Frankfurt a.M. (epd). Als der Komponist Frédéric Chopin 1849 an Tuberkulose starb, war die Krankheit noch ein großes Rätsel. 1924, als der Schriftsteller Franz Kafka der "Schwindsucht" erlag, waren die Forscher dem Erreger schon seit einigen Jahrzehnten auf der Spur. Bis wirksame Medikamente bereitstanden, dauerte es aber bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Seitdem ist die Tuberkulose heilbar - eigentlich. Doch noch immer ist sie für jährlich etwa 1,7 Millionen Todesfälle verantwortlich, das sind nahezu 5.000 jeden Tag.
Dafür gibt es vor allem drei Gründe: Armut und katastrophale Lebensverhältnisse, das tödliche Zusammenspiel mit dem Aids-Virus und dass die Medikamente in zunehmendem Maße gar nicht mehr wirken. "Inzwischen gibt es Erreger, die gegen alle bekannten Medikamente resistent sind", erklärt die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) zum Welt-Tuberkulose-Tag am 24. März. "Diese gefährlichste Form der resistenten TB ist bisher weder erforscht noch behandelbar. Sie endet in circa 60 Prozent aller Fälle tödlich."
Menschengemacht
Die Resistenzen sind vom Menschen gemacht. Wenn die Behandlung mit einem Cocktail aus mehreren Antibiotika nicht wie vorgeschrieben über Monate hinweg regelmäßig durchgehalten wird, können Tuberkulose-Bakterien überleben und Widerstand gegen die Medikamente aufbauen. Bei den weltweit rund 10,4 Millionen TB-Erkrankungen im Jahr 2016 machte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fast einer halbe Million Fälle aus, in denen die zwei wichtigsten der vier Antibiotika aus dem Standard-Therapie-Mix nicht mehr wirkten. In Deutschland waren es laut dem Robert-Koch-Institut bei knapp 6.000 Erkrankungen mehr als 100, bei fast 400 weiteren Patienten hatte zumindest ein Medikament seine Schlagkraft verloren.
Tuberkulose zählt noch immer zu den zehn häufigsten Todesursachen. Mehr als 95 Prozent der TB-Todesfälle hat die WHO laut ihren aktuellsten Zahlen dabei in Entwicklungs- und Schwellenländern registriert. Vor allem in Afrika südlich der Sahara spielt die Immunschwächekrankheit Aids den Tuberkulosebakterien in die Hände: Ist das Immunsystem geschwächt, können die leicht angreifen. TB sei einer der "Haupt-Killer" bei HIV-positiven Menschen, erklärt die WHO: 40 Prozent aller Todesfälle bei HIV-Patienten seien 2016 auf das Konto der Tuberkulose gegangen, also bei etwa 400.000 Menschen.
Auslöser Hunger
Neben schwächenden Krankheiten sind es oft unsägliche Lebensbedingungen, die den TB-Bakterien Tür und Tor öffnen. Ein Viertel bis ein Drittel der Menschheit trägt nach Schätzungen den Erreger in sich, im Normalfall ist das aber kein Problem, die Krankheit bricht nicht aus. Hunger und Mangelernährung jedoch reißen die Barriere ebenso nieder wie immenser Stress - etwa bei Krieg und Flucht. Auch katastrophale beengte Wohnverhältnisse wie in den Slums der Megastädte begünstigen die TB, die sich durch Tröpfcheninfektion verbreitet.
Bekannt und am häufigsten ist die Lungentuberkulose, aber auch andere Organe können befallen sein. Dann ist die Diagnose schwieriger. Doch dass die Krankheit rechtzeitig erkannt wird, ist auch eine Voraussetzung für ihre erfolgreiche Bekämpfung. Gerade in armen Ländern ist hier noch viel Spielraum nach oben.
Auch in Deutschland bleibt die Tuberkulose ein ernstes Problem. "Die häufig zu lesende Aussage 'Die Tuberkulose kehrt zurück' ist nicht korrekt", betont das Robert-Koch-Institut. "Denn auch in Deutschland war die Tuberkulose nie verschwunden, wenngleich sich die Erkrankungszahlen seit Mitte der 1990er Jahren mit damals über 12.000 Fällen heute mehr als halbiert haben." 2016 waren es 5.915 Erkrankungen, darunter 233 Kinder unter 15 Jahren. 100 Menschen konnten nicht gerettet werden.
Wettlauf mit der Zeit
Bei immerhin einem Viertel der Diagnosen handelte es sich laut RKI um in Deutschland geborene Patienten. "Unter diesen sind besonders Menschen betroffen, die sich meist in den Kriegs- und Nachkriegsjahren mit dem Tuberkulose-Bakterium infiziert haben und im höherem Alter, oft begünstigt durch immunschwächende Begleiterkrankungen, eine Tuberkulose entwickeln", erklärt das Institut.
Genau 136 Jahre nachdem Robert Koch das Tuberkulose-Bakteriums entdeckte, ist die Wissenschaft wieder im Wettlauf mit der Zeit. Über Jahrzehnte hinweg habe die Forschung die Tuberkulose sträflich vernachlässigt, beklagt das RKI. Auch bei den neuen Medikamenten, die bei Resistenzen zum Einsatz kommen, klafft eine große Lücke: Für Patienten in armen Ländern seien sie kaum bezahlbar, betont die DAHW. "So sterben Menschen, weil sie arm sind."