Düsseldorf (epd). Die Christdemokraten im Europaparlament wollen den "Green Deal" der EU-Kommission auf Eis legen und Maßnahmen für ein klimaneutrales Europa von der Entwicklung der Wirtschaft abhängig machen. "Wir müssen die Industrie stabilisieren, bevor wir sie in eine klimaneutrale Zukunft führen", sagte der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), den Zeitungen der Funke Mediengruppe (27. Juni). Vertreter von SPD, Grünen und Kommunen kritisierten den Vorstoß und erklärten, Wirtschaftspolitik und Klimaschutz müssten Hand in Hand gehen.
Weber nannte es "Gesetzgebung im Blindflug", den "Green Deal" der EU-Kommission in der Corona-Krise umzusetzen, als wäre nichts geschehen. Die europäische Wirtschaft befinde sich im freien Fall. Angesichts der schwersten Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren müsse zunächst bewertet werden, wie es der europäischen Wirtschaft gehe und welche neuen Auflagen sie verkraften könne. "Erst danach sind neue Regelungen zum Klimaschutz denkbar."
Kritik von SPD, Grünen und Kommunen
Grünen-Chefin Annalena Baerbock kritisierte diese Haltung als unverantwortlich. "Es ist brandgefährlich, wenn wir mitten in einer Krise die Augen vor der nächsten Krise verschließen", sagte sie den Funke-Zeitungen (29. Juni). Die Milliarden, die jetzt angesichts der Corona-Pandemie in Europa in die Hand genommen würden, müssten nachhaltig investiert werden: "Sie müssen die Wirtschaft klimaneutral umbauen, damit Arbeitsplätze krisensicher und zukunftsfest bleiben."
Auch der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans betonte, "zurück in die alte Spur" sei weder für die Wettbewerbsfähigkeit Europas noch für den weltweiten Klimaschutz ein Rezept für die Zukunft. Die wirtschaftlichen Herausforderungen der Corona-Krise müssten als Chance für massive Investitionen in zukunftssichernde Infrastrukturen und einen entschlossenen technologischen Aufholprozess begriffen werden, sagte er den Funke-Blättern.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnte ebenfalls davor, die Klimaschutz-Anstrengungen zurückzustellen. "Der jetzt einsetzende Reform- und Umstrukturierungsprozess der Wirtschaft muss genutzt werden, um mehr Nachhaltigkeit und mehr Klimaschutz in den Unternehmensstrategien umzusetzen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen. "Das ist genau das, was die deutliche Mehrheit der Menschen erwartet."
Merkel bekräftigt Klimaschutzziele
Die EU-Kommission will Europa mit dem "Green Deal" bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Das bisherige Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasen bis 2030 gegenüber 1990 soll nach dem Willen der Kommission zudem auf 50 bis 55 Prozent erhöht werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am 25. Juni bekräftigt, dass der Klimaschutz im Mittelpunkt der sechsmonatigen deutschen EU-Ratspräsidentschaft stehen werde, die am 1. Juli beginnt. Auch in ihrem wöchentlichen Videopodcast nannte sie den Klimaschutz als ein zentrales Thema. Im Pariser Klimaabkommen von 2015 hatten sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, ihre Ziele zur Minderung von Treibhausgasen in diesem Jahr noch einmal zu verschärfen.