Frankfurt a.M. (epd). "Hattest du schon einmal richtig Panik wegen des Klimawandels?", "Fühlst du dich beim Thema Klimawandel unverstanden?", "Wird dir wegen der Klimakrise manchmal alles zu viel?". Wer diese Fragen mit "Ja" beantworte, leide vielleicht unter "Klimaangst", so heißt es in einem Selbsttest im Internet. Zugegeben, Fachpersonen haben ihn nicht erstellt. Das Phänomen wird aber unter Experten durchaus ernst genommen.
"Der Klimawandel ist eine große Bedrohung und das macht vielen Menschen zu Recht Angst", sagt Peter Zwanzger, erster Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Angstforschung. Aus medizinischer Sicht sei "Klimaangst", wie diese Sorge in sozialen Medien und Blogs oft genannt wird, aber kein Fachausdruck.
"Dass sich dieser Terminus umgangssprachlich entwickelt hat, zeigt, wie sehr Menschen dieses Thema bewegt", sagt der Psychiater, der in Wasserburg am Inn praktiziert. Erstmals beschrieben wurde das Phänomen schon vor rund zehn Jahren. Die American Psychological Association (Apa) definiert es als "eine chronische Angst vor dem ökologischen Untergang".
Warnung vor "Pathologisierung"
Psychiater und Klimaaktivist Felix Peter aus Stuttgart warnt: Durch den "undifferenziert verwendeten" Begriff der "Klimaangst" könne es zu einer "Pathologisierung der Klimabewegung" kommen. "Die Menschen, die sich engagieren, zeigen im Gegenteil eine sehr gesunde und angemessene Reaktion auf die Bedrohung durch den Klimawandel", betont er. Denn er bedeute eine dauerhafte Veränderung der Lebensbedingungen.
Dass Bedenken um die Folgen des Klimawandels viele Menschen umtreiben, zeigen jüngste Studien. Das amerikanische Pew Research Centre befragte im Sommer Menschen in 14 Ländern zu ihren aktuell größten Sorgen. In Deutschland wurde der Klimawandel am häufigsten genannt, noch vor Cyberattacken, Atomwaffen, Terrorismus und der Ausbreitung von Infektionskrankheiten.
Mediziner Zwanzger betont den Unterschied zu einer wirklichen Angsterkrankung. Eine solche belaste das Leben der Betroffenen stark. Bei Panikerkrankungen überfalle die Angst Menschen "auf heimtückische Art und Weise", meist mit starken körperlichen Begleiterscheinungen wie Herzklopfen. Haben Patientinnen und Patienten eine generalisierte Angststörung, machten sie sich den ganzen Tag Sorgen. "Im Unterschied zu gesunden Menschen können sie aber nicht mehr abschalten, was sich dann massiv auf ihr Alltagsleben und ihre Arbeit auswirkt." Dass sich infolge der Sorge um den Klimawandel solche Erkrankungen entwickelten, sei aber "äußerst selten".
Angst kann auch Energie liefern
Neurologe Felix Peter ist auch Mitglied der "Psychologists for Future", die die Ziele der Klimabewegung "Fridays for Future" unterstützen. Mit wissenschaftlich-psychologischen Erkenntnissen will die Gruppe dazu beitragen, dass die Politik mit "angemessenen Konsequenzen" auf die Klimakrise reagiert. Peter schätzt die Zahl der Menschen, die in Deutschland durch den Klimawandel derzeit psychisch besonders stark belastet sind, "auf einen niedrigen einstelligen Prozentsatz".
Dazu gehörten Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen oder Personen mit psychischen Vorerkrankungen. Auch Forschende oder Aktivistinnen und Aktivisten, die sich besonders stark mit der Bedrohung auseinandersetzen, sowie Menschen, die etwa in der Landwirtschaft von einer funktionierenden Umwelt abhängig seien, seien stärker betroffen.
Angst muss nicht lähmen, sie kann auch Energie liefern, für Veränderungen zu kämpfen. "Die Menschen könnten zu Demonstrationen gehen oder sich anderweitig politisch engagieren", sagt Peter. Generell helfe, mit der Familie und Freunden darüber zu sprechen, welche Sorgen man habe und was sich ändern lasse. Auf der individuellen Ebene könne man überlegen, wie man sich klimafreundlicher verhalten könne. "Das kann aber nicht das Ende sein", betont Peter. "Wir warnen davor, den gesamten Druck auf Individuen zu verteilen, die das Problem gar nicht allein lösen können."
Auch Angstforscher Zwanzger fordert, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. Angst werde durch Unvorhersehbarkeit gestärkt. Es sei daher eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, so viel wie möglich über den Klimawandel herauszufinden "und den Menschen Sicherheit zu geben".