Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat vor einem Rückfall in Rollenbilder gewarnt, die Frauen benachteiligen. In den vergangenen Jahrzehnten habe es Fortschritte und Grund zu Optimismus beim Thema Gleichberechtigung gegeben, sagte Steinmeier bei einer Veranstaltung zum Internationalen Frauentag am 7. März in Berlin. Statt der Frage, ob es Gleichstellung überhaupt brauche, hätten sich Politik und Gesellschaft mit der Frage beschäftigt, wie sie gelinge, sagte er und ergänzte: „Ich fürchte, diese Lage ändert sich gerade fundamental.“
Populistische Parteien erweckten den Eindruck, „Gleichstellung sei eine fixe Idee progressiver Kräfte“, beklagte Steinmeier. Große Tech-Unternehmen, die lange stolz auf ihre Modernität gewesen seien, stellten auf das politische Kommando einer neuen amerikanischen Administration hin Diversitätsprogramme ein und schwärmten von einer neuen „maskulinen Energie“ in Unternehmen und Gesellschaft.
„Versprechen aus einer angeblich besseren Vergangenheit“
Bei der Suche nach Lösungen in einer komplexeren Welt suchten viele Männer, gerade auch jüngere, verstärkt Halt in traditionellen Rollenbildern und wählten häufiger als Frauen Parteien, „die mit Versprechen aus einer angeblich besseren Vergangenheit locken“, sagte Steinmeier. Gleichzeitig sagte er: „Wir erleben, wie auch bei uns die Frauenfeindlichkeit steigt, besonders im Netz.“
Im neuen Bundestag hätten Frauen rechnerisch keine Sperrminorität mehr, beklagte Steinmeier. Der Anteil weiblicher Abgeordneter ist nach der Neuwahl auf unter ein Drittel gefallen (32,4 Prozent). Dabei gehöre Gleichstellung zum Fundament der Demokratie. „Wenn unsere Demokratie ein Frauenproblem hat, dann hat unser Land ein Demokratieproblem“, sagte der Bundespräsident.
Bei der Matinee im Schloss Bellevue in Berlin sagte die Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, Beate von Miquel, wenn Frauen fehlten, fehlten in der Diskussion auch deren Perspektiven. „Verlieren Frauen, verliert Demokratie“, sagte sie. Sie sieht auch in der Corona-Pandemie eine Ursache für den Rückzug von Frauen aus dem öffentlichen Leben. Die Krise habe Frauen zurück ins Private gedrängt. Bei der Bewältigung der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine seien Frauen bereits weitgehend außen vor geblieben.
„Rentenpunkte für Ehrenamt“
Heide Pfarr, Ehrenmitglied im Deutschen Juristinnenbund, kritisierte den Umgang mit der Tatsache, dass Frauen für ihre Arbeit noch immer deutlich schlechter bezahlt werden. Die Lohnlücke liege „in Wahrheit“ eher bei 30 Prozent, sagte sie mit dem in dieser Woche vom Statistischen Bundesamt gemeldeten sogenannten bereinigten Gender Pay Gap. Bereinigt werde dabei zum Beispiel, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiteten, was einen schlechteren Stundenlohn aber nicht rechtfertige, sagte Pfarr. Zudem werde bereinigt, dass Frauen häufiger in Branchen arbeiteten, in denen schlechter bezahlt wird, erläuterte sie und ergänzte, es sei eher umgekehrt: „Die Branchen bezahlen schlechter, weil da Frauen arbeiten.“
Die Präsidentin des Landfrauenverbandes, Petra Bentkämper, beklagte, es gebe viel zu wenig Frauen auf der kommunalpolitischen Ebene, was auch an den Strukturen hänge. Zugleich seien Frauen oft ehrenamtlich engagiert, was sie sich aber auch zeitlich und finanziell leisten können müssten. Sie forderte auch mit Blick auf die größere Altersarmut bei Frauen: „Es braucht Rentenpunkte für Ehrenamt.“