Kirchen

Nicht nur Zeugen


Kerstin Claus sprach auf der EKD-Synode in Dresden.
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Zu spät, zu inkonsequent, zu verhaftet in der Perspektive der Täter: Die Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche stößt den Opfern immer wieder auf. Die evangelische Kirche macht einen Schritt auf sie zu. Sie will einen Betroffenenbeirat einrichten.

Für die Kirche ist es ein Wagnis. "Gratwanderung" nennt es die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs. Die evangelische Kirche will Opfer in die Aufarbeitung von Missbrauch in Gemeinden und Diakonie-Einrichtungen einbinden. "Betroffene sind Beteiligte - nicht etwa Zeugen", sagte Fehrs, Sprecherin des Beauftragtenrats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), am 12. November bei der Synodentagung in Dresden. Dort sprach auch erstmals eine Betroffene.

Kerstin Claus macht in ihrer Rede deutlich, dass es für die Kirche ein langer Weg wird und es mindestens beim Thema Entschädigung Auseinandersetzungen geben wird. "Aufarbeitung ist kein Sprint", sagt Claus. Es gehe um eine Änderung der Haltung der Kirche.

Vor einem Jahr hatte die EKD-Synode in Würzburg das Thema Missbrauch prominent auf die Tagesordnung gesetzt. Auch wenn bis dahin in einigen Landeskirchen die Auseinandersetzung längst begonnen hatte, war es für den EKD-Verbund der Startschuss für die Aufklärung - ein später, finden die Opfer.

"Sehr erfreulicher Meilenstein"

Umso emsiger wollte die evangelische Kirche das Thema angehen: Ein Elf-Punkte-Plan wurde beschlossen. Teil davon ist die bereits eingerichtete zentrale Anlaufstelle für Betroffene. Studien zur Aufarbeitung wurden ausgeschrieben. Eine erste systematisierte Zählung begann: 770 Missbrauchsfälle sind bis heute bekannt, 60 Prozent davon in der Diakonie. Geld wurde bereitgestellt - für 2020 erneut 1,3 Millionen Euro.

In Dresden kündigt Fehrs die Gründung eines eigenen Betroffenenbeirats an. Vorbild soll der Betroffenenrat beim Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung sein. Das Gremium mit zwölf Mitgliedern soll möglichst im Frühjahr 2020 starten als "kritisches Gegenüber" zur EKD, sagt Fehrs.

Der Missbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig begrüßt diesen Beschluss als "sehr erfreulichen Meilenstein". Er sieht Fortschritte bei der evangelischen Kirche, aber auch weiteren Handlungsbedarf - etwa bei der Verständigung über Standards und Kriterien der Aufarbeitung, die er mit der evangelischen Kirche anstrebt. Er habe keinen Zweifel, dass eine solche Vereinbarung mit der katholischen Kirche bis Jahresende gelinge, sagt er vor der Synode. Mit den Protestanten soll sie möglichst Anfang 2020 stehen.

Unterstützung verspricht Rörig bei der Erstellung einer Dunkelfeldstudie, die die EKD auch angehen wollte. Erste wissenschaftliche Rückmeldungen zeigten aber, dass sich die Kirche allein mit der Erforschung des Dunkelfelds in allen gesellschaftlichen Bereichen übernehmen würde. Nun sucht sie Partner. Die Opfer hat sie bei dem Vorhaben an ihrer Seite: "Sexualisierte Gewalt ist ein Grundrisiko in unserer Gesellschaft", sagt Kerstin Claus vor der Synode, heißt: nicht nur in der Kirche.

"Deutungshoheit aufgeben"

Bei Bischöfin Fehrs bedankt sich Claus - und macht zugleich deutlich, dass sie das Engagement der Hamburgerin auch von anderen in der Kirche erwartet. "Stärken Sie sie", ruft sie den Synodalen zu. Persönlich an den EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm gewandt fordert sie, aus dem Versprechen, null Toleranz gegenüber Tätern und Mitwissern zu üben, Realität werden zu lassen. Das bedeute auch einen Perspektivwechsel in der Kirche: "Sie müssen Ihre Deutungshoheit aufgeben", appelliert sie an die Kirchenverantwortlichen.

Nur die Opfer könnten entscheiden, wann ihr Leid besser werde, sagt Claus. Individuelle Aufarbeitung sei höchst persönlich. Damit bezieht sie sich auf die heikle Debatte um pauschale Entschädigungsleistungen. Seit dem Herbsttreffen der katholischen Bischöfe stehen dort hohe sechsstellige Summen pro Opfer im Raum. Die evangelische Kirche will keine pauschalen Leistungen. Die Debatte um diese Summen sei eine Verkürzung des Problems, sagt der bayerische Oberkirchenrat Nikolaus Blum in Dresden.

Die Protestanten streben stattdessen individuelle Zahlungen zur Unterstützung der Betroffenen an. Aus dem Elf-Punkte-Plan ist das Thema ausgeklammert. "Das reicht nicht", sagt Claus. Sie fordert ein transparentes und einheitliches Entschädigungssystem. Der Betroffenenbeirat könnte damit schon ein erstes konfliktreiches Thema gefunden haben. Darüber müsse gesprochen werden, sagt Claus. Sie sei zunächst aber dankbar für die Öffnung hin zu den Opfern: "Das ist eine große Leistung für eine Kirche."

Von Corinna Buschow (epd)


Rörig: Betroffene dürfen nie wieder als Bittsteller behandelt werden


Johannes-Wilhelm Rörig
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Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sieht Fortschritte im Umgang der evangelischen Kirche mit den Skandalen der Vergangenheit. Aber es gebe noch viel zu tun. Sexuelle Gewalt sei immer noch trauriger Alltag vieler Kinder und Jugendlicher, sagt Rörig im epd-Gespräch.

epd: Auf der EKD-Synode vor einem Jahr wurde ein Elf-Punkte-Plan zum Umgang mit der Missbrauchs-Problematik beschlossen. Ist die Kirche in den letzten zwölf Monaten vorangekommen?

Johannes-Wilhelm Rörig: Wichtige Schritte sind absolviert, weitere müssen aber folgen. Es sind eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet und unabhängige Studien zur Aufarbeitung ausgeschrieben worden. Wichtig ist auch, dass ein Betroffenenbeirat bei der EKD eingerichtet werden soll. Der Beauftragtenrat, mit dem ich zusammenarbeite, ist ein stark besetztes und sehr kompetentes Gremium.

Ich kann kein uneingeschränktes Lob aussprechen, aber die Aufarbeitung hat tatsächlich Fahrt aufgenommen. Zentral ist, dass die evangelische Kirche ein verbindliches Fundament schafft für die umfassende Aufarbeitung der Missbrauchsskandale. Es darf niemals mehr passieren, dass Betroffene als Störende und Bittstellende behandelt werden. Vielmehr müssen sie Unterstützung bei der individuellen Aufarbeitung bekommen und mit starken Rechten ausgestattet werden. Das verhandeln wir ja im Moment mit dem Beauftragtenrat.

epd: Wie soll die evangelische Kirche mit Entschädigungsforderungen umgehen?

Rörig: Die evangelische Kirche wird genau wie die katholische Kirche nicht umhinkommen, eine Antwort zu geben. Die Entschädigungsfrage muss unter Einbeziehung von Betroffenen beantwortet werden. Dafür muss ein Rahmen geschaffen werden, um Vorschläge und Erwartungen, aber auch die finanziellen Möglichkeiten zu diskutieren.

Die bisherige Vorgehensweise ist ja ein bisschen intransparent. Wir wissen nicht genau, was im Einzelnen in welcher Landeskirche geleistet wurde. Diese eher individuelle Vorgehensweise für Unterstützungsleistungen sollte kritisch reflektiert werden. Ich halte allerdings auch nichts davon, einfach Zahlen in die Welt zu setzen und einen Wettbewerb um die höchste Summe zu führen.

epd: Herr Rörig, welche Botschaft möchten Sie der Synode mitgeben?

Rörig: Ich will für die dramatische gesellschaftliche Problematik sensibilisieren, dass in Deutschland tausende Mädchen und Jungen sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Durch die digitalen Medien kommen neuartige Taten und Formen sexueller Gewalt hinzu. Wir dürfen nicht einfach so hinnehmen, dass zehn Jahre nach dem sogenannten Missbrauchsskandal sexuelle Gewalt noch immer trauriger Alltag vieler Kinder und Jugendlichen ist.

Ich möchte, dass auch durch das Engagement in evangelischen Einrichtungen erreicht wird, dass sexueller Missbrauch verhindert und so schnell wie möglich beendet wird. Dafür müssen alle hinschauen und sich für Schutz und Hilfe einsetzen: Kein betroffenes Kind darf übersehen werden. Wir wissen aus der Arbeit der Aufarbeitungskommission, wie sehr Kinder darunter leiden, wenn Mitwissende oder Vertrauenspersonen untätig bleiben und schweigen.

Bezogen auf Prävention und Intervention sowie Aufarbeitung muss die Kirche nicht nur das Maximum wollen, sondern auch das Maximum tun.

epd-Gespräch: Bettina Markmeyer


Klimawandel als Bedrohung für den Frieden


Wolfram Metzig-Eisner berichtete den Synodalen von einem "Brot für die Welt"-Projekt in Kamerun.
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Auf ihrer Jahrestagung debattiert die evangelische Kirche über Friedensethik. Die Kirche hält am Primat der Gewaltfreiheit fest. Als einen der größten Konfliktherde sieht sie den Klimawandel.

Klimawandel - aus Sicht der evangelischen Kirche ist er eine aktuelle Bedrohung für den Frieden. Die Debatte über Friedensethik steht im Zentrum der Jahrestagung des deutschen Protestantismus in Dresden. Und die Frage der Klimagerechtigkeit hat die Kirche als eine der zentralen Konfliktursachen ausgemacht.

Nach einer Prognose der Weltbank könnten bis zu 140 Millionen Menschen in Südamerika, Südasien und Subsahara-Afrika zu Binnenmigranten werden, weil ihre Heimatregionen unbewohnbar werden. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung - dreieinhalb Milliarden Menschen - seien für nur zehn Prozent des weltweiten Ausstoßes klimaschädlicher Treibhausgase verantwortlich, sagte Kira Vinke vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung am 11. November in Dresden vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bezog sich dabei auf eine Statistik der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam. Die reichsten zehn Prozent der Menschen auf der Erde hingegen verursachten die Hälfte der CO2-Emissionen. Während die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung nur gering zum weltweiten CO2-Ausstoß beiträgt, ist sie aber schon jetzt überproportional von Klimaschäden wie Dürrekatastrophen, Überflutungen und Luftverschmutzung betroffen.

"Christus drängt uns auf die Seite der Opfer"

Spricht die Kirche heute über Klimawandel und Nachhaltigkeit, geht es ihr nicht allein um die Bewahrung der Schöpfung, es geht - und das wird in Dresden deutlich - um eine neue friedensethische Herausforderung. Der Klimawandel gehöre in der Tat zu den neuen Konfliktkonstellationen, sagte der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Rande der Synode. "Er ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern zugleich ein Friedensproblem. Das ist die dramatischste Einsicht der Diskussion bei dieser Synode."

Friedensethik ist seit jeher ein Thema der Kirche. "Christus drängt uns auf die Seite der Opfer", sagte der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh am Montag in einem theologischen Vortrag. Die Kirche kämpft an der Seite der Schwachen und setzt sich für die Wahrung ihrer Menschenrechte ein.

Wie sie das tun soll, hat die EKD bereits in ihrer friedensethischen Denkschrift im Jahr 2007 dargelegt. "Es gibt keine neuen Grundsatzüberlegungen zur Friedensethik", sagt Wolfgang Huber. Er war 2007 Ratsvorsitzender, als die Denkschrift veröffentlicht wurde. "Dass zur Wahrung und Wiederherstellung des Rechts unter Umständen auch der Einsatz militärischer Gewalt ethisch legitimierbar ist, diese Klärung ist bereits in der Denkschrift 2007 erfolgt", erläutert der Theologe. Der Grundsatz, militärische Mittel nur als Ultima Ratio einzusetzen, und der Primat der friedlichen Konfliktlösung sind weiterhin gültig. Darin unterscheidet sich die Position der Kirche von einem radikalen Pazifismus und trägt stärker den Charakter eines "Verantwortungspazifismus", wie es Huber bezeichnet hat.

"Du sollst nicht töten lassen"

Die Frage, wann die Weltgemeinschaft in Konflikte militärisch eingreift, war immer wieder ein innerkirchlicher Streitpunkt. Dass es dafür moralische Argumente geben kann, machte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm am Beispiel Ruanda deutlich. Nach seinen Besuchen in dem zentralafrikanischen Land habe er seine Einschätzung konsolidiert. Die Weigerung der UN-Verantwortlichen, den in Ruanda anwesenden UN-Soldaten zum Schutz der Menschen auch den Einsatz von Waffengewalt zu erlauben, sei im Nachhinein betrachtet "ein klares moralisches Versagen" gewesen, sagte Bedford-Strohm am Sonntag vor der Synode.

Zur Seenotrettung wiederholte er auch bei dieser Synode den Satz: "Man lässt keinen Menschen ertrinken." Genauso gilt nach den Worten Hubers aber mit Blick auf die Genozide in Ruanda und Srebrenica: "Das Gebot, du sollst nicht töten, schließt das Gebot ein, du sollst nicht töten lassen."

Gegner militärischen Eingreifens verweisen oft auf die enttäuschende Bilanz militärischer Einsätze, die erklärtermaßen mit dem Ziel der Beendigung von Menschenrechtsverletzungen geführt wurden. So steht es auch in einem Kundgebungsentwurf für Gerechtigkeit und Frieden, der am Mittwoch auf der Synode verabschiedet werden soll. Zum Thema Klimawandel dürfte es bis dahin noch die ein oder andere Änderung am Entwurfstext geben.

Von Franziska Hein (epd)


Evangelische Kirche: Frieden braucht Klimagerechtigkeit

Der Klimawandel wird zu einer Bedrohung für den Frieden. Er verschärft Konflikte weltweit und führt schon jetzt in Entwicklungsländern zu Armut und sozialer Ungleichheit, heißt es in einer Friedens-Kundgebung der evangelischen Kirche.

Die evangelische Kirche rückt den Klimaschutz in den Fokus christlicher Friedensethik. "Für Frieden in der Welt ist Klimagerechtigkeit eine unabdingbare Voraussetzung", heißt es in einem am 13. November auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Dresden verabschiedeten Kundgebungstext. Darin fordert das höchste Gremium der evangelischen Kirche die Bundesregierung auf, die Klimaschutzziele umzusetzen. Die diesjährige Jahrestagung der Protestanten hatte sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Friedensethik befasst. Nach Ende der viertägigen Synodenberatungen war für Mittwochabend ein Gottesdienst in der Frauenkirche geplant.

Der Klimawandel entziehe Menschen die Lebensgrundlagen, heißt es in dem Text zur Friedensethik. Das führe zunehmend zu gewaltsamen innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Konflikten sowie Migrationsdruck. So wirkten die "katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels als Konfliktbeschleuniger". "Eine gerechtere, ressourcen-schonendere und die Würde aller Menschen achtende Weltordnung ist der wichtigste Beitrag für mehr globale Sicherheit und weniger Konflikte", erklärte das Kirchenparlament.

Mehr junge Synodale

Die Kundgebung hält am Grundsatz der evangelischen Friedensethik fest, zivilen und gewaltfreien Mitteln der Konfliktlösung den Vorrang vor militärischen Lösungen zu geben. Der Text spreche sich sehr klar für Gewaltfreiheit aus, sagte die Präses der Synode, Irmgard Schwaetzer, vor Journalisten.

Das Dokument enthält zudem die Forderung an die Bundesregierung, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für entwicklungspolitische Maßnahmen auszugeben. Die Forderung orientiert sich an dem Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes für Verteidigung auszugeben. US-Präsident Donald Trump hatte die Deutschen in der Vergangenheit immer wieder dazu gedrängt, das auch umzusetzen.

Die Synode beschloss außerdem, junge Menschen stärker an ihren Entscheidungen zu beteiligen. Mindestens 20 von 128 Synodalen - das sind rund 16 Prozent - dürfen in Zukunft zu Beginn ihrer Amtszeit nicht älter als 26 Jahre sein. Die Jungsynodalen erhalten das volle Antrags- und Stimmrecht und werden somit zu vollständigen Mitgliedern der Synode. Die mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossene Regelung gilt ab 2020 und somit für die nächste Amtsperiode der Synode, die 2021 beginnt und sechs Jahre dauert.

222-Millionen-Euro-Haushalt

Zudem verabschiedete die Synode den Haushalt für das Jahr 2020. Alle Delegierten stimmten dem Entwurf zu. Der Haushaltsplan sieht Aufwendungen in Höhe von 222,1 Millionen Euro vor und damit 4,5 Millionen Euro mehr als 2019. Der Etat sieht unter anderem 1,3 Millionen Euro zusätzlich für die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs vor. Der Haushaltsausschuss stellte mit Billigung der Synode zudem eine Million Euro als finanziellen Puffer zur Verfügung.

Im kommenden Jahr will sich die Synode angesichts der sinkenden Mitgliederzahl schwerpunktmäßig mit der Zukunft der evangelischen Kirche befassen. Eine von der EKD beauftragte Studie von Finanzwissenschaftlern der Universität Freiburg prognostiziert, dass sich die Zahl der Kirchenmitglieder bis 2060 gegenüber dem heutigen Niveau halbiert und sich das in ähnlichem Umfang auch auf die Einnahmen auswirken wird. Die EKD ist die Gemeinschaft der 20 evangelischen Landeskirchen mit derzeit rund 21,1 Millionen Protestanten. Die Synodentagung 2020 findet vom 8. bis 11. November in Berlin statt.



Beschlüsse der EKD-Synode

Mit einer Vielzahl von Beschlüssen sind am 13. November in Dresden die viertägigen Beratungen der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Ende gegangen. Ein Überblick über die wichtigsten Entscheidungen des Kirchenparlaments:

FRIEDENSETHIK: "Auf dem Weg zu einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens" war das Schwerpunktthema der EKD-Synode 2019. In einer Kundgebung stellte das Kirchenparlament die Bedeutung der Klimagerechtigkeit für den Frieden in der Welt in den Vordergrund. Die Kundgebung hält an dem Grundsatz der christlichen Friedensethik fest, zivilen und gewaltfreien Mitteln der Konfliktlösung den Vorrang zu geben vor militärischen Lösungen. Mit dem Dokument fordert die Synode die Bundesregierung auf, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben und die Klimaschutzziele aus dem Pariser Abkommen umzusetzen. Die Kundgebung wurde bei einer Gegenstimme angenommen.

BETEILIGUNG JUNGER MENSCHEN: In der Synode werden in Zukunft mehr junge Menschen sitzen. Die Delegierten des Kirchenparlaments beschlossen mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit, dass mindestens 20 von 128 Synodalen zu Beginn ihrer Amtszeit zwischen 18 und 26 Jahren alt sein müssen. Das entspricht einer Quote von rund 16 Prozent. Zudem erhalten die Jungsynodalen das volle Antrags- und Stimmrecht. Die Regelung gilt ab 2020 und somit für die nächste Amtsperiode der Synode, die 2021 beginnt und sechs Jahre dauert.

FINANZEN: Die Synode hat den EKD-Haushaltsplan für das nächste Jahr beschlossen. Der Haushalt sieht Aufwendungen in Höhe von 222,1 Millionen Euro vor und damit 4,5 Millionen Euro mehr als 2019. Für die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs sind im Etat 1,3 Millionen Euro eingeplant. Der Haushaltsausschuss stellt eine weitere Million Euro als finanziellen Puffer zur Verfügung. Mittelfristig stellt sich die evangelische Kirche auf eine abnehmende Finanzkraft ein.

MISSBRAUCH: Die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in Einrichtungen der evangelischen Kirche und der Diakonie war ein weiteres Schwerpunktthema der Synode in Dresden. Am Dienstagvormittag sprach zum ersten Mal eine Betroffene vor den Synodalen über ihre Erfahrungen. Die Synode würdigte am Mittwoch die bisherige Arbeit des Beauftragtenrats der EKD und die Fortschritte bei der Aufarbeitung wie etwa die Einrichtung der unabhängigen zentralen Anlaufstelle "help!" für Betroffene und deren Angehörige. Ungeklärt ist die Frage von Entschädigungsleistungen für Opfer sexuellen Missbrauchs. In einem einstimmig angenommen Antrag bat die Synode die 20 Landeskirchen, ein einheitliches transparentes Verfahren für materielle Leistungen zu entwickeln.

SEENOTRETTUNG: Die Synode befürwortet die Initiative des EKD-Rates, ein Schiff zur Seenotrettung ins Mittelmeer zu entsenden. Die Synodalen verabschiedeten bei vier Enthaltungen einstimmig einen Antrag, der den Rat auch auffordert, sich weiterhin gegenüber der Bundesregierung und den europäischen Institutionen für Seenotrettung und faire Asylverfahren einzusetzen. Im Haushalt der EKD ist für das Schiff kein Geld eingeplant, denn es soll ausschließlich aus Spenden finanziert werden. Am 3. Dezember startet eine Spendenaktion für das Schiff.

ASYLRECHT: In drei Beschlüssen äußerte sich das Kirchenparlament zu Fragen des Asylrechts. So wird die Einschränkung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte ebenso kritisiert wie eine restriktive Linie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bei der Überprüfung der Behördenentscheidungen zu Menschen im Kirchenasyl. An die EU ist der Appell gerichtet, die Schutzstandards in den Mitgliedsstaaten zu vereinheitlichen.

KLIMAPAKET: Schon in seinem Ratsbericht am Sonntag hatte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm Kritik am Klimapaket der Bundesregierung geäußert. Zum Abschluss der Beratungen verabschiedete die Synode eine Erklärung, in der es heißt, dass die Maßnahmen deutlich nachgebessert werden sollten, "damit das Klimaziel für 2020 so schnell wie möglich und alle weiteren Klimaziele sicher erreicht werden". Auch plädierte das Kirchenparlament dafür, den Ausbau erneuerbarer Energien zu forcieren.

DIGITALISIERUNG: Der EKD-Digitalexperte Christian Sterzik stellte der Synode ein Projekt der Evangelischen Kirche im Rheinland vor, mit dem die Auffindbarkeit von Kirchen im Internet verbessert werden soll. Häufig werden Nutzern von Suchmaschinen und Sprachassistenten wie Alexa nur unzureichende Informationen zu den Angeboten einer nächstgelegenen Gemeinde gegeben. Das soll mit dem Digitalprojekt anders werden. Die Synodalen baten den Rat der EKD, das Projekt aus dem Rheinland auf alle Landeskirchen auszudehnen.

DEMOKRATIE LEBEN: Die Synode kritisiert in einem Beschluss, dass das Bundesprogramm "Demokratie leben!" dahingehend zugunsten kommunaler Modellprojekte verändert wurde, dass bundesweite Träger mit einem Rückgang der Fördermittel um rund die Hälfte zu rechnen hätten.

SYNODE 2020: Bei der Synodentagung im nächsten Jahr soll über die evangelische Kirche im Umbruch beraten werden. Im Mittelpunkt steht die Frage, auf welche Aufgaben sich Kirche angesichts sinkender Mitgliederzahlen und Einnahmen in den nächsten Jahren konzentrieren soll. Eine von der EKD beauftragte Studie von Finanzwissenschaftlern der Universität in Freiburg prognostiziert, dass sich die Zahl der Kirchenmitglieder bis 2060 gegenüber dem heutigen Niveau halbiert und sich das in ähnlichem Umfang auch auf die Einnahmen auswirken wird. Die Synode findet vom 8. bis 11. November 2020 in Berlin statt.



Theologe Christian Stäblein übernimmt Berliner Bischofsamt


Gottesdienst zum Bischofswechsel in der Marienkirche (v.l.): Solange Wydmusch, Mitglied der EKBO-Kirchenleitung; Markus Dröge, Synodenpräses Sigrun Neuwerth und Christian Stäblein.
epd-bild/Christian Ditsch
Seit über einem halben Jahr steht fest, dass Stäblein Bischof Markus Dröge im Amt nachfolgt. Nun wurde der 52-Jährige in einem Festgottesdienst in sein neues Amt eingeführt.

Der neue Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, ist am 16. November mit einem Festgottesdienst in sein Amt eingeführt worden. In dem Gottesdienst in der Marienkirche in Berlin wurde zugleich sein Amtsvorgänger Markus Dröge in den Ruhestand verabschiedet. Zu der Feier waren rund 700 Gäste eingeladen, darunter neben zahlreichen Bischöfen anderer Landeskirchen und Gemeindemitgliedern auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD).

In seiner Predigt im Festgottesdienst rief Stäblein zu Gottvertrauen und zur Schaffung von Gerechtigkeit und Frieden im Kleinen wie im Großen auf. Der neue Berliner Bischof wandte sich zudem energisch gegen jede Form von Antisemitismus. Es dürfe nicht nachgelassen werden, "dagegen zu stehen, das laut zu machen, dass wir dagegen stehen". Es sei wichtig, gegen Angriffe mit Worten und Taten zu kämpfen.

"Gerechtigkeit und Frieden ohne Halt von Prignitz bis Görlitz bis Oderbruch, von ökumenisch bis weit über den eigenen Glauben" hinaus, seien das Ziel, betonte Stäblein: "Für eine Gesellschaft in Frieden, für Gerechtigkeit, auf die man sich verlassen kann."

"Lebenszugewandt"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, gratulierte Bischof Stäblein zum Amtsantritt und würdigte den 52-Jährigen in seinem Grußwort als "einen intellektuell tiefgängigen, lebenszugewandten und eine große Zuversicht ausstrahlenden Theologen", der alle Voraussetzungen dafür habe, seine Kirche in die Zukunft zu führen.

Zugleich würdigte der Ratsvorsitzende den 65-jährigen Amtsvorgänger Stäbleins. "Bei vielen Themen öffentlicher Theologie war Markus Dröge als Hauptstadtbischof eine starke und profilierte Stimme", betonte Bedford-Strohm. Dröge habe es geschafft, "mit der Kraft der Argumente rechtspopulistischen Strömungen und ihren Vertretungen immer wieder Paroli zu bieten".

Der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch dankte Dröge in seinem Grußwort für seinen "verlässlichen ökumenischen Einsatz". Bischof Stäblein wünschte er Mut, Zuversicht und Gelassenheit bei allen Herausforderungen.

"Kontinuität im besten Sinne"

Berlins Regierender Bürgermeister Müller betonte, Dröge habe viel für das Miteinander in der Stadt getan und sich klar gegen Menschenfeindlichkeit eingesetzt. Bischof Stäblein stehe mit seinem "unbedingten Einsatz gegen Antisemitismus, Rassismus" und andere Formen der Diskriminierung für "Kontinuität im besten Sinne". Brandenburgs Regierungschef Woidke sagte, die Landeskirche und ihre Bischöfe seien "verlässliche Verbündete im Kampf für Menschlichkeit und Miteinander" und stünden für Werte, die "für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind".

An den Feierlichkeiten nahmen auch die Frauenrechtlerin und muslimische Imamin Seyran Ates, der Rabbiner Andreas Nachama, der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, und die Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität, Sabine Kunst, teil.

Die Spenden der Kollekte im Gottesdienst wurden für medizinische Notfälle im Kirchenasyl gesammelt. Damit solle der Grundstock für einen Fonds zur finanziellen Unterstützung solcher Fälle angelegt werden, hieß es.



Zwischen Ratlosigkeit und Neuanfang


Ex-Bischof Rentzing wurde mit einem Gottesdienst aus dem Amt verabschiedet.
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Nach dem Bischofsrücktritt ringt die sächsische Synode um gemeinsame Positionen. Sie will auch eine neue Kultur der Kommunikation. Kritik gibt es an Petitionen.

Sie wollen eine faire Kommunikation. Darin sind sich die Synodalen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens wohl alle einig. Welche Wege dahin führen könnten, darüber hat sich das Kirchenparlament am Wochenende auf seiner Tagung in Dresden ausgetauscht. Der Rücktritt des sächsischen Landesbischofs Carsten Rentzing sei auch ein kommunikatives Problem, heißt es.

Rentzing hatte sein Amt am 11. Oktober zur Verfügung gestellt. Kurz darauf war bekanntgeworden, dass er während seiner Studienzeit antidemokratische Texte verfasst hatte. Das Landeskirchenamt stufte diese als "elitär, in Teilen nationalistisch und demokratiefeindlich" ein. Bei seiner Verabschiedung am 15. November in Dresden distanzierte sich Rentzing von den Texten erstmals öffentlich.

Guse: Blick nach vorn richten

Verschwiegen hatte der als streng konservativ geltende Theologe auch die als Student eingegangene Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung. In einer Online-Petition war der Landesbischof aufgefordert worden, sich "von allen nationalen, antidemokratischen und menschenfeindlichen Ideologien" klar zu distanzieren. Hintergrund war auch ein Vortrag von 2013, den der Theologe in der Berliner "Bibliothek des Konservatismus" hielt, die dem Umfeld der Neuen Rechten zugerechnet wird. Eine zweite Petition sprach sich nach der Rücktrittankündigung von Rentzing dafür aus, dass er im Amt bleibt.

Synodalpräsident Otto Guse appellierte an das Kirchenparlament, den Blick nun nach vorn zu richten. Etliche Synodale machten deutlich, dass Petitionen gegen Personen für sie kein Weg seien, Kontroversen zu klären. Sie seien "für die Zukunft kein Umgang unter uns, das sollten wir deutlich formulieren", sagte etwa der Synodale Christoph Apitz aus Plauen. Er wolle die "wirklichen Probleme benennen" und "nicht den Deckel darüber machen". Apitz sprach sich dagegen aus, "dass wir die Texte so rundlutschen, dass sie bei einer Abstimmung durchgehen, aber von außen als nichtssagend wahrgenommen werden".

Der Vorsitzende des sozial-ethischen Ausschusses der Synode, Gert Liebert, formulierte moderater: "Es muss sich auch darauf verständigt werden, was zur sächsischen Landeskirche nicht passt." Man müsse neben dem Glaubensbekenntnis eine gemeinsame Grundlage für die Kommunikation finden, "wenn wir gefühlte Gräben in der Landeskirche ausgleichen wollen, wenn wir nicht zurückfallen wollen". Jeder Einzelne müsse sich dafür ein Stück zurücknehmen. "Wir müssen uns aber auch klarwerden, wo Unterschiede herkommen", sagte Liebert.

"Gewisse Ratlosigkeit"

Der Superintendent im Leipziger Land, Jochen Kinder, mahnte: "Wir sollten ehrlich miteinander reden." Wenn sich derzeit "eine gewisse Ratlosigkeit breit macht", dann solle dem auch Ausdruck verliehen werden. "Dann ist derzeit nicht mehr möglich", sagte er.

Klar wurde in der Debatte auch, dass es ohne Rückblick auf die vergangenen Schock-Wochen nicht geht. "Es ist kein Normalvorgang, dass ein Bischof zurückgetreten ist", betonte der Leipziger Synodale Till Vosberg. Wenn die Landessynode danach etwas sage, solle sie sich auch auf das Ereignis beziehen.

Die 80 Synodalen wollen sich positionieren. Einen ganzen Abend lang rangen sie um eine Erklärung, über die idealerweise zum Abschluss der Tagung abgestimmt werden soll. Zwei Entwürfe liegen vor. Dabei sitzt ihnen die Zeit im Nacken. Es ist immerhin die letzte reguläre Tagung der fünfjährigen Legislaturperiode. Im Sommer tritt eine neue Synode zusammen.

Eine Arbeitsgruppe im Landeskirchenamt soll eingerichtet werden, die den Kommunikationsprozess nach dem Bischofsrücktritt begleitet. Am 18. November wollte die Synode auch darüber abstimmen. Die Projektgruppe solle sich zum Beispiel auch über Petitionen verständigen und der nächsten Landessynode ihre Ergebnisse vorlegen.

Von Katharina Rögner (epd)


Bischof Kramer: Keine Verzagtheit trotz Mitgliederschwund


Friedrich Kramer
epd-bild/Matthias Rietschel

Sinkende Mitgliederzahlen dürfen nach Überzeugung des neuen Landesbischofs der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland nicht zu Verzagtheit und Verdruss führen. Es habe etwas Lähmendes, wenn man nur auf den demografisch bedingten Mitgliederschwund schaue, sagte Bischof Friedrich Kramer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Leitende Geistliche der evangelischen Kirche in Sachsen-Anhalt und Thüringen fügte hinzu: "Es kommt vielmehr darauf an, dass wir lebendige Gottesdienste und eine gute Seelsorge machen, dass man merkt, dass Kirche was zu sagen hat." Dies hänge "nicht von Zahlen ab".

Spezialisierung der Gemeinden

Allerdings stehe seine Kirche vor der Aufgabe, Strukturen anzupassen. Dabei sprach sich Kramer für Flexibilität und Erprobungsräume aus: "Wenn wir Strukturanpassungen weiterhin machen auf der Basis Pfarrer und Gemeinde, würde das einen enormen und letztlich sinnlosen Kraftaufwand bedeuten." Er glaube, dass der künftige Weg über stärkere Spezialisierungen der Gemeinden führt. Kramer sagte: "Nach einer aktuellen Studie brennen Pfarrer nicht aus, weil sie zu viel arbeiten, sondern zu vieles." Dies sei letztlich eine Überforderung und führe zu Frust.

Seine Vision für die Landeskirche in zehn Jahren sei, dass diese dann noch eine halbe Million Mitglieder habe. Aktuell sind es noch rund 700.000 Mitglieder. Zweitens hoffe er, dass alle Kirchen erhalten werden können: "Wir sind hier Sachverwalter eines grandiosen Erbes im mitteldeutschen Raum." Die gesellschaftliche Relevanz von Kirche werde in Zeiten der Polarisierung und des Auseinanderfallens zunehmen, weil es Orientierung in der Gesellschaft brauche.

epd-Gespräch: Dirk Löhr und Jens Büttner


Scheidende Regionalbischöfin: "Tätige Nächstenliebe statt Superethik"


Susanne Breit-Keßler und Heinrich Bedford-Strohm.
epd-bild/elkb/Christian Topp

Die Münchner Regionalbischöfin, Susanne Breit-Keßler, hat bei ihrem Abschied aus dem Amt konkrete Hilfe statt "Superethik" angemahnt. Sich um Arme, Fremde, Kranke, Sterbende und Gefangene zu kümmern, müsse in einer Familie selbstverständlich sein, "auch in einer weltweiten", sagte die Theologin laut Redemanuskript am 17. November in der Münchner Lukaskirche, wo sie in den Ruhestand verabschiedet wurde. Zugleich forderte die 65-Jährige Bescheidenheit: Niemand müsse sein Handeln zu einer Art "Superethik" stilisieren, mit der er anderen "als moralischer Besserwisser auf dem Kopf herumtanzt".

In ihrer Abschiedspredigt benannte Breit-Keßler noch einmal Herzensanliegen wie den globalen fairen Handel, dem sie sich als Botschafterin des Textilsiegels "Grüner Knopf" verschrieben hat, oder den öffentlichen Widerstand gegen "den elenden Antisemitismus von links und rechts".

Empfang mit Söder und Bedford-Strohm

Auch einen Auftrag formulierte die ständige Vertreterin des Landesbischofs: "Die Bitte um Vergebung, wo homosexuelle Menschen in der Kirche Ausgrenzung und Verachtung erfahren haben - das muss noch kommen." Dazu sei tatkräftige Aufklärungsarbeit nötig, denn nur dann werde diese Bitte auch glaubwürdig.

Im Anschluss an den Gottesdienst gab es einen Empfang in der Synagoge am Jakobsplatz, zu dem auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, erwartet wurden.

Susanne Breit-Keßler repräsentierte 18 Jahre als Regionalbischöfin den Kirchenkreis München-Oberbayern mit 150 evangelischen Gemeinden und rund 500.000 Protestanten. Am 30. November geht sie in Ruhestand. Ihr Nachfolger ist der bisherige Nürnberger Dekan Christian Kopp.



Mehr Bundesmittel für Potsdamer Garnisonkirchturm

Seit zwei Jahren wird am neuen Potsdamer Garnisonkirchturm gebaut. Nun hat der Haushaltsausschuss im Bundestag weitere Fördermittel dafür beschlossen. Die Baustiftung freut sich, von den Gegnern kommt Kritik.

Für den Wiederaufbau des Potsdamer Garnisonkirchturms sollen nun mehr als 20 Millionen Euro Bundesmittel bereitgestellt werden. Zusätzlich zur Erhöhung der Bundesförderung von 12 auf 20,25 Millionen Euro habe der Haushaltsausschuss in seiner jüngsten Sitzung auch 750.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie über den Wiederaufbau des Kirchenschiffs beschlossen, teilte der Haushaltsausschuss dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage am 15. November in Berlin mit. Für die Errichtung des Kirchturms hat die Baustiftung bisher rund 40 Millionen Euro veranschlagt.

Die Garnisonkirchenstiftung begrüßte die Entscheidung. Der Beschluss über zusätzliche Bundesmittel sei "richtig großartig", sagte Vorstand Peter Leinemann dem epd am Freitag in Potsdam: "Das ist ein großer Schritt auf die vollständige Vollendung des Turms hin." Die noch fehlenden drei bis vier Millionen Euro müssten nun aus Spenden finanziert werden. Die Stiftung konzentriere sich derzeit weiter auf den Turm, sagte Leinemann zu den Geldern für die Machbarkeitsstudie: "Aber wir freuen uns natürlich, wenn der Bund Mittel zur Verfügung stellt, um substanzielle Voruntersuchungen für ein Gebäude auf dem Grundstück des ehemaligen Kirchenschiffs anzustellen."

Kritik von Linkspartei

Neben der bereits angekündigten Aufstockung der Bundesförderung von 12 auf 18 Millionen Euro habe der Haushaltsausschuss eine sogenannte Verpflichtungsermächtigung ab 2021 über weitere 2,25 Millionen Euro für Mehrbedarf beschlossen, bestätigte das Büro der CDU-Bundestagsabgeordneten Patricia Lips in Berlin. Eine weitere Verpflichtungsermächtigung sei für die Machbarkeitsstudie für das Kirchenschiff beschlossen worden, hieß es in der Ausschussverwaltung.

Von der Linken im Bundestag kam scharfe Kritik. Mit der Erhöhung um 8,25 Millionen Euro werde die staatliche Förderung für den Wiederaufbau des Garnisonkirchturms nahezu verdoppelt, erklärte die Linken-Obfrau im Haushaltsausschuss, Gesine Lötzsch. Statt "unverfroren immer mehr Geld vom Staat" zu nehmen, sollte die Baustiftung besser "den Potsdamer Geldadel um mehr Spendenmittel" bitten. Lötzsch kritisierte zudem, dass die Garnisonkirche ein "Wallfahrtsort für die extreme Rechte" gewesen sei und dennoch gefördert wird.

Abriss 1968

Auch von den Grünen im Bundestag kam Kritik. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Erhard Grundl erklärte, die Bewilligung weiterer Mittel in Millionenhöhe für die Garnisonkirche sei "ein großer Fehler". Der Wiederaufbau sei ein "geschichtsrevisionistisches" Projekt. Grüne und Linke hatten bereits zur Bundestagssitzung vom 26. September erfolglos Anträge gegen die weitere Auszahlung von Bundesmitteln für den Garnisonkirchturm eingebracht.

Die Garnisonkirche wurde 1945 im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört und 1968 in der DDR abgerissen. Der Wiederaufbau ist vor allem wegen der Geschichte der preußischen Militärkirche umstritten. Kritiker sehen das Bauwerk als Symbol des preußischen Militarismus und des NS-Regimes. Befürworter des Wiederaufbaus betonen vor allem die Bedeutung der Barockkirche für das Stadtbild. Die evangelische Kirche will den neuen Garnisonkirchturm für Friedens- und Versöhnungsarbeit nutzen.



Im Sarkophag lag Erkanbald


Öffnung des Sarkophags in der Johanniskirche im Juni dieses Jahres.
epd-bild/Andrea Enderlein
Wissenschaftler sind sich jetzt sicher: Die evangelische Johanniskirche war vor über 1.000 Jahren der Dom von Mainz. Der Tote aus einem Sarkophag im Kirchenschiff konnte als Erzbischof Erkanbald identifiziert werden.

Den Schlüssel zur Lösung des Rätsels brachten letztlich wohl einige dunkle Wollreste, auf denen sich kreuzförmige Verzierungen abzeichneten. Fünf Monate nach der medienwirksam inszenierten Sarkophag-Öffnung in der evangelischen Mainzer Johanniskirche steht jetzt fest: In dem Grab befand sich tatsächlich der 1021 verstorbene Mainzer Erzbischof Erkanbald. "Er ist es, um es kurz zusammenzufassen", leitet der evangelische Mainzer Dekan Andreas Klodt die Vorstellung des Forschungsberichts ein. Damit kann auch aus wissenschaftlicher Sicht als erwiesen gelten, dass St. Johannis bis ins 11. Jahrhundert hinein die Kathedrale der damals mächtigen Stadt Mainz war.

Der Sarkophag war bereits 2017 im Zuge archäologischer Grabungen mitten im Kirchenschiff entdeckt worden. Die verantwortlichen Wissenschaftler wollten unbedingt klären, wer darin bestattet wurde. Von Anfang an vertraten sie die These, es könnte sich um Erkanbald gehandelt haben. Doch die Sargöffnung im Juni brachte zunächst keine Klärung. In dem Grab waren, anders als erhofft, weder ein Bischofsring noch eine Inschriftentafel gefunden worden, die den Namen des Toten hätten preisgeben können. Und die aufgefundenen Überreste waren durch Ätzkalk fast vollständig zersetzt - eine Boulevardzeitung schrieb in dem Zusammenhang bereits vom Mainzer "Bröselbischof".

"Indizienprozess"

"Wir sind mitten in einem Indizienprozess, wo kleine Mosaiksteinchen das Ganze bilden", erklärt Forschungsleiter Guido Faccani. Der Schweizer Archäologe betont, dass noch immer nicht alle Untersuchungen abgeschlossen seien. Dennoch ließen die Funde keine andere Erklärung zu, als dass es sich tatsächlich um den Erzbischof aus dem 11. Jahrhundert handelt. So konnte die Konstanzer Anthropologin Carola Berszin einige Knochenreste genauer untersuchen. Ihren Erkenntnissen zufolge starb der in dem Sarkophag bestattete Mann im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Zuletzt habe er an Wohlstandskrankheiten wie Fußgicht gelitten.

Entscheidend für die Lösung des archäologischen Rätsels waren jedoch Analysen der Textilreste. Neben recht gut erhaltenen feinen Ziegenlederschuhen, wie sie auch andere Bischöfe im Mittelalter trugen, stießen die Forscher auf Reste eines sogenannten Palliums - eines vom Papst verliehenen Stoffbandes, das Erzbischöfe über ihren Gewändern trugen. Bereits am Tag der Sarkophag-Öffnung seien die Forscher darauf aufmerksam geworden, räumte Faccani ein. Sie hätten ihre Vermutung aber zunächst nicht öffentlich gemacht. "Eine erste Beobachtung muss bestätigt und abgesichert werden", sagte der Forscher. "Das ist nicht Bosheit, sondern wissenschaftlich korrekt."

Königskrönung 1002 in Johanniskirche

Weil die Bestattungsorte der Vorgänger und Nachfolger Erkanbalds bekannt sind, gibt es aus jener Epoche keinen anderen Würdenträger, der für eine Bestattung im damaligen Dom infrage kommt. Von Erkanbald wird zudem berichtet, dass er in seiner eigenen Bischofskirche bestattet wurde. Für die Stadt Mainz bringt der Forschungsbericht die Gewissheit, dass viele historische Ereignisse wie die Königskrönung von Heinrich II. im Jahr 1002 sich in der heute evangelischen Johanniskirche abspielten. Auch zu Zeiten des legendären Mainzer Bischofs Bonifatius, bekannt als "Apostel der Deutschen", war die heutige Johanniskirche im 8. Jahrhundert wohl schon Zentrum des Mainzer Bistums.

Die evangelische Kirche überlegt nach wie vor, wie sie die wohl älteste Bischofskirche nördlich der Alpen künftig nutzen will, die bislang stets im Schatten des nahe gelegenen Mainzer Martinsdoms stand. "Das ist ein Ort, der Geschichte atmet, und das soll er auch weiterhin tun", stellt Dekan Klodt klar. Überlegt werde, St. Johannis als übergemeindlichen Veranstaltungsort aufzuwerten. In jedem Fall sei die Situation der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ganz und gar ungewöhnlich: "Zwei Dome in direkter Nachbarschaft - das soll den Mainzern erst einmal einer nachmachen."

Von Karsten Packeiser (epd)


Hilfswerke und Diözesen starten Kampagne zum Thema Frieden

Die katholischen Hilfswerke und Diözesen widmen sich im Kirchenjahr 2020 der Friedensarbeit. Unter dem Motto "Frieden leben. Partner für die Eine Welt" wollen sie ein Zeichen für Frieden, Versöhnung, Weltoffenheit und interreligiösen Dialog setzen, wie das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat am 17. November in Essen ankündigte. An der Aktion beteiligen sich neben der Konferenz der Diözesanverantwortlichen Weltkirche auch das Kindermissionswerk Die Sternsinger, Misereor, Renovabis sowie Missio Aachen und München.

Das Aktionsjahr beginnt am 1. Advent (1. Dezember) mit der Adveniat-Eröffnung in Freiburg und endet mit dem Weltmissionssonntag im Oktober 2020 in Mainz und Passau. Begleitet wird das Jahresthema durch das "Friedenskreuz 2020" des Eichstätter Bildhauers Raphael Graf, das durch Deutschland unterwegs sein wird, wie Adveniat ankündigte. Während der Jahresaktionen berichten Projektpartner der Hilfsorganisationen in den 27 deutschen Diözesen von ihrer Friedensarbeit in der ganzen Welt. Die Helfer stünden etwa in Afrika, Lateinamerika oder Ozeanien den Menschen zur Seite, die den Folgen von Gewalt, staatlicher Willkür, gesellschaftlichen Konflikten oder den Folgen des Klimawandels ausgesetzt seien.



Missbrauch: Priester nach Verurteilung noch jahrelang im Einsatz

Trotz zweimaliger Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs ist ein Priester des Erzbistums Köln jahrzehntelang weiter seelsorgerisch tätig gewesen. Der Interventionsbeauftragte des Bistums Münsters, Peter Frings, sei im Mai auf den Fall aufmerksam geworden, teilten die Bistümer Münster und Essen am 12. November gemeinsam mit dem Erzbistum Köln mit. Der heute 85-jährige Priester wurde den Angaben zufolge bereits 1972 wegen "fortgesetzter Unzucht mit Kindern und Abhängigen" zu einer Haftstrafe und 1988 wegen sexueller Handlungen an Minderjährigen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Nach der Bewährungsstrafe arbeitete der Mann den Angaben nach von 1989 bis 2002 als Altenheimseelsorger in Köln und in seinem Ruhestand bis 2015 als Ruhestandsgeistlicher. "Dieser Fall wirft in besonders bedrückender Weise Fragen auf, die gründlich aufgearbeitet werden müssen", sagte der Interventionsbeauftragte des Erzbistums Köln, Oliver Vogt.

Akten an Kanzlei übergeben

Das Erzbistum hat das gesamte Aktenmaterial zu dem Fall nach eigenen Angaben einer Anwaltskanzlei in München übergeben. Die Juristen sollen prüfen, welche Verantwortlichen worüber informiert waren und wer für die Entscheidungen über einen weiteren seelsorgerischen Einsatz verantwortlich ist. Die genauen Untersuchungsergebnisse sollen im Frühjahr 2020 vorgestellt werden.

Man könne nicht ausschließen, dass es in allen drei Diözesen weitere Betroffene gibt, sagte Vogt. Er rief dazu auf, alle Vorfälle bei einer der beauftragten, externen Ansprechpersonen in den Diözesen melden. Die Akten aus den Bistümern seien teilweise sehr lückenhaft. Der Priester war den Bistümern zufolge seit 1960 in Köln Weidenpesch, Köln Porz, Essen-Kettwig, Bocholt/Lowick, in Münster, Recklinghausen, Moers-Asberg, im Kölner Clarenbachwerk und als Ruhestandsgeistlicher in Bochum Wattenscheid tätig.



Missbrauchsurteil: Gericht lässt Berufung von Kardinal Pell zu

Das Oberste Gericht von Australien hat am 13. November den Berufungsantrag des wegen Missbrauchs Minderjähriger verurteilten Kardinals George Pell zugelassen. Der High Court in Canberra werde voraussichtlich Anfang kommenden Jahres über den Fall entscheiden, berichtete die Tageszeitung "Sydney Morning Herald" (Online).

Der frühere Finanzchef des Vatikans hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe stets zurückgewiesen. Ein Berufungsgericht in Melbourne hatte einen früheren Antrag des ehemaligen Präfekten des vatikanischen Wirtschaftssekretariats auf Berufung im August abgelehnt.

Pell war im Dezember von einem Geschworenengericht wegen Missbrauchs zweier Jungen schuldig gesprochen und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Seit Februar sitzt er in Haft. Der Missbrauch an zwei Chorknaben im Alter von zwölf und 13 Jahren soll sich in Pells Zeit als Erzbischof von Melbourne Ende der 1990er Jahre ereignet haben.



USA: José Gomez neuer Vorsitzender der katholischen Bischöfe

Die römisch-katholischen Bischöfe der USA haben am 12. November erstmals einen Latino zum Vorsitzenden ihrer Bischofskonferenz gewählt. Die Bischöfe stimmten Medienberichten zufolge bei ihrer Tagung in Baltimore (US-Staat Maryland) mit überwältigender Mehrheit für Erzbischof José Gomez aus Los Angeles. Der 67-Jährige war bislang stellvertretender Vorsitzender.

Der in Monterrey in Mexiko gebürtige Gomez hat unmittelbar vor seiner Wahl zu Einwanderungsfragen Stellung bezogen. Junge Migranten sollten nicht mit der Drohung einer Abschiebung leben müssen, sagte Gomez laut "New York Times". Derzeit berät das Oberste US-Gericht über das Schicksal von Hunderttausenden jungen Migranten, die als Kinder ohne gültige Papiere eingereist sind. Präsident Donald Trump will ein Schutzprogramm für diese Gruppe kippen. Etwa 40 Prozent der Katholiken in den USA sind Latinos.




Gesellschaft

Nach Halle: Jüdische Einrichtungen stärker geschützt


Polizeiwagen vor der Synagoge in Halle, zwei Tage nach dem Anschlag.
epd-bild/Steffen Schellhorn
Rund fünfeinhalb Wochen nach dem Anschlag in Halle ist der Schutz von Synagogen und jüdischen Einrichtungen in fast allen Bundesländern erhöht worden. Der Präsident des Zentralrats der Juden nennt den Schritt "überfällig".

Die Polizei hat nach dem antisemitischen Anschlag in Halle in fast allen Bundesländern den Schutz von Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen verstärkt. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Innenministerien der Länder ergab, wurde teilweise die Polizeipräsenz vor Synagogen erhöht. Die Gespräche mit jüdischen Gemeinden vor Ort wurden intensiviert. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nannte den verstärkten Schutz jüdischer Einrichtungen "überfällig".

Baulich-technische Sicherheitsmaßnahmen für Synagogen und Gemeindehäuser sind laut epd-Umfrage zudem in vielen Bundesländern auf Aktualität und erforderliche Anpassungen überprüft worden. Alle Ministerien verwiesen jedoch darauf, dass sie aus polizeitaktischen Gründen keine konkreten Angaben über Art und Umfang der Schutzmaßnahmen machen könnten, etwa zur Zahl der Polizisten im Einsatz. Nach einer bundesweit einheitlichen Dienstvorschrift unterliegen alle Maßnahmen des Personen- und Objektschutzes der Geheimhaltung.

Regelmäßige Überprüfungen

In Sachsen-Anhalt, wo der Anschlag stattfand und Kritik laut wurde, dass die Synagoge in Halle nicht unter Polizeischutz stand, sind die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt worden. In den vergangenen Wochen hätten außerdem intensive Gespräche mit den jüdischen Gemeinden stattgefunden, hieß es.

Zentralratspräsident Schuster reagierte erfreut auf den verstärkten Schutz jüdischer Einrichtungen, kritisierte den Schritt aber zugleich als verspätet. "In Halle hat sich der fehlende Polizeischutz an der Synagoge bitter gerächt", sagte Schuster dem epd. Für den Zentralrat ist laut Schuster künftig die Nachhaltigkeit der Maßnahmen und deren Finanzierung entscheidend. "Daher werden wir gemeinsam mit unseren Gemeinden in regelmäßigen Abständen überprüfen, wie es um den Schutz bestellt ist", sagte er. "Wo Nachbesserungen notwendig sind, werden wir das anmahnen."

Die Maßnahmen zum Schutz jüdischer Einrichtungen werden laut epd-Umfrage unter anderem in den Bundesländern in Berlin, Thüringen, Saarland, Bremen, Hamburg und Baden-Württemberg regelmäßig überprüft sowie aktualisiert. Die Schutzmaßnahmen reichen beispielsweise in Berlin und Nordrhein-Westfalen bis zu einem sichtbaren Schutz rund um die Uhr mit Polizisten vor Ort.

Zusätzliches Geld

In einigen Ländern wie Berlin, Rheinland-Pfalz, Bayern, Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern standen Synagogen und jüdische Einrichtungen laut Umfrage bereits vor dem Anschlag im besonderen Fokus der Sicherheitsbehörden. In Berlin sei der Schutz jüdischer Einrichtungen permanent "auf hohem Niveau", hieß es. In Bayern sei die grundsätzliche Linie der Polizei schon vor dem Anschlag gewesen, dass Synagogen während der Gebetszeiten und bei öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen mit einem Standposten durch Polizeibeamte geschützt werden.

In Hessen haben die Regierungsfraktionen CDU und Grüne zudem angekündigt, die Mittel für den Schutz jüdischer Einrichtungen im Haushalt für das kommende Jahr um 5,5 Millionen Euro zu erhöhen. Auch in Niedersachsen will sich der Kultusminister für weitere Gelder einsetzen.

Bei dem Anschlag in Halle am 9. Oktober hatte ein schwer bewaffneter Mann zwei Menschen erschossen und auf der Flucht zwei weitere schwer verletzt. Der Täter hatte zuvor erfolglos versucht, in die Synagoge einzudringen. Der 27-Jährige handelte nach eigener Aussage aus antisemitischen und rechtsextremistischen Motiven. Nach Einschätzung der Behörden wollte er in der Synagoge ein Blutbad anrichten.



Beauftragter Klein fordert Meldesystem für antisemitische Vorfälle


Felix Klein
epd-bild/Christian Ditsch
Vor fünf Wochen wollte ein schwer bewaffneter Täter in Halle eine Synagoge stürmen. Er tötete zwei Menschen. Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein spricht von einer Zäsur und fordert mehr Rechtsmittel gegen Judenfeindlichkeit.

Ein dezentrales bundesweites Meldesystem soll nach Willen des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, künftig mehr Erkenntnisse für den Kampf gegen Judenfeindlichkeit liefern. "Wir haben es heute mit einem neuen, neu erstarkten Antisemitismus zu tun", sagte er am 13. November in Berlin. Daher müssten überall in Deutschland Strukturen geschaffen werden, um solche Vorfälle zu dokumentieren und Betroffenen zu helfen. Als Vorbild nannte Klein die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin). Hass auf Juden könne besser bekämpft werden, wenn er durch zusätzliche Daten erst mal sichtbarer gemacht werde.

Es bedürfe in Deutschland einer Kultur der staatlichen und gesellschaftlichen Sanktionierung von Antisemitismus, fügte der Beauftragte für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus hinzu, der seit Mai 2018 im Amt ist. Er verwies auf den Anschlag Anfang Oktober in Halle. Diese Tat sei ein "Einschnitt", nach dem die antisemitische Bedrohung von niemandem mehr ignoriert werden könne. Zwei Menschen seien getötet worden und die jüdische Gemeinschaft nur haarscharf einem Massaker entgangen. Bei dem antisemitisch motivierten Anschlag hatte der schwer bewaffnete Täter am 9. Oktober vergeblich versucht, während eines Gottesdienstes in die Synagoge zu gelangen.

Kritik an EuGH-Urteil

Klein beklagte, dass Juden heute wieder auf offener Straße beschimpft, bespuckt und bedroht würden, in sozialen Medien werde völlig enthemmt gegen sie agitiert. Er setzt sich daher dafür ein, dass im Strafgesetzbuch der Paragraf 46 um antisemitische Motivationen erweitert wird. Der Paragraf gebe Richtern die Möglichkeit, Straftaten besonders scharf zu ahnden, wenn diese aus politischem Hass begangen würden. Bisher werden in den "Grundsätzen der Strafzumessung" lediglich "rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende" Beweggründe explizit genannt.

Kritik übte der Antisemitismusbeauftragte an dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten. "Das Urteil ist ein klassischer Fall für doppelten Standard. Israel wird anders behandelt als andere Nationen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Ihm jedenfalls seien keine Bemühungen der EU bekannt zur Kennzeichnung von Produkten aus anderen umstrittenen Gebieten, etwa von der Krim oder aus der Westsahara. Das höchste europäische Gericht hatte am Dienstag geurteilt, dass es gegen EU-Recht verstoße, wenn die Lebensmittel lediglich die Herkunftsangabe "Israel" aufweisen, da die 1967 besetzten Gebiete völkerrechtlich nicht zum Staat Israel gehörten.

Jüdisch-muslimisches Dialogprojekt

Am 12. November hatte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) indes mit Vertretern jüdischer Gemeinden getroffen, um sich über Sicherheitsfragen auszutauschen. Bei dem Treffen sei vereinbart worden, künftig regelmäßig an einem Runden Tisch über den Schutz jüdischer Einrichtungen zu beraten, teilte das Innenministerium im Anschluss mit. "Für ein lebendiges und unbeschwertes jüdisches Leben in Deutschland müssen Staat und Gesellschaft noch enger zusammenwirken", stellte der Minister demnach fest.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland zog derweil eine positive Zwischenbilanz eines jüdisch-muslimischen Dialogprojekts. Unter dem Titel "Schalom Aleikum" würden seit gut sechs Monaten Gesprächsrunden zwischen jüdischen und muslimischen Vertretern der Zivilgesellschaft veranstaltet, die gemeinsam über konkret bestehende Vorurteile diskutieren, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster in Berlin. Es handle sich um das erste bundesweite Projekt dieser Art. Bislang gab es im Rahmen von "Schalom Aleikum" Veranstaltungen mit insgesamt fast 150 Teilnehmern in Berlin, Würzburg, Leipzig und Osnabrück.



Bundestag: AfD-Politiker Brandner als Ausschussvorsitzender abgewählt

Der Rechtsausschuss des Bundestags hat seinen Vorsitzenden, den AfD-Politiker Stephan Brandner, abgewählt. Die Ausschussmitglieder aller Fraktionen außer der AfD stimmten am 13. November zu Beginn ihrer Sitzung einem Abberufungsantrag zu, wie der Bundestag in Berlin mitteilte.

Die Obleute von Union, SPD, FDP, Linken und Grünen im Rechtsausschuss hatten Ende vergangener Woche die Abwahl Brandners beschlossen. Vorausgegangen war eine Entscheidung des Geschäftsordnungsausschusses des Bundestags, wonach die Geschäftsordnung des Parlaments die Abberufung eines Ausschussvorsitzenden zulässt. Brandner ist in der 70-jährigen Geschichte des Bundestages der erste Ausschussvorsitzende, der abgewählt wird. Die AfD-Fraktion hatte sich zuvor geweigert, Brandner von dem Posten zurückzuziehen.

Tweets zu Halle und Lindenberg

Der AfD-Abgeordnete hatte nach dem rechtsextremistischen Anschlag mit zwei Toten in Halle einen Tweet geteilt, in dem zwischen "deutschen" Opfern und denen in Moscheen und Synagogen unterschieden wurde. Zuletzt hatte er behauptet, der Rocksänger Udo Lindenberg habe das Bundesverdienstkreuz zum Lohn für seine Kritik an der AfD bekommen und hatte dies bei Twitter mit dem Hashtag "Judaslohn" versehen.

Die übrigen Fraktionen im Ausschuss erklärten, die Zusammenarbeit mit Brandner sei durch dessen Äußerungen und seine fehlende Bereitschaft zur Mäßigung belastet. Er lasse keine Einsicht erkennen und sei für das Amt des Vorsitzenden des Rechtsausschusses ungeeignet.



Israels Botschafter kritisiert EuGH-Urteil zu Kennzeichnungspflicht

Der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten scharf kritisiert. Die Entscheidung hebe Israel aus anderen umstrittenen territorialen Konflikten hervor und trage nicht zu einer ausgehandelten politischen Lösung bei, sagte Issacharoff der Zeitung "Die Welt" (13. November). Das Urteile diene "lediglich als Instrument in der politischen Kampagne gegen Israel". "Wir fordern Deutschland auf, diese fehlerhafte Entscheidung nicht umzusetzen", sagte Issacharoff.

Das höchste europäische Gericht hatte geurteilt, dass Produkte aus den besetzten Gebieten in allen EU-Ländern als solche gekennzeichnet werden müssen. Es verstoße gegen EU-Recht, wenn die Lebensmittel lediglich die Herkunftsangabe "Israel" aufweisen, erklärten die Richter in Luxemburg. Da die 1967 besetzten Gebiete völkerrechtlich nicht zum Staat Israel gehörten, müsse als Herkunftsangabe daher die jeweilige Region und, wenn die Waren dort aus einer israelischen Siedlung kommen, auch der Herkunftsort genannt werden.



Volkstrauertag: Mutiges Eintreten gegen Rechtspopulismus gefordert


Kriegsgräber auf dem Südfriedhof in Köln
epd-bild / Jörn Neumann
Zum Volkstrauertag spricht der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge Wolfgang Schneiderhan über aufkeimenden Rechtspopulismus in Deutschland - und warnt vor einer Revision der Geschichte.

Der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Schneiderhan, hat die deutsche Bevölkerung dazu aufgerufen, sich Rechtspopulisten mutig entgegenzustellen. "Wir erleben in unserem Land gerade wieder, dass aus Hasspropaganda Hass und aus Hass Mord wird", sagte der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr am 17. November bei der zentralen Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag im Bundestag. Es müssten nicht nur die Straftäter verurteilt, sondern auch den geistigen Brandstiftern entgegengetreten werden. Im Mittelpunkt der Gedenkfeier stand die Erinnerung an den Beginn des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren.

Die Toten, derer am diesjährigen Volkstrauertag gedacht werde, müssten die letzten Kriegstoten in Europa bleiben, forderte Schneiderhan. "Um das sicherzustellen, müssen wir in unseren Gesellschaften denen deutlich entgegentreten, die die Lehren und Erfahrungen der Geschichte revidieren wollen, die diesen ungeheuren Zivilisationsbruch des Zweiten Weltkriegs als kleinen Betriebsunfall einer tausendjährigen deutschen Heldengeschichte darstellen wollen", sagte er.

"Nicht abwenden"

Die Methode der Populisten sei die Provokation, "immer eingeleitet mit einem: Man wird doch wohl noch sagen dürfen", sagte Schneiderhan. Natürlich dürfe viel gesagt werden, auch Unsinniges, "aber die Anständigen in unserem Land, und das ist die große Mehrheit, sollten sich nicht abwenden und damit zulassen, dass die Grenzen des Sagbaren immer weiter ins Unmenschliche verschoben werden".

Der ehemalige Stadtpräsident von Breslau, Rafal Franciszek Dutkiewicz, der bei der Veranstaltung die Gedenkrede hielt, rief ebenfalls dazu auf, "die Welle des Populismus und des Nationalismus zu brechen, die auch durch Europa rollt." Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnerte im Totengedenken an alle Opfer von Krieg und Gewalt.

An der Gedenkfeier nahmen auch der Vizebundestagspräsident Wolfgang Kubicki (FDP), der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, sowie verschiedene Botschafter, Abgeordnete und Vertreter der Religionsgemeinschaften teil. Der Landesjugendchor Brandenburg begleitete die Gedenkstunde in Kooperation mit dem Kammerchor Adoramus aus der polnischen Grenzstadt Slubice musikalisch. Davor legte der Bundespräsident zusammen mit Vertretern von Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht an der zentralen Gedenkstätte, der Neuen Wache in Berlin, Kränze für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft nieder.

Gedenken an Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft

Bei einer weiteren Gedenkfeier zum Volkstrauertag auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee warnte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, vor einer schleichenden Gewöhnung an Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus. Es sei eine Verpflichtung gegenüber den Toten zweier Weltkriege und gegenüber den ermordeten Juden in der NS-Zeit, sich nie an solche Zustände zu gewöhnen.

Am Volkstrauertag gedenkt Deutschland der Toten von Krieg und Gewaltherrschaft. Der Volkstrauertag war auf Anregung des Volksbundes 1952 wieder eingeführt worden. Seine Ursprünge gehen bis in das Jahr 1922 zurück. Der Gedenktag wird jedes Jahr zwei Wochen vor dem ersten Advent begangen. Der Volksbund kümmert sich im Auftrag der Bundesregierung um die Gräber von etwa 2,7 Millionen Kriegstoten auf 832 Soldatenfriedhöfen in 45 Staaten.



Bundesregierung genehmigt wieder mehr Rüstungsexporte

Nach dem Rückgang im vergangenen Jahr gibt es bei den Rüstungsexportgenehmigungen wieder einen deutlichen Anstieg. Bis zum 31. Oktober wurden nach vorläufigen Zahlen Genehmigungen mit einem Wert in Höhe von rund 7,4 Milliarden Euro erteilt, wie aus der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine schriftliche Frage der abrüstungspolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, hervorgeht. Im gesamten Jahr 2018 lag dieser Wert noch bei 4,8 Milliarden Euro, ein Jahr zuvor bei 6,2 Milliarden Euro.

Genehmigt wurden laut der Antwort, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, "Kriegswaffen" im Wert von etwa 2,3 Milliarden Euro und "sonstige Rüstungsgüter" im Wert von knapp 5,1 Milliarden Euro. In 56 Einzelfällen mit einem Gesamtwert von knapp 16 Millionen Euro wurde die Erteilung der Genehmigungen abgelehnt.

Dagdelen warf der Bundesregierung eine "Durchwinke-Praxis" vor. "Fast jeder Antrag ist ein Treffer", sagte sie. "Wer einen Waffenexport beantragt, bekommt ihn genehmigt." Sie forderte ein "gesetzliches Verbot" von Rüstungsausfuhren.

Restriktionen für Exporte nach Saudi-Arabien

Bei Menschenrechtlern und Kirchen stoßen vor allem Rüstungsexporte an Staaten auf Kritik, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Derzeit gibt es Restriktionen für Rüstungsausfuhren nach Saudi-Arabien. Noch bis zum 31. März 2020 dürfen genehmigte Rüstungsexporte nicht nach Saudi-Arabien ausgeliefert und grundsätzlich auch keine Neuanträge für Lieferungen in das Königreich genehmigt werden.

Deutschland hatte erstmals im Oktober 2018 nach der Ermordung des kritischen Journalisten Jamal Khashoggi beschlossen, keine Genehmigungen mehr für Rüstungsexporte in das Land zu erteilen. Die Bundesregierung verlangt eine umfassende Klärung des gewaltsamen Todes Khashoggis in der saudi-arabischen Botschaft in der Türkei. Davor gehörte das streng islamische Königreich noch zu den Hauptabnehmern deutscher Rüstungsgüter.

Dennoch könnte Deutschland in diesem Jahr bei den Rüstungsexporten den jüngsten Rekordwert aus dem Jahr 2015 erreichen. Damals wurden Einzelausfuhrgenehmigungen in Höhe von mehr als 7,8 Milliarden Euro erteilt.



Unternehmer Friedhelm Loh mit diesjähriger LutherRose geehrt

Der Unternehmer Friedhelm Loh ist mit der diesjährigen LutherRose der Internationalen Martin Luther Stiftung ausgezeichnet worden. Der undotierte Preis für gesellschaftliche Verantwortung und Unternehmer-Courage wurde ihm am 16. November im Rahmen der zwölften LutherKonferenz in Berlin überreicht. Die Festrede zum Thema "Familienunternehmen - (ein) Modell für die Zukunft" hielt der frühere Bundeswirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Loh ist Inhaber und Vorstandsvorsitzender der gleichnamigen Unternehmensgruppe mit etwa 12.000 Mitarbeitern und Hauptsitz im hessischen Haiger.

Loh habe in beispielgebender Weise mit seinem Leben und beruflichen Wirken die reformatorische Tradition von Freiheit und Verantwortung für das Gemeinwohl eingesetzt, hieß es. Sein Engagement als Spender und Stifter - etwa im Vorstand des Bibellesebundes, als Stiftungsratsmitglied der Stiftung Volkenroda sowie als Kuratoriumsmitglied von ProChrist und Christival - stehe wie seine Unterstützung sozialer und karitativer Einrichtungen für sein gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein als Christ und Unternehmer.

Zum zwölften Mal verliehen

Die Luther-Rose wurde in diesem Jahr zum zwölften Mal verliehen. In den vergangenen Jahren wurden unter anderem der Unternehmer und Kaufmann Horst Deichmann, der Verleger Dirk Ippen und die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz mit dem Preis ausgezeichnet.

Das Preis-Symbol bilde eine wertvolle Reproduktion eines Details des mittelalterlichen Glasfensters (um 1310) aus der Erfurter Augustinerkirche. Dieses Fenster mit einer Rose zwischen zwei Löwen soll Martin Luther während seiner Zeit als Augustinermönch (1505-1511) buchstäblich täglich vor Augen gestanden und ihn zu seinem Familienwappen und Siegel inspiriert haben. Die Lutherrose ist zu einem wichtigen Symbol des weltweiten evangelisch-lutherischen Christentums geworden.

Familienunternehmen waren auch Thema der Podiumsdiskussion, mit der die LutherKonferenz 2019 eröffnet wurde. Der Geschäftsführer der Stiftung, Stefan Heidbreder, sagte mehr als 90 Prozent der deutschen Unternehmen befänden sich im Familienbesitz. Sie stellten fast 60 Prozent aller Arbeitsplätze und erwiesen sich auch in konjunkturell schwierigen Zeiten als stabilisierender Faktor auf dem Arbeitsmarkt. "Sie sind sie damit der prägende Unternehmenstypus in Deutschland."

Gabriel lobt Familienunternehmen

In seiner Festrede betonte der frühere Bundeswirtschaftsminister Gabriel, Familienunternehmen würden der Verpflichtung durch Eigentum in besonderer Weise gerecht. Er fügte hinzu: "Dafür sind wir Friedhelm Loh und den deutschen Familienunternehmen zu Dank verpflichtet."

Die am 10. November 2007 in Wittenberg errichtete Internationale Martin Luther Stiftung hat ihren Sitz in Eisenach und ihre Geschäftsstelle im Erfurter Augustinerkloster. Sie will nach ihrem Selbstverständnis die Impulse der Reformation in einen Dialog zwischen Kirche, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik einbringen.



Was tun mit Opas Grabmal?


Wiederverwertung alter Grabsteine
epd-bild/Timm Schamberger
Wenn ein Grab aufgelöst wird, müssen Angehörige auch entscheiden, was mit dem Grabstein werden soll. Möglichkeiten gibt es viele - nicht nur als "Secondhand-Grabstein" mit neuer Inschrift. Allerdings ist manchmal Vorsicht geboten.

Johannes bietet einen "naturbelassenen grünlichen Grabstein" zur Selbstabholung an. Nicole verkauft ein Grabmal aus braunem Granit: "Müsste nur gereinigt und die Schrift abgemacht werden." Und Bonny will einen "alten antiken Grabstein" aus grauem Granit loswerden - "ein ganz schweres Teil". Zu Dutzenden werden ausgemusterte Grabsteine im Internet angeboten. Juristisch spricht nach Ablauf der jeweiligen Ruhefrist im Prinzip nichts gegen eine Zweitverwertung - und auch theologisch nicht.

Der Vertrag für das Familiengrab läuft aus, wird nicht verlängert, also wird es aufgelöst - sprich: Die Friedhofsverwaltung vergibt die Grabstätte in der Regel neu. Bleibt die Frage: Wohin mit dem Grabstein? Angehörige haben verschiedene Möglichkeiten. Menschen, für die er einen hohen ideellen und emotionalen Wert hat, können ihn als Erinnerung sogar in ihren Garten stellen. Manchmal kann man ihn auch von einem Steinmetz aufarbeiten lassen, um ihn später als eigenen Grabstein zu verwenden. Wieder andere beauftragen Fachleute, daraus Kerzenständer oder andere Steinobjekte zu fertigen. Oder man lässt den Stein einfach entsorgen.

Nur hochwertiger Naturstein mehrfach nutzbar

Alexander Hanel leitet einen mittelständischen Steinmetzbetrieb im fränkischen Leutershausen bei Ansbach, ein Familienunternehmen. Für ihn ist die Wiederverwendung gebrauchter Grabsteine nichts Neues. "Man muss da zwischen zwei Gruppen unterscheiden", sagt er. Zum einen gebe es Steine, die sich für eine zweite Verwendung als Grabmal nicht eigneten. "Es gibt viele Grabmale, die nur aus einer dünnen Natursteinplatte bestehen, die auf einen Hintergrund aus Beton aufgebracht ist", erklärt Hanel.

Und dann gibt es welche aus hochwertigen Natursteinen. "Solche Steine arbeiten wir immer mal wieder zu neuen Grabmalen um", sagt Hanel. In der Regel müssten die Vorder- und Rückseite dazu abgeschliffen werden.

Zahlen oder Statistiken zur Wiederverwendung von Grabsteinen gibt es nicht - allerdings dürften die wenigsten nach der Auflösung eines Grabes erneut auf einem Friedhof landen, vermutet Hanel. Unter anderem auch, weil heute strengere Regeln gelten als früher: Viele Friedhofsverwaltungen verlangten inzwischen ein Zertifikat, das bestätige, dass der Stein nicht aus Kinderarbeit stamme. Das sei bei älteren Steinen oft schlicht unmöglich nachzuweisen.

Nach Hanels Einschätzung geben die meisten Angehörigen heutzutage die Steine auch deshalb zur Entsorgung frei. Die Grabmale werden dann meist zerkleinert und enden als Bauschutt. Der dient beispielsweise als Untergrund im Straßenbau oder auch bei der Befestigung von Flussufern.

In den seltenen Fällen, in denen kein Nachfahre ermittelt werden kann, verfährt die Stadt Würzburg so: Das Grab wird aufgelöst, die Steine werden zerkleinert und in einer Recyclinganlage entsorgt, um Missbrauch zu vermeiden. Die Stadt München geht ähnlich vor, außer es handelt sich um kunsthistorisch bedeutende Grabmale. Dann wird die Schrift entfernt, die Steine bleiben stehen.

Deko-Objekte für den Garten

Im Internet werden ausrangierte Grabsteine auch als Deko-Objekte für den Garten angepriesen. Das freilich ist nicht jedermanns Sache - zumal, wenn womöglich noch eine Inschrift darauf prangt.

Das ist auch rechtlich heikel, wie ein Fall in der Nähe von Würzburg gezeigt hat: In einem Freizeitpark entdeckte eine junge Frau beim Besuch des dortigen "Horror-Hauses" den Grabstein ihres Opas. Ein Steinmetz hatte von den Nachfahren bei der Auflösung des Grabes den Auftrag zur Entsorgung des Grabsteins erhalten - und ihn an den Freizeitpark verkauft. Der Inhaber musste sich wegen "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" vor Gericht verantworten. Ein Mitarbeiter des Parks hatte versäumt, die Anweisung des Steinmetzes umzusetzen und die Inschriften der Grabmale vor dem Aufstellen zu entfernen.

Theologisch spricht nichts gegen eine Zweitverwertung von Grabsteinen. Ein Sprecher der bayerischen evangelischen Landeskirche erklärt, bei der Bestattung werde der Verstorbene unter Nennung seines Namens als "individueller Mensch" in die Hand Gottes zurückgegeben, die ihn erschaffen habe. Die Grabsteine nähmen dieses Motiv mit der Nennung des Namens der Verstorbenen auf. Sobald ein Grab aufgelöst und der Grabstein entfernt werde, verlören die Grabmale ihre Funktion wieder und könnten "als Steine weiterverwendet werden".

Von Daniel Staffen-Quandt (epd)



Soziales

Mehr Wohnungslose in Deutschland


Mitarbeiter des Kältebusses der Berliner Stadtmission kümmern sich um Obdachlose (Archivbild).
epd-bild/Rolf Zöllner
Auch mit einer neuen Zählmethode kommt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zu einem eindeutigen Ergebnis: Die bundesweite Zahl der Menschen ohne Wohnungen steigt weiter.

Die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland ist Schätzungen zufolge im vergangenen Jahr um mehr als 27.000 oder 4,2 Prozent auf 678.000 angestiegen. Während 2018 der Anteil der wohnungslosen anerkannten Geflüchteten um knapp sechs Prozent auf 441.000 Personen stieg, nahm die Zahl der Wohnungslosen im kommunalen Hilfesystem um 1,2 Prozent auf mehr als 237.000 zu. Die neue Schätzung veröffentlichte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) am 11. November in Berlin.

Hauptgründe für die steigende Zahl der Betroffenen seien das unzureichende Angebot an bezahlbaren Wohnungen, die Schrumpfung des Sozialwohnungsbestandes und die Verfestigung von Armut, sagte die BAGW-Geschäftsführerin Werena Rosenke. Es fehle insbesondere an bezahlbarem Wohnraum für Menschen im Niedriglohnsektor, für Bezieher von Transferleistungen und für anerkannte Geflüchtete.

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) sprach von einem "Alarmruf an die Wohnungsbaupolitik". Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Verena Bentele, zeigte sich in Berlin bestürzt: "Gerade die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen macht uns große Sorgen." Auch für Alleinerziehende, Ältere oder Menschen mit Behinderung werde es immer schwerer, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Bentele forderte "mehr bezahlbare Wohnungen, mehr sozialen Wohnungsbau, aber auch Löhne und Renten, von denen man seine Miete bezahlen kann".

Neues Schätzmodell

Die bundesweiten Schätzungen der BAGW erfolgten auf der Grundlage einer nahezu lückenlosen Wohnungslosenberichterstattung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Die dort erhobenen Zahlen von Wohnungslosen seien auf Kommunen mit entsprechenden Einwohnerzahlen in anderen deutschen Städten und Gemeinden übertragen worden, hieß es. Seit dem Jahr 2016 schließt die BAGW in ihre Schätzung die Zahl der wohnungslosen anerkannten Geflüchteten ein.

Aufgrund des neuen Schätzmodells hat die BAGW ihre Zahlen 2017 gegenüber 2016 nach unten korrigiert. 2016 waren noch 422.000 Wohnungslose im Hilfesystem plus 436.000 wohnungslose anerkannte Flüchtlinge, insgesamt also 858.000 wohnungslose Menschen geschätzt worden. Im Gegensatz zu der Jahresgesamtzahl von 678.000 Betroffenen für 2018 wies die Ende Juni im gleichen Jahr erhobene Stichtagzahl weniger Wohnungslose aus (542.000). Das sei ein Zeichen für die hohe Fluktuation, hieß es.

Laut Schätzung leben rund 41.000 Menschen im Laufe eines Jahres ohne jede Unterkunft auf der Straße. Viele finden hingegen zumindest vorübergehend Aufnahme bei Freunden oder Verwandten. Etwa 70 Prozent der wohnungslosen Menschen sind alleinstehend, drei Prozent leben mit Partnern und/oder Kindern zusammen. Die BAGW schätzt die Zahl der betroffenen Kinder und minderjährigen Jugendlichen auf acht Prozent. Der Frauenanteil liege bei 27 Prozent.

Rund 17 Prozent oder 40.000 Wohnungslose seien EU-Bürger, hieß es weiter. Viele dieser Menschen lebten ohne jede Unterkunft auf der Straße. Vor allem in den Metropolen betrage ihr Anteil bis zu 50 Prozent der Obdachlosen.

Rosenke hofft auf eine erste amtliche bundesweite Schätzung im Jahr 2022. Voraussetzung dafür ist, dass das von der Bundesregierung geplante Wohnungslosenberichterstattungsgesetz bis dahin in Kraft getreten ist.



Masern-Impfung wird Pflicht

Die Masern sind eine gefährliche Krankheit und nach wie vor nicht ausgerottet. Gegen die Impfskepsis geht jetzt der Gesetzgeber vor: Der Bundestag verabschiedete eine Impfpflicht für Kinder und Personal in Gemeinschaftseinrichtungen.

Kinder und Personal in Kindertagesstätten und Schulen müssen künftig gegen Masern geimpft sein. Der Bundestag verabschiedete am 14. November nach namentlicher Abstimmung ein Gesetz, das bei fehlender Impfung den Ausschluss aus Kindertagesstätten und Bußgelder vorsieht. Die Impfpflicht soll auch für Tagesmütter sowie für Bewohner und Mitarbeiter von Flüchtlingsunterkünften und Gesundheitseinrichtungen gelten. Masernschutz sei Kinderschutz, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Bundestag. Er verteidigte die Impfpflicht gegen die Kritik großer Teile der Opposition.

Union, SPD und FDP hatten angekündigt, für das Gesetz zu stimmen. Die AfD war dagegen, Grüne und Linke wollten sich enthalten. Verabschiedet wurde das Gesetz mit 459 Ja-Stimmen. Es sieht vor, dass Eltern, die ihre in einer Einrichtung betreuten Kinder nicht impfen lassen, mit einem Bußgeld von bis zu 2.500 Euro belegt werden können. Von der Kita können die Kinder ausgeschlossen werden, von der Schule wegen der allgemeinen Schulpflicht nicht. Auch Kindertagesstätten, die nicht geimpfte Kinder betreuen, können mit einem Bußgeld bestraft werden.

Grüne fordern Impfstrategie

Mitarbeiter in Gemeinschafts- oder Gesundheitseinrichtungen können dort nicht mehr arbeiten, wenn sie die Impfung verweigern. Ausnahmen gelten für unter Einjährige, weil sie noch nicht geimpft werden sollen, Menschen, die Impfungen nicht vertragen, und alle vor 1971 Geborenen, weil sie die Masern wahrscheinlich durchgemacht haben und deswegen immun sind. Das Gesetz soll am 1. März 2020 in Kraft treten. Mitarbeiter und bereits untergebrachte Kinder müssen den Impfnachweis bis Ende Juli 2021 erbringen.

Der CDU-Abgeordnete und Arzt Rudolf Henke (CDU) betonte, es gehe nicht um eine Zwangsimpfung, sondern eine Nachweispflicht für die Gemeinschaftseinrichtungen. Der AfD-Abgeordnete Detlev Spangenberg entgegnete, Impfungen müssten freiwillig bleiben. Die Abgeordnete Kordula Schulz-Asche (Grüne) argumentierte, eine umfassende Impfstrategie sei sinnvoller als eine Impfpflicht. Die Linkenpolitikerin Gesine Lötzsch sprach sich für mehr Impfwerbung in Schulen aus.

Keine Behandlung

Masern sind eine hochansteckende und gefährliche Krankheit. Medikamente zur Behandlung gibt es nicht, so dass die Impfung die einzige Schutzmöglichkeit ist. Für die Immunisierung sind zwei Impfungen vonnöten. Empfohlen werden sie zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr. In Deutschland sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 92 Prozent der Menschen vollständig geimpft, 97 Prozent erhielten nur eine Impfdosis. Ein Gesamtschutz der Bevölkerung wird bei einer Quote von 95 Prozent angenommen.

Die Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen äußerte Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der Impfpflicht. "Wir kritisieren insbesondere, dass die Hauptverantwortung der Umsetzung in die Hände der Einrichtungen und der Kita-Leitungen gelegt wird", sagte der Vorsitzende der Vereinigung, Carsten Schlepper, dem epd. Das gefährde die Vertrauensbasis zwischen Kita und Eltern, warnte der Experte. Er forderte, die Prüfpflicht dem öffentlichen Gesundheitsdienst zu übertragen. Dem Gesetz zufolge sollen die Kitas die Eltern nichtgeimpfter Kinder an das Gesundheitsamt melden, erläuterte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Das Amt werde dann Kontakt zu den Eltern aufnehmen und weitere Maßnahmen einleiten.



Leichter Rückgang bei HIV-Infektionen in Deutschland

Rund 2.400 Menschen haben sich im vergangenen Jahr in Deutschland mit HIV infiziert. Die Zahl der Neuinfektionen sei damit gegenüber 2017 leicht gesunken, teilte das Robert Koch-Institut (RKI) anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember am 14. November in Berlin mit. 2017 wurden etwa 2.500 Neuinfektionen mit HIV registriert. Der Ausbau von zielgruppenspezifischen Testangeboten und ein früherer Behandlungsbeginn zeigten offenbar Erfolge, hieß es.

Dieser Weg sollte "konsequent weiter umgesetzt werden", vor allem durch eine weitere Verbesserung der Testangebote und die Gewährleistung des Zugangs zur Therapie für alle Menschen, die in Deutschland mit HIV leben, betonte RKI-Präsident Lothar Wieler. Der positive Trend kommt den Angaben zufolge aus der wichtigsten Betroffenengruppe. So sei bei Männern, die Sex mit Männern haben, die Zahl der geschätzten Neuinfektionen deutlich zurückgegangen, von 2.200 im Jahr 2013 auf 1.600 im Jahr 2018.

88.000 Infizierte

Das Robert Koch-Institut schätzt die Zahl der Menschen in Deutschland, die nicht wissen, dass sie HIV-infiziert sind, auf 10.600. Insgesamt lebten der Schätzung zufolge Ende 2018 rund 87.900 Menschen mit HIV in Deutschland. Geschätzt 440 Menschen seien im vergangenem Jahr in Deutschland an HIV gestorben, hieß es.

Die Deutsche Aids-Hilfe führt den Rückgang der HIV-Neuinfektionen auf eine konsequente Prävention und die HIV-Therapie zurück, die auch Übertragung verhindere. Mit mehr speziellen Testangeboten und Zugang zu medizinischer Behandlung für alle Menschen in Deutschland könnten Präventionslücken geschlossen werden, hieß es.



WHO: Zahl der Diabetes-Erkrankten hat sich vervierfacht

Immer mehr Menschen erkranken laut der Weltgesundheitsorganisation an Diabetes. Seit 1980 habe sich die Zahl der Diabetiker um das Vierfache auf heute 420 Millionen erhöht, teilte die WHO in Genf anlässlich des Weltdiabetestages am 14. November mit.

In vielen Fällen seien eine falsche Ernährung und ein Mangel an körperlicher Bewegung die Ursachen, erklärte WHO-Direktorin Emer Cooke. Gleichzeitig betonte sie, dass eine medizinische Behandlung für Millionen Menschen mit Diabetes nicht erschwinglich sei. Die Erkrankten müssten besser mit dem überlebenswichtigen Insulin versorgt werden.

Teures Insulin

Die Menge an Insulin sei zu niedrig und die Preise für die Medizin seien zu hoch, erklärte Cooke. Die WHO sei in Kontakt mit Pharmafirmen, um das zu ändern. Ziel sei es, mehr Insulin zu günstigeren Preisen zu produzieren. Die WHO will dazu Firmen ermutigen, sogenannte generische Medikamente herzustellen. Generische Medikamente sind identische Kopien bereits lizenzierter Medikamente. Noch kontrollierten laut WHO nur drei Firmen fast den gesamten Markt für Insulin.

Diabetes ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, die Patienten haben einen zu hohen Blutzuckerspiegel. Diabetes kann schwere Schäden am Herz, den Blutbahnen, den Augen, den Nieren und den Nerven verursachen.



Diakonie veröffentlicht Gleichstellungsatlas

Die Diakonie hat erstmals Zahlen darüber veröffentlicht, wie es um die Gleichstellung von Frauen und Männern in ihren Diensten und Einrichtungen bestellt ist. Der am 12. November vorgestellte "Gleichstellungsatlas" liefere "verlässliche Zahlen darüber, wie Frauen und Männer in Führungspositionen, Aufsichts- und Entscheidungsgremien vertreten sind", hieß es in einer Mitteilung des Sozialverbandes der evangelischen Kirche. Demnach gibt es mit 77 Prozent einen sehr hohen Frauenanteil bei den Beschäftigten, doch nur weniger als ein Drittel Frauen in der Leitungsebene der Einrichtungen.

"Geschlechtergerechtigkeit darf in unseren Einrichtungen und Diensten kein Lippenbekenntnis bleiben", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Zwar seien von den rund 600.000 fest angestellten Mitarbeitenden mehr als drei Viertel weiblich. Doch der durchschnittliche Frauenanteil in der obersten Leitungsebene von Einrichtungen lag den Angaben nach 2018 bei 31 Prozent, unter den Vorsitzenden dieser obersten Leitungsebene beträgt er 25 Prozent. Der durchschnittliche Frauenanteil in Aufsichtsräten von Einrichtungen lag 2018 bei durchschnittlich 29 Prozent.

"Auf Führungsebene Nachholbedarf"

"Auf der Führungsebene und in Gremien haben wir deutlichen Nachholbedarf", räumte Lilie ein. Der Atlas zeige auch, wo die Bemühungen zur Gleichstellung gezielt verstärkt werden müssten.

Auch Voll- und Teilzeitbeschäftigung sowie Einkommen seien geschlechtsspezifisch ungleich verteilt, hieß es. 55 Prozent aller Mitarbeitenden der Diakonie sind Frauen, die in Teilzeit arbeiten. Insgesamt 75 Prozent der Mitarbeiterinnen üben Tätigkeiten mit den zwei niedrigsten Anforderungsniveaus aus - also Hilfs- und Anlerntätigkeiten sowie fachlich ausgerichtete Tätigkeiten. Bei den männlichen Mitarbeitenden sind es 63 Prozent.

Mit der Publikation will die Diakonie nach eigenen Angaben Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt in ihren Einrichtungen und Diensten stärken. Grundlage ist eine repräsentative Erhebung unter den diakonischen Einrichtungen und Angeboten sowie bei Landes- und Fachverbänden.



Krankenkassenbeiträge für Betriebsrentner sinken ab 2020

Vom kommenden Jahr an werden die Krankenkassenbeiträge für Betriebsrentnerinnen und -rentner gesenkt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) legte dazu einen Entwurf vor und erklärte am 12. November in Berlin, die Beitragssenkung werde zügig umgesetzt. Diese ist Teil des Grundrenten-Kompromisses von Union und SPD und wird damit ein Jahr eher umgesetzt als die Grundrente eingeführt wird. "Wir wollen das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge stärken", sagte Spahn.

Die Gesetzesänderungen führen nach Angaben von Spahn dazu, dass künftig ein Drittel der Betriebsrentner nur noch den halben Krankenkassenbeitrag zahlen muss und auch das Drittel mit den höchsten Betriebsrenten noch entlastet wird. Betriebsrentner mit geringen Bezügen zahlen keine Beiträge. Heute liegt diese Freigrenze bei 155,75 Euro im Monat.

159,25 Euro Freibetrag

Wer eine höhere Betriebrente bekommt, muss auf die gesamte Rente den vollen Krankenkassenbeitrag inklusive des Zusatzbeitrags seiner Kasse zahlen. Im Bundesdurchschnitt sind das 15,5 Prozent. Das sorgt schon seit Jahren für Ärger, weil die Betriebsrenten damit schlechter gestellt sind als die gesetzlichen Renten.

Künftig wird ein Freibetrag von zunächst 159,25 Euro pro Monat eingeführt, auf den keine Krankenkassenbeiträge zu entrichten sind. Der Beitrag wird erst fällig auf die darüber hinausgehende Summe. Betriebsrentner, die bis zu 320 Euro bekommen, zahlen damit künftig nur halb so viel Beitrag wie heute.

Für die Krankenkassen bedeutet die Neuregelung, dass sie im kommenden Jahr 1,2 Milliarden Euro weniger einnehmen werden.



Rentenversicherung: Umsetzung der Grundrente bis 2021 wird schwierig

Die Grundrente und ihre Umsetzung beschäftigt die Praktiker bei der Rentenversicherung. Zu viele Fragen sind noch offen, vielleicht werden Übergangslösungen benötigt, meint die Präsidentin der Rentenversicherung, Gundula Roßbach.

Die Umsetzung der Grundrente könnte die Praktiker noch vor große Schwierigkeiten stellen. Davor warnten am Mittwoch in Würzburg die Spitzen der Deutschen Rentenversicherung. Finanziell steht die Rentenversicherung weiter gut da. Doch schon bald werden die Einnahmen sinken und die Ausgaben steigen.

Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, schloss nicht aus, dass man Übergangslösungen benötigen könnte oder zunächst pauschalierte Zahlungen in Betracht ziehen müsse, damit die Grundrente Anfang 2021 wie geplant eingeführt werden könne. Insbesondere der relativ kurze Zeitraum für die Entwicklung automatisierter Verfahren zum Datenabgleich sei "aus Sicht der Rentenversicherung problematisch", erklärte Roßbach.

Union und SPD haben sich auf einen Kompromiss zur Einführung einer Grundrente für langjährige Geringverdiener mit 35 Betragsjahren verständigt, der auch eine Einkommensprüfung vorsieht. Dafür soll die Rentenversicherung über einen automatisierten Datenabgleich mit den Finanzämtern zusammenarbeiten. Roßbach sagte, die Finanzbehörden hätten bereits vor dem Koalitionsbeschluss erklärt, sie bräuchten für die Entwicklung solcher Verfahren normalerweise zwei Jahre.

Skeptisch zu Finanzierung

Roßbach erklärte, die Rentenversicherung müsse von den 21 Millionen Rentnern diejenigen mit niedrigen Renten herausfiltern, die die Voraussetzungen für eine Grundrente erfüllen. Hinzu kämen die Neurentner. Schon wegen der hohen Zahl müsse die Überprüfung weitgehend automatisiert erfolgen. Gelinge dies nicht, würde die Rentenversicherung deutlich mehr Personal benötigen, sagte Roßbach.

Der gegenwärtige Vorsitzende der Arbeitgeberseite im Vorstand der Rentenversicherung, Alexander Gunkel, äußerte sich skeptisch zu den Finanzierungsplänen der Koalition. Er sagte, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, aus der nach dem Willen der Koalition der größere Teil der Ausgaben von rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für die Grundrente finanziert werden soll, sei nicht sicher. Auf europäischer Ebene gebe es dazu keinen Konsens. Es sei auch nicht klar, ob durch die Steuer, wenn sie denn rechtzeitig komme, die Mehrausgaben tatsächlich gedeckt würden, sagte Gunkel weiter. Die Grundrente müsse aber "von Anfang an in vollem Umfang" aus Steuermitteln finanziert werden. Dies habe die Koalition zugesichert.

Finanziell steht die Rentenversicherung weiter gut da. Gunkel zufolge können die Rentner auch im kommenden Jahr wieder mit Beitragserhöhungen von rund drei Prozent, im Osten Deutschlands voraussichtlich knapp vier Prozent, rechnen. Das Rentenniveau - also das Verhältnis einer Standardrente zum Durchschnittseinkommen - liegt gegenwärtig bei 48,2 Prozent und wird bis 2025 den Prognosen zufolge nicht unter 48,1 Prozent sinken.

321 Milliarden Euro Einnahmen

Die Einnahmen der Rentenversicherung werden nach Angaben Gunkels in diesem Jahr um knapp fünf Prozent auf voraussichtlich 321 Milliarden Euro steigen. Ihnen stehen Ausgaben von voraussichtlich 319 Milliarden Euro gegenüber. Von 2021 werden die Einnahmen dann zurückgehen, vor allem weil die Zahl der Beitragzahler sinkt. Zugleich steigen die Ausgaben, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Den Prognosen zufolge sinken die Rücklagen bis 2024 so stark ab, dass 2025 der Rentenbeitrag deutlich von heute 18,6 Prozent auf dann 19,8 Prozent erhöht werden müsste.

Gunkel sagte, um diesen Sprung zu vermeiden, hoffe er auf Vorschläge der Rentenkommission. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission soll im März kommenden Jahres Vorschläge zur Weiterentwicklung der Rentenversicherung ab 2025 vorlegen.

Der Renten-Experte und frühere Regierungsberater Bert Rürup, sagte der Wochenzeitung "Die Zeit", die eigentliche Herausforderung beginne, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gingen. Er nannte den Grundrenten-Beschluss der Koalition einen "überraschend vernünftigen Kompromiss", prognostizierte angesichts der Herausforderungen aber zugleich, dass sie nach 2025 wieder abgeschafft werden könnte.

Von Bettina Markmeyer (epd)



Medien & Kultur

Städel zeigt Zeichnungen von Beckmann bis Richter


Anselm Kiefer: "Wege der Weltweisheit: Die Hermanns-Schlacht" (1978)
epd-bild/Thomas Rohnke
An den von 1910 bis zur Wiedervereinigung 1989/90 entstandenen Arbeiten ließen sich "die Brüche, aber auch die Kontinuitäten des 20. Jahrhunderts sowie die sich verändernde Rolle der Zeichnung eindrucksvoll nachvollziehen", sagt Museumsdirektor Demandt.

Das Frankfurter Städel-Museum hat in seinem Bestand etwa 1.800 Zeichnungen deutscher Künstler aus dem 20. Jahrhundert. Rund 100 Blätter seien bis zum 16. Februar in der Ausstellung "Große Realistik & Große Abstraktion - Zeichnungen von Max Beckmann bis Gerhard Richter" versammelt, sagte der Direktor des Städels, Philipp Demandt, am 12. November. Insgesamt würden Werke von 40 Künstlern gezeigt, darunter Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Ernst-Wilhelm Nay, Paul Klee, Karl Otto Götz, Joseph Beuys, Sigmar Polke und Gerhard Richter.

An den von 1910 bis zur Wiedervereinigung 1989/90 entstandenen Arbeiten ließen sich "die Brüche, aber auch die Kontinuitäten des 20. Jahrhunderts sowie die sich verändernde Rolle der Zeichnung eindrucksvoll nachvollziehen", sagte Demandt. Ursprünglich sei die Zeichnung ein Mittel des "Suchens, Erfindens und Experimentierens" gewesen. In der Moderne habe sie eine neue Eigenständigkeit gewonnen und sei vor allem in Zeiten staatlicher Unterdrückung auch zu einem Medium des freien Denkens geworden.

Die "Große Realistik" und die "Große Abstraktion", das Gegenständliche und Ungegenständliche, bildeten den roten Faden, der die 1.800 Werke der Graphischen Sammlung des Städels über Generationen hinweg miteinander verknüpfe, sagte die Kuratorin Jenny Graser. Diesem Pluralismus spürten auch die 100 präsentierten Blätter nach.

Arbeiten von Expressionisten

Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen die Zeichnungen der Expressionisten Max Beckmann (1884-1950), Emil Nolde (1867-1956) und Ernst-Ludwig Kirchner (1880-1938). Zu sehen ist etwa Kirchners Pastellzeichnung "Berliner Straßenszene" aus dem Jahr 1914, die Prostituierte und Freier in der Hektik der Großstadt zeigen. Von Nolde sticht das Aquarell "Vierwaldstätter See" aus dem Jahr 1930 heraus, und von Beckmann überrascht eine Bleistiftstudie zum Gemälde "Das Nizza in Frankfurt am Main" aus dem Jahr 1938.

Die Künstler des Informel wie Karl Otto Götz (1914-2017) und Bernard Schultze (1915-2005) suchten vor dem Hintergrund der Gräueltaten der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs neue Ausdrucksmöglichkeiten und entwickelten eine abstrakte Bildsprache, ausschließlich aus Farbe und Form. So überzog etwa Götz seine Arbeiten mit dynamischen Farbwirbeln und -bahnen, wie in der Gouache "Ohne Titel" von 1957.

Viele Künstler der Nachkriegsgeneration machten die jüngste deutsche Geschichte zu ihrem Thema und griffen dafür wieder auf eine gegenständliche Bildsprache zurück. Eugen Schönebeck (geboren 1936) und Georg Baselitz (geboren 1938) stellen in ihren Farbstift- und Tuschezeichnungen deformierte, von Narben, Wunden und Geschwüren bedeckte Körper dar, Markus Lüpertz (geboren 1941) zeichnet "Deutsche Motive" und Jörg Immendorff (1945-2007) bereitet in farbenprächtigen Gouachen dem "Café Deutschland" eine Bühne.

Blätter von Hermann Glöckner (1889-1987), Gerhard Altenbourg (1926-1989) und Werner Tübke (1929-2004) stehen exemplarisch für die Zeichenkunst in der DDR. Selbst Gerhard Richter (geboren 1932), der zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern weltweit gehört, ist in der Frankfurter Ausstellung mit zwei Grafitzeichnungen vertreten. Sie vermitteln laut Graser "in ihrer dynamischen Sprache noch heute etwas vom Zusammen- und Aufbruch" der Jahre 1989/90.



Evangelische Kirche baut Youtube-Netzwerk auf


GEP-Direktor Jörg Bollmann
epd-bild/Matthias Rietschel

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verstärkt ihre Präsenz auf Youtube. Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) baut derzeit ein Evangelisches Content Netzwerk auf, um das Einzelangebot "Jana glaubt" im nächsten Jahr zu einem "mehrstimmig evangelischen Auftritt" auszuweiten, wie GEP-Direktor Jörg Bollmann am 12. November bei der EKD-Synodentagung in Dresden sagte.

Die EKD hatte im vergangenen Jahr den Youtube-Kanal "Jana glaubt" für junge Frauen und Männer gestartet. Das Gesicht des Angebots ist die 21-jährige Studentin Jana Highholder, deren Videos derzeit rund 16.900 Menschen abonniert haben. Zu Jahresbeginn war kirchenintern Kritik an Highholder laut geworden, weil sie in Anlehnung an ein Bibelzitat die Rolle des Mannes als Oberhaupt der Familie befürwortete. Der Youtuberin wurde daraufhin vorgeworfen worden, ein einseitiges Frauenbild zu vertreten.

GEP-Direktor Bollmann äußerte sich bei der Synodentagung sehr zufrieden mit der Resonanz auf die Angebote aus seinem Haus, das als zentrale Medieneinrichtung der EKD, ihrer Landeskirchen und Werke sowie der evangelischen Freikirchen fungiert. Zum GEP gehören unter anderem das evangelische Monatsmagazin "chrismon", die evangelische Rundfunkarbeit, das Internetportal "evangelisch.de" und die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd). Das Gemeinschaftswerk mit Sitz in Frankfurt am Main gehört zu 94 Prozent der EKD und zu 6 Prozent dem Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung.

"Erreichen mehr Menschen als je zuvor"

"Wir finden offene Augen und offene Ohren, mit unseren Angeboten erreichen wir Menschen, mehr als je zuvor", sagte Bollmann. Laut Allensbacher Werbeanalyse erreiche "chrismon" 1,67 Millionen regelmäßige Leserinnen und Leser. "Beachtlich stabil" seien zudem die Zuschauerzahlen für die ZDF-Fernsehgottesdienste und für "Das Wort zum Sonntag". Im zu Ende gehenden Jahr komme "evangelisch.de" erstmals auf zehn Millionen Visits im Jahr.

Aktuell meldet der epd nach den Worten Bollmanns mit 33 Millionen Leserkontakten zudem erneut eine stabile Reichweite bei einem Marktanteil bei Tageszeitungen nach Auflage in Höhe von 89,4 Prozent. Zudem stiegen die Kontaktzahlen in den Online-Produkten, die durch die Verträge mit den deutschen Medienhäusern inzwischen bei rund 40 Millionen pro Monat liegen.

Bollmann kündigte der Synode an, dass das GEP angesichts sinkender Kirchenmitgliedszahlen und Steuereinnahmen in den nächsten Jahren deutliche Einsparungen vornehmen wird. Bis 2024 sollen die jährlichen Gesamtkosten in Höhe rund 27 Millionen Euro um 1,9 Millionen Euro reduziert werden. Das solle bei "weitgehendem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen" erfolgen. Zugleich sollen die wesentlichen Produkte und Arbeitsbereiche erhalten und das Evangelische Content Netzwerk aufgebaut werden.



Bundespressekonferenz-Chef kritisiert PR-Strategien der Politik

Inszenierte Interviews, eigene Newsrooms: Die PR der Politik kopiert Formate von Journalisten. Bei einer Konferenz in Berlin diskutierten beide Seiten, was daraus folgt. Der Bundespressekonferenz-Vorsitzende warnt vor einer Abwertung des Originals.

Der Vorsitzende der Bundespressekonferenz, Gregor Mayntz, sieht die PR-Strategien von Parteien und Ministerien mit Sorge. Parteien berichteten mit gestellten Interviews über sich selbst, Ministerien kopierten journalistische Formate für ihre PR, sagte der bundespolitische Korrespondent der "Rheinischen Post" am 15. November bei der Konferenz "Formate des Politischen" in Berlin. Damit werteten sie das Original ab, sagte Mayntz. Journalisten, Politiker und Kommunikationsexperten diskutierten bei der Konferenz über das Verhältnis von PR und Journalismus - und das angespannte Verhältnis zur AfD.

Als Beispiele für neue PR-Strategien nannte Mayntz das jüngst im Internet abrufbare Gespräch zwischen Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) zum 30. Jahrestag des Mauerfalls und die Rubrik "Grill den Scheuer" der Pressearbeit von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Das "Grillen" - aus dem journalistischen Jargon ein Begriff für besonders hartnäckiges und kritisches Fragen - sei dabei eher "lauwarm als heiß", sagte Mayntz.

AfD-Sprecher verteidigt Verhalten von Weidel

Die Bundespressekonferenz veranstaltet Pressekonferenzen und ist dabei der Herr über die Regeln, zu denen unter anderem gehört, dass Pressekonferenzen erst enden, wenn alle Fragen beantwortet sind. Gemeinsam mit dem Deutschlandfunk veranstaltete der Verein die Tagung "Formate des Politischen". Schwerpunkt war in diesem Jahr unter dem Titel "News ohne Journalisten - Wird der Journalismus in der digitalen Öffentlichkeitsarbeit verdrängt?" die Öffentlichkeitsarbeit der Politik.

Auch die Korrespondentin des Evangelischen Pressedienst (epd), Mey Dudin, sagte, die Tendenz zu Newsrooms und Kommunikation an Journalisten vorbei müsse Sorge bereiten. Die Leistung von Journalisten, Quellen zu prüfen, Fakten zu checken und einzuordnen, sei angesichts der Informationsflut wichtiger denn je.

Der CDU-Politiker Mario Voigt, selbst beteiligt an der innerparteilichen Diskussion über Kommunikation, sagte, Parteien müssten sich verändern, wenn sie für alle Gruppen ansprechbar sein wollen. Sie müssten noch die Antwort finden, auf welchem Kanal sie künftig kommunizieren.

Der Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Christian Lüth, sagte, ihm sei es lieber, wenn Neuigkeiten der Partei zuerst über den Newsroom der Fraktion verbreitet würden. Er verteidigte zudem das Verhalten von Fraktionschefin Alice Weidel (AfD), die Fragen von Journalisten als "dumm" bezeichnetet hatte. Er sei dafür, dass alle Fragen gestellt werden könnten, "wenn sie der Wahrheitsfindung dienen", sagte Lüth. "Was nicht geht", sei, wenn eine Suggestion "oder sogar eine eigene Meinung" hinter der Frage stehe.

Einfluss von Influencern

Weidel war gemeinsam mit dem AfD-Co-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland und dem Abgeordneten Stephan Brandner (AfD) nach dessen Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses des Bundestags am Mittwoch vor die Presse getreten, um Fragen von Journalisten zu beantworten. Statt zu antworten kommentierte Weidel die Fragen als "dumm", "dümmlich" und "dämlich". Ein Journalist, der gefragt hatte, ob für den Posten eine integre Person in der Fraktion gefunden werde, wurde von Lüth bei Twitter namentlich kritisiert - versehen mit dem Hashtag "Lügenpresse".

Debattiert wurde ferner, inwieweit sogenannte Influencer politischen Journalismus betreiben. Der YouTuber Rezo, der kränkelte und deshalb nur per Video-Schalte teilnahm, verteidigte sein Video "Die Zerstörung der CDU", in dem er im Frühjahr die Politik der CDU angeprangert hatte. Er würde es "nicht als Journalismus" bezeichnen, aber auch nicht als "Nicht-Journalismus". Es sei aber nicht einseitig gewesen.

Die stellvertretende Leiterin der Parlamentsredaktion der "Rheinischen Post", Kristina Dunz, sagte, das Video sei "hervorragende Unterhaltung" gewesen, könne aber nicht in den Journalismus eingruppiert werden. Journalisten müssten immer auch die Gegenseite hören - "das geht nicht anders". Dadurch komme dann ein anderes Bild zustande.



Eigentümer des Berliner Verlags bestätigt Stasi-Mitarbeit

Seit ihrem Grundsatztext mit dem Lob für Egon Krenz sorgen die Neueigentümer der "Berliner Zeitung" für Diskussionen. Nun wurde Verleger Holger Friedrich als Stasi-IM enttarnt. Er sei vom DDR-Geheimdienst vor die Wahl gestellt worden, erklärt er.

Der Neueigentümer des Berliner Verlags, Holger Friedrich, hat eine Mitarbeit bei der DDR-Staatssicherheit eingeräumt. Er sei unter dem Verdacht der Republikflucht von der Stasi verhaftet und vor die Wahl gestellt worden: Gefängnis oder Bereitschaft zur "Wiedergutmachung", erklärte Friedrich am 15. November auf der Internetseite der "Berliner Zeitung". Er veröffentlichte dort Antworten auf Fragen der "Welt am Sonntag", die Friedrichs Spitzeltätigkeit zuvor aufgedeckt hatte.

"Ich habe die Option b) gewählt, um mich der akuten Zwangssituation zu entziehen", erklärt Friedrich darin. Friedrich, der mit seiner Frau Silke die "Berliner Zeitung" gekauft hatte, räumt in den veröffentlichten Antworten auch ein, eine katholische Kirche besucht zu haben, um die Familie inklusive der Freundin eines kirchlich gebundenen Soldaten auszuforschen. "Diese Szene kann ich bestätigen", erklärte Friedrich. Kurz nach dieser Aktion habe er sich von der Stasi "dekonspiriert" und eine Kooperation wiederholt abgelehnt. Worte der Entschuldigung oder Reue finden sich in der Erklärung Friedrichs nicht.

"Beispiel für Transparenz"

In einer weiteren auf der Internetseite der "Berliner Zeitung" veröffentlichten Erklärung schreibt Herausgeber Michael Maier über den Umgang der Zeitung mit der Vergangenheit. Die Zeitung sei 1996 bestrebt gewesen, einen wirklichen Neuanfang zu ermöglichen. Man habe sich von Mitarbeitern getrennt: "Wir haben die Auffassung vertreten, dass Redaktionsmitglieder mit einer Stasi-Akte nicht in einer freiheitlich-liberalen Zeitung als schreibende Redakteure tätig sein können."

"Die Thematisierung der Akte des Verlegers Holger Friedrich durch die Zeitung 'Die Welt' zeigt, dass der Neuanfang immer noch nicht abgeschlossen ist", schreibt Maier. Für die Zeitung sei die Integrität der Berichterstattung das höchste Gut, zu der Distanz zu nicht-journalistischen Interessen und Transparenz gehöre. "Die Veröffentlichung der verstörenden Geschichte des Holger Friederich ist aus unserer Sicht ein Beitrag zu dieser Transparenz", schreibt Maier.

Die Neueigentümer des Berliner Verlags hatten mit einer am 8. November veröffentlichten Sonderausgabe der "Berliner Zeitung" zum 30. Jahrestag des Mauerfalls für Diskussionen gesorgt. Darin schreibt das Ehepaar unter der Überschrift "Berliner Botschaft", was sie mit dem Kauf der Zeitung bezwecken wollen. In dem Text findet sich auch ein Lob für den letzten DDR-Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz, der in den Mauerschützenprozessen schuldig gesprochen wurde. Krenz habe 1989 die Größe gehabt, "doch keinen Befehl zur Anwendung von Gewalt zu geben", schreiben die Friedrichs. In der gleichen Ausgabe gibt es auch ein zweiseitiges Interview mit Krenz, in dem dieser aus seiner Sicht die Geschehnisse während der friedlichen Revolution ausführlich schildert.

IT-Unternehmer

Das Ehepaar Friedrich hatte die "Berliner Zeitung" kürzlich von der Kölner Unternehmensgruppe DuMont gekauft, die sich nach zehn Jahren vom Berliner Verlag getrennt hat. Holger Friedrich gründete 2009 den Technology Think Tank Core und ist Geschäftsführer der Commercial Coordination Germany. Silke Friedrich leitet die Berlin Metropolitan School, die nach eigenen Angaben mit über 1.000 Schülern die größte internationale Schule Berlins ist.



Mediatheken von ARD und ZDF werden vernetzt

Die Mediatheken von ARD und ZDF sind vom kommenden Montag an mit einer vernetzten Suchfunktion ausgestattet. Die Erfahrung habe gezeigt, dass Nutzer in der ARD-Mediathek auch ZDF-Inhalte suchen und umgekehrt, sagten der Leiter von ARD Online, Benjamin Fischer, und der Leiter der Hauptredaktion Neue Medien im ZDF, Eckart Gaddum, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Mainz. Dafür seien Listen mit meistgesuchten Begriffen wie Formatnamen und Marken ausgetauscht worden, die fortlaufend aktualisiert würden. Ein direkter Datenaustausch finde nicht statt. Die vernetzte Suche ist zunächst ausschließlich auf den Websites der Mediatheken verfügbar und nicht in den Apps.

"Einstieg in vernetzten öffentlich-rechtlichen Kosmos"

Wer künftig in der ZDF-Mediathek zum Beispiel nach einem Film der ARD-Krimireihe "Tatort" sucht, bekommt einen Link zur ARD-Mediathek angeboten. Dieser Link führt dann direkt auf eine entsprechende Ergebnisliste in der ARD-Mediathek. Wer umgekehrt bei der ARD nach der "Heute Show" sucht, erhält einen Link zur ZDF-Mediathek. Außerdem stellen ARD und ZDF von Montag an auch die Livestreams ihrer Hauptprogramme wechselseitig in den Mediatheken verlinkt zur Verfügung.

"Für uns ist das der Einstieg in einen vernetzten öffentlich-rechtlichen Kosmos im nonlinearen Bereich. Da wird noch mehr kommen", sagte Fischer. Konkret in Planung sei bereits eine gemeinsame Login-Funktion, so dass Nutzer künftig mit einem Account beide Mediatheken personalisiert nutzen können. Bislang verfügt nur die ZDF-Mediathek über eine Login-Funktion. Laut Fischer wird die ARD-Mediathek zeitnah diese Möglichkeit ebenfalls anbieten, der gemeinsame Login mit der ZDF-Mediathek sei dann der nächste Schritt.



"Meisterin der Dystopie" blickt optimistisch in die Zukunft


Margaret Atwood
epd-bild/Heike Lyding
Lesungen, Interviews und dazwischen ein Mode-Shooting: Die Bestsellerautorin Margaret Atwood hat auch mit 80 Jahren noch viel vor. Nur eine Autobiografie ist wohl nicht zu erwarten: "Ich interessiere mich nicht so sehr für mich selbst."

Sie schreibt unermüdlich und überall - am Schreitisch und im Wald, auf einem Schiff oder im Café. Die Ideen scheinen Margaret Atwood nie auszugehen, ihre Gedanken hält sie auf dem Laptop, in Notizbüchern und manchmal auch auf Papierservietten fest. Am 18. November wird die kanadische Bestsellerautorin 80 Jahre alt, sie wurde 1939 in Ottawa geboren.

Für ihr neues Buch "Die Zeuginnen" hat sie im Oktober den Booker-Literaturpreis bekommen. Es ist nach fast 35 Jahren die lang erwartete Fortsetzung ihres erfolgreichen dystopischen Romans "Der Report der Magd".

Die weltweite Premiere des Werks in einer Londoner Buchhandlung war live in mehr als 1.000 Kinos weltweit übertragen wurden. Obwohl kurz danach ihr langjähriger Lebensgefährte verstarb, der Schriftsteller Graeme Gibson, ging sie weiter auf Lesetour in Europa und Nordamerika. Fast 50 Jahre waren sie und Gibson ein Paar gewesen. Für die Zukunft plant Atwood weitere Reisen, etwa nach Afrika.

Der 1985 erschienene Bestseller "Der Report der Magd" - im Original: "The Handmaid's Tale" - ist mit mehr als acht Millionen Exemplaren ihr bekanntestes Werk. Er spielt in der nahen Zukunft, in der ein totalitäres, religiöses Regime die Macht übernommen hat. Darin werden Frauen unterdrückt, sie müssen als "Gebärmaschinen" dienen. Atwood schrieb den Roman im Orwell-Jahr 1984 in West-Berlin.

Kandidatin für Nobelpreis

Wer jedoch meint, dass das alles nur ihrer Fantasie entsprungen sei, den korrigiert die zierliche Frau mit dem silberfarbenen Lockenhaar. Sie habe nichts erfunden, all die grausamen Dinge seien so oder so ähnlich schon irgendwo einmal passiert. Nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten stieg das Buch 2017 erneut in die Bestsellerlisten. Dazu trug auch die Serienverfilmung "Handmaid's Tale" bei, die bislang mit elf Emmys ausgezeichnet wurde. Mit den in Roman und Film beschriebenen roten Roben und weißen Hauben der "Mägde" protestieren Frauen in den USA immer wieder gegen schärfere Abtreibungsgesetze.

Atwoods rund 50 Romane, Essays, Kurzgeschichten und Gedichte sind in mehr als 30 Sprachen erschienen. International bekannt wurde sie durch ihren 1969 erschienen Roman "Die essbare Frau". Als Vizepräsidentin der weltweiten Schriftstellervereinigung PEN International setzt sie sich gemeinsam mit Salman Rushdie für verfolgte Autoren und Autorinnen ein.

Seit Jahren gilt die "Meisterin der Dystopie" zudem als Kandidatin für den Literaturnobelpreis. Im Jahr 2017 erhielt sie mit den Friedenspreis der deutschen Buchhandels. Atwood zeige politisches Gespür und eine Hellhörigkeit für gefährliche unterschwellige Entwicklungen und Strömungen in der Gesellschaft, hieß es in der Begründung der Jury.

Als Prophetin wird sie oft bezeichnet. So sieht sie sich aber nicht. "Ich schreibe Bücher, weil ich denke, so könnte es kommen", sagte sie einmal. Auch sei "Der Report der Magd" keineswegs anti-religiös. Vielmehr wolle sie zeigen, dass Religion auch missbraucht werden könne, betont Atwood, die sich als strikte Agnostikerin bezeichnet.

Durch ihr ganzes Leben zieht sich die Liebe zur Natur: Ihr Vater war Insektenforscher, mit den Eltern verbrachte sie die Sommermonate in der kanadischen Wildnis. Seit vielen Jahren engagiert sie sich für den Vogelschutz und beschäftigt sich mit der Klimakrise, der Verschmutzung der Weltmeere, mit Bürgerkriegen und Flüchtlingskrisen - etwa in ihren Werken "Oryx und Crake" oder "Das Jahr der Flut".

"Stimme der weiblichen Empfindsamkeit, aber auch Unerbittlichkeit"

Die Schriftstellerin sei "eine Stimme der weiblichen Empfindsamkeit, aber auch Unerbittlichkeit für ein anderes Amerika", würdigte sie einmal der Regisseur Volker Schlöndorff. Auch die Nachrichtenmoderatorin Petra Gerster ist ein Fan: "Wer denkt, Frauenemanzipation und Gleichberechtigung seien in der westlichen Welt fest verankert und unumkehrbar, muss Atwood lesen."

Auf Schriftsteller und alte Leute müsse niemand hören, erklärt Atwood, deren trockener Humor und feine Ironie in ihren Büchern und Interviews immer wieder hervorblitzt. Anders sei das bei Jugendbewegungen wie "Extinction Rebellion", sagt die Autorin, die bei Twitter aktuell mehr als 1,9 Millionen Follower hat.

In einem Podcast bezeichnete sie die 16-jährige schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg als "Jeanne d'Arc der Umweltbewegung". Gemeinsam sollten sie als "Frauen des Jahres" des internationalen Modemagazins "Glamour" ausgezeichnet werden. Dafür ließ Atwood sich in Model-Manier in ihren Lieblingsfarben schwarz und rot fotografieren.

Trotz der Weltuntergangsszenarien in ihren Werken sei sie Optimistin geblieben, betont Atwood. Eine Autobiografie will sie aber nicht schreiben: "Ich interessiere mich nicht so sehr für mich selbst, sondern für Geschichten und für meine Leser." Auch ihren Roman "Scribbler Moon" (deutsch etwa: Schreiberlings Mond) werden ihre Fans nicht zu Gesicht bekommen: Das Manuskript liegt beim norwegischen Verlag Future Library Project und soll erst im Jahr 2114 veröffentlicht werden.

Von Christine Süß-Demuth (epd)


Gewinner der Einheit


Das Sandmännchen wird 60.
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Zipfelmütze, Spitzbart und Flauschhaare: Das DDR-Sandmännchen ist heute gesamtdeutscher Publikumsliebling. Seit 60 Jahren verstreut es abends Traumsand - und ist noch kein bisschen müde.

Es ist eine Kultfigur: Allabendlich kommt das Sandmännchen im Fernsehen zu den Kindern, bringt eine Gute-Nacht-Geschichte und natürlich den berühmten glitzernden Traumsand. Das Ritual begeistert immer neue Kindergenerationen, seit nunmehr 60 Jahren. Am 22. November 1959 war der kleine Mann mit den dunklen Knopfaugen zum ersten Mal im DDR-Fernsehen zu sehen, wenige Tage vor dem West-Sandmännchen.

Heute ist der Sandmann aus dem Osten zu einem gesamtdeutschen Publikumsliebling geworden. Täglich sehen ihn mehr als eine Million kleine und große Zuschauer in Kika, MDR und RBB.

Einzigartig wie der Sandmann selbst ist sein Fuhrpark mit inzwischen mehr als 300 verschiedenen Fortbewegungsmitteln. Rund 200 davon wurden mit viel Liebe zum Detail von Harald Serowski (1929-2005) entworfen. Das Sandmännchen kommt im Unterseeboot oder mit dem fliegenden Teppich, lenkt Straßenbahnen, Fahrräder und Autos jeglicher Art, fährt Ski oder schwebt im Heißluftballon. Es flog sogar mit einem Raumschiff ins All und landete auf dem Mond.

Ost-West-Wettlauf

Seine Beliebtheit bestätigen Zuschauerbriefe an den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), der die Sendung federführend und in Kooperation mit MDR und NDR produziert: "Lieber Sandmann, ich hab dir eine Frau gemalt, damit du nicht mehr so alleine bist", schreibt ein Kind. Ein anderes fragt und sorgt sich: "Ob das Sandmännchen wohl ein Unterhemd trägt?"

"Die Kinder mögen vor allem seine beständig freundliche Art", sagt Anja Hagemeier, Leiterin der Abteilung Familie und Kinder beim RBB. Es sei verlässlich und auf seinen Reisen stets bei Kindern zu Gast - das begeistere.

Spektakulär ist seine Entstehung vor 60 Jahren - in nur drei Wochen wurde die Figur des Sandmanns geschaffen. Als die DDR-Funktionäre von einem geplanten West-Sandmännchen erfuhren, musste schnell ein Sandmännchen für den Osten her. So gesehen ist die Figur ein Ergebnis des Kalten Krieges.

Das DDR-Fernsehen DFF beauftragte den Berliner Regisseur, Puppen- und Szenenbildner Gerhard Behrendt (1929-2006). Ein passendes Lied dazu soll Komponist Wolfgang Richter (1928-2004) gar an nur einem Abend geschrieben haben. Den Text habe er sich durchs Telefon diktieren lassen, heißt es. Sein Werk "Sandmann, lieber Sandmann" ist heute Ohrwurm der Sendung. Alles in allem sei es "der große Wurf" gewesen, sagt Experte und Autor mehrerer Sandmann-Bücher, Volker Petzold.

Behrendt war allerdings mit seinem ersten Entwurf nicht zufrieden. Er habe sich für das "hutzelige Männchen", das bei der Premiere noch zu Fuß daher kam, zunächst sogar geschämt, erzählt Petzold, "es sah ein bisschen aus wie ein Gartenzwerg". Der Puppenbildner habe dann noch einige Monate weitergearbeitet, bis die etwa 25 Zentimeter große Figur so aussah wie heute noch - damals alles in Handarbeit. Hinzu kamen Requisiten und Landschaften sowie weitere Kult-Figuren, etwa Fuchs und Elster oder Pittiplatsch.

Puppe, Lied, Fahrzeug

Der erste Ost-Sandmann ging dann tatsächlich acht Tage früher auf Sendung als sein westdeutsches Pendant beim SFB. Das Ostprodukt setzte sich auch nach der deutschen Einheit durch. Als 1990 das Gerücht aufkam, dass die beliebte Sendung vom Bildschirm verschwinden sollte, hätten viele Zuschauer protestiert, sagt Petzold, der 1991 Vizechefredakteur beim DFF war.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt Petzold zufolge im Zusammenspiel von Puppe, Lied und wechselnden Fahrzeugen. Behrendt selbst beschrieb den Sandmann einmal so: "Er hat Kindliches als auch das Merkmal der Weisheit und Würde des Alters." In der DDR war der Sandmann einst auch politisch engagiert: Er fuhr zu sozialistischen Freunden in die Sowjetunion, nach Kuba und Vietnam, aber auch ins Pionierlager und zur Nationalen Volksarmee (NVA).

Zum runden Geburtstag sendet der RBB eine Sandmann-Dokumentation und eine lange Sandmann-Nacht. Und es gibt ein Lied: "Lieber Sandmann bleib", komponiert von Ex-Rosenstolz-Sänger Peter Plate, interpretiert von Sängerin Sotiria. Zudem können Fans im Filmmuseum Potsdam mit dem Sandmann auf Zeitreise gehen, in Dresden fokussiert eine Ausstellung die Beziehungen des Sandmanns zu Sachsen.

Von Katharina Rögner (epd)



Entwicklung

Evo Morales - Südamerikas erster indigener Präsident tritt ab

Evo Morales hat Geschichte geschrieben. Dass er seine Vorhaben beenden wollte, ließ ihn über die Zeit an der Macht festhalten. Auch das wird in Erinnerung bleiben.

Evo Morales hat Bolivien von Grund auf verändert. Als erster indigener Präsident hat er den bolivianischen Urvölkern zu Selbstbewusstsein verholfen. Nicht nur, weil er als Aymara einer von ihnen ist. Der ehemalige Koka-Bauer hat seit seinem Amtsantritt 2006 die Armut in dem Andenland fast halbiert. Davon haben ganz besonders die Ureinwohner profitiert, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen.

Der heute 60-jährige Morales wuchs in bitterarmen Verhältnissen im Hochland auf. Vier seiner Geschwister starben noch im Kindesalter. Schon früh schloss er sich der Gewerkschaft der Koka-Bauern an und gründete später die "Bewegung zum Sozialismus" (MAS), als deren Abgeordneter er 1997 ins Parlament einzog. 2005 wurde Morales dann zum Präsidenten gewählt. 2009 und 2014 wurde er jeweils mit absoluter Mehrheit wiedergewählt.

Der Kampf gegen die Armut und die Anerkennung der indigenen Kultur auf Staatsebene blieben seine wichtigsten Ziele. 2009 gab sich Bolivien eine neue Verfassung. Die Republik wurde zu einem "plurinationalen" Staat, indigene Rechtssysteme wurden als verfassungsgleich anerkannt. Zur Wahrung des traditionellen Koka-Anbaus trat Bolivien aus der UN-Drogenkonvention aus. Gleichzeitig förderte die Regierung die indigenen Sprachen, deren Kenntnisse seitdem als Voraussetzung für die Besetzung öffentlicher Ämter gelten.

Bergbau verstaatlicht

Boliviens wichtigste Exportprodukte sind Erdöl und Erdgas. Morales setzte die Verstaatlichung des Bergbausektors durch und investierte die Exporterlöse unter anderem in Sozialprogramme.

Auch politisch hat Morales Bolivien eine ungewöhnliche lange Zeit der Stabilität beschwert. Mit mehr als 13 Dienstjahren ist er der am längsten amtierende Staatschef in der Geschichte des Andenlandes. Der Versuch, entgegen dem Votum der Bevölkerung eine vierte Amtszeit durchzusetzen, wurde ihm schließlich zum Verhängnis.

2016 sprach sich in einem Referendum eine knappe Mehrheit der Bolivianer gegen eine vierte Kandidatur des Präsidenten aus. Morales stellte sich dennoch zur Wahl - gegen die Verfassung und mit Hilfe regierungstreuer Verfassungsrichter, die ihm grünes Licht gaben.

In den vergangenen Jahren nahm dann auch die Kritik an Morales zu. Ihm wurde vorgeworfen, nicht entschieden gegen Korruption und Vetternwirtschaft in seinem Umfeld vorzugehen. Zudem wurde sein Regierungsstil autoritärer, sein Umgang mit Kritikern härter.

Zuletzt hat er die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Um sein "sozialistisches Projekt" zu beenden, hat er weitrechende Manipulation beim Wahlergebnis in Kauf genommen. Nach wochenlangen Protesten und drei Toten zieht sich Morales jetzt zurück, wohl auch, um venezolanische Verhältnisse und noch mehr Tote zu verhindern. Das Selbstbewusstsein der bolivianischen Ureinwohner bleibt als sein Verdienst.

Von Susann Kreutzmann (epd)


Ex-Verteidigungsminister Rajapaksa siegt bei Wahl in Sri Lanka

Gotabaya Rajapaksa ist der neue Präsident Sri Lankas. Seine Rolle im Bürgerkrieg und seine ersten Ankündigungen machen bereits den künftigen Regierungskurs deutlich.

Der umstrittene frühere Verteidigungsminister Gotabaya Rajapaksa wird Sri Lankas neuer Präsident. Der 70-jährige Bruder von Ex-Präsident Mahinda Rajapaksa erhielt bei der Wahl von 16. November nach offiziellem Ergebnis 52,25 Prozent der Stimmen, wie die Zeitung "Daily Mirror" berichtete. Der Kandidat der Regierungspartei, Sajith Premadasa, kam auf 41,99 Prozent der Stimmen. Rajapaksa sollte am 18. November als neuer Präsident vereidigt werden. Damit zieht die umstrittene Politiker-Dynastie Rajapaksa erneut in den Präsidentenpalast ein. Beiden Brüdern werden im Bürgerkrieg (1983-2009) schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt.

Knapp sieben Monate nach den blutigen Osteranschlägen islamischer Attentäter mit 259 Toten sprach sich die Mehrheit der Wähler für die Rückkehr zu einer autoritären Regierungsform aus. Der frühere Armeeoffizier Rajapaksa war in der Endphase des Bürgerkriegs Verteidigungsminister und gilt als Unterstützer der extremistischen Bodu Bala Sena Organisation. Die buddhistisch-nationalistische Gruppe geht gezielt gegen Muslime vor, die etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Begnadigungen angekündigt

Das frisch gewählte Staatsoberhaupt kündigte bereits an, Bruder Mahinda zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Zudem will Gotabaya Rajapaksa alle Armeeangehörigen, die sich wegen Kriegsverbrechen verantworten müssen, begnadigen. Mahinda Rajapaksa war von 2005 bis 2015 Präsident Sri Lankas und gewann den Bürgerkrieg gegen die tamilischen Rebellen mit einer blutigen Militärkampagne.

Die Terroranschläge im April haben die ethnischen und religiösen Spannungen auf der Insel noch verstärkt. Am Wahltag wurden zwei Busse mit muslimischen Wählern angegriffen. 35 Kandidaten hatten sich für das höchste Amt beworben, etwa 16 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Die Wählerbeteiligung lag bei etwa 80 Prozent.

Mischung aus Präsidial- und Parlamentssystem

Die beiden Favoriten repräsentierten nicht nur für eine politisch konträre Ausrichtung, sondern sprachen auch unterschiedliche ethnische und religiöse Bevölkerungsgruppen an. Rajapaksa stützen sich auf die Unterstützung der singhalesisch-buddhistischen Mehrheit auf der Insel mit 21 Millionen Einwohnern. Premadasa genoss bei den Muslimen oder Tamilen Rückhalt, die etwa 20 Prozent der Insel-Bevölkerung ausmachen.

Sri Lankas Regierung funktioniert als eine Mischung aus Präsidial- und Parlamentssystem, wobei der Präsidenten zwar weitreichende Machtbefugnisse besitzt, doch in Zusammenspiel mit dem Ministerpräsidenten regieren muss. Obwohl der Präsident den Ministerpräsidenten bestimmt führt diese Konstruktion in der Praxis mitunter zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Staats- und Regierungschef.



UN: Hunderttausende Binnenflüchtlinge leiden unter Gewalt im Kongo

Die Vereinten Nationen sind alarmiert über die anhaltende Gewalt gegen Binnenflüchtlinge im Osten des Kongos. Rund 300.000 Menschen, die meisten davon Frauen und Kinder, seien Opfer brutaler Übergriffe durch verschiedene bewaffnete Gruppen, warnte ein Sprecher des Flüchtlingshilfswerks UNHCR am 12. November in Genf.

Tötungen, Vergewaltigungen und Verschleppungen seien in Gebieten der Provinzen Ituri und Nord-Kivu zu beklagen, erklärte der Sprecher, Babar Baloch. Sexuelle Ausbeutung sei weit verbreitet. Die Menschen seien seit Juni von den Bewaffneten vertrieben worden. Nord-Kivu und Ituri sind auch Brennpunkte einer Ebola-Epidemie.

Ebola-Gefahr

Seit Mitte 2018 infizierten sich laut den Behörden der Demokratischen Republik Kongo knapp 3.300 Menschen mit der hochansteckenden Fieberkrankheit, rund 2.200 von ihnen seien gestorben. Der UNHCR-Sprecher betonte, dass weitere vier Millionen Menschen im gesamten Kongo als Binnenflüchtlinge umherirren. Das seien etwa zehn Prozent aller Binnenflüchtlinge weltweit.

Das UNHCR benötige für die Versorgung von Menschen auf der Flucht im Kongo in diesem Jahr 150 Millionen US-Dollar. Geber hätten bislang nur 57 Prozent der benötigten Summe bereitgestellt.



Alle 39 Sekunden stirbt ein Kind an Lungenentzündung

Mehr Kinder sterben laut den UN an einer Lungenentzündung als an jeder anderen Krankheit. Über 800.000 Mädchen und Jungen unter fünf Jahren seien 2018 an Lungenentzündung gestorben, erklärte die Exekutivdirektorin des Kinderhilfswerks Unicef, Henrietta Fore, am 12. November in New York.

Damit habe im vergangenen Jahr alle 39 Sekunden ein Kind sein Leben verloren, weil es sich eine Infektion der Lunge zugezogen habe. Den Angaben nach starben 2018 rund 440.000 Kinder an Durchfall, rund 270.000 überlebten eine Malaria-Erkrankung nicht.

Hälfte der Todesfälle in fünf Ländern

Unicef-Chefin Fore erklärte, dass eine Lungenentzündung in den meisten Fällen vermeidbar sei, zudem sei sie heilbar. Die Krankheit werde durch Bakterien, Viren oder Pilze verursacht. In fünf Ländern hätten sich 2018 mehr als die Hälfte der Todesfälle ereignet: Nigeria, Indien, Pakistan, Demokratische Republik Kongo und Äthiopien.

Die Unicef-Chefin rief die Länder dazu auf, mehr Gelder für den Kampf gegen die Lungenentzündung zu geben. Unicef veröffentlichte den Appell mit fünf weiteren Kinder- und Gesundheitsorganisationen.

Im Januar 2020 werden die Organisationen gemeinsam ein Globales Forum über Lungenentzündungen bei Kindern veranstalten. Es soll in Spanien stattfinden.




Termine

3.12. Wittenberg

Freiheit – eine evangelische Haltung? Befreiung, Freispruch und „Kirche der Freiheit“ – in der evangelischen Theologie wird viel von der Freiheit geredet. Mancher geht so weit, Luthers Freiheitsschrift an der Wiege der Menschenrechte stehen zu sehen. Den Philosophen des 18. und 19. Jahrhunderts wird unterstellt, mit dem Protestantismus liiert gewesen zu sein, als das souveräne moderne Subjekt zur Welt kam. Die Kinder haben sich aber längst von der theologischen Mutter emanzipiert. Und wer sich ihr nähert, erkennt Irritierendes an der evangelischen Freiheit. Was hat die evangelische Freiheit mit heutigen Freiheitsideen gemeinsam? https://ev-akademie-wittenberg.de

6.12. Stuttgart

Bessere Medizin? Wie wir künstliche Intelligenz verantwortlich gestalten. Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen kann bspw. Forschung für personalisierte Krebsbehandlung ermöglichen. Dazu müssen aber in großem Umfang Patientendaten verarbeitet werden. Zwischen „gläsernem Patient“ und ethischer Pflicht zur Datenspende: Welche Regelungen braucht eine sozial verantwortlich gestaltete Anwendung von KI im Gesundheitswesen? Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse Dr. Jens Baas u.a. geben Einblicke in die Zukunft der Künstlichen Intelligenz im Gesundheitswesen. www.ev-akademie-boll.de

12.-13.12. Berlin

Die Welt als Bedrohung. Der Ausweg heißt Nachhaltige Entwicklung. Die deutsche Gesellschaft bleibt in Blick auf die grundständige Internationalisierung der Bezugsräume und deren Folgen in der Breite unvorbereitet. Die mutige Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den Themen der Nachhaltigen Entwicklung und möglicher Konsequenzen für den Alltag findet nicht ausreichend statt. Die bisherige Kommunikationsarbeit scheitert regelmäßig an psychologischen, sozialen, kulturellen Barrieren und am Gegensatz von kurzfristigen Interessen und langfristigen Notwendigkeiten. www.eaberlin.de