Berlin (epd). Vor einer Entscheidung im Gesundheitswesen über eine mögliche Kassenfinanzierung vorgeburtlicher Bluttests hat der Bundestag über möglichen gesetzlichen Regelungsbedarf beraten. Im Parlament meldeten sich am 11. April mehrheitlich Befürworter einer Finanzierung durch die Kassen zu Wort. Für den risikolosen Bluttest auf Trisomie andere Grenzen zu ziehen als für die risikobehaftete Fruchtwasseruntersuchung sei rational, medizinisch und ethisch nicht zu erklären, sagte etwa die Abgeordnete Claudia Schmidtke (CDU), die auch Patientenbeauftragte der Bundesregierung ist. Gleichzeitig betonten viele Redner, dass die Fragen an den Gesetzgeber über die Finanzierungsfrage hinausgingen.
Die Beratung am Donnerstag hatte schon deswegen einen besonderen Charakter, weil der Bundestag über einen Sachverhalt beriet, den er nicht selbst zu entscheiden hat. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, Kassen und Krankenhäusern muss darüber beschließen, ob der Bluttest zur Kassenleistung werden soll. Der Test erkennt am Blut der Mutter, ob das ungeborene Kind eine Trisomie, etwa das Down-Syndrom, hat. Bislang müssen ihn Eltern privat bezahlen. Andere Methoden wie die Fruchtwasseruntersuchung, die dies auch untersuchen, werden von der Kasse übernommen. Sie bergen aber ein hohes Risiko für eine Fehl- oder Frühgeburt.
Sorge über Umgang mit Behinderten
"Eine Untersuchung ohne Risiko für Fötus und Schwangere ist deutlich besser als eine Untersuchung mit Risiko", sagte die Linken-Abgeordnete Cornelia Möhring. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte, man könne ihn Frauen nicht vorenthalten und Schwangeren stattdessen die gefährliche Fruchtwasseruntersuchung zumuten. Andere Befürworter verwiesen darauf, dass der Test nicht nur denjenigen vorbehalten sein dürfe, die ihn sich leisten können. "Die finanzielle Situation darf bei so einer Frage absolut nicht entscheidend sein", sagte die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus.
Kritiker der Tests äußerten dagegen Sorge über den Umgang mit Behinderten. Der Test diene der Selektion, sagte die Grünen-Abgeordnete Corinna Rüffer. Der AfD-Politiker Volker Münz sagte, die Erwartungshaltung gegenüber Müttern, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, würde größer werden.
Zwei Stunden nahm sich das Parlament Zeit für die sogenannte Orientierungsdebatte. 36 Parlamentarier meldeten sich zu Wort, die jeweils drei Minuten Zeit hatten, ihre Argumente zu schildern. Die Diskussion verläuft wie bei ethischen Fragen nicht an Parteigrenzen entlang. Noch in dieser Wochen hatten die Unionsparteien betont, ihren Abgeordneten keine Linie vorgeben zu wollen.
Das Thema ist gesamtgesellschaftlich umstritten. Behindertenverbände sehen die Tests kritisch. Die evangelische Kirche hat sich in einer Stellungnahme für die Kassenleistung unter bestimmten Voraussetzungen ausgesprochen, die katholische ist dagegen.
Weitere Tests vor Zulassung
Viele Redner im Bundestag mahnten Regelungen über diese konkrete Frage hinaus an. Ganz viele andere solcher Gen-Tests stünden vor der Zulassung, sagte Rüffer. Lauterbach prognostizierte, es werde künftig Tests auf fast jede genetische Erkrankung geben. Er forderte ein Gremium zur Entscheidung über solche Tests, in denen unter anderen Wissenschaftler und Psychologen vertreten sein müssten. Die Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler schlug eine Novelle des Gendiagnostikgesetzes vor, das festlegt, welche vorgeburtlichen Tests gemacht werden dürfen.
Der CDU-Abgeordnete, Arzt und Marburger-Bund-Vorsitzende Rudolf Henke forderte eine Stärkung der Beratung von Frauen. Der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger, ebenfalls Arzt, betonte wie andere Redner auch, den Bluttest nur bei Risikoschwangerschaften von den Kassen finanzieren zu lassen. Der G-BA sieht das selbst in seiner im März veröffentlichten Beschlussempfehlung vor. Eine endgültige Entscheidung soll in dem Gremium im Spätsommer fallen.