Am Eingang der Kita "Bilderstöckchen" in Köln gibt es derzeit öfter Tränen. "Die Kinder sind sehr irritiert", stellt Einrichtungs-Leiterin Anke Werner bedauernd fest. Denn wegen der Corona-Hygiene-Auflagen dürfen Eltern die integrative Einrichtung nicht mehr betreten und müssen ihre Kinder an der Tür übergeben. Und auch im Inneren der Kita ist vieles nicht mehr so, wie es die Kinder gewohnt waren: "Wir haben alles weggepackt, was zu körperlichem Kontakt auffordert", sagt Werner. So wurden etwa die Frisör- und die Arzt-Spielecke sowie die Verkleidungen eingepackt. Und im Außengelände hat jetzt jede Gruppe ihren Bereich, in dem sie bleiben muss. Spielen mit dem Freund oder der Freundin aus der Nachbargruppe ist nun streng verboten.

Viele Kinder seien damit überfordert, die Veränderungen zu verstehen, beobachtet Werner, in deren Kita bislang 15 der insgesamt 90 Kinder zurückgekehrt sind. In den kommenden Wochen sollen in ganz Deutschland stufenweise immer mehr Kinder wieder in die Kitas gehen dürfen. Werner hält es für illusorisch, dass die Kinder auf Dauer Abstand untereinander und zu den Erzieherinnen halten: "Ein Kind kann beim Spielen nicht daran denken, Abstand zu halten." Auch ein Kind, das hinfällt und sich wehtut, könne nicht aus anderthalb Metern Entfernung getröstet werden. "Wir werden auch kein Kind abweisen, das auf uns zukommt und uns umarmt", sagt Werner.

Keine Trennwände und Masken

"Wir können die Erzieherinnen in den Kitas nicht so schützen, wie es wünschenswert wäre," sagt Judith Adamczyk vom AWO Bundesverband in Berlin. "Was im Supermarkt durch Trennwände und Abstandshalter geht, das funktioniert in einer Kita so nicht." Auch das Tragen von Masken sei in Kitas nicht sinnvoll. Jede der bundesweit rund 2.500 AWO-Kitas, in denen mehr als 180.000 Kinder betreut werden, sei derzeit damit beschäftigt, ihr Hygiene-Konzept laufend anzupassen: "Die Kitas leisten im Moment eine wahnsinnige Aufgabe." Oft müssten sie in kürzester Zeit auf neue Anweisungen und Konzepte der Landesministerien reagieren. "Die Kritik, dass die Vorgaben nicht umgesetzt werden können, wird immer lauter", sagt Adamczyk.

"Hauptproblem der Einrichtungen ist momentan der Engpass an Personal", erklärt Paula Döge, die bei der Diakonie Deutschland für den Bereich Tageseinrichtungen für Kinder zuständig ist. Nach Schätzungen gebe es in den Kitas durchschnittlich einen Personalausfall von 20 bis 25 Prozent durch Mitarbeiterinnen mit erhöhtem Infektionsrisiko, aber auch durch normale Krankschreibungen oder Urlaub. Zugleich haben die Kitas vielerorts die Zielvorgabe, immer mehr zurückkehrende Kinder in möglichst kleinen und getrennten Gruppen zu betreuen.

Derzeit steige der Betreuungsbedarf, weil durch das Hochfahren der Wirtschaft viele Eltern wieder zu ihrem Arbeitsplatz fahren müssten, beobachtet Döge. Dem könnten viele Kitas aber gar nicht gerecht werden. "In der Öffentlichkeit wird bislang wenig thematisiert, dass Kitas nicht einfach so zu einem Normalbetrieb zurückkehren können," kritisiert Döge.

"Angebote stark reduziert"

Auch Adamczyk sagt: "Viele Kitas werden nicht die gewohnten Betreuungsumfänge bieten können." Das bedeutet, dass Kinder eventuell weniger Stunden in der Kita verbringen können, weil durch die neuen Auflagen Räume und Personal fehlen. In den Kitas litten sowohl Kinder als auch Erzieherinnen darunter, dass der pädagogische Alltag derzeit ausgehebelt sei, stellt Adamczyk fest: "Viele pädagogische Angebote mussten sehr stark reduziert werden."

Erzieherinnen befürchten, dass das vor allem bei sehr zurückhaltenden, ängstlichen oder behinderten Kindern zu Rückschritten in der Entwicklung führen könnte. Denn künftig würden vor allem Tätigkeiten nicht mehr möglich sein, die die Kinder bislang selbstbestimmt in die Hand nehmen konnten, sagt Kita-Leiterin Werner: "Zum Beispiel dürfen sich die Kinder nicht mehr selbst beim Essen bedienen." Das müsse aus Hygiene-Gründen künftig von einer Mitarbeiterin ausgeteilt werden. "Vieles, worauf die Kinder stolz waren, müssen wir dann verbieten", bedauert die Pädagogin.