Joseph Mallord William Turner (1775-1851) gilt als der bedeutendste Maler der englischen Romantik und wird aufgrund seines innovativen Umgangs mit Licht und Farbe auch als Wegbereiter für den Impressionismus gesehen. Ein großer Teil seines umfangreichen Werkes hängt in der Londoner Tate Galery. Mit dieser hat das LWL-Museum für Kunst und Kultur bei der Konzeption seiner Ausstellung "Turner. Horror and Delight" eng zusammengearbeitet. Das Museum in Münster zeigt nun 80 Gemälde und Aquarelle des britischen Künstlers.

Hinzu kommen 30 Leihgaben von europäischen Museen, darunter Werke von Caspar Wolf (1735-1783), John Constable (1776-1837) und John Martin (1789-1854). "Damit wollen wir zeigen, welche Künstler Turner geprägt haben und wie er sich von seinen Zeitgenossen abhebt", sagt Museumsdirektor Hermann Arnhold. Turner, der als Sohn eines Barbiers aus einfachen Verhältnissen stammte, war ein äußerst produktiver Maler. Als er mit 76 Jahren starb, hinterließ er dem englischen Staat mehr als 20.000 Werke.

Urgewalt und Schönheit

Die Schau in Münster stellt die Reisen Turners in die Schweiz und nach Italien in den Fokus. "Seine Begegnung mit der Schweizer Bergwelt war für den Künstler eine grundlegend neue Erfahrung", erklärt Kuratorin Judith Claus. Die dabei entstandenen Bilder zeigen eine Natur, bei der das Erhabene und das Furchteinflößende eng beieinanderliegen. Das findet sich beispielsweise bei der Darstellungen von Stürmen und anderen Naturkatastrophen - "Horror" und "Delight" als widerstreitende Aspekte ein und desselben Motivs.

Der Urgewalt der Natur steht in der Ausstellung das Malerische gegenüber: die Ruhe und Schönheit klassischer Landschaften, die Turner bei seinen Reisen nach Italien entdeckte. Dort inspirierte ihn das Licht zu stimmungsvollen Aquarellen. In dem um 1828 entstandenen Gemälde "Südliche Landschaft mit Aquädukt und Wasserfall" geht es weniger um die Farben selbst als vielmehr um die Erscheinung von Farben. Also um das, was beim Betrachter eine bestimmte Stimmung erzeugt.

Stimmung statt Realismus gilt auch für das Bild "Frieden - Bestattung auf See" von 1842. Angeregt wurde es durch den Tod eines Freundes während einer Seereise. Turner malt die Segel des Schiffes in einem unwirklich schwarzen Ton, um seine Trauer auszudrücken und gleichzeitig einen wirksamen Kontrast zur Helligkeit des Himmels und des Horizonts zu setzen. Überhaupt gilt des Einfangen bestimmter, teils malerisch ruhiger, teils hochdramatischer Lichtstimmungen als Charakteristikum für Turners späteres Werk.

An Schiffmast gebunden

Ein Teil der Ausstellung ist dem Thema Meer gewidmet. Für das 1842 entstandene Bild mit dem ausführlichen Titel "Schneesturm - ein Dampfschiff im flachen Wasser vor einer Hafeneinfahrt gibt Leuchtsignale ab" soll sich Turner vier Stunden an den Schiffsmast haben binden lassen, um den Sturm am eigenen Leib zu erfahren und ihn adäquat abbilden zu können, erzählt Kuratorin Claus. Das Ergebnis sind schwindelerregende Strudelbewegungen, die den Betrachter in das Gemälde hineinziehen und ein Gefühl des Ausgeliefertseins erzeugen.

Im letzten der sechs Ausstellungsräume stellt die Kuratorin zwei mit "Sintflut" betitelte Bilder gegenüber. Das 1834 von John Martin gemalte zeigt das biblische Ereignis als eine alle Dimensionen sprengende Menschheitskatastrophe, während Turner in seinem früheren Werk von 1805 eine große Welle malt, die eine Landschaft überflutet, in der die Menschen eher wie Staffage wirken. Aus der Menschheitskatastrophe wird hier eine Naturkatastrophe. Das LWL-Museum für Kunst und Kultur präsentiert Turners Werke bis zum 26. Januar.