Als mit der Corona-Pandemie die Maskenpflicht kam, stand Schulleiter Manfred Drach vor einem Problem. Er sagt: vor einer Herausforderung. Drach ist Rektor der Johannes-Vatter-Schule, einer Schule mit dem Förderschwerpunkt Hören im hessischen Friedberg. Wie sollten seine rund 200 gehörlosen Schüler in der Schule kommunizieren? "Gehörlose brauchen das Mundbild und die Gesichtsmimik für das Sprachverstehen", sagt Drach. Doch die Schutzmasken decken einen Großteil des Gesichts ab.

Da entdeckte er sogenannte Face Shields, durchsichtige Visiere aus Plastik, die das ganze Gesicht abdecken. Der Rektor nahm Kontakt zu einer offenen Werkstatt in Gießen auf. Das gemeinnützige Bildungsprojekt "Makerspace" reagierte in der Hochphase der Pandemie, als in Krankenhäusern und Arztpraxen Schutzmasken fehlten. "Wir haben eine Open-Source-Vorlage aus Tschechien genutzt und schnell ein System aufgebaut. Wir wollten die Lücke überbrücken", erzählt "Makerspace"-Mitgründer Johannes Schmid.

Auf den elf eigenen 3-D-Druckern und mit Unterstützung der Community aus 80 Freiwilligen druckte das "Makerspace"-Team etwa 3.000 Face Shields und gaben sie an die Uniklinik oder Pflegedienste ab. Auch die Gehörlosenschule in Friedberg erhielt Masken, kostenlos.

Stoffmasken mit Sichtfeld

Rektor Drach ist mit den Face Shields sehr zufrieden. Er probierte sie zunächst mit älteren Schülern aus. "Auch Brillenträger sind nicht beeinträchtigt. Es gibt kein Blenden, und sie beschlagen nicht. Die Face Shields sind ästhetisch und gut für die Kommunikation." Schüler und Lehrer trügen sie nur in bestimmten Unterrichtsituationen, wenn ein engerer Kontakt nötig sei. Ansonsten gehe die Schule den Weg: "Abstand und Hygienestruktur."

Für Gehörlose gibt es mittlerweile auch Stoff-Gesichtsmasken mit einem Sichtfeld, wie sie etwa eine Firma aus dem Schwarzwald gemeinsam mit einer Schneidermeisterin produziert. Im Internet erklärt auf Youtube die niedersächsische Familie von Deetzen in Gebärdensprache, welche Maskenformen es gibt und wie sie getragen werden.

Dennoch ist die derzeitige Situation für Gehörlose nicht leicht. Viele seien jetzt isolierter als ohnehin schon, sagt Pfarrer Gerhard Wegner von der Evangelischen Gehörlosengemeinde Frankfurt. Es gebe zwar einige "technisch Fitte", die Internet und Videotelefonie nutzten. "Aber die Generation, die zur Gemeinde gehört, ist nur zum Teil technikaffin."

Wegner betreut rund 300 Gehörlose in Frankfurt und Umgebung. Hausbesuche macht er zurzeit keine, Treffen finden höchstens von der Haustür oder dem Balkon aus statt. Er mache aber Sterbebegleitung von Gehörlosen, betont er. Auch einen ersten Gottesdienst mit den entsprechenden Abstandsregeln bot er bereits an. "Wir haben Räume, in denen wir das machen können." Von 15 möglichen Teilnehmern seien zwölf erschienen. "Das ist für mich ein Zeichen, dass noch Hemmungen und Ängste bestehen."

Beim Bäcker wird's schwierig

Die Masken zeigen auch, dass es Menschen gibt, die barrierefreie Kommunikation brauchen. Wenn das Robert Koch-Institut in seinen Presse-Briefings im Fernsehen oder in Live-Streams über die Corona-Pandemie informierte, war im Bild auch eine Gebärdendolmetscherin zu sehen, die für Gehörlose übersetzte.

Was Zuschauer möglicherweise überraschte, ging auf eine Forderung der Gehörlosen-Verbände zurück. Gerade in der unsicheren Pandemie-Situation müssten die lebenswichtigen Informationen mit Videos in Deutscher Gebärdensprache veröffentlicht werden. "Anfangs waren alle wesentlichen Gesundheitsinformationen nur in Schriftsprache oder in Lautsprache verfügbar", sagt Sascha Nuhn vom Hessischen Verband für Gehörlose und hörbehinderte Menschen. Beides stelle allerdings eine Fremdsprache für Gehörlose dar. "Keine Fernsehsendung ohne Gebärdendolmetscher oder Untertitel - Das ist der Traum von Inklusion", sagt Gehörlosenpfarrer Wegner.

Auch im Alltag haben Gehörlose Probleme, wenn alle Masken tragen. Im Supermarkt klappe das Einkaufen ganz gut, erklärt Wegner, der selbst schwerhörig ist. "Aber wo Kommunikation nötig ist, beim Bäcker oder Metzger, da wird es schwierig. Viele Gehörlose können sich nur mit Zettel und Stift behelfen."

An die Johannes-Vatter-Schule in Friedberg kehren nun nach und nach die Klassen zurück. "Alle sind froh, dass es ein Stück weit Richtung Normalität geht", berichtet Rektor Drach. Es gebe einzelne Schüler, die es in der Corona-Pandemie schwer haben. "Es gibt aber ganz viele, die kommen wunderbar klar."