Das Online-Verhalten und diverse Dokumente des Synagogen-Attentäters von Halle offenbaren erneut dessen tiefe antisemitische und rechtsextremistische Gesinnung. Mehrere Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) sagten am 26. August vor dem in Magdeburg tagenden Oberlandesgericht Naumburg aus, dass die ausgewerteten Dateien voll mit nationalsozialistischen, antisemitischen, homophoben und frauenfeindlichen Inhalten waren. Zudem soll Stephan B. Internetforen genutzt haben, in denen anonym derartige Inhalte geteilt werden. In einem dieser sogenannten Imageboards soll auch der Attentäter von Christchurch (Neuseeland) glorifiziert worden sein, den Stephan B. offenbar nachahmen wollte.

Eine weitere Zeugin, die Schulleiterin der Grundschule, an der die Mutter von B. als Ethiklehrerin gearbeitet hatte, berichtete von Hinweisen, die erst im Nachhinein ein erschreckendes Bild ergeben hätten. Sie habe nach dem Anschlag erfahren, dass die Mutter zu einer Kollegin gesagt haben soll: "Ich habe große Angst, dass bald etwas Schlimmes passiert." Aus Äußerungen der Mutter habe sie geschlossen, dass B. eher rechtsextremistisch eingestellt sei.

Bezüge zu Christchurch

Zwei BKA-Beamte berichteten über die Auswertung von Dateien, die sich unter anderem auf dem Computer und einem USB-Stick des Angeklagten befanden. Die Dokumente enthielten klare Bezüge zum Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch am 15. März 2019 mit 51 Toten, Bezüge zum Nationalsozialismus, Bilder mit drastischen Gewaltdarstellungen, von Deportierten, die in Gaskammern geführt werden sowie von japanischen Comic-Figuren mit NS-Hintergrund. Zudem wurde Musik mit antisemitischen, gewaltverherrlichenden und rassistischen Texten gefunden.

In der zuständigen Ermittlungsgruppe beim BKA waren zeitweise bis zu 270 Beamte eingesetzt, erklärte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft. Nebenklagevertreter beklagten indes Wissenslücken bei den Zeugen vom BKA oder fehlende Zuständigkeiten, die sich in den Befragungen offenbarten. So verwies ein Ermittler im Zeugenstand mehrfach auf seinen begrenzten Aufgabenbereich. Eine andere BKA-Beschäftigte, die einen Bericht zum Gaming-Verhalten von Stephan B. anfertigen sollte, konnte nur wenige Aussagen zum Inhalt der Videospiele machen, da sie selbst "keine Gamerin" sei.

"Wenig Sachkenntnis"

Ein Zwischenruf der Nebenklagevertreterin Kati Lang sorgte für lauten Applaus im Saal. Sie plädierte dafür, damit aufzuhören, den Anschlag als wirre Einzeltat darzustellen. Es sei auch Aufgabe des Gerichts, über die Hintergründe des Antisemitismus in Deutschland aufzuklären. Die Aussagen der BKA-Zeugen bewertete sie anschließend als von "erschreckend wenig Sachkenntnis geprägt".

Stephan B. hatte am 9. Oktober 2019 einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt, zwei Menschen erschossen und weitere verletzt. Die Bundesanwaltschaft hat ihn wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiteren Straftaten angeklagt. Mit Sprengsätzen und Schusswaffen wollte er in die abgeschlossene Synagoge gelangen, um möglichst viele Juden zu töten. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hielten sich dort 52 Gläubige auf. B. droht bei einer Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem kommt eine anschließende Sicherungsverwahrung in Betracht.