stammestraditionen und einer besonders strengen Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia, aus frühislamischer Zeit.
Hakkani gilt zudem als ideologischer Kopf der Bewegung. Mit seinem Buch „The Islamic Emirate and its System of Governance“ (Das islamische Emirat und sein Regierungssystem) lieferte er 2022 die religiös-ideologische Rechtfertigung für den Ausschluss von Frauen aus dem öffentlichen Leben.
Dass die Haftanträge die Taliban zu einer Änderung ihrer Politik bewegen, ist ebenso unwahrscheinlich, wie dass den beiden Männern tatsächlich der Prozess gemacht wird - auch weil der Strafgerichtshof eine Verurteilung in Abwesenheit ausschließt. Zwar müssten die 125 IStGH-Vertragsstaaten die Taliban-Führer innerhalb ihres Territoriums verhaften. Doch die beiden reisen selbst im eigenen Land kaum. Und trotz der Ächtung durch die Vereinten Nationen haben inzwischen immer mehr Staaten Beziehungen zu den Taliban aufgenommen, ohne die Regierung offiziell anzuerkennen.
Dennoch sehen viele Afghaninnen und Afghanen die Haftanträge als deutliches Signal und Bestätigung im Kampf gegen die Politik der Taliban. Die Entscheidung sei ein Hoffnungsschimmer im langen, dunklen Tunnel Afghanistans, die das Streben nach Gerechtigkeit für die afghanischen Frauen einen entscheidenden Schritt voranbringe, schrieb etwa die Aktivistin Fausia Kufi auf der Plattform X. Auch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben den Vorstoß Kahns begrüßt. Sie sprechen von einer Art „Geschlechterapartheid“ in Afghanistan und fordern die Vereinten Nationen auf, das Vorgehen der Taliban als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuerkennen.
Das Taliban-Außenministerium erklärte in der letzten Woche, den Internationalen Gerichtshof und die Verpflichtungen des Römischen Statuts, denen Afghanistan 2003 unter der Vorgängerregierung beigetreten war, nicht anzuerkennen. Die Haftanträge seien vielmehr politisch motiviert und lediglich ein Spiegelbild westlicher Doppelstandards.
1.-3.4. Evangelische Akademie zu Berlin
Christliche Signatur des zeitgenössischen Antisemitismus. Bilanz des Verbundprojekts: Untersucht wurden die entscheidenden Prozesse der Trennung und Verbindung von Religion und Säkularität im 19. Jahrhundert und ihre Nachwirkungen in der Gegenwart. Im Fokus standen außerdem Bearbeitungsprozesse nach 1945 in kirchlichen Kontexten sowie die Ausrichtung und Wirksamkeit von Religions-Schulbüchern im Blick auf die Prävention von Antisemitismus.
25.-27.4. Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt
Was bleiben wird. Zur Erinnerung an Friedrich Schorlemmer Am 9. September 2024 starb Friedrich Schorlemmer im Alter von 80 Jahren. Verschiedene Bereiche des Wirkens Friedrich Schorlemmers, seine Systemkritik an Kirche und Staat sowie seine Ermutigungen zu Klarheit und Geradlinigkeit werden auf der Tagung beleuchtet.
28.-29.4. Evangelische Akademie Loccum
Reformen im Aufenthaltsrecht. Aktuelle Entwicklungen und Debatten Die Migrations- und Asylpolitik war in den letzten Jahren von hoher Dynamik geprägt. Europäische und deutsche Gesetzgebung haben darauf mit zahlreichen Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht reagiert. Aus deutscher Sicht: Welche rechtlichen und politischen Herausforderungen sowie Handlungsspielräume zeigen sich derzeit? Wie lassen sich kurzfristig notwendige Maßnahmen mit langfristigen strategischen Überlegungen in Einklang bringen?