Politisch motivierte Gewalt von Extremisten ist in Nordrhein-Westfalen weiter auf dem Vormarsch. Bei der Verbreitung von extremistischem Gedankengut spielt zugleich das Internet eine immer wichtigere Rolle, wie aus dem am 3. Juli in Düsseldorf vorgestellten NRW-Verfassungsschutzbericht für 2018 hervorgeht. "Der Hass lauert im Netz. Von hier breitet er sich wie eine Krankheit aus. Und hier müssen wir ihn bekämpfen", sagte Innenminister Herbert Reul (CDU).

Der Bericht untersucht die Ausbreitung von Rechts- und Linksextremismus sowie von Islamismus und Antisemitismus. Sorge bereitet den Verfassungsschützern dabei vor allem der Rechtsextremismus. Mit der Verbreitung rechter Ideologien im Netz werde versucht, diese "menschenverachtende Gesinnung" zu entgrenzen und sie auch für die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft salonfähig zu machen, warnte Reul. Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke habe vor Augen geführt, dass der Rechtsextremismus ein "ganz zentrales Problem" sei.

Zwar blieb im Vorjahr gegenüber 2017 die Zahl der Straftaten mit 3.767 (3.764) nahezu unverändert. Die Zahl der Gewalttaten legte aber dem Verfassungsschutzbericht zufolge um fünf Prozent auf 217 (206) zu. Durch das Internet habe sich der Rechtsextremismus zudem "von verrauchten Hinterzimmern in die versteckten Chatrooms" verlagert, machte der Minister deutlich. Damit bestehe die Gefahr, dass die Demokratie unterwandert werde. Nutzer machten sich mit einem leichtfertig geklickten "Gefällt mir" zu Motivatoren von Mördern und ideologischen Brandstiftern.

Meldestelle für antisemitisch motivierte Delikte geplant

Auch bei antisemitisch motivierten Gewaltdelikten stellten die Verfassungsschützer einen deutlichen Anstieg fest. Deren Zahl erhöhte sich im Vorjahr auf 16 und verdreifachte sich damit annähernd. Insgesamt wurden 350 antisemitische Straftaten registriert, 26 mehr als 2017. Darüber hinaus gibt es Reul zufolge immer mehr alltägliche antisemitische Diskriminierung unterhalb der Strafbarkeit.

Die Antisemitismus-Beauftragte in NRW, die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, kündigte Vorbereitungen zur Einrichtung einer Meldestelle für antisemitische Übergriffe an. Gefordert seien auch neue Konzepte in der Bildung, damit sich stereotype Vorurteile und Judenfeindlichkeit nicht weiter in den Köpfen der Menschen festsetzten. "Die Ängste jüdischer Gemeinden sind - leider - berechtigt. Bereits antisemitische Pöbeleine, Postings und Demonstrationen verstroßen gegenunsere freiheitlich-demokratische Grundordnung", eklärte sie.

Innenminister fordert "Vermummungsverbot im Netz"

Eine Gefahr sieht der Bericht weiterhin auch im Islamismus in NRW. Vor allem radikalisierte Rückkehrer aus IS-Gebieten oder instruierte Einzeltäter ohne feste Bindung an eine Organisation seien eine Bedrohung. "Ich kann da keine Entwarnung geben", sagte Reul und verwies auf den ersten Fall einer dschihadistisch motivierten Herstellung von Biowaffen: In Köln soll 2018 ein mutmaßliches Islamistenpaar einen Anschlag mit dem Gift Rizin geplant haben. Der Prozess läuft vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.

Dagegen hätten beim politischen Salafismus Vereinsverbote und strafrechtliche Schritte das Wachstum der Szene abgeschwächt. Jedoch stufen die Verfassungsschützer 109 und damit zwölf Prozent der 850 Moscheen in NRW als islamistisch beeinflusst ein, davon 70 als rein salafistisch und 16 aus dem Kreis der sunnitisch-islamistischen Muslimbruderschaft.

Beim Linksextremismus registrierten die Verfassungsschützer 447 Gewaltdelikte 2018. Das waren mehr als doppelt so viele wie im Jahr davor. Die Zahl der Straftaten blieb dagegen mit 1.394 (1.374) nahezu unverändert. Vor allem im Hambacher Forst habe sich die Gewalt der linksextremen autonomen Szene weiter verschärft. Zunehmend werde deutlich, dass das Ziel der Besetzer weniger der Umweltschutz als die Schaffung autonomer Gebiete sei.

Wegen der zunehmenden politischen Gewalt und der Rolle des Internets sprach sich Reul für ein "Vermummungsverbot im Netz" aus. Damit hätte sich jeder mit seinem Klarnamen für Äußerungen zu verantworten. Auch die Anbieter von Internetdiensten seien in der Verantwortung, Hasskommentare schneller als bislang zu löschen. Auch die Hürden für die Ermittlung verdächtiger IP-Adressen von Computern müssten sinken.