Frankfurt a.M., Essen (epd). Viele seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg bestehende geopolitische Gewissheiten werden laut dem katholischen Militärbischof Franz-Josef Overbeck derzeit in Frage gestellt. Deutschland und Europa müssten sicherheitspolitisch die richtigen Weichen stellen, unabhängig von der aktuellen US-Administration unter Präsident Donald Trump, sagte der Essener Bischof dem Evangelischen Pressedienst (epd). Große Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit seien auch friedensethisch vertretbar, da sie der Freiheit und dem Schutz vor Gewalt dienten.
Der Eklat beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus am Freitag sowie Äußerungen von US-Verteidigungsminister Pete Hegseth und Vizepräsident JD Vance über Europa und mögliche Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit Russland hatten für Kritik unter europäischen Regierungen gesorgt. Mit Blick auf mögliche Verhandlungen zwischen der US-Administration und Russland sagte Overbeck, dass ein Frieden für die Ukraine nicht über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg beschlossen werden dürfe.
Warnung vor „ungerechtem Gewaltfrieden“
„Wenn die Ausgangsbedingungen für Verhandlungen bereits durch das Recht des Stärkeren bestimmt sind, gibt es begründete Zweifel daran, dass ein gerechter Friede für die Ukraine erreicht werden kann“, sagte er. Ein Diktatfrieden, der einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nachträglich legitimiere, wäre aus seiner Sicht ein fatales Signal an Autokraten weltweit. Der russische Präsident Wladimir Putin dürfe nicht den Eindruck gewinnen, dass sich Angriffskriege lohnen.
Die christliche Friedensethik erkennt laut Overbeck durchaus das Recht auf Selbstverteidigung an. „Die Bergpredigt verbietet Selbstverteidigung nicht, genauso wenig wie legitime Selbstverteidigung die primäre Option für ein Ethos der Gewaltfreiheit infrage stellt“, sagte er.
Er halte es zwar für falsch, aus der Bergpredigt im Falle eines Angriffskrieges für ein ganzes Land ein grundsätzliches Verteidigungsverbot abzuleiten, akzeptiere es aber, wenn ein Christ erstinstanzlich allein auf zivilen Widerstand und die Kraft der Versöhnung setze und für diese Haltung werbe. An den politischen Rändern sehe das aber anders aus. Er habe Zweifel daran, ob etwa Vertreter der AfD oder des BSW mit ihrem „Nein“ zur Unterstützung der Ukraine wirklich einen gerechten Frieden im Sinn hätten. „Vor allem aber erkennen sie nicht, dass ein ungerechter Gewaltfrieden nicht dauerhaften Frieden, sondern weitere militärische Konflikte nach sich ziehen wird.“