Dresden (epd). Der Demokratieforscher Hans Vorländer sieht in dem finanzpolitischen Vorstoß von Union und SPD ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die Entscheidung der Sondierungspartner, noch vor der Konstituierung des neuen Bundestags ein umfangreiches Finanzpaket zu verabschieden, sei zwar rechtlich zulässig, aber politisch fragwürdig, sagte der Direktor des Dresdener Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Besonders kritisch sei, dass mit einer derartigen Entscheidung eine Bindungswirkung für die kommende Regierung geschaffen werde, ein Vorgriff auf das Regierungsprogramm für eine Koalition, die noch gar nicht existiere, sagte Vorländer. Der mögliche Bruch der transatlantischen Sicherheitspartnerschaft erzeuge Handlungsdruck. Diese Rechtfertigung gelte aber nicht für alle Aspekte des Pakets: Das Problem der maroden Infrastruktur sei lange bekannt und mache daher eine schnelle Beschlusslage im alten Bundestag nicht zwingend.
„Kann von Wählertäuschung sprechen“
Besorgt zeigte sich der Politikwissenschaftler auch über die politische Glaubwürdigkeit der Union: „Wenn CDU und CSU etwas vor der Wahl ausschließen, damit Wahlkampf machen und sich dann innerhalb von einer Woche nach der Wahl nicht mehr daran gebunden fühlen, kann man von Wählertäuschung sprechen“, sagte der Seniorprofessor der TU Dresden. Für die Sozialdemokratie sei der Beschluss hingegen eine Erfolgsprämie, die schon vorab ausgezahlt werde.
Die AfD hat bereits angekündigt, juristisch gegen das geplante Sondervermögen vorzugehen. Für sie sei der Vorstoß ein „gefundenes Fressen“: „Zum einen, weil sie infrage stellt, dass es legitime Gründe gibt, dass der alte Bundestag das noch beschließt. Zum anderen vertritt die AfD eine marktliberale Wirtschaftspolitik“, sagte Vorländer. Sie könne sich nun als letzte Hüterin einer vertrauensvollen Schuldenpolitik inszenieren und die Union vorführen. Angewiesen seien die mutmaßlich zukünftigen Koalitionäre auf die Stimmen der Grünen-Fraktion. „Diese werden sich ihre Stimmen abkaufen lassen. Eine Möglichkeit wäre es, in den Infrastrukturmaßnahmen auch Klimaschutz zu verankern.“
„Nachfolgende Generation in unzulässiger Weise belastet“
Auch warnte Vorländer vor langfristigen Folgen von Sondervermögen außerhalb des ordentlichen Haushaltsverfahrens. Der Bundestag sei zwar autonom und könne tun und lassen, was er wolle. „Unter verfassungsrechtlichen und demokratiepolitischen Gesichtspunkten werden hier aber in unzulässiger Weise nachfolgende Generationen belastet.“