Domenico D'Alessandro hat in der warmen Jahreszeit kurze Nächte. Früh morgens schon steigt er hinab in den Keller seiner Eisdiele. Alle Zutaten sind gerichtet: Die Erdbeeren fein geschnitten, die gerösteten Pistazien gehackt, die selbst gemachten Soßen angerührt. Dann wirft der 56-Jährige seine zwei Eismaschinen an. Eine Stunde lang dauert es, bis die cremige Masse fertig ist. Sechs bis zwölf Stunden muss sie danach reifen. "Bei schönem Wetter halten 200 Liter etwa ein bis zwei Tage", sagt der Eismann. Die Kunden stehen Schlange vor seiner Eisdiele auf dem Marktplatz im badischen Bruchsal-Heidelsheim, auf Abstand und mit Mund-Nasen-Schutz.

D'Alessandro ist einer von rund 5.500 Inhabern einer Eisdiele in Deutschland. Noch immer sind die meisten fest in italienischer Hand. Der Nordbadener mit italienischen Wurzeln hält die handwerkliche Kunst des Eismachens stolz hoch. "Ich stelle so viele Zutaten wie möglich selbst her und verwende nur natürliche Rohstoffe", versichert er. Seit 33 Jahren betreibt er sein Eiscafé gemeinsam mit seiner Frau Andrea, die drei Töchter helfen zeitweise mit.

Nachwuchsprobleme

Das kleine Café mit den Bistrotischen ist ein typischer Familienbetrieb, so wie Tausende Eisdielen, die ab den 1960er Jahren im ganzen Land von Italienern gegründet wurden. Doch viele der alteingesessen Betriebe befinden sich in einem existenzbedrohenden Wandel, ihre Zahl sinkt seit Jahren: Die erste und zweite Generation der "Gelatieri" geht in den Ruhestand, oft fehlt der Nachwuchs.

Viele Jüngere wollen sich den aufreibenden und oft wenig rentablen Job nicht antun und verkaufen die Betriebe, etwa an große Eisdielen-Ketten. Auch gibt es immer mehr Eisdielen, die nicht mehr selbst Speiseeis produzieren, sondern es von großen Herstellen einkaufen - designtes Masseneis, das geschmacklich kaum an handgemachtes Speiseeis herankommt.

Für den gelernten Bäcker Domenico D'Alessandro, dessen Großvater in der 1960er Jahren aus der Apeninnenregion Molise nach Deutschland kam, ist das Eismachen ein Lebenswerk. "Man muss Idealist sein", sagt er. Rohstoffe wie Milch kauft er im Großmarkt, das frische Obst bezieht er von einem regionalen Landwirtschaftsbetrieb. In seiner Sieben-Tage-Woche stehen Domenico und Andrea D'Alessandro bis abends an der Theke ihres Eiscafés.

Es sind die "Klassiker", die Jung und Alt bis heute besonders schmecken, sagt D'Alessandro und zählt auf: Erdbeer, Vanille, Schokolade, Nuss, Zitrone, Joghurt. "Diese Geschmacksrichtungen haben sich von klein auf bei uns eingeprägt." Anregungen für neue Eiskreationen oder zur Produktionstechnik holt sich der Eismacher wie viele seiner Kollegen bei der alle zwei Jahre in Stuttgart im Frühjahr stattfindenden Fachmesse "Gelatissimo". Dort können das Fachpublikum, aber auch private Eisliebhaber manch abgedrehte Geschmacksrichtung selbst probieren: Speiseeis mit Gorgonzola-Walnuss-Feige-Geschmack oder Rote Bete mit schwarzem Pfeffer etwa.

Mehr "Schnickschnack"

Die Kunden bestellten mehr mit "Schnickschnack" wie mit Schokostreuseln garniertes Eis, nennt D'Alessandro einen Trend der vergangenen Jahre. Verstärkt werde aus gesundheitlichen Gründen auch gluten- und laktosefreies Eis nachgefragt. Ob er sich die auf der "Gelatissimo" präsentierten biologisch abbaubaren Eisbecher anschafft, um Plastikabfall zu verringern, überlegt er noch: "Die sind sehr teuer."

Der Eismann Luca Graziano Frignani, der aus dem norditalienischen Ferrara kommt und zwei Eiscafés in Graben-Neudorf und Oberhausen im Landkreis Karlsruhe besitzt, lässt sich auch durch religiöse Feiertage zu neuen Eissorten inspirieren. Von Zeit zu Zeit bietet der 58-Jährige Speiseeis an, das auf Rezepten von Desserts beruht, die Gläubige an christlichen oder muslimischen Festtagen zubereiten.

Zum Beispiel Baklava-Eis: Die Nuss-Honig-Schnitten sind bei vielen Muslimen besonders in der Zeit des Ramadan beliebt. Kunden aus Russland wiederum hätten sich begeistert gezeigt von seinem Pascha-Eis, erzählt er. Die Süßspeise, die auch als "Russischer Osterquark" bekannt ist, gönnen sich orthodoxe Christen üblicherweise nur einmal im Jahr zur Osterzeit.

Sechs Monate Saison

Bis zu 18 Stunden täglich ist Frignani auf den Beinen, um sein Eis herzustellen und es zu verkaufen. Bis auf Aushilfen im Eisverkauf macht er alles selbst. Eigentlich, so merkt Frignani an, müsste der gängige Preis von einem Euro pro Eiskugel deutlich höher sein. In sechs Monaten müsse er Geld genug verdienen, um mit seiner Familie über das ganze Jahr zu kommen: "Die Kosten für Material, Strom, Pacht steigen immer weiter." Dennoch will er die Tradition des guten Eismachens so lange weiterführen, wie es geht. "Es bringt dem Herzen etwas", sagt er.

Und was ist Frignanis persönlicher Favorit unter den mehr als 30 Sorten in seiner Eisdiele? Der Eismacher muss nicht lange nachdenken: "Rocher-Eis."