Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat dem Schriftsteller Uwe Tellkamp nach dessen umstrittenen Äußerungen über Flüchtlinge und der darauffolgenden Kritik rhetorische Eskalation vorgeworfen. Tellkamp habe die vermeintliche Diskursanalyse "in eine ressentimentgeladene Show verwandelt", sagte Pörksen der Dresdner "Sächsischen Zeitung".

Tellkamp "wollte, manchmal zitternd vor Wut, abrechnen, nicht diskutieren", so der Forscher weiter. Die anschließende "Rede von einem 'Korridor der erwünschten Meinung' oder einer 'Gesinnungsdiktatur' war für ihn ein Mittel der weiteren rhetorischen Eskalation", erklärte Pörksen. "Ich würde jedoch einwenden: Gehört der Widerspruch nicht zum Diskurs dazu?", so der Forscher.

Suhrkamp-Distanzierung

Tellkamp hatte am 8. März in Dresden in einer Diskussion mit dem Dichter Durs Grünbein unter anderem gesagt, mehr als 95 Prozent der Migranten flüchteten nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kämen, "um in die Sozialsysteme einzuwandern". Der Suhrkamp-Verlag, bei dem 2008 Tellkamps Bestseller "Der Turm" erschien, distanzierte sich daraufhin von seinem Autor.

Ausgangspunkt der Debatte war die sogenannte "Charta 2017", die sich im vergangenen Jahr gegen den Ausschluss rechter Verlage von der Buchmesse ausgesprochen hatte. Darin wird unter anderem vor einer "Gesinnungsdiktatur" gewarnt. Tellkamp gehörte zu den Erstunterzeichnern.

"Empörungsspiel"

Pörksen kritisierte auch eine Reaktion des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), der sich vor den Dresdner Schriftsteller stellte. Auf Twitter schrieb Kretschmer: "Ärgerlich ist die schon wieder beginnende Stigmatisierung." Pörksen sagte der Zeitung, diese Aussage setze "das von Reflexen gesteuerte Empörungsspiel einfach nur fort".

Eine Ursache für teilweise überhitzte öffentliche Debatten ist für den Medienwissenschaftler das Internet. Das Netz erlaube die "Sofort-Konfrontation mit anderen Ansichten - und wirkt hintergründig als Eskalationsverstärker", erklärte Pörksen.