Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung dringt auf Maßnahmen für eine größere Reichweite von Tarifverträgen. Ihre Reichweite gehe seit mehr als zwei Jahrzehnten nahezu kontinuierlich zurück, kritisierte die Stiftung am 8. April in Düsseldorf anlässlich des 70. Jubiläums des Tarifvertragsgesetzes am 9. April. Mittlerweile seien nur noch 55 Prozent der Beschäftigten und 27 Prozent der Betriebe tarifgebunden. Vor allem in kleineren Betrieben, verschiedenen Dienstleistungsbereichen und den ostdeutschen Bundesländern liege die Tarifbindung erheblich unter dem Durchschnitt.

"Die rückläufige Tarifbindung untergräbt die bestehenden Tarifstandards und fördert niedrig bezahlte und prekäre Beschäftigung", erklärte Thorsten Schulten vom Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Böckler-Stiftung. Die Vertragsparteien müssten daher für eine stärkere Bindung sorgen. Bei öffentlichen Aufträgen sollte sich die Vergabe nach der Tarifbindung ausrichten, forderte er. Eine höhere Geltung könne etwa durch eine erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen unterstützt werden. Zudem plädierte Schulten dafür, das Vetorecht der Arbeitgeber im Tarifausschuss abzuschaffen.

Jedes Jahr werden laut einer Auswertung des WSI-Tarifarchivs mehr als 5.000 Tarifabkommen neu abgeschlossen. Derzeit gebe es rund 77.000 gültige Tarifverträge. Die tariflichen Vergütungen sind der Auswertung zufolge in den letzten zehn Jahren preisbereinigt um gut 14 Prozent gestiegen.