Ein dezentrales bundesweites Meldesystem soll nach Willen des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, künftig mehr Erkenntnisse für den Kampf gegen Judenfeindlichkeit liefern. "Wir haben es heute mit einem neuen, neu erstarkten Antisemitismus zu tun", sagte er am 13. November in Berlin. Daher müssten überall in Deutschland Strukturen geschaffen werden, um solche Vorfälle zu dokumentieren und Betroffenen zu helfen. Als Vorbild nannte Klein die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin). Hass auf Juden könne besser bekämpft werden, wenn er durch zusätzliche Daten erst mal sichtbarer gemacht werde.

Es bedürfe in Deutschland einer Kultur der staatlichen und gesellschaftlichen Sanktionierung von Antisemitismus, fügte der Beauftragte für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus hinzu, der seit Mai 2018 im Amt ist. Er verwies auf den Anschlag Anfang Oktober in Halle. Diese Tat sei ein "Einschnitt", nach dem die antisemitische Bedrohung von niemandem mehr ignoriert werden könne. Zwei Menschen seien getötet worden und die jüdische Gemeinschaft nur haarscharf einem Massaker entgangen. Bei dem antisemitisch motivierten Anschlag hatte der schwer bewaffnete Täter am 9. Oktober vergeblich versucht, während eines Gottesdienstes in die Synagoge zu gelangen.

Kritik an EuGH-Urteil

Klein beklagte, dass Juden heute wieder auf offener Straße beschimpft, bespuckt und bedroht würden, in sozialen Medien werde völlig enthemmt gegen sie agitiert. Er setzt sich daher dafür ein, dass im Strafgesetzbuch der Paragraf 46 um antisemitische Motivationen erweitert wird. Der Paragraf gebe Richtern die Möglichkeit, Straftaten besonders scharf zu ahnden, wenn diese aus politischem Hass begangen würden. Bisher werden in den "Grundsätzen der Strafzumessung" lediglich "rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende" Beweggründe explizit genannt.

Kritik übte der Antisemitismusbeauftragte an dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten. "Das Urteil ist ein klassischer Fall für doppelten Standard. Israel wird anders behandelt als andere Nationen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Ihm jedenfalls seien keine Bemühungen der EU bekannt zur Kennzeichnung von Produkten aus anderen umstrittenen Gebieten, etwa von der Krim oder aus der Westsahara. Das höchste europäische Gericht hatte am Dienstag geurteilt, dass es gegen EU-Recht verstoße, wenn die Lebensmittel lediglich die Herkunftsangabe "Israel" aufweisen, da die 1967 besetzten Gebiete völkerrechtlich nicht zum Staat Israel gehörten.

Jüdisch-muslimisches Dialogprojekt

Am 12. November hatte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) indes mit Vertretern jüdischer Gemeinden getroffen, um sich über Sicherheitsfragen auszutauschen. Bei dem Treffen sei vereinbart worden, künftig regelmäßig an einem Runden Tisch über den Schutz jüdischer Einrichtungen zu beraten, teilte das Innenministerium im Anschluss mit. "Für ein lebendiges und unbeschwertes jüdisches Leben in Deutschland müssen Staat und Gesellschaft noch enger zusammenwirken", stellte der Minister demnach fest.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland zog derweil eine positive Zwischenbilanz eines jüdisch-muslimischen Dialogprojekts. Unter dem Titel "Schalom Aleikum" würden seit gut sechs Monaten Gesprächsrunden zwischen jüdischen und muslimischen Vertretern der Zivilgesellschaft veranstaltet, die gemeinsam über konkret bestehende Vorurteile diskutieren, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster in Berlin. Es handle sich um das erste bundesweite Projekt dieser Art. Bislang gab es im Rahmen von "Schalom Aleikum" Veranstaltungen mit insgesamt fast 150 Teilnehmern in Berlin, Würzburg, Leipzig und Osnabrück.