Düsseldorf (epd). Fünf Jahre nach dem Satz "Wir schaffen das" von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der nordrhein-westfälische Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) die damalige Entscheidung zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge verteidigt. Er habe die Aufnahme der Menschen, die im Sommer 2015 in Ungarn gestrandet waren, "damals als richtige und notwendige humanitäre Maßnahme wahrgenommen", sagte Stamp dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Anders als von rechten Kreisen behauptet war das ja auch keine Grenzöffnung, sondern ein Selbsteintrittsrecht nach der Dublin-III-Regelung."
Allerdings seien kommunikative Fehler gemacht worden, kritisierte Stamp. Dazu zählten auch die Selfies, die Merkel mit Flüchtlingen gemacht habe. In vielen Ländern sei dies von Schleppern als Propaganda-Instrument missbraucht und als Generaleinladung verkauft worden: "Das ist der Kanzlerin kommunikativ völlig entglitten."
Zum großen Flüchtlingszuzug habe jedoch ein anderer Fehler geführt, der bereits ein Jahr zuvor begangen worden sei, betonte der FDP-Politiker: "Zugesagte Hilfsgelder für die Anrainerstaaten Syriens, die große Mengen von Flüchtlingen versorgt haben, wurden nicht wie vereinbart ausgezahlt." Dadurch sei es zu drastischen Kürzungen bei der Versorgung der Flüchtlinge gekommen, die sich deswegen dann auf den Weg nach Europa gemacht hätten.
Minister erwartet baldige Lösung für Moria
Der Flüchtlingsminister erwartet eine baldige Verbesserung der katastrophalen Zustände im griechischen Flüchtlingslager Moria. "Die Bundesregierung sollte den Anspruch haben, unter der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands das wilde Camp um Moria, den sogenannten Dschungel, aufzulösen", sagte Stamp. Bis Ende des Jahres hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne.
Er habe die griechische Regierung bei einem Besuch mit Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) Anfang August als sehr lösungsorientiert erlebt, sagte Stamp. "Wir müssen jetzt sehen, dass ein bestimmtes Kontingent - das muss man aushandeln - von der EU aufgenommen wird und der andere Teil in eine neue Einrichtung auf dem griechischen Festland kommt." Dann könnten die Menschen so verteilt werden, "dass anständige Verhältnisse herrschen". Eine europäische Einigung werde "nicht daran scheitern, dass Nordrhein-Westfalen noch einige Menschen mehr in einem geordneten und gut organisierten Prozess aufnimmt", versicherte der FDP-Politiker.
Über die Bereitschaft einiger Städte und Kommunen zur Aufnahme Geflüchteter über die festgelegten Quoten hinaus sagte Stamp, er erwarte von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eine Videokonferenz mit den Bundesländern zum Austausch über eine gemeinsame Bereitschaft zur Aufnahme. Seehofer und Außenminister Heiko Maas (SPD) hätten dann die Möglichkeit, in Europa zu verhandeln, welche anderen Ländern "mitgehen". So könnte europaweit ein zweiter Umverteilungsprozess von besonders Schutzbedürftigen in Gang kommen. Das Bundesinnenministerium hatte im Juli angekündigt, rund tausend Kinder und ihre Familie aus dem überfüllten Lager Moria aufzunehmen, 220 von ihnen kommen nach NRW.
"Es kann aber dabei nicht richtig sein, dass Einzelkommunen glauben, sie könnten eine eigene Aufnahmepolitik machen", kritisierte Stamp. Er habe "auch ein Stück Bigotterie" in diesem Zusammenhang erlebt. So hätten Kommunen teilweise im Zusammenhang mit Moria oder Seenotrettung öffentlich zugesichert, dass sie bereit seien, zusätzlich Menschen aufzunehmen. "Gleichzeitig habe ich aber auch Zuschriften aus eben jenen Kommunen bekommen, in denen darum gebeten wurde, dass ihnen nicht so viele Personen aus den zentralen Unterbringungseinrichtungen zugewiesen werden sollten", sagte der Integrationsminister.